Chemie in der Neuzeit
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Die Chemie in der Neuzeit ist in der Geschichte der Chemie der Abschnitt, von dem an sich aus antiker Probierkunst und Alchimie im Zuge der Aufklärung eine Naturwissenschaft gebildet hat, die im Anschluss an die industrielle Revolution das Alltagsleben in Neuzeit und Moderne immer mehr beeinflusst und geprägt hat.
Das 17. und 18. Jahrhundert: Hypothesen, Experimente und Methoden – ein Beispiel beginnender wissenschaftlicher Forschung
Aus der religiösen Erkenntnissuche der Alchimisten (die geglaubte Wirklichkeit müsse sich in der Natur wiederfinden lassen) wurde im 17. und 18. Jahrhundert die Chemie als empirisch forschende Wissenschaft geboren. Das soll am Beispiel des Phänomens „Feuer“ verdeutlicht werden:
Georg Ernst Stahl (1659–1734) erstellte 1697 im Rückgriff auf Thomas von Aquin und Aristoteles die „Phlogiston“-Theorie („Phlogiston“ = das Brennbare, enthalten in allen „verkalkbaren“, d. h. brennbaren Stoffen). Der „Brennbarkeitsstoff“ – das Phlogiston – verlässt demnach mit dem Rauch in der Flamme (griechisch: Phlox) brennende Körper und geht über die Luft in Blätter und Hölzer über. Durch das Erhitzen eines kalzinierten Metalles (mit „Metallkalk“ waren Metalloxide gemeint) mit dem Lötrohr auf Holzkohle, so sein Argument – könne das Phlogiston von der Holzkohle wieder an den Körper zurückgegeben werden, der Metallkalk werde von der Holzkohle „phlogistiniert“ und das Reaktionsprodukt (Metall) sei daher wiederum brennbar.
Joseph Priestley, der 1774 per Brennspiegel Quecksilberoxid in das Metall und ein Gas verwandelte, war von der Phlogistontheorie so überzeugt, dass er das von ihm entdeckte Gas daher „dephlogistierte Luft“ nannte.
Lavoisier untersuchte 1775 diesen Vorgang nun messend mit der Waage und stellte fest, dass bei der Zerlegung des Quecksilberoxids in Metall und „dephlogistierte Luft“ die Masse konstant blieb – dass also aus verbrennenden Körpern kein Stoff austritt (Phlogiston), sondern dass Luft hinzutritt. Er konnte seine ohne das „Phlogiston“ auskommende Theorie (Hypothese) experimentell beweisen: Ohne Luft findet keine Verbrennung statt, und wenn man Metalle, Phosphor und Schwefel verbrenne, werden deren Produkte durch das Hinzutreten der Luft schwerer. Dieses Experiment konnte jeder Zweifler beliebig oft messend wiederholen – die Chemie und ihre Methode des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns aus Hypothese und Experiment war geboren.
Das 18. Jahrhundert: Anfänge der wissenschaftlichen Theorien-Bildung in der Chemie
Mit den ersten, durch Experimente messend belegbaren bzw. bewiesenen Theorien Lavoisiers 1775 begann die Karriere der wissenschaftlichen Chemie. Nach Lavoisiers Entdeckung der „Oxidation“ (als Reaktion mit Luft) und des Gesetzes der Erhaltung der Masse bei chemischen Reaktionen (1775) durch die experimentelle(!) Widerlegung der Phlogistontheorie Stahls erkannte Lavoisier nämlich sehr bald, dass seine „dephlogistierte Luft“ mit dem von Henry Cavendish entdeckten Gas Wasserstoff zu Wasser reagieren konnte (1783): Wasser also konnte nicht, wie die Griechen gelehrt hatten, ein chemisches Element sein, denn es ließ sich mit glühendem Eisen wieder zu Wasserstoff und dem nun an Eisen gebundenen Sauerstoff zerlegen (Wiederum eine Widerlegung falscher Hypothesen durch das Experiment! Reaktionsschema: H2O + Fe → FeO + H2).
1784 definierte Lavoisier Element daher neu als „chemisch unzerlegbaren Grundstoff“ und fand mit Hilfe der Waage, dass Gold und andere Metalle, Phosphor, Schwefel und Wasserstoff solche Elemente sein mussten. Da nun in „dephlogistierter Luft“ verbrannte Nichtmetalle schwerer werden und mit Wasser sogleich zu Säuren reagierten, erkannte er das bei der Quecksilberoxidzerlegung herstellbare Gas als Element und nannte es „Sauerstoff“. Statt „Vitriolöl“ hieß die bisher aus Vitriol hergestellte Säure nun „acide sulphurique“ (Schwefelsäure). Dank der Einführung von Waage und Thermometer als Messinstrument, des Experimentes als Beweismittel und der genialen Neudefinition der Begriffe Element und Oxidation konnten Proust nun das Gesetz der konstanten Masseproportionen entdecken: In chemischen Verbindungen verbinden sich die Elemente immer in gleich bleibenden Masse-Verhältnissen miteinander. Verbindungen konnten also nicht beliebig komponierbare Stoffgemische sein, ihr Entstehen war zahlenmäßig beschreib- und beweisbaren Naturgesetzen unterworfen.
Dann entdeckte John Dalton das Gesetz der multiplen Proportionen in chemischen Verbindungen: Bilden zwei Elemente mehrere verschiedene chemische Verbindungen miteinander, so stehen deren Masse-Verhältnisse zueinander im Verhältnis kleiner, ganzer Zahlen (Beispiel: Rotes Kupferoxid enthält immer genau doppelt so viel Kupferanteile wie schwarzes Kupferoxid, vgl. unter Summenformel). Der Grund für diese einfachen Zahlenverhältnisse konnte nach Dalton nur darin liegen, dass es nicht kontinuierlich immer kleinere Mengen (Portionen) in den Elementen gab. Nie gab es kontinuierliche Übergänge, sondern auf der Ebene kleinstmöglicher Stoffportionen Grenzen und immer nur diskontinuierliche Übergänge zwischen den Verhältnissen. Ähnlich wie sich die kleinsten Teilmengen einer Menschenansammlung oder eines Sandhaufens immer nur in ganzzahligen Verhältnissen voneinander unterscheiden können – nämlich eben durch mindestens eine Person bzw. ein Sandkorn – , musste es auch bei den Stoffen sein. Der Grund also konnte nur sein, dass es tatsächlich die von Demokrit vermuteten unteilbar kleinsten Stoffportionen, die Atome gab (die sich dann auch nur in bestimmten Proportionen kleiner, ganzer Zahlen z. B. zu Verbindungen wie die beiden Kupferoxide, aber auch zu CuS und Cu2S oder zu FeO und Fe2O3, zu PbO und PbO2 bzw. Pb3O4 usw. verbinden konnten): Daltons Atomhypothese war geboren.
Bei der Untersuchung von Gasen entdeckten Avogadro und Johann Josef Loschmidt, dass gleiche Gasvolumina unter gleichen Bedingungen immer die gleiche Anzahl von Gasteilchen enthielten – unabhängig von der Art des Gases. Durch Vergleiche wurden so die Massen einzelner Atome berechen- und vergleichbar: Sauerstoffteilchen mussten immer sechzehnmal schwerer sein als Wasserstoffteilchen – und so weiter. Nachdem Jöns Jakob Berzelius dann diese relative Atommassen für alle damals bekannten Elemente bestimmen konnte, konnten so auch die alchimistisch-astrologischen Symbole durch die moderne Zeichensprache der Chemie ersetzt werden: Statt Sonne und Mond, männlich und weiblich, diffuser alchimistisch-magischer Ausdrücke wie „Salmiakgeist“, „Vitriolöl“ und „Weingeist“ oder „Lebenswasser“ standen für viele Stoffe nun internationale Kürzel für Elementatome und Zahlen, Summenformeln, die eindeutig die Verbindung und gleichzeitig die hierin gefundenen, für ihre Herstellung (Synthese) erforderlichen Atomzahlenverhältnisse wiedergaben (als Gehaltsangaben für Stoffmengen).
Nun war voraussagbar, ja, im Voraus berechenbar, wie sich neue Stoffe herstellen ließen. Mendelejew entdeckte zudem, dass die Stoffeigenschaften der nach der Atommasse geordneten Elemente sich periodisch wiederholten. Er ordnete die Elemente in ein Periodensystem und sagte sogar voraus, dass ein Element „Eka-Silizium“ mit ganz bestimmten Eigenschaften demnächst entdeckt werden müsste. Als das dann tatsächlich geschah – das Element Germanium wurde entdeckt – war Mendelejews Aussage ein eindrucksvoller, triumphaler Beweis für die Effizienz wissenschaftlicher Arbeitsweisen, – so eindrucksvoll, dass bald eine Wissenschaftsgläubigkeit aufkam (der Positivismus), die die Züge einer religionsfeindlichen „Ersatzreligion“ aufwies. Nach Dalton waren die Atome in einem Element immer von bestimmter Form und Masse und vermutlich rund. Nach der Entdeckung der Radioaktivität beschoss Ernest Rutherford eine hauchdünne Goldfolie mit radioaktiven Teilchen. Fast alle flogen hindurch, und nur wenige wurden abgelenkt. Es war gerade so, als ob er per Schrotflinte auf eine Wand aus fast leeren Pappkartons gefeuert hätte: Die Kartons schienen höchstens kleine Kieselsteine zu enthalten, die die Schrotkügelchen ablenkten. So entdeckte Rutherford experimentell, dass diese Atome fast nur aus leerer Hülle bestanden – im Zentrum aber kleine, massive Kerne enthielten. Niels Bohr konnte nachweisen – wiederum experimentell –, dass die Atomhülle Elektronen enthielt, der Atomkern massive Protonen und Neutronen. Pauli entdeckte ein Prinzip, nach dem sich die Elektronen in der Hülle mit gewissen Wahrscheinlichkeiten in verschiedenen Aufenthaltsbereiche (Orbitalen) aufhielten – und Heisenberg wies schließlich nach, dass es niemals möglich sein wird, Aufenthaltsort und Geschwindigkeit im quantenphysikalischen „Diskontinuum“ subatomarer Teilchen gleichzeitig zu bestimmen bzw. festzulegen („Unschärferelation“).
Das 19. Jahrhundert: Chemische Entdeckungen in der Anfangszeit wissenschaftlich arbeitender Chemie
Im 18. und 19. Jahrhundert war die Chemie zu einer Wissenschaft geworden – und ihre Kenntnisse und Fertigkeiten wurden immer mehr auch in der Technik eingesetzt. Ihr theoretisches Fundament baute sich dabei immer mehr auf die kleinstmöglichen Stoffportionen der Elemente und ihrer Verbindungen auf – die Atome und Moleküle. Nicht ganz vierzig Jahre, nachdem 1766 Henry Cavendish (er lebte 1731–1810) in der Chemie die Entdeckung der „brennbaren Luft“ (Wasserstoff als Element) gelang, die man später in der Raumfahrt als Raketentreibstoff nutzte, begründete der im selben Jahr geborene John Dalton (1766–1844) 1803 die chemischen Atomtheorie (Beginn der modernen Chemie): Er formulierte das Gesetz der multiplen Proportionen, definierte den Element- und Atombegriff neu, entdeckte Farbblindheit und Wetterphänomene, unterschiedliche Stickoxide, eine neue Familie von Moosen (die Daltoniaceae), das Gesetz der Partialdrücke in Gasgemischen und erstellte eine erste Atomgewichtstabelle (erstes Ordnungsschema und Symbole für Elemente; 1808 Veröffentlichung der Atomhypothese in: „A New System of Chemical Philosophy“). Auch Amedeo Avogadro half 1811 von der Chemie her, Sterne als Kugeln aus Gas näher zu verstehen (Seine Molekulartheorie über ein ideales Gasvolumen von 22,48 L/mol; bald auch erste Berechnung der Anzahl der Moleküle pro Gasvolumen: 6,023 x 1023 Teilchen pro Mol); und 1815 wurden erste Vermutungen Joseph Louis Prousts bekannt, dass alle Atomgewichte ein Vielfaches des Wasserstoffatoms darstellen.
Der neuen, revolutionären Atomtheorie in der Chemie stand bald eine revolutionäre Erkenntnis in der Biologie zur Seite: 1859 publizierte Charles Darwin sein Werk „Über die Entstehung der Arten“ und hierin seine 1831–’36 auf einer Weltumseglung gewonnenen Erkenntnisse über Evolution und Selektion im Pflanzen- und Tierreich (inkl. der These, Affe und Mensch haben gemeinsame Vorfahren).
Neben der „Botschaft“ der Fossilien wurde jedoch nun auch die der Atome sichtbar: 1859 entdeckten Robert Wilhelm Bunsen und Gustav Robert Kirchhoff die Methode der Spektralanalyse / Spektroskopie: Der Nachweis bestimmter Atome bzw. Salze durch Flammenfärbung und später auch im Sonnenspektrum mit seinen Fraunhoferschen Linien wurde möglich – und 1860 wurden so Rubidium und Cäsium entdeckt, 1861 Thallium, 1863 Indium und 1868 im Sonnenspektrum das Element Helium (schon 1865 wurden die 1814 entdeckten Fraunhoferschen Linien im Sonnenspektrum als Nachweis der Elemente H, Na, Mg und Fe auf der Sonne erkannt): Selbst unerreichbar ferne Himmelskörper wurden somit chemisch analysierbar.
Das 20. Jahrhundert (I): Spätneuzeitliche Chemie
Die Entdeckung der Spektralanalyse von Fraunhofer, Bunsen und Kirchhoff kann sicherlich als der Beginn einer neuen Epoche der Chemie- und Astronomiegeschichte gewertet werden: 1904 fanden Hartmann erste Hinweise auf die Existenz interstellarer Materie (Spektrallinien von Calcium, H- und K-Linie, und Natrium, D-Linie). Die Spektralanalyse ermöglichte es den Astronomen in dieser Zeit, erstmals den „Lebenslauf“ von Fixsternen nachzuzeichnen (1907 Ejnar Hertzsprung’s Arbeit über die Spektralklassifikation und „Lebensdauer“ der Fixsterne; 1913 führte das Henry Norris Russell zu seiner Theorie über den „Lebenslauf“ der Sterne – als Hertzsprung-Russell-Diagramm, HRD bekannt – nach Entdeckung der Perioden-Helligkeits-Beziehung bei den Cepheiden der magellanschen Wolke (1912, durch Henrietta Swan Leavitt).
Neben der Theorie machte auch die Praxis – die großtechnische Produktion der chemischen Industrie – nun gewaltige Fortschritte – auch wenn es immer wieder zahlreiche Chemieunfälle gab (vgl. Abbildung): Immer größere Mengen an Stoffen wurden produziert.
Doch auch im Hinblick auf das Allerkleinste, aus dem sich Materie aufbaut, wurden in diesen Jahren bedeutsame chemische, physikalische und astronomische Fortschritte im Verständnis der Materie und des Kosmos gemacht. Es war 1924, als Louis de Broglie – und mit ihm auch Erwin Schrödinger, Werner Heisenberg u. a. – den Welle-Teilchen-Dualismus entdeckten (Wellenlänge = Wirkungsquantum h / Impulsbetrag p , experimentell erst 1927 von Davisson und Germer an Elektronenstrahlen bestätigt); auf dieser Grundlage entwickelten sich alsbald Schrödingers Wellenmechanik, Heisenbergs Matrizenrechnung, seine Unschärferelation (Ort und Impuls nie gleichzeitig genau festlegbar) und das wellenmechanische Atommodell, das nun das Bohrsche Atommodell vom Atom als „Planetensystem“ aus Atomkern und Elektronenbahnen ersetzte (1925 entwickelte Wolfgang Pauli diesbezüglich das „Pauli-Prinzip“ zur Deutung des Periodensystems über Elektronenzustände im Atom, 1932 gelangen Chadwick und Anderson die Entdeckung des Neutrons (Chadwick stellte es aus der Reaktion von Berylliumatomkernen mit Alphastrahlung aus Heliumatomkernen dar, Anderson gelang der Nachweis des Positrons (als Antielektron, e+). Mitte des 20. Jahrhunderts schließlich wurde der Atomkern spaltbar: Otto Hahn entdeckte die Kernspaltung. Neben der chemischen Energie (die Reaktionsenthalpie aus chemischen Reaktionen) wurde nun auch die Kernenergie nutzbar – Kernkraftwerke kamen zu den Wind-, Wasser- und Kohlekraftwerken hinzu.
Das 20. Jahrhundert (II): Die „Moderne“ – Chemie im Zeitalter der Labor- und Raumfahrttechnik
Die Chemiegeschichte im 20. Jahrhundert verschmilzt immer mehr mit der Geschichte der Entdeckungen und Erfindungen in der Produktions- und Analyse-Technik (Chemische Industrie, Materialforschung, Qualitätskontrolle) sowie der Nachbarwissenschaften (Biochemie und Biologie, Kernphysik und Physikalische Chemie, Geochemie und Geologie, Nanotechnologie usw.).
Am Beispiel der Nachbarwissenschaft der Astronomie am Ende des 20. Jahrhunderts sei diese Entwicklung hier kurz dargestellt:
Rund 40 Jahre nach der Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn entdeckte man 1977/78 erstmals organische Moleküle in den Fernen des Weltalls (der interstellaren Materie: z. B. Essigsäure, Methylcyan, Aminomethan, Wasser, Ethanol usw./ radioastronomischer Hinweis auf eine mögliche chemische Evolution!?), und die unbemannte Raumfahrt stieß an die Grenzen unseres Sonnensystems (1979/1980 mit Pioneer XI, Voyager II: Entdeckung zahlreicher Jupiter- und Saturnmonde und spektroskopische Analyse der Jupiteratmosphäre, Erstfotografie und -durchflug des Saturnringes, 1984, Pioneer X: Erste Plutobahn-Passage einer Raumsonde (Gestartet 1972, Bahnpassage genauer: 25. April 1983?). Die Sonden waren bestückt mit chemischen Analysegeräten (Interferometrie, Spektroskopie und Spektralanalyse, Gaschromatographie, Nephelometrie usw.).
Für die Kosmologie und Physik und ihre Theorien vom Urzustand der Materie (bzw. des Welle-Teilchen-Dualismus derselben) bedeutsam waren z. B. zwei physikalisch-chemische Entdeckungen des Jahres 1998: Aus Konstanz wurde die Herstellung eines ersten Bose-Einstein-Kondensates gemeldet: Atome in Rubidiumgas, auf ein Hundertmilliardstel Kelvin abgekühlt, zeigen Welleneigenschaften, ihre quantenphysikalische Wellenlänge übersteigt dabei die Atomkerndurchmesser, und im Forschungszentrum Jülich hatte man erste „Quantentöpfe“ synthetisiert: Sind dies mögliche Transistorbauelemente, in die jeweils nur einzelne Elektronen passt (Durchmesser: 500 nm), können quantenphysikalische Erscheinungen bei Chip-Verkleinerungen in atomare Bereiche die Elektronik ersetzen?
Ausblick: Chemie im 21. Jahrhundert
Es wird ständig weiter geforscht, auch im 21. Jahrhundert. Eine vollständige, chronologische Auflistung aller neuen, bedeutsamen Entdeckungen auch nach dem Jahr 2000 wird kaum möglich sein: Die Verdoppelungsrate des menschlichen Wissens in Naturwissenschaft und Technik sank zum Jahrtausendwechsel auf etwa 3,65 Jahre. Hiervon profitiert auch die Chemie – nicht nur in Form der Entdeckung vieler –zig neuer chemischer Verbindungen jedes Jahr.
Chronologie neuzeitlicher Entdeckungen in der Chemie
Renaissance
- Um 1530/Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim): Begründung der „Iatrochemie“ (Probierglaschemie statt bisheriger Alchimie)
- Um 1550/Prinz Chuo-ting unter Mitarbeit des Jesuiten Matteo Ricci alias Li Ma-Tou (1552–1610): Das Lehrbuch „Pentsao kang mu“ erscheint mit Beschreibung von über 2000 Tier- und Pflanzenarten, Grundlagen der Pharmazie, der Pockenimpfung (etwa gleichzeitig wirkte in Europa der Arzt und Astrologe Nostradamus, gestorben 1556/57)
- 1556, 21. November / Georgius Agricola: Tod des Agricola, er verfasste das Buch „De re metallica“, ein erstes Lehrbuch über Bergbau und Mineralogie inkl. Metallgewinnung (Hüttenwesen / Metallurgie); kannte u. a. Zink, Bismut und über 100 diverse Salze
- 1597/Andreas Libavius: In Frankfurt erscheint das erste Chemielehrbuch über die Gewinnung von Mineralsäuren, Pottasche (aus Weinstein und Salpeter), Ammoniumsulfat (aus Ammoniak alias „spiritus urinae“ und Schwefelsäure) und den analytischen Nachweis von Kupfer (mit Ammoniak), die Mineralwässer-Analyse, Lötrohrprobe u. a.
- 1600/William Gilbert/Johan Baptista van Helmont: Gilbert prägt bei der Untersuchung des Magnetismus erstmals das Wort „Elektrizität“, v. Helmont entdeckt „Liquor silicium“ (wasserlösliches Kaliumsilikat)
17. Jahrhundert
- 1620/Torquet de Mayerne: Entdeckung des Knallgases (Beschreibung der Explosion der aus Eisen und Schwefelsäure entstehenden „Luftart“ (Wasserstoffgas)
- 1630/Angelus Sala: Entdeckung der Eigenschaft mancher Pflanzenfarbstoffe, in Gegenwart von Säuren Farbumschläge zu zeigenm („Indikatoren“: rote Rosen, Kornblumen, blaue Violen, Rotkohlfarbstoff, Lackmus u. a.)
- 1643/Evangelista Torricelli: Entdeckung des Luftdruckes, Erfindung des Quecksilberbarometers
- 1648/ Johan Baptista van Helmont: Entdeckung, dass ein chemisch reagierendes Stoffgemisch „an Substanz nichts verlieret“ (Gesetz von der Erhaltung der Masse, v. Helmont) und erste Prägung des Begriffes „Gas“ (von „Chaos“)
- 1651/Johann Rudolph Glauber, ca. 1604–1670): Glaubers Buch „Furni novi philosophici“ erscheint: Bericht der Entdeckung der Holzessigherstellung, von „gelbrotem Öl“ (Phenol), Benzol, dem „mineralischen Chamäleon“ (Verschmelzung von Braunstein und Salpeter zu Permanganat) und der Salzbildung aus Metall + Säure (1655 erstes Chemieunternehmen)
- 1661/‘62/Robert Boyle: Entdeckung der Methanolherstellung aus Holz (1661) und des Gasgesetzes für isotherme Zustandsänderungen (p x V = const.)
- 1669/Brand: Entdeckung des Phosphors (Trockendestillation von Harnrückständen)
- 1676/Edme Mariotte: Entdeckung des Gasgesetzes für isobare Zustandsänderungen V1 = V0 (1 + T1 : 273 °C) (später als Gasgesetz von Boyle und Mariotte: p x V / T = const.)
- 1677/Kunckel: Entdeckung des Knallquecksilbers, des Goldrubinglases, der „Gewichtslosigkeit“ von Hitze, Kälte und Luft (Wärme wird als nichtstofflich verstanden!)
- 1697/Stahl: Phlogistontheorie: Feuer sei das Entweichen des Feuerstoffes „Phlogiston“, Anordnung der Metalle nach ihrer „Dephlogistierbarkeit“ (Oxidierbarkeit)
18. Jahrhundert
- 1704/09/Johann Friedrich Böttger und von Tschirnhaus: Entdeckung der Techniken zur Porzellanherstellung
- 1735/Brandt: Entdeckung der Elemente Chlor und Cobalt
- 1738/Bernoulli: Erste kinetische Gastheorie
- 1749/Watson; Pierre-Joseph Macquer: Entdeckung des Platins (Watson) und der Herstellung von Gelbem Blutlaugensalz (Macquer, aus Berliner Blau und Kalilauge)
- 1750/Roebuck: Beginn der Schwefelsäureherstellung in Bleikammern
- 1751/Diderot und d’Alembert: Erscheinen der ersten Enzyklopädie (Aufklärung, Bildung für alle – auch in der Chemie)
- 1766/Henry Cavendish, 1731–1810: Entdeckung der „brennbaren Luft“ (Wasserstoff als Element)
- 1769/Carl Wilhelm Scheele, 1742–1786: Entdeckung der Weinsäure aus Weinstein (und somit anschließend Entdeckung der optischen Isomerie); Scheele entdeckte zudem 1771 die Flusssäure und das Siliziumtetrafluorid
- 1772/D. Rutherford, J. Priestley und C. W. Scheele: Entdeckung der „phlogistierten Luft“ („Azote“, Stickstoff, durch Rutherford und / oder Priestley) und der „Feuerluft“ (Sauerstoff, Scheele, durch „Destillation“ von Quecksilberoxid oder Salpeter mit Sand)
- 1773/Rouelle und Priestley: Entdeckung des Harnstoffes (Rouelle) und des „Lachgases“ Distickstoffmonoxid (Priestley; er entdeckte 1774 zudem unabhängig von Scheele die „dephlogistierte Luft“, d. h. den Sauerstoff)
- 1774/75/C. W. Scheele;J. Priestley;Antoine Laurent Lavoisier, 1743–1794: Scheele entdeckt die „Phlogistierungsgrade“ (Oxidationsstufen) von Eisen und Kupfer sowie das Element Chlor („dephlogistierte Salzsäure“) und den Arsenwasserstoff, Priestley das Schwefeldioxid, Mangan, später Molybdänsäure (1778), Oxal-, Zitronen-, Arsen- und Blausäure; Lavoisier erkennt Verbrennungsvorgänge erstmals als Sauerstoffaufnahme (Oxidation) und 1775 dessen Notwendigkeit für die Atmung; er wies zudem das Prinzip von der Erhaltung der Masse nach und erkannte Luft erstmals als ein Stoffgemisch
- 1775/Conradi/Erstisolation eines Steroides (Cholesterin, C27H45OH) aus Gallensteinen
- 1780–1783/C. W. Scheele, 1742–1786, und Henry Cavendish, 1731–1810: Entdeckung der optisch aktiven Milchsäure aus der Lactose-Vergärung des Streptococcus lactis 1870 durch Scheele; ihm gelingt 1783 die Erstherstellung von Glyzerin aus Olivenöl und Blausäure aus Berliner Blau, 1781/84 Cavendish die von „künstlichem“ Wasser
- 1782/Aimé Argand: Erfindung der ersten Gaslampe mit Luftzufuhr
- 1785/Henry Cavendish: Entdeckung der Edelgase (1/120stel der Luft); Scheele entdeckt die Äpfelsäure,
- 1786/ F. C. Achard: Erfindung der Zuckergewinnung aus Zuckerrüben
- 1772–1789/ Antoine Laurent de Lavoisier (hingerichtet 8. Mai 1794 per Guillotine): Begründung des Gesetzes von der Erhaltung der Masse, Einführung der Waage als Messinstrument in die Chemie, Erfindung des Eiskalorimeters, Einführung der Theorie über die Oxidation (Anfänge der modernen Chemie als Naturwissenschaft)
- 1791/Nicolas Leblanc, 1742–1806: Erste künstliche Herstellung von Soda (Wichtiger Chemierohstoff für Färber, Gerber, Seifensieder und Glasmacher; Erstherstellung aus dem aus Meersalz und Vitriolöl hergestellten Glaubersalz sowie aus Kreidekalk und Kohle; großtechnische Fabrikation ab 1791
- 1793/Richter: Beginn der Stöchiometrie (Entdeckung des Gesetzes der chemischen Äquivalenz = Gleichwertigkeit; erste Stoffumsatzberechnungen; Lehrbuch: „Anfangsgründe der Stöchiometrie oder Messkunst der chemischen Elemente“)
- 1798, 4. Dezember / Luigi Galvani, B. Thompson: Entdeckung elektrochemischer Elemente (galvanische Elemente, Vorläufer der Batterien und Akkumulatoren) und der Umwandlung von Reibungsenergie in Wärme (Thompson, beim Kanonenrohr-Bohren)
19. Jahrhundert
- 1803/John Dalton, 1766–1844: Begründung der chemischen Atomtheorie (Beginn der modernen Chemie): Dalton formuliert das Gesetz der multiplen Proportionen, definiert den Element- und Atombegriff neu, entdeckt Farbblindheit und Wetterphänomene, unterschiedliche Stickoxide, eine neue Familie von Moosen (die Daltoniaceae), das Gesetz der Partialdrücke in Gasgemischen und erstellt eine erste Atomgewichtstabelle (erstes Ordnungsschema und Symbole für Elemente); 1808 Veröffentlichung der Atomhypothese in: „A New System of Chemical Philosophy“.
- 1806, 23. August / Charles Augustin de Coulomb/ Humphry Davy, 1778–1829: Tod Coulombs, er begründete die Elektrizitätslehre, Davy begründete die Elektrochemie, er entdeckt 1806 die Elektrolyse (zudem Kohlenmonoxid, Lachgas, ab 1807 mit Hilfe einiger Batterien von Volta-Säulen Natrium, Kalium, Barium, Strontium, Calcium, Magnesium, Bor, die Wirkung von Opferelektroden zur Korrosionsschutz, Grubenlampen u. a. (sein „Lehrjunge“: Michael Faraday)
- 1807/Jöns Jakob Berzelius, 1779–1848: Aufkommen des Begriffes „Organische Chemie“, Einführung der chemischen Symbolsprache (Summenformeln, Elementsymbole), Erfindung der Spritzflasche, Bechergläser, des Filterpapiers und Schmelztiegels, des Scheidetrichters, der „Eprouvette“ (Probier- bzw. Reagenzglas), Aufbau der Grundlagen der Analytischen Chemie; Entdeckung der Elemente Silizium, Cer, Selen und Thorium und der Phänomene Isomerie und Katalyse
- 1809/Joseph Louis Gay-Lussac, 1778–1850 und Louis Jacques Thénard: Entdeckung der Chlorknallgaszündbarkeit durch Belichtung (Anfänge der Photochemie); Proust veröffentlicht 1810 das Gesetz der konstanten Proportionen, Klaproth ein Werk über Mineralienanalyse
- 1811/Amedeo Avogadro: Molekulartheorie (Ideales Gasvolumen: 22,48 L/mol; bald auch erste Berechnung der Anzahl der Moleküle pro Gasvolumen);
- 1815: erste Vermutung Prousts, dass alle Atomgewichte ein Vielfaches des Wasserstoffatoms darstellen
- 1813/18 / Jöns Jakob Berzelius: Erste genaue Atomgewichtsbestimmungen und Beweise zum Gesetz der konstanten Proportionen
- 1816/Williams: Erstisolierung von Isopren aus Naturkautschuk, CH2=C(CH3)-CH=CH2 als natürlicher Polymerbaustein
- 1819/Dulong und Petit: Entdeckung des Gesetzes der Konstanz der „Atomwärme“ (im Jahr zuvor Entdeckung von Wasserstoffperoxid, Selen, Lithium und Cadmium)
- 1820/Pelletier und Cavenou: Erstentdeckung eines Alkaloids (Chinin C20H24N2O2 aus Chinarinde); Henri Braconnot isoliert erstmals eine Aminosäure (Glycin/Leucin aus Leim)
- 1823/Michael Faraday,1791–1867, und Johann Wolfgang Döbereiner, 1780–1849: Erste Verflüssigung eines Gases (Chlorgas); Döbereiner entdeckt die Katalyse am Platin und baut hierzu die „Feuermaschine“ (erstes Gasfeuerzeug), Chevreul stellt erstmals die Buttersäure her, Jöns Jakob Berzelius das Element Silizium
- 1824/J. Aspdin: Erster künstlicher Zement (Portlandzement)
- 1826/Georg Simon Ohm, Joseph Nicéphore Niepce: Entdeckung des Ohmschen Gesetzes (Spannung U = Stromstärke I x Widerstand R); Konstruktion erster Bitumenfilme für Vorläufer erster Fotos (Belichtungszeiten noch 8–10 Stunden)
- 1827/Alexandre Dumas, Friedrich Wöhler, Alessandro Volta: 1. Molekulargewichtsbestimmung für Flüssigkeiten (Dumas), Entdeckung des Berylliums und Aluminiums (Wöhler; aus Aluminiumchlorid und Kalium); Tod Voltas (5.3.)
- 1828, 22. Januar / Friedrich Wöhler, 1800–1882: Erste künstliche Herstellung von Harnstoff: „Ich... muss ...sagen, dass ich Harnstoff machen kann, ohne dazu Nieren ... nötig zu haben“ („Pisseharnstoff“ aus Kaliumcyanat und Ammoniumsulfat); Begründung der modernen Organischen Chemie unter Aussparung der „Lebenskraft“ (vis vitalis)
- 1830/Alexandre Dumas: Erste Methode zur qualitativen Stickstoffbestimmung in organischen Stoffen
- 1830/Wackenroder: Erstgewinnung von Carotin (C40H56)
- 1833/Michael Faraday: Entdeckung der Faradayschen Gesetze der Elektrolyse (m ist proportional zu Q, also unabhängig von T, c und U ; 1 „Äquivalentmasse“ (val) entspricht etwa 96.490 Coulomb)
- 1834/Lenz: Entdeckung des Lenzschen Gesetzes (der Induktionsstrom ist stets so gerichtet, dass er der Ursache des Induktionsvorganges entgegenwirkt)
- 1834/G. F. Runge: Entdeckung des Anilins im Steinkohlenteer (Chlorkalkreaktion von Teerdestillat), Laurent entdeckt 1837 die Eigenart der Phenole
- 1838/Goodyear, Mosander, Fr. Appert: Entdeckung der Gummiherstellung (Vulkanisation von Kautschuk), der Elemente Lanthan und Didym (in Cererde); Tod Apperts, der die Konservierung von Lebensmitteln entdeckte („Konservendose“)
- 1841/Christian Doppler, H. Hess, Zinin: Entdeckung des akustischen Dopplereffektes, Begründung der Thermochemie (H.Hess). Zinin entdeckt im Indigo („Anil“) das Anilin sowie dessen Herstellbarkeit aus Nitrobenzol, Salzsäure und Zink
- 1842/J. R. Mayer: 1. Hauptsatz der Wärmelehre („Thermodynamik“, Gesetz von der Erhaltung der Energie). Helmholtz folgerte hieraus 1847 die Erhaltung der Kraft (Unmöglichkeit eines pepetuum mobile)
- 1850/Strecker: Erste künstliche Herstellung von Aminosäuren
- 1853/Johann Wilhelm Hittorf, R. von Bunsen: 1. Bestimmung der Wandergeschwindigkeit von Ionen (Hittorf, 1853 bei der Elektrolyse) und erste schmelzelektrolytische Gewinnung von Aluminium, Lithium und Chrom (Bunsen 1854)
- 1855/R. von Bunsen, Mohr: Konstruktion des Bunsenbrenners, erstes Lehrbuch über „chemisch-analytische Titriermethoden“ (mit graduierten Pipetten, Oxalsäure, Mohrschem Salz, Iod und Sulfit als Titerlösungen)
- 1856/Henry Bessemer, gest. 1898: Erfindung der „Bessemerbirne“ und somit Rationalisierung der Stahlgewinnung durch das Windfrischverfahren
- 1858/Eichhorn, Erlenmeyer und Couper: Entdeckung des Ionenaustausches an natürlichen Zeolithen (Eichhorn) und Einführung der Bindestrichschreibweise für Valenzen in chemischen Strukturformeln (Erlenmeyer/Couper)
- 1859/R. W. Bunsen, G. R. Kirchhoff: Entdeckung der Spektralanalyse / Spektroskopie: Nachweis bestimmter Atome/Salze durch Flammenfärbung. 1860 werden so Rubidium und Cäsium entdeckt, 1861 Thallium, 1863 Indium und 1868 im Sonnenspektrum das Element Helium (1865 wurden die 1814 entdeckten Fraunhoferschen Linien im Sonnenspektrum als Nachweis der Elemente H, Na, Mg + Fe auf der Sonne erkannt).
- 1861/Butlerow: Erstherstellung künstlichen Zuckers (optisch inaktiver Sirup aus Kupferhydroxid und Paraformaldehyd)
- Um 1863/Solvay, Fr. Bayer, Martius, Lucius, Meister, Wurtz, Fittig, Béchamp, Engelhorn u. a.: Gründung wichtiger Chemie-Unternehmen mit neuen Produktionstechniken: Ammoniak-Soda-Verfahren (Solvay), Teerfarbenfabrikation (Bayer in Leverkusen, Farbenwerk von Lucius und Meister in Hoechst), erste basische Azofarbstoffe (C.Martius), Wurtz-Fittig-Synthese für Alkylbenzole, Arsanilsäuresynthese von Béchamp. 1865 Gründung der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik (BASF) durch Engelhorn
- 1865 (bzw. 1835/40–1873)/Justus Freiherr von Liebig, 1803–1873: Entdeckung des Düngewertes von Abraumsalzen, Beginn der Agrikulturchemie; von Liebig entdeckte das Chloroform, entwickelte zudem die Elementaranalyse, die Chloralherstellung, das Backpulver, die Silberspiegelfabrikation (1835), „Patentdünger“ (s.o.), „Fleischtrank“ („Liebigs Fleischextrakt“ gegen Hungerkrankheiten) und Kaffeeextrakt („Pulverkaffee“)
- 1865/Loschmidt; Kékulé: 1. Berechnung der Molekelzahl in 1 cm³ Gas (zu ca. 2,76 x 1013) über Ölsäureglyzerinester = „Triolein“, 884 g/mol; C3H5(C17H33COO)3 ; Kekulé findet die richtige Strukturformel für Benzol (C6H6)
- 1866/67/68/Werner von Siemens, C.L.Shole, S.W.Soule, C.S.Glidden, Alfred Nobel, G. Westinghouse, 1846–1914: Erfindung der Dynamomaschine (v. Siemens), der Schreibmaschine (Shole/Soule/Glidden) und des Dynamits (auf Kieselgur fixiertes Nitroglyzerin in Stangenform; Nobelstiftung: Preise ab 1901), 1868 auch der Druckluftbremse (Westinghouse);
- 1867/Guldberg / Waage, A. W. Hofmann: Entdeckung des Massenwirkungsgesetzes (MWG), Erstherstellung von Dewarbenzol (Bicyclo-2.2.0-hexadien-2.5) und Formalin (aus Methanol und Sauerstoff am Cu-Kontakt/600 Grad Celsius durch Hofmann)
- 1869/Dmitri Iwanowitsch Mendelejew, V. Meyer: Entwicklung des Periodensystems der Elemente (PSE) und Mendelejews Voraussage etwaiger Eigenschaften noch unbekannter Elemente (Ga, Sc, Ge, entdeckt 1875-’86)
- 1873/Johannes Diderik van der Waals: Entdeckung der van-der-Waals-Zustandsgleichung für Gase (Entdeckung der Kontinuität von Gas- und Flüssigkeitszustand)
- 1874/84/87/Jacobus Henricus van 't Hoff: Erste Theorie über die tetraedrische Anordnung um optisch aktive C-Atome und Voraussage stereoisomerer Ethenderivate (1887 von Wislicenus gefunden: Malein- und Fumarsäure)
- 1877/Pictet und Cailletet, Friedel und Craft, O. Fischer, Butlerow: Erste Verflüssigung permanenter Gase, zugleich Einführung der Thomasbirne in der Stahlherstellung, Entdeckung der Synthesemethode für Alkylbenzole (Friedel-Crafts-Alkylierung), der Malachitgrünfarbstoffe (O. Fischer) und der Tautomerie (Butlerow)
- 1882/August Freund: Erstherstellung von Cyclopropan (Intramolekulare Wurtzsynthese: Allylchlorid + Peroxid + HBr/Zn reagieren zu: Cyclopropan + ZnClBr), im Jahr zuvor Entwicklung des Hoffmann-Abbaus der Säureamide (mit NaOBr)
- 1883/84/Van’t Hoff: Einführung des Begriffes „maximale Arbeit“ für die Affinität einer Reaktion (1883) und des Modelles von der Tetraederstruktur opt. Aktiver C-Atome
- 1884/François Marie Raoult: Entdeckung der Gesetze und Methoden zur Molekulargewichtsbestimmung gelöster Stoffe (Kryoskopie = Gefrierpunktserniedrigung / GPE, Ebullioskopie = Siedepunktserhöhung/SPE)
- 1885/Carl Benz, Carl Auer von Welsbach, van’t Hoff, Ostwald, Adolf von Baeyer, Kolbe und Schmitt, Moissan, Winkler: Erfindung des 1. Benzinautos (mit Petroleum), des Gasglühlichtes (v. Welsbach), der Gesetze zur Osmose (van’t Hoff) und des Zusammenhanges des elektrischen Leitvermögens einer Säure mit der Säurestärke (Ostwald) sowie des Butadiins (v. Baeyer). Erstsynthese von Salicylsäure (Kolbe-Schmitt-Synthese, aus Natriumphenolat und Kohlendioxid) sowie 1886 von Fluor (Moissan) und Germanium.
- 1887/Svante Arrhenius, Gabriel, Claysen, Michael: Theorie der elektrolytischen Dissoziation (Arrhenius), Erstherstellung künstlicher Aminosäuren und Amine (Gabriel), erste Esterkondensation (Claysen) und Entdeckung der Michael-Addition an aktivierte C=C-Bindungen)
- 1896/Becquerel: Entdeckung der Radioaktivität von Uranerzen
- 1898/Fam. Curie, Ramsay: Entdeckung der Elemente Polonium und Radium (in Pechblende) sowie Krypton, Xenon und Neon
- 1899, 16. August / Rob. Wilh. Bunsen: Tod Bunsens; entdeckte die Spektralanalyse (mit Kirchhoff), Caesium, Rubidium, erfand die Wasserstrahlpumpe und das Eiskalorimeter
20. Jahrhundert
- 1902/Ostwald, Sabatier und Senderen: Entdeckung der katalytischen Ammoniakverbrennung zur Salpetersäureherstellung (Großtechnisch ab 1913, Ostwald) und der Methansynthese aus Synthesegas (Wasserstoff und Kohlenmonoxid, Sabatier + Senderen); 1903 Entdeckung der Peptidsynthese nach E. Fischer
- 1908/Fritz Haber, Carl Bosch, H. Anschütz-Kaempfe: Entdeckung der katalytischen Hochdrucksynthese von Ammoniak (Haber, 1909 von Bosch zur großtechnischen Ammoniakproduktion erweitert)
- 1907/Leo Hendrik Baekeland: Erster Kunststoff (Bakelit aus Phenol + Formalin)
- 1909/F. Hofmann, Sörensen, Millikan, Braun: Erstsynthese eines Elastomers (aus 2,3-Dimethyl-butadien, Hofmann), Einführung des pH-Begriffes (Sörensen), Millikans Tröpfchenversuch mit erstmaliger Bestimmung der Elementarladung (nach Erfindung der Braunschen Röhre, 1909, in der Elektronenstrahlen (= Betastrahlung) durch Magneten umgelenkt und so negative Ladungen der Elektronen erstmals nachgewiesen wurde)
- 1910/Soddy: Einführung des Begriffes Isotop (und 1911 Erstsynthese von Cyclooctatetraen, Willstätter)
- 1911/Kamerlingh-Onnes, Geiger und Nuttal, Rutherford: Entdeckung der Supraleitfähigkeit (Kamerlingh-Onnes), der Reichweitebeziehung für ionisierende Strahlung (Geiger + Nuttal) und der Masse und Ladung der Atomkerne (Rutherfordscher Streuversuch)
- 1912/Max von Laue, V. F. Hess, Wilson, Van den Broek, Moseley, Niels Bohr, Bragg: Erste Kristallstrukturanalyse mit Hilfe von Röntgenstrahlung: von Laue entdeckt die Interferenz der Röntgenstrahlung an Kristallgittern und damit die Röntgenbeugung; Ordnungs- und Kernladungszahl der Atome hängen zusammen (Van den Broek), diese mit der Wellenzahl der K(Alpha)-Röntgenlinie der Elemente (Moseleysches Gesetz) sowie das Bohrsche Atommodell (aus Elektronen- und Quantentheorie) und der Zusammenhang von Gitternetzebenenabstand und Glanzwinkel (Bragg-Gleichung)
- 1913/Friedrich Bergius, Langmuir: Entdeckung eines Verfahrens zur Kohleverflüssigung (Bergius, erste großtechnische Gewinnung von Crackbenzin), Erfindung der Argon-gefüllten Wolframdrahtleuchte (Langmuir, „Glühhbirne“)
- 1916/Gilbert Newton Lewis, Kossel, Debye, Scherrer: Elektronenvalenztheorie homöopolarer Verbindungen (Lewis), Elektronenaffinität heteropolarer Verbindungen (Kossel), erste Analyse von Röntgen-Pulverdiagrammen (Debye, Scherrer)
- 1919/Rutherford: Erste künstliche Kernreaktion (Stoßumwandlung, Stickstoffatom plus Alphateilchen ergeben Sauerstoff und Proton / Nebelkammer)
- 1922/Fischer, Tropsch: Erste Hochdrucksynthese von Benzin (Fischer-Tropsch-Synthese, aus Synthesegas: Kohlenmonoxid und Wasserstoff)
- 1924/Louis de Broglie, Davisson, Germer, Erwin Schrödinger, Werner Heisenberg: Entdeckung des Welle-Teilchen-Dualismus (Wellenlänge = Wirkungsquantum / Impulsbetrag, experimentell erst 1927 von Davisson und Germer an Elektronenstrahlen bestätigt); auf dieser Grundlage entwickeln sich Schrödingers Wellenmechanik, Heisenbergs Matrizenrechnung, seine Unschärferelation (Ort und Impuls nie gleichzeitig genau festlegbar) und das wellenmechanische Atommodell
- 1925/Pauli: Entdeckung des Pauli-Prinzips und Deutung des Periodensystems über Elektronenzustände im Atom
- 1927/Aschheim, Zondek: Entdeckung des weiblichen Sexualhormons Östron (C18H22O2)
- 1929/Brønsted, H.Fischer, K.Zeile, Haworth: Brønsted definiert den Säure-Begriff neu („Protonendonator“), Haworth den der Konformation (stereochemisch); Erstsynthese des Blutfarbstoffes Hämin (C34H32FeN4O4+Cl−)
- 1932/Windaus: Entdeckung des D-12-Vitamins durch Ergosterin-Photolyse (und der Carbobenzoxy- oder CbO-Methode zur Peptidsynthese, Schutz der Endgruppe)
- 1934/Butenandt: Erstisolation des männl. Sexualhormons Androsteron (C19H30O2, aus Männerharn)
- 1936/Brockmann, W. M. Stanley: Erstisolation von D-3-Vitamin (aus Lebertran, Brockmann) und kristalliner Viren (Tabakmosaikvirus, ein reines Nukleoprotein mit DNA, W. M. Stanley)
- 1937/Perrier + Segré, Tiselius, Frank + Tamm, Huggins/Perrier + Segré: Entdeckung des Technetiums, Tiselius: Erfindung der Elektrophorese, Frank + Tamm: Erstdeutung der Cerenkovstrahlung, Huggins: Entdeckung der Wasserstoffbrücken
- 1941/42/Martin, Synge: Erfindung der Verteilungschromatographie
- 1945/Sanger: Entdeckung der DNP-Methode zur Sequenzanalyse von Polypeptiden (Eiweiße, Proteine); 1947 gelingt so die Strukturaufklärung des Insulins
- 1950/Wiberg, Bauer: Entdeckung von Magnesiumwasserstoff
- 1951, 14. November: Erste Kunstfaser-Textilfabrik (Krefeld)
- 1952/James + Martin: Erster Gaschromatograph (GC)
- 1953/Watson, Crick: Entdeckung der Doppelhelixstruktur der Desoxyribonukleinsäure (DNA)
- 1954/55/Calvin, Bensson: Aufklärung des Photosynthesezyklus
- 1956/Ziegler, Natta: Erste stereospezifische Polymerisation (isotaktisches Propylen)
- 1962/N. Bartlett: Erstsynthese einer Edelgasverbindung (Formel: Xe(PtF6), kurz danach auch von XeF4)
- 1969: Erste Phenolharz- und Kohlenstofffasern
- 1970, 3. Juni / Har Gobind Khorana: Erstes künstlich erzeugtes Gen (Beginn der Gentechnologie in der Biochemie/Biotechnologie)
- 1973/R. B. Woodward, A. Eschenmoser: Erstsynthese von B-12-Vitamin (Cobalamin), Aufbau in über 90 Synthesestufen (Tagesbedarf: 0,001 mg); Erste Autoabgas-Katalysatoren (Lambdasonde mit Platin, General Motors/Chrysler)
- 1975, 1.4.: Entdeckung der Gefährdung des Ozonmantels der Erde durch Treibgas („Ozonloch“ durch FCKWs); erste Erzsuche in der Tiefsee
- 1975, 1. Juni: Erstentdeckung von DDT in Muttermilch
- 1978 (ca.): Erstentdeckung organischer Moleküle in interstellarer Materie (z. B. Essigsäure, Methylcyan, Aminomethan, Wasser, Ethanol usw./ radioastronomisch)
- 1982/H. G. Ebner: Ersteinsatz erzabbauender Mikroben; April 1985 Ersteinsatz von Pseudomonas-Methanbakterien zum Kohleabbau (in 2000 m Tiefe)
- 1989, 18. Februar: Entdeckung der Ozonschichtschädigung am Nordpol; die am 4. Mai 1989 begonnene Ozonkonferenz in Helsinki beschließt die Begrenzung des FCKW-Ausstoßes und ein Produktionsstopp bis 2000
- 1997/Horst Schmidt-Böcking u. a.: Entwicklung einer hochauflösenden Hochgeschwindigkeits-Videokamera zur Sichtbarmachung atomarer Vorgänge und Reaktionen (dynamisches Videomikroskop)
- 1997/Klaus Müllen: Erste „molekulare Drähte“ (Polymere mit konjugierten C=C-Doppelbindungen mit elektr. Leiterstruktur; Zugleich erste Halbleiterchip-Implantation in Käfer zur Aufspürung biologischer Signale (bzw. Käfer als „Biosensoren“ in elektrischen Schaltkreisen),
- 1999: Entwicklung völlig neuartiger und z.T. biotechnologischer Hybridmaterialien (z. B. synthetische Muskeln oder lichtemittierende Polymere), Entdeckung der „Spin-Elektronik“ (evtl. Entwicklung stromloser Arbeitsspeicher).
Literatur
- Wilhelm Strube: „Der historische Weg der Chemie“, Band I, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1984 in 4. Aufl., ISBN ./., VLN 152-915/81/84
- Ernst F.Schwenk: „Sternstunden der Chemie. Von Johann Rudolph Glauber bis Justus von Liebig“, Verlag C.H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-42052-4
- Heinz Haber: „Der Stoff der Schöpfung“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1968, ISBN 3-49916625-9
- Lucien F. Trueb: Die chemischen Elemente. Ein Streifzug durch das Periodensystem. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7776-1356-8
- Michael Wächter: Stoffe, Teilchen, Reaktionen. Verlag Handwerk und Technik,Hamburg 2000, S. 1-5,10+11 ISBN 3-582-01235-2