28. Vertiefung der Atombindung
Die Elektronenformeln der Atome lassen sich zu Molekülen vieler bekannter chemischer Verbindungen kombinieren und bei bekannter atomarer Zusammensetzung von kleinen Molekülen der molekulare Aufbau einer Verbindung vorhersagen. Um zu einer Valenzstrichformel eines Moleküls zu gelangen, werden einsame Elektronen (Punkte) zu bindenden Elektronenpaaren (Striche) kombiniert oder Elektronenpaare (Striche) zwischen Atomen so verschoben, dass die Oktettregel erfüllt wird. Dabei sind auch Doppelbindungen und Dreifachbindungen zwischen zwei Atomen möglich (siehe auch: Lewisschreibweise).
Mehrfachbindungen
Atome können nicht nur ein gemeinsames Elektronepaar haben, auch durch mehrere gemeinsame Elektronenpaare können die Atome verbunden werden. Dann nennt man die Bindung Doppelbindung (zwei gemeinsame Elektronenpaare) bzw. Dreifachbindung (drei gemeinsame Elektronenpaare).
Die Darstellung der Doppelbindung durch zwei Doppelstriche wurde von Joseph Loschmidt eingeführt.
Doppelbindung:
$ \mathrm { \cdotp \ {\overset {\Large \cdotp} {\underset {\Large \cdotp} {C}}} \cdotp + 2 \ :{\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {O}}}: \ \longrightarrow \; {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {O}}} : \ : \ C \ : \ : {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {O}}} \qquad \small {\color {#990} {bzw.}} \qquad {\underline {\overline {O}}} {=} {\underline {\overline {C}}} {=} {\underline {\overline {O}}} } $ = CO2
Dreifachbindung:
$ \mathrm { : {\overset { \Large {\cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp }} {N}}} \cdotp + \cdot {\overset { \Large {\cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp }} {N}}} : \ \longrightarrow \quad :N \ :\ : \ :N:
\qquad \small {\color {#990} {bzw.}} \qquad
| \ N \equiv \ N \ | } $ = N2
$ \quad \mathrm {N + N \quad \ \longrightarrow \quad N_{2} + 946 \ kJ/mol } $
Besonders stark ist die Dreifachbindung im Stickstoffmolekül. Stickstoff ist daher durch eine besonders hohe Stabilität gekennzeichnet, auf der die große Reaktionsträgheit des Stickstoffs beruht.
Die Wertigkeit
Wasserstoff ist einwertig, Sauerstoff zweiwertig. Wenn man die Elektronenformel des Wassermoleküls betrachtet,
$ \mathrm { \cdotp \ {\overset {\Large {\cdotp \ \cdotp}} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {O}}} \cdotp + 2 \ \cdotp H \ \longrightarrow \ H : {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {O}}}:H} $
so sieht man, dass vom Sauerstoffatom zwei Atombindungen ausgehen. Vom Wasserstoffatom kann nur eine Atombindung ausgehen. Folglich entspricht die Zahl der von einem Atom ausgehenden Atombindungen der Wertigkeit des jeweiligen Atoms.
In $\mathrm H : {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\mathrm {Cl}}}}:$ sind der Wasserstoff und das Chlor einwertig, denn sie haben ein gemeinsames Elektronenpaar. In NH3 mit der Elektronenformel $\mathrm {H : {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset H {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {N}}}}:H}$ ist der Stickstoff dreiwertig, der Wasserstoff ist einwertig. Das freie Elektronenpaar am Stickstoffatom hat für die Feststellung der Wertigkeit keine Bedeutung - es ist ja keine Atombindung eingegangen. In CO2 mit der Elektronenformel $\mathrm {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\mathrm {{O}}}}: \ : \ C \ : \ :{\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} { {O}}}}}$ ist der Kohlenstoff vierwertig und der Sauerstoff zweiwertig.
Die polarisierte Atombindung
Das gemeinsame, also bindende Elektronenpaar wird bei der Bindung von zwei gleichen Atomen (wie beispielsweise $\mathrm : {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\mathrm {Cl}}}}:{\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\mathrm {Cl:}}}}$) von diesen gleich stark angezogen.
Wenn es sich aber um die Bindung von zwei verschiedenen Atomen handelt, beispielsweise um $\mathrm H : {\overset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset { \Large {\cdotp \ \cdotp }} {\mathrm {Cl}}}}:$, dann kann die Anziehungskraft eines Atoms stärker sein. Bei HCl wird das gemeinsame Elektronenpaar vom Chloratom stärker angezogen als vom Wasserstoffatom, wodurch das Chlor eine elektrisch negative Teilladung erhält und das Wasserstoffatom eine elektrisch positive Teilladung. Das Chlorwasserstoffmolekül ist zu einem Dipol mit einem positiven und einem negativen Pol geworden. Es ist eine polarisierte Atombindung entstanden.
Schreibweise:
$ \mathrm { \overset { \Large {\;\; \delta^+}} H \ - \ \overset {\Large {\;\; \delta^-}} {Cl} \quad oder \quad H \ \blacktriangleleft \ {\underline {\overline {Cl}}\ |} } $
Bei der Durchführung von Versuch 1 erhält man den Beweis, dass auch das Wassermolekül ein Dipol ist. Lädt man einen PVC-Stab durch Reibung elektrisch auf, so lenkt er einen Wasserstrahl ab, indem er ihn anzieht. Ein Strahl von CCl4 wird dagegen nicht abgelenkt.
Im Wassermolekül schließen die beiden OH -Bindungen einen Winkel von 104° ein. Das Sauerstoffatom zieht die gemeinsamen Elektronenpaare stärker an als die Wasserstoffatome. Das Wassermolekül besitzt somit am Sauerstoffatom den negativen Pol, an den Wasserstoffatomen den positiven Pol.
Das CCl4 -Molekül ist nach unserem Versuch kein Dipol. Allgemein versteht man unter Dipol ein Molekül, das nach außen hin elektrische Teilladungen trägt.