38. Redoxvorgänge als Elektronenübergänge
Verbrennungen an Luft und in Chlor
Bei einigen Versuchen in vorangegangenen Kapiteln konnte man die Verbrennung von Metallen an Luft beobachten, wobei man auf eine Vereinigung des Metalls mit dem Sauerstoff der Luft schließen konnte. Verbrennungen in reinem Sauerstoff laufen viel heftiger ab als im Gasgemisch Luft.
Metalle verbrennen aber auch in einer Chloratmosphäre und die Reaktion von Zink oder Eisen mit Schwefel läuft mit Aufglühen bzw. Stichflammenbildung ab (siehe Kapitel 7, Synthese von Stoffen).
Fragen wir uns also, ob die Bildung von Oxiden, Chloriden und Sulfiden nicht grundsätzlich gleiche chemische Reaktionstypen sind.
Der chemische Ablauf von Redoxvorgängen
Bei chemischen Vorgängen spielen sich die entscheidenden Vorgänge in den äußersten Elektronenschalen der beteiligten Atome ab. Rufen wir uns noch einmal die Reaktion zwischen Kupferoxid und Wasserstoff in Erinnerung:
$ \mathrm { CuO + H_{2} \quad \longrightarrow \quad 2 \ Cu + 2 \ H_{2}O } $
Kupferoxid + Wasserstoff $\longrightarrow$ Kupfer + Wasser
Das Kupferoxid verliert das Sauerstoffatom, es wird reduziert. Der Wasserstoff nimmt das Sauerstoffatom auf, er wird oxidiert.
Es gilt:
- Wenn eine Substanz während einer Reaktion Sauerstoff abgibt, wird sie reduziert.
- Wenn eine Substanz während einer Reaktion Sauerstoff aufnimmt, wird sie oxidiert.
- Reduktion und Oxidation finden bei einer Reaktion immer zusammen statt.
In der Reaktion oben wird das Kupferoxid reduziert, da ihm der Wasserstoff den Sauerstoff entzieht. Der Wasserstoff ist das Reduktionsmittel. Oder man sagt, der Wasserstoff wird oxidiert, da das Kupferoxid seinen Sauerstoff abgibt. Das Kupferoxid ist das Oxidationsmittel.
Betrachten wir nun die Verbrennung des Elements Magnesium in Sauerstoff und in Chlor:
$ \mathrm
{Mg : +: \; {\overset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {O}}}:
\ \longrightarrow \
{
{Mg}^{2+} + : {{\overset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {O}}}: \ ^{2-}}} } $
Magnesium + Sauerstoff $\longrightarrow$ Magnesiumoxid (MgO)
$ \ \mathrm {
Mg: + :{\overset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {Cl}}}: {\overset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {Cl}}}:
\ \longrightarrow \;
{Mg^{2+} + 2 \ {:{\overset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {\underset {\Large {\cdotp \ \cdotp }} {Cl}}}:} ^-}
} $
Magnesium + Chlor $\longrightarrow$ Magnesiumchlorid (MgCl2)
Bei beiden Reaktionen gibt das Magnesiumatom Elektronen ab, die vom Sauerstoffatom bzw. vom Chloratom aufgenommen werden. Im ersten Fall verbindet sich Magnesium mit Sauerstoff, es wird oxidiert. Bei dieser Oxidation gibt das Magnesiumatom 2 Elektronen ab, die vom Sauerstoffatom aufgenommen werden. Bei der Reaktion mit Chlor gibt das Magnesiumatom ebenfalls 2 Elektronen an die 2 Chloratome ab, also findet auch hier eine Oxidation statt. Somit versteht man unter einer Oxidation eine Elektronenabgabe und unter Reduktion eine Elektronenaufnahme.
Durch die Aufnahmen von nur einem einzigen Elektron erreicht das Chlor bereits eine Edelgasschale. Dadurch wird die enorme Reaktionsfreudigkeit des Chlors verständlich (was auch durch seine Stellung im PSE vorrausgesagt werden kann). Man versteht nun auch, dass es keine Oxidation ohne Reduktion geben kann, denn beide Reaktionen sind Teilreaktionen einer grundlegenden chemischen Reaktionsart, die man als Redoxreaktion bezeichnet (siehe Kapitel 22). Alle Redoxreaktionen sind also gekoppelte Reaktionen, denn es reagiert ein Stoff A, der Elektronen abgibt (Reduktionsmittel, Donator genannt) mit mindestens einem Stoff B, der diese Elektronen aufnimmt (Oxidationsmittel, Akzeptor).
Die allgemeinen Reaktionsschemata lauten:
Oxidation: $ \mathrm { A \quad \longrightarrow \quad A^{+} + e^{-} } $
Stoff A gibt als Reduktionsmittel ein Elektron ab
Reduktion: $ \mathrm { B + e^{-} \quad \longrightarrow \quad B^{-} } $
Das Elektron wird vom Oxidationsmittel B aufgenommen
Redoxreaktion: $ \mathrm { A + B \quad \longrightarrow \quad A^{+} + B^{-} } $
Stoff A gibt ein Elektron an Stoff B ab
Beispiele einfacher Redoxreaktionen
Bei jeder Redoxreaktion ist die Summe der abgegebenen Elektronen gleich der Summe der aufgenommenen Elektronen. Diese Tatsache muß man bei der Formulierung einer Redoxgleichungen immer im Auge behalten.
Reaktion von Eisen mit Chlor:
Oxidation: $\qquad \ \mathrm { Fe \quad \longrightarrow \quad Fe^{2+} + 2 \ e^{-} } $
Reduktion: $\qquad \mathrm { Cl + e^{-} \longrightarrow \; Cl^{-} \ |\cdot \ 2 } $
Redoxreaktion: $ \ \ \mathrm { Fe + Cl_{2} \longrightarrow \; Fe^{2+} + 2 \ Cl^{-} } $
Eisen + Chlor $\longrightarrow$ Eisenchlorid
Reaktion von Zink mit Schwefel:
Oxidation: $\qquad \ \mathrm { Zn \quad \longrightarrow \quad Zn^{2+} + 2 \ e^{-} } $
Reduktion: $\qquad \mathrm { S + e^{-} \longrightarrow \; S^{2-} } $
Redoxreaktion: $\ \ \mathrm { Zn + S \longrightarrow \; Zn^{2+} + S^{2-} } $
Zink + Schwefel $\longrightarrow$ Zinksulfid
Elektronenübergänge als Redoxvorgänge können sich auch zwischen Ionen oder zwischen Atomen und Ionen abspielen, wie Versuch 3 zeigt. So geben Eisenatome an Kupferionen Elektronen ab, wodurch Kupferatome und Eisenionen gebildet werden.
Redoxreaktion: $ \mathrm { Fe + Cu^{2+} \longrightarrow \; Fe^{2+} + Cu } $
Bei dem Vorgang scheidet sich aus der Kupfersalzlösung elementares Kupfer ab, während Eisen in Form der Ionen in Lösung geht.