Cyclopropan

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Strukturformel
Strukturformel von Cyclopropan
Allgemeines
Name Cyclopropan
Andere Namen

Trimethylen

Summenformel C3H6
CAS-Nummer 75-19-4
PubChem 6351
Kurzbeschreibung

farbloses Gas mit petroletherähnlichem Geruch [1]

Eigenschaften
Molare Masse 42,08 g·mol−1 [1]
Aggregatzustand

gasförmig

Dichte
  • 1,92 g·l−1 (0 °C, 1013 hPa)[1]
  • 0,68 g/cm3 (flüssige Phase am Siedepunkt)[1]
Schmelzpunkt

−127,62 °C [1]

Siedepunkt

−32,86 °C [1]

Löslichkeit

sehr schlecht in Wasser (502 mg·l−1[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [2]
02 – Leicht-/Hochentzündlich 04 – Gasflasche

Gefahr

H- und P-Sätze H: 220
P: 210 [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [2]
Hochentzündlich
Hoch-
entzündlich
(F+)
R- und S-Sätze R: 12
S: (2)-9-16-33
MAK

nicht festgelegt [1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Cyclopropan ist ein farbloses, gasförmiges Cycloalkan, das erste Glied in dieser Verbindungsklasse.

Entdeckung

Beim Versuch, das Verfahren der Wurtz-Reaktion (Wurtzsche Synthese) auf α,ω-Dihalogenalkane auszudehnen, entdeckte August Freund im Jahre 1882 einen Kohlenwasserstoff mit der Summenformel C3H6, den er Trimethylen nannte.[5]

Cyclopropane formation.svg

Gewinnung und Darstellung

Gustavson fand 1887 eine einfachere, ungefährlichere Synthese, indem er zur Enthalogenierung anstelle des bis dahin üblichen Natriummetalls Zinkstaub in wasserhaltigem Ethanol verwendete.[6] Die Herstellung nach diesem Reaktionsprinzip dürfte auch heute noch die günstigste sein; sie wurde optimiert und auch mit 1,3-Dichlorpropan oder dem leicht zugänglichen 1-Brom-3-chlorpropan realisiert.[7]

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Kalottenmodell von Cyclopropan

Das Molekül gehört zu der Symmetriegruppe D3h. Eine Strukturbestimmung durch Elektronenbeugung ergab einen Abstand der C-Atome von 151,0 pm. Für die C–H-Bindungslänge wurde ein Wert von 108,9 pm ermittelt, und für den H-C-H-Winkel 115,1°.[8]

Molekülgeometrie von Cyclopropan (schematisch). Die Valenzrichtung (rot) ist nicht identisch mit der Richtung der Geraden, welche die C-Atome (nicht gezeichnet) verbinden

Die drei Kohlenstoffatome des Cyclopropans müssen notwendigerweise in einer Ebene liegen. Im "mechanischen" – nicht-quantenchemischen – Baeyer-Modell - ist daher eine hohe Winkelspannung zu erwarten, außerdem Torsionsspannung (Pitzer-Spannung) durch die ekliptische Position der Wasserstoffatome. Für die Spannungsenergie wurden 12-13 kcal mol-1 berechnet. Die Strukturdaten zeigen jedoch, dass beim Cyclopropan besondere Bindungsverhältnisse vorliegen müssen. Einfache Modelle, wie das Baeyer-Modell, sind daher nicht angebracht.

Mit dem Konzept streng lokalisierter Sigma-Bindungen kann Cyclopropan nicht verstanden werden. In dem kleinen Molekül treten Wechselwirkungen der Elektronen auf, welche in den größeren Cycloalkanen keine Rolle spielen. Daher weicht Cyclopropan in den physikalischen und chemischen Eigenschaften stark von anderen Cycloalkanen ab.

Quantenchemische Rechnungen nach ab-initio-Verfahren (siehe Artikel Chemoinformatik) haben ergeben, dass die Elektronenpopulation hohe Werte außerhalb der Kanten des hypothetischen Dreiecks haben, also der Geraden, durch welche man sich die Zentren der C-Atomkerne verbunden denken kann.[9]

Der Physikochemiker Theodor Förster zeigte vermutlich als erster auf, dass beim Cyclopropan die "Valenzrichtung" von der "Bindungsrichtung", d.h. der C–C-Bindung in der klassischen Formel, abweicht.[10]

Charles Coulson und W. E. Moffitt entwickelten dieses Orbital-Modell, das später nach ihnen benannt wurde, weiter.[11] [12]

Die ValenzOrbitale eines sp3-hybridisierten Kohlenstoffatoms bilden Winkel von 109,4° und besitzen 25 % s-Charakter sowie 75 % p-Charakter. Zwei davon werden für die Bindungen zu den Wasserstoffatomen benützt. Beim Cyclopropan müssten die restlichen Orbitale dreier CH2-Fragmente kombiniert werden. Der Bereich der Überlappung ist dann aber klein und liegt nicht in der Verbindungslinie der C-Atome.

Coulson Moffit Model.png

Die Überlappung wird stärker, wenn man Hybridorbitale mit höherem p-Anteil benützt. Als Optimum ergab sich ein Orbital, welches nur 17 % s-Charakter für die C–C-Bindung, dagegen 33 % s-Charakter für die C–H-Bindungen besitzt, also als sp5-Orbital bezeichnet werden könnte.[13]

Dies führt zum Bild "gebogener" C–C-Bindungen (engl. "bent bonds"),[11] die man salopp auch als "Bananenbindungen" bezeichnet hat. Die Valenzwinkel ("Innenwinkel") der C–C–C-Bindungen betragen 104°.

Syklopropaanin taipuneet sidokset.svg

Das Modell erklärt, warum die C–C-Bindungen kürzer sind als beim Cyclohexan und bei geradkettigen gesättigten Kohlenwasserstoffen (Alkanen) und trotzdem schwächer. Der höhere s-Charakter der C–H-Bindungen wirkt sich in der Kraftkonstante der C–H-Bindung (Infrarot- und Ramanspektrum), der Chemischen Verschiebung und Kopplungskonstanten in NMR-Spektren, und der erhöhten C-H-Acidität des Kohlenwasserstoffs aus.

Ein zweites Orbitalmodell wurde von Arthur Donald Walsh entwickelt.[14] Das Walsh-Modell geht von sp2-Hybridorbitalen für die CH2-Gruppe aus; die "gebogenen" Bindungen entstehen dann durch Überlappung reiner p-Orbitale.

Die bei Aromaten bekannten σ-Bindungen wurden 1986 von Michael J. S. Dewar für den Nicht-Aromaten Cyclopropan als Erklärung dafür herangezogen, dass die Spannungsenergie aus theoretischer Extrapolation weit höher ist als die tatsächlichen 27,5 kcal/mol.[15]

Chemische Eigenschaften

Im Vergleich mit höheren Cycloalkanen zeigt Cyclopropan ein besonderes Reaktivitätsmuster: häufig wird eine C–C-Bindung gebrochen. Assoziationsreaktionen sind charakteristisch. Erklärungen wurden unter anderem mit den Konzepten "Spannungsenergie" und "Walsh-Modell" gegeben.

Beim Erhitzen von Cyclopropan, welches mit Deuteriumatomen markiert wurde, beobachtete man eine "geometrische Isomerisierung": cis-1,2-Dideuteriocyclopropan bildet in einer Gleichgewichtsreaktion trans-1,2-Dideuteriocyclopropan.[16][17]

Topomerisierung von 1,2-Dideuteriocyclopropan

Die Deuteriumatome ändern also ihre Lage (gr. topos), daher kann man diesen Prozess als Topomerisierung des Moleküls bezeichnen. Ein konzertierter Mechanismus wurde diskutiert.

Bei ca. 500 °C wird Cyclopropan zu Propen umgewandelt. Diese Konstitutionsisomerisierung, untersucht im Bereich von 469,6 bis 518,6 °C, benötigt eine Aktivierungsenergie von ca. 65 kcal mol-1. Als Zwischenstufe wurde ein "Trimethylen-Diradikal" (Propan-1,3-diyl) postuliert.[18]

An einem Palladiumkatalysator reagiert Cyclopropan mit Wasserstoff zu Propan. Mit Bromwasserstoff (HBr) reagiert es zu 1-Brompropan, was ebenfalls den "olefinischen Charakter" zeigt. Chlorgas reagiert ebenfalls unter Addition zu 1,3-Dichlorpropan.[19]

AdditionOfHBrtoCyclopropane.svg

Verwendung

In der Vergangenheit wurde es in einer 15–30%igen Mischung mit Sauerstoff als Narkosemittel angewendet, wovon man heute wegen der Nachteile (Explosivität der Dämpfe, schlechte Steuerbarkeit der Narkose, Kardio- und Hepatotoxizität) absieht.

Sicherheitshinweise

Cyclopropan bildet wie alle niederen Kohlenwasserstoffe mit Luft leicht entzündbare Gemische. Der Explosionsbereich liegt zwischen 2,4 Vol% (40 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 10,4 Vol% (385 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[20] Die Grenzspaltweite wurde mit 0,91 mm bestimmt.[20] Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA.[20] Mit einer Mindestzündenergie von 0,17 mJ sind Dampf-Luft-Gemische extrem zündfähig.[21] Die Zündtemperatur beträgt 495 °C.[20] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1.

Derivate und Substituenten

Zahlreiche Derivate sind durch chemische Synthese herstellbar, zB. mit Alkylgruppe als Rest.[22] Sie werden in der Erdölindustrie, der Krebsforschung und anderen wissenschaftlichen Gebieten untersucht.

Die Biosynthese wird durch Cyclopropan-Synthase katalysiert, so daß Mykolsäuren entstehen, die ein wesentlicher Faktor dafür sind, daß Tuberkulose nur schwer mit hydrophoben Antibiotika behandelt werden kann. Das Enzym selbst ist eine Methyltransferase, die mittels S-Adenosylmethionin cis- oder trans-Cyclopropan-Ringe in die dort ungesättigte Fettsäure einbaut.[23]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Eintrag zu CAS-Nr. 75-19-4 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 13. Dezember 2006 (JavaScript erforderlich).
  2. 2,0 2,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 75-19-4 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  3. Datenblatt Cyclopropane bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 23. März 2011.
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. August Freund: Über Trimethylen. In: Monatshefte für Chemie und verwandte Teile anderer Wissenschaften. Bd. 3, Nr. 1 (1882), S. 625–635. doi:10.1007/BF01516828
  6. G. Gustavson: Ueber eine neue Darstellungsmethode des Trimethylens. In: Journal für praktische Chemie. Bd. 36 (1887), S. 300–303. doi:10.1002/prac.18870360127
  7. D. Wendisch: Carbocyclische Dreiringverbindungen. In: Eugen Müller (Hrsg.): Methoden der Organischen Chemie (Houbel-Weyl). Bd. IV/3, Thieme, Stuttgart 1971, S. 34–36.
  8. O. Bastiansen, F. N. Fritsch, K. Hedberg: Least-squares refinement of molecular structures from gaseous electron-diffraction sector-microphotometer data. III. Refinement of cyclopropane. In: Acta Cryst. 17, (1964), S. 538–543. doi:10.1107/S0365110X64001268
  9. Grafische Darstellung siehe z. B. bei Martin Klessinger: Elektronenstruktur organischer Moleküle. Verlag Chemie, Weinheim u.a. 1982, ISBN 3-527-25925-2, S. 264–266.
  10. Th. Förster: Die gegenseitige Beeinflussung der Valenzen im Kohlenstoffatom. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie. Abteilung B, Bd. 43 (1939), S. 58–78.
  11. 11,0 11,1 C. A. Coulson, W. E. Moffitt: Strain in Non-Tetrahedral Carbon Atoms. In: Journal of Chemical Physics. Bd. 15, (1951), S. 151.
  12. C.A. Coulson, W.E. Moffitt: The properties of certain strained hydrocarbons. In: Philosophical Magazine Series. 7, Bd. 40 (1949), Nr. 300, S. 1–35. doi:10.1080/14786444908561208
  13. L. Klasinc, Z. Maksić, M. Randić: Bent bonds in cycloalkanes. In: J. Chem. Soc. A. 1966, S. 755–757. doi:10.1039/J19660000755
  14. A. D. Walsh: The structures of ethylene oxide, cyclopropane, and related molecules. In: Transactions of the Faraday Society. 45, (1949), S. 179–190, doi:10.1039/TF9494500179
  15. Paul von Rague Schleyer in Substituent Effects in Radical Chemistry herausgegeben von Heinz G. Viehe,Zdenek Janousek,Robert Merényi 1986 S. 71
  16. B. S.Rabinovitch, E. Schlag, K. Wiberg: Geometrical and Structural Unimolecular Isomerization of Sym‐Cyclopropane‐d2.In: Journal of Chemical Physics. 28 (1958), S. 504.
  17. E. W. Schlag, B. S. Rabinovitch: Kinetics of the Thermal Unimolecular Isomerization Reactions of Cyclopropane-d2. In: Journal of the American Chemical Society. 82 (1960), Nr. 23, S. 5996–6000. doi:10.1021/ja01508a008
  18. Thomas Seal Chambers, G. B. Kistiakowsky: Kinetics of the Thermal Isomerization of Cyclopropane. In: Journal of the American Chemical Society. 56 (1934), Nr. 2, S. 399–405. doi:10.1021/ja01317a036
  19. G. Gustavson: Ueber die Einwirkung des Chlors auf Trimethylen. In: Journal für praktische Chemie. 42 (1890), S. 495–500. doi:10.1002/prac.18900420144
  20. 20,0 20,1 20,2 20,3 E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenndaten – Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase, Wirtschaftsverlag NW – Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven 2003.
  21. Technische Regel für Betriebssicherheit – TRBS 2153, BG RCI Merkblatt T033 Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen, Stand April 2009, Jedermann-Verlag Heidelberg.
  22. Geoffrey C. Bond: Metal-Catalysed Reactions of Hydrocarbons, 2005, S. 487
  23. Tanya Parish, Amanda Brown: Mycobacterium: Genomics and Molecular Biology, 2009, S. 24

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