Biochemie

Biochemie

Dieser Artikel behandelt das naturwissenschaftliche Fachgebiet Biochemie; zur gleichnamigen alternativmedizinischen Heilmethode siehe Schüßler-Salze.

Die Biochemie, früher auch Physiologische Chemie, (griechisch βιοχημεία biochēmeia, „die Chemie des Lebens“) genannt, ist die Lehre von chemischen Vorgängen, dem Stoffwechsel, in Lebewesen. Sie bearbeitet den Grenz- bzw. Überschneidungsbereich zwischen Chemie, Biologie und Medizin.

Gegenstand der Biochemie

Struktur von Hämoglobin – einem weit verbreiteten Biomolekül

Die Biochemie beschäftigt sich mit:

  • der Untersuchung biomolekularer Strukturen: wie sind die Biomoleküle aufgebaut, wie ist der molekulare Aufbau des Organismus der Lebewesen, wie werden die molekularen Bausteine bereitgestellt und wie wechselwirken sie miteinander?
  • der Untersuchung des Stoffwechsels: welche Stoffe werden von Lebewesen wie umgesetzt, welche bioenergetischen Voraussetzungen sind nötig, welche Biokatalysatoren sind beteiligt, wie verlaufen die jeweiligen Mechanismen der Stoffumsätze und wie wird der Stoffwechsel gesteuert?
  • der Untersuchung des Informationsaustauschs innerhalb eines Organismus und zwischen Organismen: wie wird Information gespeichert, abgerufen und weitergeleitet, wie werden verschiedene Systeme innerhalb einer Zelle, zwischen verschiedenen Zellen und zwischen Organismen koordiniert?

Im Zuge dessen konzentrieren sich die Betrachtungen auf die Stoffgruppen der Nukleinsäuren, Proteine, Lipide und Kohlenhydrate sowie deren Derivate, welche im Allgemeinen als Biomoleküle bezeichnet werden. Der überwiegende Teil der biochemisch wichtigen Vorgänge spielen sich in Lebewesen und somit in wässrigem Milieu ab.

Methoden der Biochemie

In der Biochemie wird eine Vielzahl von Methoden aus verschiedenen Gebieten angewandt. Die klassische Biochemie bedient sich vor allem der analytischen Chemie, organischen Chemie, physikalischen Chemie und der Physik. Wichtige Techniken sind dabei Zentrifugation, Chromatographie, Elektrophorese, Spektroskopie, Isotopentechniken, Kristallisation, potentiometrische, elektrometrische, polarographische und manometrische Techniken, in den letzten Jahrzehnten kamen dazu auch molekularbiologische Methoden und Methoden aus der Informatik, der Mikrobiologie und anderen Fächern. Hinzu kommt in der modernen Biochemie stets die quantitative Auswertung der Ergebnisse mit mathematischen Methoden und die Bildung von formalen Theorien mit Hilfe der Mathematik.

Geschichte der Biochemie

Die Biochemie entwickelte sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Biologie, Chemie und der medizinischen Physiologie und war von Anfang an eng mit der Genetik und Zellbiologie verknüpft. Diese Wissenschaften arbeiten nach wie vor Hand in Hand und ihre Grenzen überlappen einander stark. Die Bereiche Biochemie, Zellbiologie und Genetik werden heutzutage oft unter dem Titel Molekularbiologie zusammengefasst.

Zum ersten Mal verwendet wurde der Begriff Biochemie, als Vinzenz Kletzinsky (1826–1882) im Jahre 1858 sein "Compendium der Biochemie" in Wien drucken ließ.

Als einer der ersten Deutschen beschäftigte sich Anfang des 19. Jahrhunderts Georg Carl Ludwig Sigwart in Tübingen mit der Biochemie. Er arbeitete unter anderem über Säureindikatoren bei Herbstzeitlosen, Analysen von Gallen- und Harnsteinen und die Proteine des Blutserums. In Frankreich entdeckte Anselme Payen 1833 mit der Amylase (damals als Diastase bezeichnet) das erste Enzym. Ab 1845 isolierte Julius Eugen Schlossberger in seinem Laboratorium in der Küche von Schloss Hohentübingen Kreatin aus Muskelfleisch des Alligators, analysierte rachitische Knochen, den Iodgehalt von Korallen und das Kupfer im Hämocyanin. Sein Nachfolger Felix Hoppe-Seyler befasste sich von 1861 bis 1872 am selben Ort u. a. mit Muskelkontraktion, Totenstarre, Milchsäure aus Glykogen, Oxidations- und Reduktionsfermenten und Hämoglobin. Unter seiner Leitung entdeckte Friedrich Miescher 1869 das Nuklein. Eduard Buchner, von 1896 bis 1898 außerordentlicher Professor der Chemie in Tübingen, entdeckte 1896 die zellfreie Gärung und wurde dafür 1907 mit dem Nobelpreis geehrt. Sir Frederick Gowland Hopkins, ein Pionier der Biochemie in Großbritannien, entdeckte 1912 die Vitamine und essentiellen Aminosäuren und wurde dafür 1929 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Im Jahre 1926 entdeckte Otto Warburg das Atmungsferment Cytochromoxidase, wofür er 1931 den Nobelpreis erhielt.

Meilensteine der Biochemie

Der Citratzyklus - einer der zentralen biochemischen Stoffwechselwege
  • 1828 – Synthese des organischen Harnstoffs aus anorganischem Ammoniumcyanat durch Friedrich Wöhler
  • 1833 – Entdeckung des ersten Enzyms (Diastase) durch Anselme Payen
  • 1869 – Entdeckung der Erbsubstanz Nuclein durch Friedrich Miescher
  • 1896 – Entdeckung der zellfreien Gärung durch Eduard Buchner
  • 1926 – Entdeckung des Atmungsferments Cytochromoxidase durch Otto Warburg
  • 1929 – Aufklärung des Mechanismus der Glykolyse durch Gustav Embden und Otto Meyerhof, sowie Jakub Parnas
  • 1932 – Aufklärung des Citratzyklus durch Hans Adolf Krebs
  • 1953 – Aufklärung der Struktur der DNA durch James Watson und Francis Crick
  • 2001 – Intrinsically Disordered Protein von Keith Dunker et. al. erscheint / Ende des Dogmas, dass biologische Funktion genau eine (native) 3D Struktur pro Protein erfordert

Forschungsinstitute im deutschen Sprachraum

(Die Liste ist unvollständig)

  • Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried
  • Zentrum für Biochemie der medizinischen Fakultät, Universität zu Köln
  • Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie, Halle (Saale)
  • Biozentrum der Universität Basel
  • European Molecular Biology Laboratory, Heidelberg
  • Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung, Halle (Saale)
  • Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, Dortmund
  • Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen
  • Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie, Göttingen

Die Biochemie ist zum festen Bestandteil der hochschulischen Ausbildung vor allem von Medizinern und Biologen, aber auch anderen Naturwissenschaftlern geworden, so finden sich Institute für Biochemie an vielen deutschen Hochschulen.

Gliederung der Biochemie

Je nach Untersuchungsgebiet lässt sich die Biochemie in folgende Untergebiete gliedern:

  • medizinische Biochemie
  • ökologische Biochemie
  • Pflanzenbiochemie
  • Proteinchemie
  • Immunbiochemie
  • Neurobiochemie
  • Enzymologie
  • Naturstoffbiochemie
  • physikalische Biochemie

Biochemiker

Studium der Biochemie

2008 gab es in Deutschland Studiengänge der Biochemie mit den Abschlüssen Diplom, Bachelor und Master. Die Diplomstudiengänge werden schrittweise durch konsekutive Bachelor- und Masterstudiengänge ersetzt:

  • Der Diplomstudiengang Biochemie hat eine Regelstudienzeit von 9 bis 10 Semestern, eine Höchststudiendauer von 13 bis 14 Semestern und führt zum berufsqualifizierenden Abschluss Diplom-Biochemiker/in.
  • Der Bachelorstudiengang Biochemie hat eine Regelstudienzeit von 6 bis 8 Semestern und führt zum berufsqualifizierenden Abschluss Bachelor of Science – Biochemie.
  • Der Masterstudiengang Biochemie hat eine Regelstudienzeit von 3 bis 4 Semestern und führt zum berufsqualifizierenden Abschluss Master of Science – Biochemie.

Neben dem reinen Biochemie-Studium besteht die Möglichkeit, die Fachrichtungen Chemie oder Biologie zu studieren und während des Studiums den Fächerkanon Biochemie zu vertiefen. Eine Spezialisierung erfolgt üblicherweise durch Biochemie als Wahlpflichtfach bzw. Hauptfach sowie die Anfertigung einer Diplom-, Bachelor- oder Masterarbeit im Bereich der Biochemie. Diese Variante bietet den Vorteil, dass sich Studienanfänger nicht direkt für ein reines Biochemie-Studium entscheiden müssen. Vielmehr haben sie die Möglichkeit, im Grundstudium verschiedene Fächer kennenzulernen, um sich dann während des Hauptstudiums zu spezialisieren, z. B. in Biochemie. Die Möglichkeit dazu ist an vielen Universitäten gegeben und die Regelstudienzeiten entsprechen denen der reinen Biochemie-Studiengänge. Bei den Bachelor- und Masterstudiengängen hat sich inzwischen im Bereich der Biowissenschaften eine Vielfalt von Studiengängen mit unterschiedlichen Namen und Spezialisierungen etabliert. Ihnen ist gemeinsam, dass sie besonderen Wert auf die molekularen Grundlagen legen und einen hohen Praxisanteil in der Ausbildung haben (siehe Weblinks).

Der Facharzt für Biochemie

Es besteht auch die Möglichkeit, nach einem absolvierten Medizinstudium in Deutschland als Facharzt für Biochemie tätig zu werden. Hierfür bedarf es einer vierjährigen Weiterbildungszeit. Auf diese anrechenbar ist

  • 1 Jahr Innere Medizin oder Pädiatrie

Am 31. Dezember 2010 waren 102 Fachärzte für Biochemie registriert, von denen einer niedergelassen war. 52 übten keine ärztliche Tätigkeit aus. Die Zahl der ärztlich tätigen registrierten Fachärzte für Biochemie reduzierte sich innerhalb des Jahrzehntes 2000-2010 um fast 50 %.

Literatur

Lehrbücher

  • Handbuch der experimentellen Chemie Sekundarbereich II, Band 11, Biochemie, Aulis Verlag Deubner GmbH & Co. KG * Köln
  • Donald Voet et al.: Lehrbuch der Biochemie. Wiley-VCH, 2002, ISBN 3-527-30519-X
  • Jeremy M. Berg, Lubert Stryer et al.: Biochemie. 5. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, 2003, ISBN 3-8274-1303-6, Online Version, Volltextsuche (englisch)
  • Lehninger, Nelson, Cox: Lehninger Biochemie. 3. Auflage. Springer-Lehrbuch, Berlin 2001, ISBN 3-540-41813-X
  • David L. Nelson, Michael M. Cox: Lehninger Principles of Biochemistry. 4th Edition. Palgrave Macmillan, 2004, ISBN 0-7167-4339-6 (englisch)
  • Georg Löffler, Petro E. Petrides, Peter C. Heinrich: Biochemie und Pathobiochemie. 8. Auflage. Springer-Lehrbuch, 2007, ISBN 978-3-540-32680-9
  • Manfred Schartl, Manfred Gessler, Arnold von Eckardstein: Biochemie und Molekularbiologie des Menschen. 1. Auflage. Elsevier: München 2009. ISBN 978-3-437-43690-1
  • Werner Müller-Esterl et al.: Biochemie, eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. Spektrum Akademischer Verlag, 2004, ISBN 3-8274-0534-3
  • Philipp Christen, Rolf Jaussi: Biochemie. Eine Einführung mit 40 Lerneinheiten. Springer-Verlag, 2005, ISBN 3-540-21164-0
  • Andreas Held: Prüfungs-Trainer Biochemie und Zellbiologie. Spektrum Akademischer Verlag, 2005, ISBN 3-8274-1542-X
  • Konrad Lechner: Schülerbuch Biochemie. 4. Auflage. Bayerischer Schulbuch-Verlag, 1998, ISBN 3-7627-4235-9
  • Peter Karlson et al.: Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Naturwissenschaftler. 14. Auflage. Thieme, Stuttgart 2005, ISBN 3-13-357814-6
  • Florian Horn et al.: Biochemie des Menschen - Das Lehrbuch für das Medizinstudium. 3., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Thieme, Stuttgart, 2005, ISBN 3-13-130883-4
  • Graeme K. Hunter: Vital Forces. The discovery of the molecular basis of life. Academic Press, London 2000, ISBN 0-12-361811-8 (englisch)
  • Joachim Rassow, Karin Hauser, Roland Netzker, Rainer Deutzmann: Biochemie. Georg Thieme Verlag, 2006, ISBN 3-13-125351-7
  • Gerhard Püschel u.a.: Taschenlehrbuch Biochemie : 70 Tabellen, Thieme, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-13-148691-2

Biochemische Wörterbücher

  • Peter Reuter: Taschenwörterbuch der Biochemie. Deutsch - Englisch/Englisch - Deutsch, Birkhäuser Verlag, Basel/Boston/Berlin 2000, ISBN 3-7643-6197-2

Lehrmaterialien im Internet

Biochemische Fachzeitschriften

Weblinks

Portal: Biochemie – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Biochemie

Wiktionary Wiktionary: Biochemie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks Wikibooks: Biochemie und Pathobiochemie – Lern- und Lehrmaterialien
Commons: Biochemistry – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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