Vitamin

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Dieser Artikel behandelt organische Verbindungen. Für den gleichnamigen Manga siehe Vitamin (Manga).

Vitamine sind organische Verbindungen, die der Organismus nicht als Energieträger, sondern für andere lebenswichtige Funktionen benötigt, die jedoch der Stoffwechsel nicht bedarfsdeckend synthetisieren kann. Vitamine müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, sie sind essenziell. Pflanzen benötigen keine Vitamine, sie können alle organischen Stoffe selbst synthetisieren. Einige Vitamine werden dem Körper als Vorstufen (Provitamine) zugeführt, die der Körper dann erst in die Wirkform umwandelt. Man unterteilt Vitamine in fettlösliche (lipophile) und wasserlösliche (hydrophile) Vitamine.

Bei unterschiedlichen Tieren gelten zum Teil verschiedene Substanzen als Vitamine. So können z. B. die meisten Tiere, auch Säugetiere, Vitamin C produzieren, sie haben keinen derartigen Vitamin-Bedarf. Primaten (auch Menschen), Meerschweinchen und Flughunde können dies aufgrund des Fehlens von L-Galactonolacton-Oxidase nicht.[1] Somit ist Vitamin C für die meisten Tiere kein Vitamin, aber für Menschen. Katzen benötigen ebenfalls Retinol (oder Vitamin A1), nehmen aber eine Sonderstellung ein, da sie im Gegensatz zu fast allen anderen Tieren β-Carotin nicht in Retinol umwandeln können.[2]

Beim Menschen gilt die oben angegebene Definition für 13 organische Verbindungen. Von diesen können 11 auf keine Weise vom Organismus selbst synthetisiert werden. Vitamin D kann der Körper selbst herstellen, sofern ausreichend Sonnenexposition besteht (Photosynthese). Eigensynthese besteht auch für Niacin, das aus der Aminosäure Tryptophan hergestellt werden kann. Die notwendige Niacinzufuhr richtet sich nach der Menge an zugeführtem Protein und wird damit auch von den Ernährungsgewohnheiten (Vegetarismus oder Omnivorie) beeinflusst.

Aufgabe und Funktion

Vitamine sind an vielen Reaktionen des Stoffwechsels beteiligt. Ihre Aufgabe besteht in einer Regulierung der Verwertung von Kohlenhydraten, Proteinen (umgangssprachlich auch als Eiweiß bezeichnet) und Mineralstoffen, sie sorgen für deren Ab- beziehungsweise Umbau und dienen somit auch der Energiegewinnung. Vitamine stärken das Immunsystem und sind unverzichtbar beim Aufbau von Zellen, Blutkörperchen, Knochen und Zähnen. Jedes einzelne Vitamin erfüllt bestimmte Aufgaben. Sie unterscheiden sich dadurch auch hinsichtlich ihrer verschiedenartigen Wirkungen.

Geschichte

Die Entdeckung der Vitamine und ihr Vorkommen
Jahr der Entdeckung Vitamin Isolation aus
1909 Vitamin A (Retinol) Fischleberöl
1912 Vitamin B1 (Thiamin) Reiskleie
1912 Vitamin C (Ascorbinsäure) Zitrone
1918 Vitamin D (Ergo-/Cholecalciferol) Fischleberöl
1920 Vitamin B2 (Riboflavin) Eier
1922 Vitamin E (Tocopherol) Weizenkeimöl
1926 Vitamin B12 (Cobalamin) Leber
1929 Vitamin K (Phyllochinon) Luzerne
1931 Vitamin B5 (Pantothensäure) Leber
1931 Vitamin B7 (Biotin) Leber
1934 Vitamin B6 (Pyridoxin) Reiskleie
1936 Vitamin B3 (Niacin) Leber
1941 Vitamin B9 (Folsäure) Leber

Nach dem Lesen eines Artikels des niederländischen Arztes Christiaan Eijkman beschäftigte sich der polnische Biochemiker Casimir Funk 1912 intensiv mit der Isolierung des Wirkstoffes gegen die Vitaminmangelkrankheit Beri-Beri, eine bis dahin unerklärliche neue Krankheit, die in Japan und auf Java auftrat. Eijkman hatte in einem Militärhospital in Batavia beobachtet, dass neben Patienten (Strafgefangenen) und Personal auch die Hühner im Hof des Hospitals die Symptome der Krankheit Beri-Beri (zu deutsch: Schafsgang) zeigten. Denn die Hühner wurden seit kurzem mit dem gleichen weißen, geschälten Reis gefüttert wie die Patienten und das Personal, statt wie bisher mit braunem Reis. Beri-Beri ging mit Lähmungen und Kräfteverlust einher. Diese Krankheit trat erst auf, nachdem man in diesen Ländern europäische Reisschälmaschinen eingeführt hatte. Es wurde eine Mangelkrankheit vermutet. Casimir Funk isolierte aus Reiskleie einen Stoff, der die Mangelkrankheit heilen konnte. Die Analyse der Verbindung zeigte, dass es sich um eine stickstoffhaltige Verbindung, ein Amin handelte. Funk hatte das Thiamin, heute unter der Bezeichnung Vitamin B1 bekannt, entdeckt. Auf Grund dieser Befunde schlug Funk das Kunstwort Vitamine (vita-das Leben und Amine) vor. 1926 wurde das Vitamin B1 (Thiamin) erstmals von den holländischen Chemikern Barend C. P. Jansen und Willem F. Donath in kristalliner Form aus Reiskleie isoliert. 1936 wurde die Struktur von Vitamin B1 etwa gleichzeitig von Robert R. Williams und Rudolf Grewe aufgeklärt. Die Synthese erfolgte 1936 durch Robert R. Williams und 1937 durch Hans Andersag und Kurt Westphal .

Zwischen 1920 und 1980 wurden die heute (2004) bekannten Vitamine erstmals rein dargestellt. Für diese Vitamine sind inzwischen auch chemische Synthesewege bekannt.

Krankheiten als Folge von Vitaminmangelerscheinungen wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhundert als solche erkannt. In der Annahme, dass es sich um ernährungsbedingte Krankheiten handele, versuchte man bestimmte Krankheiten wie Beri-Beri, Skorbut und Rachitis zunächst durch Zufuhr entsprechender Nahrungsmittel zu bekämpfen. Nachdem mit Hilfe von Tierversuchen die Hypothese bestätigt werden konnte, dass die Krankheiten durch das Fehlen bestimmter Nahrungsbestandteile verursacht wurden, führten weitere Tierversuche dazu, diese speziellen essentiellen Nahrungsbestandteile und aus diesen schließlich die jeweiligen Vitamine selbst zu isolieren.

1913 wurde die Bezeichnung der Vitamine mit großen Buchstaben des Alphabets durch den amerikanischen Biochemiker Elmer McCollum eingeführt. Somit gab es ein Vitamin A, B, C und D. Anschließend kamen noch die Vitamine E und K hinzu. Bei der Analyse der Nahrung, die Vitamin B enthielt, stellte sich heraus, dass es sich hier um mehr als einen Faktor handelte, der mehrere Symptome ausschalten konnte. Somit sprachen die Biologen von Vitamin B1, B2, usw.

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) förderten die Machthaber in Deutschland die Versorgung der Bevölkerung mit den damals gerade erst entdeckten Vitaminen sehr aktiv. Sie wollten so den "Volkskörper von innen stärken", weil sie davon überzeugt waren, dass Deutschland den ersten Weltkrieg auch als Folge von Mangelernährung verloren hatte. In „Vitamin-Aktionen“ wurden Kinder, Mütter, Schwerstarbeiter und Soldaten mit Vitaminen versorgt, insbesondere mit Vitamin C, von dem die Wehrmacht noch 1944 200 Tonnen herstellen ließ.[3]

Benennung von Vitaminen

Der polnische Biochemiker Casimir Funk nahm 1912 an, dass alle lebensnotwendigen Stoffe eine NH2-Gruppe enthielten. Er prägte deshalb den Begriff „Vitamin“ (aus lat. vita für Leben und amin für stickstoffhaltig).

Spätere Untersuchungen zeigten aber, dass bei weitem nicht alle Vitamine Amine sind oder sonstige basische Stickstoffatome enthalten. Gute Beispiele hierfür sind das Vitamin A (Retinol), ein stickstofffreier, ungesättigter Alkohol und das Vitamin C (Ascorbinsäure), eine strukturell den Kohlenhydraten ähnliche, jedoch sauer wirkende Substanz. Neben der chemischen Struktur, die dem Vitamin den Namen gibt, werden auch Buchstaben, kombiniert mit einer Nummernbezeichnung, und Trivialnamen verwendet, oft sogar mehrere für eine Substanz. Heute sind viele nicht mehr gebräuchlich. Lücken in der Buchstabenreihe entstanden, nach dem sich herausgestellt hatte, dass nicht alle ursprünglichen Isolierungen sich als einheitliche Substanzen erwiesen. Andere, heute weitgehend verschwundene Bezeichnungen für Vitamine waren auch: Komplettine, Nutramine und akzessorische Nährstoffe oder auch Ergänzungsstoffe, weil die chemisch reinen Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate erst durch das Hinzukommen von Vitaminen (und Mineralstoffen) zu vollwertigen Nährstoffen ergänzt werden. Im deutschsprachigen Raum sind sowohl die Buchstaben-/ Nummernbezeichnung des Vitamins als auch die Wortbezeichnung üblich. Von den in der medizinischen Wissenschaft gegenwärtig (2004) bekannten 20 Vitaminen gelten 13 Vitamine als unerlässlich:

Trivialname Synonym Chemischer Name
Vitamin A Axerophtol, Retinol Retinol
Vitamin B1 Aneurin Thiamin
Vitamin B2 Lactoflavin, Vitamin G Riboflavin
Vitamin B3 Vitamin PP, Vitamin B5[4][5] Niacin (Nicotinsäureamid und Nicotinsäure)
Vitamin B5 Vitamin B3[4] Pantothensäure
Vitamin B6 Adermin, Pyridoxol Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin
Vitamin B7 Vitamin H, I oder Vitamin Bw Biotin
Vitamin B9 Vitamin M oder Vitamin Bc Folsäure
Vitamin B12 Erythrotin Cobalamin
Vitamin C   Ascorbinsäure
Vitamin D   Calcitriol
Vitamin E   Tocopherol
Vitamin K (K1 Phyllochinon, K2 Menachinon) Phyllochinon und Menachinon
* Die Buchstabenbezeichnung für die Vitamine Niacin (B3) und Pantothensäure (B5) wird in der einschlägigen Literatur unterschiedlich verwendet.[5][4]

Weitere, in der Literatur und anderen Ländern verwendete Trivialnamen für (meist fälschlich als solche bezeichnete) Vitamine:

Trivialname Erläuterungen
Vitamin B3 veraltete Bezeichnung für Niacin und auch Vitamin B5
Vitamin B4 frühere Bezeichnung für Adenin und Cholin
Vitamin B5 veraltete Bezeichnung für Pantothensäure und auch Vitamin B3
Vitamin B7 veraltete Bezeichnung für Biotin
Vitamin B8 ungebräuchliche Bezeichnung für Adenosinphosphat
Vitamin B9 ungebräuchliche Bezeichnung für Folsäure
Vitamin B10 wird auch als Vitamin R, oder als para-Aminobenzoesäure bezeichnet und ist ein Mix aus Vitaminen der B-Gruppe
Vitamin B11 ungebräuchliche Bezeichnung für Folsäure
Vitamin B13 ungebräuchliche Bezeichnung für Orotsäure
Vitamin B14 ist ein Mix aus Vitamin B10 und B11
Vitamin B15 ungebräuchliche Bezeichnung für Pangamsäure
Vitamin B16 wird dem Vitamin B6 Pyridoxin zugeordnet
Vitamin B17 Marketing für Laetril (Amygdalin)
Vitamin B22 soll ein Bestandteil von Aloevera-Extrakt sein
Vitamin BH vorschnelle Einordnung als Vitamin von para-Aminobenzoesäure
Vitamin BT vorschnelle Einordnung von L-Carnitine als Vitamine (nicht essentiell für den Menschen)
Vitamin BX ungebräuchliche Bezeichnung für para-Aminobenzoesäure
Vitamin F alle essentiellen Fettsäuren, insbesondere Linolsäure und Linolensäure
Vitamin H Trivialname für Biotin (auch Vitamin B7)
Vitamin I/J angeblich nachgewiesene Stoffe mit Eigenschaften des Vitamin C Ascorbinsäure
Vitamin P Marketing für Mischungen verschiedener Flavonoide, „Permeabilitätsvitamin“
Vitamin PP Trivialname für Nicotin(säure)amid, siehe auch Vitamin B3
Vitamin Q Marketing für das nicht essentielle Ubichinon
Vitamin R siehe Vitamin B10
Vitamin S siehe Vitamin B11
Vitamin T siehe Vitamin BT
Vitamin U irreführende Bezeichnung für Methylmethionin

Beschreibung

Vitamine sind keine chemisch einheitliche Stoffgruppe. Sie sind organische Verbindungen, die biologische Vorgänge im menschlichen (und tierischen) Organismus regulieren. Vitamine zählen, wie auch die Mineralstoffe und Spurenelemente, zu den nicht energieliefernden Nährstoffen, die der Körper zur Erhaltung seines Lebens und seiner Leistungsfähigkeit unbedingt benötigt. Da es sich bei den Vitaminen um recht komplizierte organische Moleküle handelt, kommen sie in der unbelebten Natur nicht vor. Vitamine müssen erst von Pflanzen, Bakterien oder Tieren gebildet werden. Der Mensch ist, bis auf wenige Ausnahmen, bei denen er bestimmte Vitamine selber erzeugen kann, auf die Aufnahme über die Nahrung angewiesen. Vitamine sind essentielle Wirkstoffe, das heißt, dass sie zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit des menschlichen Organismus lebensnotwendig sind. Einige Vitamine werden dem Körper als Vorstufe (Provitamine) zugeführt, die erst im Körper in die entsprechende Wirkform umgewandelt werden.

Als Provitamine bezeichnet man die biologische Vorstufe eines Vitamins, wie beispielsweise das von Pflanzen gebildete Beta-Carotin (β-Carotin), das dann von Tieren oder Menschen in Vitamin A Retinol umgewandelt wird.

Im Körper können bestimmte Vitamine gespeichert werden, man kann diese sozusagen auf Vorrat essen, andere wiederum können nicht gespeichert werden, sondern müssen über die Nahrung laufend zugeführt werden. Danach werden die Vitamine in zwei Gruppen eingeteilt: in die Gruppe der fettlöslichen, speicherbaren Vitamine und die Gruppe der wasserlöslichen, nicht speicherbaren Vitamine.

  • Zu den fettlöslichen Vitaminen gehören:
    A Retinol/β-Carotin, D Cholecalciferol, E Tocopherol und K Phyllochinon. Letzteres kann allerdings trotz seiner Fettlöslichkeit nur in unbedeutenden Mengen vom Körper gespeichert werden. Vitamin D wird heute allerdings nicht mehr zu den Vitaminen, sondern zu den Hormonen gerechnet.


  • Zu den wasserlöslichen Vitaminen gehören die acht Vitamine des B-Komplexes.
Dies ist eine Sammelbezeichnung wasserlöslicher Vitamine unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung. Sie sind in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Einzelne B-Vitamine kommen in der Natur niemals isoliert vor. Sie wirken aus diesem Grund in der Regel auch im Verbund.
B1 Thiamin, B2 Riboflavin, B3 Niacin (Nicotinsäureamid und Nicotinsäure), B5 Pantothensäure, B6 Pyridoxin, B7 Biotin, B9 Folsäure, B12 Cobalamin, sowie zusätzlich das Vitamin C Ascorbinsäure.
Eine Ausnahme bildet das Vitamin B12 Cobalamin. Es kann trotz seiner Wasserlöslichkeit vom Organismus gespeichert werden.
Orange, klassischer Vitamin-C-Spender

Vitaminabsorption

Fettlösliche Vitamine

Fettlösliche Vitamine sind nichtpolare Moleküle, die sehr gut in Lipiden löslich sind. Ihre Resorption bedarf daher der Mizellenbildung. Sie werden in ähnlicher Weise wie Cholesterin in den Zellen der Darmschleimhaut in Chylomikronen eingebaut.

Vitamin D wird wegen seiner Aufgaben im Körper von manchen offiziellen Stellen nicht mehr zu den Vitaminen, sondern zu den Hormonen gerechnet. Diese Einordnung ist allerdings zumindest ungenau, denn einzig das auf Basis von Vitamin D3 über Zwischenstufen in der Niere hergestellte Calcitriol kann im Vollsinn als Hormon bezeichnet werden.[6]

Wasserlösliche Vitamine

Wasserlösliche Vitamine werden im Dünndarm mittels Carriern oder Rezeptoren absorbiert. Während Vitamin B2 durch passiven Transport aufgenommen wird, erfolgt die Absorption von Vitamin B1, Vitamin B12 und Vitamin C aktiv.

Die wasserlöslichen Vitamine sind Vorläufer von Coenzymen oder prosthetischen Gruppen verschiedener Enzyme.

In der nachfolgenden Tabelle werden nur einige Beispiele für das Vorkommen und die Wirkungen der Vitamine genannt. Mehr dazu ist unter dem Artikel des einzelnen Vitamins zu finden. Während gesichert ist, dass beispielsweise Zitrusfrüchte Vitamin C enthalten, so ist es schwierig, eine quantitative Angabe bezüglich der Menge an vorhandenem Vitamin zu machen. Denn der Vitamingehalt der Ausgangsprodukte ist abhängig von zahlreichen Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, Lagerdauer etc. Auch die Zubereitungstemperatur und -dauer können eine Rolle spielen, da viele Vitamine nicht hitzestabil sind. Der genaue Vitaminbedarf eines einzelnen Individuums (siehe unten) ist ebenfalls nicht exakt geklärt, so dass es beim aktuellen Stand der Forschung nicht möglich ist zu entscheiden, wann von einer Person die „richtige“ Vitaminmenge aufgenommen wurde.

Von den 13 Vitaminen, die in der medizinischen Wissenschaft als unerlässlich gelten, sind zwei nicht in strengem Sinne essentiell, nämlich Vitamin D (Calciferol) und Niacin (Vitamin B3). Begründet wird dies damit, dass Stoffe mit Vitamin-D- und Niacin-Eigenschaften vom Körper unter bestimmten Umständen selbst gebildet (synthetisiert) werden können. So kann Vitamin D3 Cholecalciferol beispielsweise unter Einwirkung des Sonnenlichtes aus 7-Dehydrocholesterin, einem biologischen Derivat des Cholesterin, entstehen. Niacin kann beim Abbau des Tryptophans gebildet werden.

Biologische Werte sind, anders als physikalische Größen, nie absolut, sondern werden immer von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt. Neben dem Geschlecht und dem Alter beeinflussen noch eine Vielzahl anderer Faktoren den jeweiligen Vitaminbedarf einer Person unter bestimmten Lebensumständen. So können beispielsweise auch berufliche und umweltbedingte Belastungsfaktoren, körperliche und psychische Belastungen, Stress, Ernährungsgewohnheiten, Schwangerschaft, Stillzeiten, Krankheiten, Rauchen und Trinken den täglichen Vitaminbedarf ansteigen lassen. Bei den nachfolgend genannten Bedarfsgrößen handelt es sich deshalb um Durchschnittswerte mit verallgemeinerndem Charakter.

Die benötigten Vitaminmengen liegen, ausgenommen Vitamin C und Vitamin B12, im Bereich von wenigen Milligramm (mg). So benötigt der menschliche Körper beispielsweise täglich 75 mg Vitamin C (L-Ascorbinsäure), 0,8–1,0 mg Vitamin A (Retinol) und 1,3–1,8 mg Vitamin B1 (Thiamin). Die Empfehlungen variieren dabei sehr stark. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt beispielsweise täglich 100 mg Vitamin C zu sich zu nehmen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt dagegen nur 30 mg pro Tag.

Einige Bakterien der Darmflora sind in der Lage, die Vitamine K und B12 zu synthetisieren. Falls sie durch die Einnahme starker Antibiotika zerstört werden, kann leicht ein Mangel entstehen. Es gibt allerdings medizinische Möglichkeiten, diese Bakterien wieder im Darm anzusiedeln.

Vitamine (Übersicht)

Name Abk. Tagesbedarf eines Erwachsenen nach der DGE Wirkungen Vorkommen Mangelerscheinungen (Beispiel)
Fettlösliche Vitamine
Retinol A 0,8–1 mg Beeinflussung der Sehkraft, Beeinflussung des Zellwachstums, Erneuerung der Haut Leber, Milchfette, Fisch, als Provitamin in vielen Pflanzen selten, siehe Hypovitaminose des Retinol
Cholecalciferol D 20 µg Förderung der Calciumaufnahme Wird vom Körper bei UV-Einfluss hergestellt; Fischprodukte; in geringerer Menge in Milch Rachitis
Tocopherole

Tocotrienole

E 10–15 mg dienen der Zellerneuerung, hemmen entzündliche Prozesse, stärken das Immunsystem, wirken als Radikalenfänger pflanzliche Öle, in geringerer Menge in Blattgemüse, Vollkornprodukten selten, siehe Hypovitaminose des Vitamin E
Phyllochinon K1 0,001–2,0 mg Erforderlich für die Bildung der Blutgerinnungsfaktoren 2, 7, 9 und 10 sowie deren Gegenspielern Protein S und C. Auch im Knochen wird es für die Synthese von Osteocalcin benötigt. Eier, Leber, Grünkohl Gerinnungsstörungen
Menachinon

Farnochinon

K2
Wasserlösliche Vitamine
Thiamin B1 1,3–1,8 mg beeinflusst den Kohlenhydratstoffwechsel, wichtig für die Schilddrüsenfunktion, wichtig für die Nerven Fleisch, Erbsen, Haferflocken Beriberi
Riboflavin B2 1,8–2,0 mg gegen Migräne, fördert die Merkfähigkeit und Konzentration Fleisch, grünes Blattgemüse, Vollkornprodukte Pellagra
Niacin auch Nicotinsäureamid, Nicotinsäure B3, PP 15–20 mg Verwertung von Fetten, Eiweiß und Kohlenhydraten, gut für Haut und Nägel mageres Fleisch, Fisch, Hefe Pellagra
Pantothensäure B5 8–10 mg fördert die Wundheilung, verbessert die Abwehrreaktion Leber, Weizenkeime, Gemüse Anämie
Pyridoxin B6 1,6–2,1 mg schützt vor Nervenschädigung, wirkt mit beim Eiweißstoffwechsel Leber, Kiwis, Kartoffeln hypochrome Anämie
Biotin B7 0,25 mg schützt vor Hautentzündungen, gut für Haut, Haare und Nägel Leber, Blumenkohl, durch Darmbakterien selten, vor allem durch Verlust der Aufnahmefähigkeit, siehe Mangelerscheinungen des Biotin
Folsäure auch Pteroylglutaminsäure B11 (B9) 0,16–0,40 mg verhindert Missbildungen bei Ungeborenen, gut für die Haut Leber, Weizenkeime, Kürbis perniziöse Anämie
Cobalamin B12 3 µg bildet und regeneriert rote Blutkörperchen, appetitfördernd, wichtig für die Nervenfunktion Leber, Fisch, Milch, Lupinen, Algen (*) perniziöse Anämie
Ascorbinsäure C 100 mg Schutz vor Infektionen, wirkt als Radikalenfänger, stärkt das Bindegewebe Hagebutten, Acerola-Kirsche, Zitrusfrüchte, Sanddorn, Kiwis, Paprika Skorbut

(*) In pflanzlicher (auch fermentierter) Nahrung sind zum Teil für Menschen unverwertbare B12-Analoga vorhanden. Für Vegetarier und Veganer ist daher eine vielseitige vegetarische oder vegane Ernährung wichtig.

Mangelerscheinungen und Überversorgungen

Allgemeines

In Deutschland sind nach Aussage von Experten Mangelerscheinungen nur in Ausnahmefällen möglich. Lediglich beim Vitamin Folsäure ist häufiger eine mögliche Unterversorgung diskutiert worden. Menschen, die sich an die Ernährungsvorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) halten und ihre Ernährung auf ausreichend Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, wenig Fleisch und Milchprodukte umstellen, sind ausreichend mit allen wichtigen Vitaminen versorgt.

Hypovitaminose

Siehe auch den Hauptartikel Hypovitaminose.

Ein Vitaminmangel kann entstehen als Folge eines erhöhten Bedarfs (während Schwangerschaft und Stillzeit, in der Kindheit und Jugend), aufgrund einer mangelnden Zufuhr, durch Malassimilation infolge anderer Grunderkrankungen, als Folge von Medikamenteneinnahme (orale Kontrazeptiva) oder nach parenteraler Ernährung ohne Vitaminzugabe. Auch durch Aufbewahrung und Zubereitung der Lebensmittel bestimmen wir ihren Vitamingehalt, so dass trotz Auswahl der richtigen Nahrungsmittel ein Mangel entstehen kann.

Dies kann zu Mangelerscheinungen führen, die graduell in eine Hypovitaminose oder Avitaminose unterteilt werden. Vitaminmangelkrankheiten sind unter den europäischen Ernährungsbedingungen selten geworden und meist auf Alkoholabhängigkeit zurückzuführen. Betroffen sein können auch alte Menschen, Raucher oder strenge Vegetarier. Die Krankheitszeichen sind je nach dem betroffenen Vitamin verschieden. Je nach Art und Ausmaß der Schädigung kann sich der Organismus erholen. Bei Mangel an Vitamin B1 kommt es zu Beri-Beri. Ein Mangel an Vitamin C führt zu Skorbut. Vitamin-A-Mangel führt zu Nachtblindheit und trockener Haut. Vitamin-K-Mangel erhöht die Blutungsneigung, da es zur Synthese einiger Gerinnungsfaktoren benötigt wird.

Bei Alkoholikern führen gleich mehrere Faktoren zu einem Vitaminmangel. Der chronisch Suchtkranke nimmt außer dem Suchtmittel kaum andere Nahrung zu sich, er leidet an einer Mangelernährung. Die Schleimhaut des Verdauungstraktes über Speiseröhre, Magen und Dünndarm kann schwer geschädigt sein, ebenso die Bauchspeicheldrüse. Nahrungseinnahme ist verbunden mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfall. Die Verdauung und Aufnahme im Magendarmtrakt ist gestört (Malabsorption, Maldigestion). Zu Schäden des Blutbildes und des Nervengewebes kommt es v. a. durch Mangel der Vitamine B1 (Wernicke-Korsakow-Syndrom), Vitamin B6 und Folsäure (Polyneuropathie) und B12 (perniziöse Anämie, funikuläre Myelose). Die Infektabwehr ist gemindert. Die Blutgerinnung ist – aus verschiedenen Gründen – gestört.

Hypervitaminose

Siehe auch den Hauptartikel Hypervitaminose.

Eine Vitaminüberversorgung wird Hypervitaminose genannt. Die fettlöslichen Vitamine (E, D, K, A) können im Körper, meist in der Leber, gespeichert werden. Damit kann es auch zu Überdosierungen kommen. Die wasserlöslichen Vitamine werden über die Niere rasch ausgeschieden.

Als Hypervitaminosen werden jene Erscheinungen zusammengefasst, die bei übermäßiger Zufuhr der entsprechenden Vitamine auftreten können. Dies ist durch herkömmliche Ernährung nicht zu erreichen. In Frage kommen aber hochdosierte Vitamingaben.

Vitamin D ist in Verbindung mit Calcium unstrittig bei der Behandlung der Osteoporose. Bei chronischer Einnahme von Konzentrationen über 0,3 mg/d kann durch die dauerhafte Ansammlung im Körper der gegenteilige Effekt erreicht werden, die Knochenentkalkung und damit die Entstehung einer Osteoporose werden gefördert. Das Provitamin Beta-Carotin (Vorstufe des Vitamin A) kann hochdosiert bei Rauchern vermutlich das Lungenkrebsrisiko erhöhen. Für die Vitamine der B-Gruppe (wasserlöslich) sind unerwünschte Wirkungen bei hohen Dosen nur für Vitamin B6 bekannt, bei Einnahme von mehr als 50 mg pro Tag – der zwanzigfachen Tagesdosis – resultiert eine sensorische Polyneuropathie.[7] Eine aktuelle Bewertung vom Bundesinstitut für Risikobewertung ist 2005 erschienen.[8]

Einzelnachweise

  1. The Natural History of Ascorbic Acid in the Evolution of Mammals and Primates, Irwin Stone, 1972.
  2. James G. Morris: Idiosyncratic nutrient requirements of cats appear to be diet-induced evolutionary adaptations. Nutrition Research Reviews (2002), 15:153–168 Cambridge University Press (Link)
  3. Markus Grill: Vitaminschub für den Volkskörper, Spiegel online, 19. Januar 2012; unter Bezugnahme auf eine im März 2012 erscheinende Habilitationsschrift von Heiko Stoff.
  4. 4,0 4,1 4,2 So werden in folgender Literatur das Niacin auch als B5 und Pantothensäure als B3 bezeichnet: Bässler, K.-H.: Vitamin-Lexikon, Urban & Fischer, München, Jena 2002, ISBN 3437211412
  5. 5,0 5,1 Schauder, P., Ollenschläger, G.: Ernährungsmedizin, Urban & Fischer, München, Jena, 2003, ISBN 3437229206
  6. Reinhold Vieth: Why “Vitamin D” is not a hormone, and not a synonym for 1,25-dihydroxy-vitamin D, its analogs or deltanoids. Journal of Steroid Biochemistry & Molecular Biology, 89–90 (2004), 571–573.
  7. Deutsches Ärzteblatt 102(17), 29. April 2005
  8. Vitamine und Mineralstoffe – Bewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung, 2005 (PDF-Datei; 926 kB)

Literatur

Ältere Literatur

  • R. Kuhn: Vitamine und Arzneimittel. Die Chemie (Angewandte Chemie, neue Folge) 55(1/2), S. 1–6 (1942), ISSN 1521-3757

Aktuelle Literatur

  • Vitamins in the prevention of human diseases. Ed. by Herrmann, Wolfgang / Obeid, Rima,2011, ISBN 978-3-11-021448-2
  • M. O. Bruker: Unsere Nahrung, unser Schicksal. Emu Verlag, 2005, ISBN 3-89189-003-6
  • Thomas Spengler: Gesundheit durch Vitalstoffe. Selbstverlag, 2004, ISBN 3-00-012604-X
  • Hahn, Ströhle, Wolters: Ernährung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 2005, ISBN 3-8047-2092-7
  • Klaus Oberbeil: Fit durch Vitamine. Südwest-Verlag, 2003, ISBN 3-517-07824-7
  • Autor unbekannt: Kalorien, Nährstoffe, Vitamine. Compakt Verlag, 2003, ISBN 3-8174-5514-3
  • Harald Friesewinkel: Das Wichtigste über Vitamine. Knauer Verlag, 2004, ISBN 3-417-24718-7
  • Uwe Gröber: Orthomolekulare Medizin. Wissenschaftliche Verlagsanstalt mbH Stuttgart, 2002, ISBN 3-8047-1927-9
  • Andreas Jopp: Risikofaktor Vitaminmangel. Haug, 2002, ISBN 3-8304-2077-3
  • Hans Konrad Biesalski, Josef Köhrle, Klaus Schürmann: Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Thieme, 2002, ISBN 3-13-129371-3
  • Karl-Heinz Bäßler, Ines Golly, Dieter Loew: Vitamin-Lexikon. Urban & Fischer, 2002, ISBN 3-437-21141-2
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (Konzeption und Entwicklung: Arbeitsgruppe „Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“): DACH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Umschau/Braus Verlag, 2000, ISBN 3-8295-7114-3
  • Hans Glatzel: Sinn und Unsinn der Vitamine. Kohlhammer Verlag, 1987, ISBN 3-17-009574-9

Siehe auch

Weblinks

  • Zusammenfassender Bericht zur Geschichte, Marketing und Risiko von Vitaminen in "SWR Betrifft: Die Vitaminfalle", Programminfo des Senders
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