Quantenstatistik
In der Quantenstatistik wird das Verhalten makroskopischer Systeme mit den Methoden der Quantenmechanik untersucht. Ähnlich wie in der klassischen statistischen Physik geht man davon aus, dass sich das System in einem Zustand befindet, der nur durch makroskopische Größen bestimmt ist, aber durch eine große Anzahl verschiedener, nicht näher bekannter, Mikrozustände realisiert sein kann. Jedoch wird das Abzählen der verschiedenen möglichen Mikrozustände dahin gehend abgeändert, dass das Vertauschen zweier gleicher Teilchen keinen verschiedenen Mikrozustand hervorbringt. Damit wird dem besonderen Charakter der Ununterscheidbarkeit identischer Teilchen Rechnung getragen.
Erklärung
Liegt das System in einem Zustand
- .
Er beschreibt, mit welchen Wahrscheinlichkeiten
Die Überlagerung ist inkohärent. Dies drückt sich darin aus, dass nicht die Zustände
Eine Folge ist, dass Methoden, bei denen Kohärenz gefordert wird, z. B. Quantencomputing oder Quantenkryptographie, nicht leicht im Rahmen der Quantenstatistik beschrieben werden können bzw. durch thermodynamische Effekte erschwert werden.
Ununterscheidbare Teilchen
Für die Quantenstatistik wichtig ist die Existenz identischer Teilchen. Das sind Quantenobjekte, die sich durch keine Messung unterscheiden lassen; d. h., der für die Quantenphysik grundlegende Hamiltonoperator des Systems (siehe z. B. Mathematische Struktur der Quantenmechanik) muss symmetrisch in den Teilchenvariablen sein, z. B. in den Orts- und Spinfreiheitsgraden des einzelnen Teilchens. Die Vielteilchen-Wellenfunktion
Da jede Permutation aus Transpositionen
Mit anderen Worten: für symmetrische Vielteilchenzustände identischer Teilchen bleibt bei Vertauschen zweier beliebiger Teilchen das Vorzeichen der Gesamtwellenfunktion erhalten, bei antisymmetrischen Vielteilchenzuständen wechselt es.
Das Experiment zeigt, dass die Natur tatsächlich nur solche Zustände realisiert, was am Fehlen von Austauschentartung erkennbar ist. Man bezeichnet diese Tatsache auch als Symmetrisierungspostulat.
Bosonen und Fermionen
Allgemeines
Die Wahrscheinlichkeiten
Dabei sind Bosonen Teilchen mit ganzzahligem, Fermionen mit halbzahligem Spin, jeweils gemessen in Einheiten von
Diese Verknüpfung des Teilchenspins mit der Symmetrie der Wellenfunktion bzw. dem Vorzeichen der Wellenfunktion bei Vertauschung zweier Teilchen wird als Spin-Statistik-Theorem bezeichnet. Es wurde von Wolfgang Pauli aus allgemeinen Prinzipien der relativistischen Quantenfeldtheorie bewiesen.
In zwei Dimensionen ist auch ein Phasenfaktor
Beispiele für quantenstatistische Effekte, d. h. Effekte, bei denen die Vertauschungseigenschaften der Gesamtwellenfunktion eine entscheidende Rolle spielen, sind:
- für Bosonen
- Bose-Einstein-Kondensation
- Supraleitfähigkeit (Cooper-Paare als Bosonen)
- Suprafluidität
- Hohlraumstrahlung schwarzer Körper.
- für Fermionen
- Wärmekapazität von Festkörpern
- Bänderstruktur von Metallen und Halbleitern,
- Zusammenhalt von weißen Zwergen und Neutronensternen gegenüber der Eigengravitation.
Zusammenhang mit dem Drehverhalten der Wellenfunktion
Auch das Drehverhalten der Wellenfunktion ist in diesem Zusammenhang interessant: bei einer räumlichen Drehung um 360o ändert sich die Wellenfunktion
- ,
während sie sich fur Bosonen reproduziert:
- .
Durch eine solche 360o-Drehung kann die Vertauschung zweier Teilchen erfolgen: Teilchen 1 bewegt sich zum Ort 2, z. B. auf der oberen Hälfte einer Kreislinie, während Teilchen 2 sich zum leer gewordenen Ort von 1 auf der unteren Halbkreislinie bewegt, um ein Zusammentreffen zu vermeiden. Das Ergebnis der Permutationsgleichung passt also zum ungewöhnlichen Drehverhalten fermionischer Wellenfunktionen (mathematische Struktur: siehe Doppelgruppe SU(2) zur gewöhnlichen Drehgruppe SO(3)).
Statistik idealer Quantengase
Zur Herleitung der Statistik idealer Quantengase betrachten wir ein System im großkanonischen Ensemble, d. h. das betrachtete System sei an ein Wärmebad und an ein Teilchenreservoir angekoppelt. Die großkanonische Zustandssumme ist dann gegeben durch
wobei Tr Spurbildung,
Dabei hängt die Energie
Die zweite Summe läuft über alle möglichen Besetzungszahlen
Die Summe lässt sich für die beiden Teilchensorten auswerten. Für Fermionen erhält man
und für Bosonen
wobei im letzten Schritt die Konvergenz der geometrischen Reihe gefordert wurde. Mit Kenntnis der großkanonischen Zustandssumme lässt sich auch das großkanonische Potential
angeben. Damit lassen sich die thermodynamischen Größen Entropie
Wir interessieren uns hier für die mittlere Besetzungszahl
Das ergibt für Fermionen die Fermi-Dirac-Verteilung
und für Bosonen die Bose-Einstein-Verteilung
Zentrale Anwendungen
Die Quantenstatistik wird hauptsächlich angewendet in folgenden thermodynamischen Beziehungen:
- Gleichungen wie
(„kanonische Gesamtheit“) oder („großkanonische Gesamtheit“) mit , dem Kehrwert der thermischen Energie- der absoluten Temperatur T
- der Boltzmann-Konstante kB
- dem chemischen Potential
,
- Formeln für die thermodynamischen Erwartungswerte einer Messgröße (einer sog. Observablen), die durch einen hermitischen (präziser: selbstadjungierten) Operator
beschrieben wird: - einer Formel für die thermodynamische Entropie (bzw. die analoge Informationsentropie)
.
Der Formalismus berücksichtigt sowohl die thermodynamischen als auch die quantenmechanischen Phänomene.
Der gerade behandelte Unterschied zwischen Fermionen und Bosonen ist dabei wesentlich: So sind z. B. die quantisierten Schallwellen, die sog. Phononen, Bosonen, während die Elektronen Fermionen sind. Diese beiden Elementaranregungen liefern in festen Körpern ganz unterschiedliche Beiträge zur spezifischen Wärme: der Phononenbeitrag hat eine chakteristische Temperaturabhängigkeit
Für diese und ähnliche Probleme kann man oft auch Methoden der Quantenfeldtheorie anwenden, z. B. Feynman-Diagramme. Auch die Theorie der Supraleitung kann man so behandeln.
Literatur
- W. Nolting: Grundkurs Theoretische Physik, Band 7: Viel-Teilchen-Theorie, Springer, Berlin, ISBN 978-3540241171
- derselbe : Grundkurs Theoretische Physik, Band 6: Statistische Physik, Springer, Berlin, ISBN 978-3540688709
- N. W. Ashcroft, D. N. Mermin: Festkörperphysik, Oldenbourg Wissensch.Vlg, ISBN 978-3486577204
- U. Krey, A. Owen: Basic Theoretical Physics - A Concise Overview, einbändig, part 4, Springer, Berlin, ISBN 978-3-540-36804-5
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Wegen der Erhaltung der Wahrscheinlichkeit, die durch |ψ|2 ausgedrückt wird.