Feynman-Diagramm
Feynman-Diagramme stellen in der Teilchenphysik und der Festkörperphysik die quantenfeldtheoretischen Beiträge zu Streuvorgängen bildlich dar und veranschaulichen und erleichtern so ihre Berechnung. Sie wurden 1949 von Richard Feynman entwickelt.[1]
Bedeutung
Feynman-Diagramme sind eine graphische Repräsentation der Wechselwirkungen. Diese werden durch die Lagrange-Dichte
Hierbei ist der
Solche Ausdrücke sind jedoch sehr kompliziert. Die Feynman-Diagramme bieten hier eine vereinfachte und anschauliche Darstellungsmöglichkeit. Für eine genaue Lösung sind Feynman-Diagramme jedoch nicht geeignet. Hier muss auf die mathematischen Formeln zurückgegriffen werden.
Aufbau
Feynman-Diagramme setzen sich aus grundlegenden Symbolen zusammen, die jeweils bestimmte Arten von Elementarteilchen des Standardmodells abbilden. Die Pfeilrichtung zeigt an, ob es sich um ein normales Teilchen oder ein Antiteilchen handelt. Bei einem normalen Teilchen zeigt der Pfeil in Zeitrichtung und bei einem Antiteilchen zeigt der Pfeil gegen die Zeitrichtung. Dies bedeutet aber nicht, dass sich das Antiteilchen gegen die Zeit in die Vergangenheit bewegt. Die Pfeilrichtung dient lediglich zur Übersicht von Teilchen und Antiteilchen. Die Anzahl der Pfeile, die in das Feynman Diagramm von links eintreten, entspricht immer der Anzahl der Pfeile, die rechts wieder heraustreten. Dabei wird ein Pfeil gegen die Zeitrichtung als negativ gewertet und er hebt einen Pfeil in Zeitrichtung auf. Die Austauschteilchen, welche eine Wechselwirkung zwischen Teilchen ermöglichen, werden durch eine andere Symbolik ohne Pfeile gezeichnet, wie in der folgenden Tabelle zu sehen ist.
Die Zeit wird im Folgenden von links nach rechts abgelesen.
Symbol | Bedeutung |
---|---|
normales Teilchen | |
Antiteilchen | |
Interaktion durch Eichboson | |
Interaktion durch Gluon g | |
Interaktion durch Higgs-Boson (wird gelegentlich auch für andere Bosonen verwendet) | |
Terminator (des Higgs) |
Die Beschriftung der Teilchen definiert, um welches Teilchen es sich konkret handelt.
|
|
Feynman-Diagramme haben äußere Linien, die in Wechselwirkungspunkte ein- oder auslaufen, und innere Linien, die Paare von Wechselwirkungspunkten verbinden. Den äußeren Linien entsprechen ein- und auslaufende Teilchen. Die Wechselwirkungspunkte, an denen Linien zusammentreffen, heißen auch Vertices. An einem Vertex können Teilchen erzeugt, vernichtet oder gestreut werden.
Da die Zeit von links nach rechts verläuft, führt eine Drehung des Vertex zu unterschiedlichen Interpretationen.
Hierbei gilt zu beachten, dass ein Feynman-Diagramm nur aus über Teilchen zusammenhängenden Vertices besteht. Zudem ist aufgrund der Ladungserhaltung die Anzahl der in das Diagramm eingehenden Pfeile gleich der Anzahl der aus dem Diagramm ausgehenden Pfeile.
Propagatoren
Die inneren Linien nennt man Propagatoren und deutet sie als virtuelle Teilchen. Virtuelle Teilchen können nicht beobachtet werden. Aufgrund dessen ergibt sich eine Mehrdeutigkeit. Alle Diagramme mit den gleichen ein- und auslaufenden Linien sind äquivalent. Äquivalente Diagramme werden aufgrund der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik integriert.
Beispiele
- Møller-Streuung
Zur Berechnung der Streuung zweier Fermionen – der Møller-Streuung – betrachtet man Feynman-Diagramme mit zwei einlaufenden und zwei auslaufenden Elektronen.
Die Bilder zeigen die Streuung in niedrigster Ordnung („Tree-Level“). Die vier äußeren Linien stehen für die ein- und auslaufenden Elektronen, die innere Wellenlinie für das virtuelle Photon, das die elektromagnetische Wechselwirkung bewirkt.
Jedem dieser Diagramme entspricht ein Beitrag zur Streuung, der gesamte Streuvorgang wird durch die Summe aller Diagramme dargestellt.
- Compton-Effekt
Als weiteres Beispiel sei hier der Compton-Effekt in der niedrigsten Ordnung aufgeführt. Auch hier werden die möglichen Diagramme summiert.
Compton-Effekt = | + |
Hierbei ist das neutral geladene Fermion in der rechten Abbildung die Summe aus weiteren Diagrammen der niedrigsten Ordnung, wobei einerseits ein negativ geladenes Fermion (z. B. ein Elektron) und andererseits positiv geladenes Fermion (z. B. ein Proton) vermittelt:
= | + |
Die Berechnung dieser Streuung und allgemeiner die Feynman-Regeln für die mathematischen Ausdrücke, die den Linien und Vertices entsprechen, finden sich in vielen Lehrbüchern der Teilchenphysik (siehe Weblinks).
Schleifen
Die möglichen Propagatoren höherer Ordnung bilden Schleifen (Loops).
Die möglichen Feynman-Diagramme lassen sich nach der Zahl der inneren Schleifen ordnen. Diese Anzahl wird als Loop-Ordnung bezeichnet.
Diese Diagramme werden im Zuge einer Reihenentwicklung aufsummiert.
Es sind dabei beliebig viele Diagramme denkbar. Jedoch wird die Kopplung
Diagramme ohne Schleifen haben die Struktur eines Baumes (Stamm, von dem Äste verzweigen) und heißen Baumdiagramme.
Feynman-Regeln
Die Feynman-Regeln beschreiben, welche Wechselwirkungen möglich sind und welche nicht.
Photonen
Photonen wechselwirken mit Elektronen und Muonen:
Z-Bosonen
Neutrinos (
W-Bosonen
Das W-Boson vermittelt zwischen Neutrinos und den geladenen Leptonen l. Das W-Boson ist dabei der Träger einer positiven (W+) oder negativen (W-) elektrischen Ladung. Aufgrund der elektrischen Ladung unterliegt das W-Boson der Schwachen Wechselwirkung und interagiert daher auch mit dem Photon, dem Z-Boson, sowie anderen W-Bosonen.
W-Bosonen sind vor allem deshalb interessant, da sie einen Wechsel des Flavour erlauben. Das bedeutet, dass sich die Anzahl der Elektronen, Muon-Neutrinos, etc. verändern kann. Diese Eigenschaft spielt etwa im β-Zerfall eine wichtige Rolle.
Gluonen
Gluonen vermitteln die Starke Wechselwirkung zwischen Quarks.
Quarks besitzen eine Farbladung. Im Gegensatz zur elektrischen Ladung, welche aus den Ladungen „positiv“ (+) und „negativ“ (-) besteht, besteht die Farbladung aus den Ladungen „Rot“, „Grün“ und „Blau“, sowie die Antifarbladungen „Anti-Rot“ („Cyan“), „Anti-Grün“ („Magenta“) und „Anti-Blau“ („Gelb“). Um die Farbladung zu neutralisieren müssen wahlweise Quarks mit den Farbladungen {Rot,Grün,Blau}, {Cyan,Magenta,Gelb}, {Rot,Cyan}, {Grün,Magenta} oder {Blau,Gelb} über Gluonen verbunden werden.
Teilchen mit drei Quarks werden hierbei als Baryonen (hierzu gehören z. B. die Protonen und die Neutronen) bezeichnet. Teilchen aus zwei Quarks werden als Mesonen bezeichnet. Freie Quarks werden sofort durch Gluonen mit der Starken Kraft zu Baryonen oder Mesonen verbunden.
Gluonen werden mathematisch durch Adjunktion zur Speziellen unitären Gruppe SU(3) als spurfreie Hermitesche 3×3-Matrizen dargestellt. Es gibt somit acht (32-1) verschiedene Gluonen.
Gluonen tragen jeweils zwei Farbladungen. Dadurch unterliegen sie selbst der Starken Wechselwirkung und können sich somit mit sich selbst verbinden. Theoretisch lassen sich so auch Gluon-Bälle erzeugen, welche nur aus Gluonen und ohne Quarks auskommen. Jedoch konnten diese bisher nicht nachgewiesen werden.
Typen von Feynman-Diagrammen
- Zusammenhängende Diagramme:
- Ist jeder Vertex über innere Linien und andere Vertices mit jedem anderen Vertex verbunden, so bezeichnet man das Diagramm als zusammenhängend, anderenfalls als unzusammenhängend. Bei jedem zusammenhängenden Teil des Diagramms ist die Summe der Energien, Impulse und Ladungen der einlaufenden Teilchen gleich der Summe der Energien, Impulse und Ladungen der auslaufenden Teilchen.
- Ein-Teilchen-irreduzible Diagramme:
- Kann ein zusammenhängendes Diagramm nicht durch Zerschneiden einer inneren Linie in zwei unzusammenhängende Diagramme geteilt werden, so heißt es Ein-Teilchen-irreduzibel. Bei solchen Diagrammen treten Integrationen auf, die man nicht systematisch als Produkt einfacherer Integrale vereinfachen kann.
- Amputierte Diagramme:
- Lässt man bei einem Diagramm Korrekturen (Selbstenergien, s. u.) zu den äußeren Linien weg, so bezeichnet man es als amputiert.
- Selbstenergie-Diagramme:
- Ein Diagramm mit einem Loop und mit äußeren Linien an nur zwei Vertices heißt (nach Amputation) Selbstenergiediagramm. Sein Wert hängt nur von der Energie und dem Impuls ab, der durch äußere Linien an dem einem Vertex hinein- und an dem anderen hinaus fließt.
- Skelett-Diagramme:
- Ein Diagramm ohne ein Selbstenergie-Unterdiagramm bezeichnet man als Skelett-Diagramm.
Anwendungen
Anwendungen der Feynman-Diagramme gibt es in erster Linie in relativistischen Quantenfeldtheorien, z. B. in der Quantenelektrodynamik oder der Quantenchromodynamik, aber auch in der nichtrelativistischen Festkörperphysik, speziell in der Vielteilchenphysik und der Statistischen Physik.[2]
Siehe auch
- Compton-Streuung
- Paarvernichtung
- Paarbildung
- Vakuumpolarisation
- Pinguin-Diagramm
Literatur
- Otto Nachtmann, Phänomene und Konzepte der Elementarteilchenphysik, Vieweg, Braunschweig, 1986 ISBN 3-528-08926-1
Einzelnachweise
Weblinks