Eichboson

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Eichbosonen sind elementare Bausteine unseres Universums und Teil des Standardmodells der Elementarteilchenphysik. Die Eichbosonen übertragen die verschiedenen Kräfte, übermitteln also die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen (Materie-)Teilchen. Deshalb werden sie oft auch als Austauschteilchen, Botenteilchen, Trägerteilchen, Kraftteilchen oder Wechselwirkungsteilchen bezeichnet.

Standardmodell

Das Standardmodell mit den Eichbosonen

Fordert man von einer Feldtheorie, dass ihre Wirkung unabhängig von einer lokalen Eichung sein soll, so muss gegebenenfalls ein zusätzliches Eichfeld eingeführt werden, so dass die Lagrangedichte der Theorie diese Bedingung erfüllt. Bei der Quantisierung der Feldtheorie, d. h. beim Übergang zu einer Quantenfeldtheorie, entsprechen die Eichbosonen den Feldquanten des Eichfelds.[1][2] Ihnen ist gemein, dass sie ganzzahligen Spin besitzen, deshalb die Spezifizierung Bosonen. Alle Eichbosonen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik haben Spin 1, sind also so genannte Vektorteilchen.

Bekanntestes Beispiel eines Eichbosons ist das Photon, das die elektromagnetische Wechselwirkung überträgt. Die anderen Eichbosonen des Standardmodells sind die 8 Gluonen der starken Wechselwirkung und die W+- und Z-Bosonen der schwachen Kernkraft. Dazu kommt das Graviton als Eichboson der (Quanten-)Gravitation.

Eichboson(en) Anzahl Wechselwirkung Materieteilchen Eichgruppe
Gluonen 8 starke Wechselwirkung Quarks SU(3)
W+-, W-- und Z0-Boson 3 schwache Wechselwirkung Quarks, Leptonen SU(2)
Photon 1 elektromagnetische Wechselwirkung Quarks, Leptonen (ohne Neutrinos) U(1)
Graviton 1 Gravitation Quarks, Leptonen, hypothetisch: Dunkle Materie ?

Multiplizität

In einer quantisierten Eichtheorie sind Eichbosonen Quanten der Eichfelder. Es gibt so viele Eichbosonen wie Generatoren der Eichgruppe. In der Quantenelektrodynamik ist die Eichgruppe U(1) eindimensional, also gibt es nur ein Eichboson. Die Eichgruppe der Quantenchromodynamik, SU(3), hat acht Generatoren, entsprechend gibt es acht Gluonen. Der vereinheitlichten Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung (GSW) liegt die Gruppe SU(2)×U(1) zugrunde, dies führt letztlich zu den 4 Eichbosonen Photon, W+-, W-- und Z0-Boson.

Eichbosonen sind adjungierte Darstellungen der zugrundeliegenden Symmetriegruppe. Für die SU(N)-Gruppen des Standardmodells ist diese Darstellung $ N^{2}-1 $-dimensonal. Deshalb gibt es 8 Gluonen und 4 (=3+1) Eichbosonen der elektroschwachen Theorie.[1]

Masse

Die Eichinvarianzbedingung fordert, dass alle Eichbosonen masselos sind, da ein Masseterm in der Lagrangefunktion nicht eichinvariant ist. Die W+-- und Z-Bosonen besitzen jedoch Masse. Dies ist ein Effekt des Higgs-Mechanismus, in dem die SU(2)×U(1)-Symmetrie der elektroschwachen Wechselwirkung spontan gebrochen wird. Gemessen werden nicht die ursprünglichen SU(2)×U(1)-Eichbosonen, sondern Linearkombinationen hiervon. Das damit verbundene Higgs-Teilchen ist das einzige experimentell noch nicht bestätigte Teilchen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik. Der experimentelle Nachweis ist eine Hauptaufgabe des Large Hadron Colliders (LHC). Am 4. Juli 2012 wurde durch das CERN die Entdeckung eines Bosons mit einer Masse von etwa 125 GeV/c² bekannt gegeben, bei dem es sich um das Higgs-Teilchen handeln könnte.[3]

Jenseits des Standardmodells

Viele Theorien, die über das Standardmodell der Elementarteilchenphysik hinaus gehen, führen neue Wechselwirkungen ein, und somit auch neue Eichbosonen. Bisher wurde jedoch noch keines dieser Teilchen in einem Experiment gemessen. Genaugenommen ist auch das Graviton so ein hypothetisches Teilchen, da noch keine Quantengravitationstheorie durch Experimente bestätigt wurde.

Große Vereinheitlichte Theorie

In Großen Vereinheitlichten Theorien (GUTs) werden zusätzliche Eichbosonen als X und Y vorhergesagt. Diese würden Wechselwirkungen zwischen Quarks und Leptonen vermitteln, damit die Erhaltung der Baryonenzahl verletzen und könnten so einen Protonenzerfall verursachen. Diese Bosonen wären durch Symmetriebrechung äußerst massiv (sogar noch schwerer als die W- und Z-Bosonen), ihre Spins 0 oder 1.

Gravitation

Die Gravitationswechselwirkung ist im Gegensatz zu den anderen kein Gegenstand des Standardmodells, ebenso das hypothetische Trägerteilchen, das Graviton. Dieses ist auch deshalb eine Ausnahme, weil es als Spin-2-Teilchen ein Tensorboson ist, was in Übereinstimmung mit der anziehenden Wirkung zwischen Massen (als „Gravitationsladungen“) steht.

W′- und Z′-Bosonen

W′ und Z′ (gelesen: W-prime und Z-prime) sind hypothetische Eichbosonen, die an die Fermionen des Standardmodells vermöge ihres Isospins koppeln. Ihr Spin ist 1.

Durch die Erweiterung des Standardmodells um mindestens eine weitere U(1) Eichgruppe kann ein Z′-Boson erzeugt werden, allerdings kein W′-Boson. Eine weitere Möglichkeit der Erweiterung ist, n SU(2) Eichgruppen anzunehmen, wobei eine davon die gewöhnlichen W- und Z-Bosonen erzeugt, die anderen n-1 die W′- und Z′-Bosonen.

Supersymmetrische Partner

Die hypothetischen supersymmetrischen Partner der Eichfelder sind die folgenden Gaugino-Felder:

  • acht Gluinos als Superpartner der Gluonen.
  • Die elektroschwachen Gaugino-Felder mischen nach dem minimalen supersymmetrischen Standardmodell (MSSM) mit den Higgsino-Feldern zu zwei Paar elektrisch geladenen Charginos und vier elektrisch neutralen Neutralinos als hypothetisch beobachtbare Teilchen. Die Higgsinos sind die Superpartner der hypothetischen Higgsfelder, von denen es im MSSM mehrere gibt.
  • ein Gravitino als supersymmetrischer Partner des Gravitons nach der Theorie der Supergravitation (SUGRA) – kein Bestandteil des MSSM, so wie das Graviton kein Teil des SM ist.

Literatur

Eichbosonen werden in den meisten einführenden Büchern über moderne Elementarteilchenphysik behandelt. Beispielhaft seien hier genannt

  • David J. Griffiths: Introduction to Elementary Particles. Wiley, John & Sons, Inc 1987, ISBN 0-471-60386-4(Englisch) Für Physikstudenten in den mittleren Semestern und interessierte Laien.
  • Michael E. Peskin, Daniel V. Schroeder: An Introduction to Quantum Fields. Westview Press 1995, ISBN 0-201-50397-2 (Englisch) Für Physikstudenten mit einem Hang zu Theoretischer Physik (Kurs in Quantenfeldtheorie, erst im dritten Teil werden Eichtheorien behandelt)
  • Klaus Bethge, Ulrich E. Schröder: Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen – eine Übersicht. WILEY-VCH, Weinheim 2006, ISBN 3-527-40587-9.
  • Harald Fritzsch: Elementarteilchen. Bausteine der Materie. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50846-4.
  • Henning Genz: Elementarteilchen. Fischer, Frankfurt a.M. 2003, ISBN 3-596-15354-9.

Weblinks

  • Particle Data Group ist die Standardreferenz zu aktuellen experimentellen Befunden in Bezug auf Elementarteilchen.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Michael E. Peskin, Daniel V. Schroeder: An Introduction to Quantum Fields. Westview Press 1995, ISBN 0-201-50397-2
  2. David J. Griffiths: Introduction to Elementary Particles. Wiley, John & Sons, Inc 1987, ISBN 0-471-60386-4
  3. CERN experiments observe particle consistent with long-sought Higgs boson. Pressemitteilung von CERN (4. Juli 2012). Abgerufen am 6. Juli 2012.

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