Starke Wechselwirkung
Die starke Wechselwirkung (auch starke Kraft, Gluonenkraft, Farbkraft, aus historischen Gründen Kernkraft oder starke Kernkraft genannt) ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Mit ihr wird die Bindung zwischen den Quarks in den Hadronen erklärt.
Vor der Einführung des Quark-Modells wurde als starke Wechselwirkung die Anziehungskraft zwischen den Nukleonen (Protonen und Neutronen) des Atomkerns bezeichnet. Auch heute noch ist mit der starken Wechselwirkung oft nur diese Restwechselwirkung gemeint.
Bindung zwischen Quarks
Nach der Quantenchromodynamik wird die starke Wechselwirkung – wie die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung – durch den Austausch von Eichbosonen beschrieben. Die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung werden als Gluonen bezeichnet, von denen es acht Sorten (unterschiedliche Farbladungszustände) gibt. Die Gluonen übertragen eine Farbladung zwischen den Quarks. Ein Gluon kann dabei mit anderen Gluonen interagieren und Farbladungen austauschen.
Die Anziehungskraft zwischen Quarks nimmt mit steigender Entfernung zu, grob vergleichbar einem Gummiseil oder einer Zugfeder. Bei kleinem Abstand können die Quarks daher wie freie Teilchen betrachtet werden (asymptotische Freiheit), wodurch eine Einschließung (Confinement) zustande kommt. Mit größerem Abstand bewirkt die zunehmende Kraft, dass die Quarks den Charakter selbstständiger Teilchen verlieren, weswegen sie nicht als freie Teilchen beobachtet werden können.
Bindung zwischen Nukleonen
Obwohl Nukleonen immer die Farbladung null haben, gibt es zwischen ihnen eine Restwechselwirkung oder Kernkraft (entfernt vergleichbar den Van-der-Waals-Kräften, die man als elektromagnetische Restwechselwirkungen zwischen elektrisch neutralen Atomen und/oder Molekülen ansehen kann).
Die Reichweite der Anziehung durch die Restwechselwirkung liegt bei etwa 2,5 Femtometern. Unterhalb davon ist sie vergleichbar stark wie die elektrische Abstoßung (Coulombkraft) zwischen den Protonen. Oberhalb dieses Abstandes dagegen nimmt die Anziehung steiler ab als die Coulombkraft, die proportional zu 1/r² sinkt. Dieses Zusammenspiel der beiden Grundkräfte erklärt den Zusammenhalt und die Größenordnung der Atomkerne, aber z. B. auch die Spaltung schwerer Kerne.
Erklärung der Restwechselwirkung
Zwischen Atomen ist das abstoßende Potential bei kleinen Abständen eine Folge des Pauli-Prinzips für die Elektronenzustände. Dies gilt für Nukleonen nicht, denn Quarks haben neben dem Spin (2 Zustände) noch eine Farbladung (3 Zustände) und gerade im Fall der Bestandteile der Nukleonen, der u- und d-Quarks, auch einen Isospin (2 Zustände). Im Ganzen sind damit $ 2\cdot 3\cdot 2=12 $ unterschiedliche Konfigurationen gegeben, in denen sich die Quarks anordnen können. Bei jeweils drei Quarks pro Nukleon spielt hier das Pauli-Prinzip also keine Rolle.
Stattdessen ist der Grund für die starke Abstoßung bei Abständen unterhalb von ca. 1,7 Femtometern die starke Spin-Spin-Wechselwirkung der Quarks: stehen nämlich Spins parallel zueinander, so nimmt die potentielle Energie des Systems zu. Dies gilt auch bei sich überlappenden Nukleonen, und zwar umso stärker, je geringer der Abstand der Nukleonen voneinander ist. Dies ergibt die effektive Abstoßung bei kleinem Abstand r, die mit steigendem r abnimmt.
Mit noch größerem Abstand voneinander gelangen die Nukleonen in den anziehenden Teil des Kernpotentials. Dieser kann anhand zweier Mechanismen erklärt werden:
- einen Quark-Quark-Austausch (zwei Quarks sind gleichzeitig beiden beteiligten Nukleonen zugeordnet), vergleichbar dem Austausch zweier Elektronen in einer kovalenten Bindung
- das Nukleon enthält neben den drei Valenzquarks noch zahlreiche Gluonen, die in Quark-Antiquark-Paare und wieder in Gluonen zerfallen können. Diese Seequarks genannten Paare sind farbneutral und können dadurch gemäß dem Confinement auch über größere Entfernungen ausgetauscht werden.
Man kann sich somit die zwischen den Nukleonen wirkende Kernkraft vorstellen als relativistische Verallgemeinerung der kovalenten Kraft auf die starke Wechselwirkung und den Austausch von Quarks. Eine vollständige Beschreibung der Kernkraft aus der Quantenchromodynamik ist jedoch bisher nicht möglich.
Vor der Einführung des Quark-Modells wurden die Restwechselwirkung und ihre geringe Reichweite erklärt mit einer effektiven Theorie: durch den Austausch von Pionen zwischen den Nukleonen (Yukawa-Potential) und die Masse der Pionen.
Literatur
- Manfred Böhm, Ansgar Denner, Hans Joos: Gauge theories of the strong and electroweak interaction, Teubner-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-519-23045-8 (deutsches Original: Becher-Böhm-Joos, Eichtheorien der starken und elektroschwachen Wechselwirkung) – ein Standardwerk für die Theorie
Weblinks
- Marc Gänsler: Die starke Wechselwirkung. In: Einführung: Die 4 Grundkräfte der Physik, abgerufen 30. Januar 2009.
- Gluonen und die starke Kraft. DESYs Kwork Quark, »Teilchenphysik für alle«