Uran(VI)-fluorid

Uran(VI)-fluorid

(Weitergeleitet von Uranhexafluorid)
Strukturformel
Struktur von Uranhexafluorid
Kristallsystem

orthorhombisch

Raumgruppe

Pnma

Gitterkonstanten

a = 990,0 pm
b = 896,2 pm
c = 520,7 pm

Allgemeines
Name Uran(VI)-fluorid
Andere Namen

Uranhexafluorid

Summenformel UF6
CAS-Nummer 7783-81-5
PubChem 24560
Kurzbeschreibung

farblose Kristalle[1]

Eigenschaften
Molare Masse 351,99 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

5,09 g·cm−3 (20,7 °C)[2]

Sublimationspunkt

56,5 °C[1]

Dampfdruck

153 hPa (25 °C)[1]

Löslichkeit

heftige Zersetzung mit Wasser[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
06 – Giftig oder sehr giftig 08 – Gesundheitsgefährdend 09 – Umweltgefährlich

Gefahr

H- und P-Sätze H: 330-300-373-411
P: ?
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Sehr giftig Umweltgefährlich
Sehr giftig Umwelt-
gefährlich
(T+) (N)
R- und S-Sätze R: 26/28-33-51/53
S: (1/2)-20/21-45-61
MAK

1 mg·m−3[1]

Radioaktivität
Radioaktiv

Radioaktiv
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0
  • fest: −(2197,7 ± 1,8) kJ·mol−1[5]
  • gasf.: −(2148,1 ± 1,8) kJ·mol−1[5]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Uran(VI)-fluorid (UF6), meistens Uranhexafluorid genannt, ist eine Verbindung aus den Elementen Uran und Fluor. Es ist ein farbloser, kristalliner Feststoff, welcher leicht flüchtig, äußerst giftig und radioaktiv ist. Es ist eine sehr aggressive, korrosive Substanz, die nahezu jeden Stoff und auch jedes biologische Gewebe angreift. Uranhexafluorid ist nicht brennbar, nicht explosiv und beständig in trockener Luft. Es reagiert jedoch sehr heftig mit Wasser. Bei Normaldruck und einer Temperatur von 56,5 °C geht es durch Sublimation direkt vom festen in den gasförmigen Zustand über.

In den meisten Fällen wird Uranhexafluorid aus Uran(IV)-fluorid (UF4) durch Umsetzung mit elementarem Fluor (F2) gewonnen. Seine besondere technische Bedeutung hat es bei der Uran-Anreicherung im nuklearen Brennstoffkreislauf, da die Molekülmasse von UF6-Molekülen nur von der Massenzahl des enthaltenen Uranisotops abhängig ist. UF6-Moleküle, die das – für nukleare Anwendungen wichtige und seltene – Uranisotop 235U enthalten, sind geringfügig leichter als jene mit dem weitaus häufigeren Uranisotop 238U. Daher kann eine Auftrennung der Isotope infolge der unterschiedlichen Molekülmassen durch physikalische Methoden wie Gasdiffusionsverfahren oder Gasultrazentrifugen erfolgen.

Geschichte

Alfred Ditte beschrieb 1880 die Umsetzung eines grünen Uranoxids (U3O4[6]) mit einem Überschuss an konzentrierter Flusssäure, wobei zum Teil eine gelbe Flüssigkeit entstand, die beim Erhitzen verdampfte und sich in Form gelber transparenter Kristalle niederschlug mit der Formel U2Fl2,4HFl[6]. Er beschrieb ferner ein "Oxyfluorure" (U2OFl2[6]), das sehr flüchtig ist; beim Kontakt mit Luftsauerstoff zersetzte sich der "weiße Schnee" zu einem schwarzen Stoff.[7] Diese Ergebnisse wurden 1884 in größerem Zusammenhang erneut publiziert.[8] Diese Angaben sind allerdings als Irrtum anzusehen.[9]

Uranhexafluorid wurde 1909 erstmals von Otto Ruff dargestellt.[10][11]

Darstellung aus Uran(V)-chlorid und Fluor:

$ \mathrm {2\ UCl_{5}\ +\ 5\ F_{2}\ \longrightarrow } $ $ \mathrm {\ UF_{6}\ +\ UF_{4}\ +\ 5\ Cl_{2}} $

Darstellung aus Uran(V)-chlorid und Fluorwasserstoff (HF). Die Reaktion ist zur Darstellung von reinem UF6 nicht geeignet, da es sich nur schlecht von HF trennen lässt.

$ \mathrm {2\ UCl_{5}\ +\ 10\ HF\ \longrightarrow } $ $ \mathrm {\ UF_{6}\ +\ UF_{4}\ +\ 10\ HCl} $

Lässt man Uranmetall oder Urancarbid (UC2) mit Fluor (in Gegenwart geringer Mengen von Chlor als Katalysator) zur Reaktion kommen, so ist eine vollständige Umwandlung zu UF6 zu beobachten.

$ \mathrm {UC_{2}\ +\ 7\ F_{2}\ \longrightarrow \ UF_{6}\ +\ 2\ CF_{4}} $

Lange Zeit blieb Uranhexafluorid lediglich für Laborstudien interessant. Erst mit der Entdeckung der Kernspaltung im Jahre 1938 erlangte diese Verbindung größere Bedeutung, da sie die einzige deutlich flüchtige und gleichzeitig stabile Verbindung des Urans ist.[12] Aristid von Grosse fasste 1941 die bisher bekannten Eigenschaften zusammen und beschrieb zudem das chemische Verhalten gegenüber anorganischen und organischen Stoffen sowie in Glasgefäßen in Gegenwart von Verunreinigungen.[13] Dampfdruck und Tripelpunkt wurden von Bernard Weinstock und Ray Crist gemessen. Die Arbeiten wurden am 9. Februar 1942 abgeschlossen; das 1943 erstellte Manuskript wurde 1947 freigegeben und dann 1948 veröffentlicht.[14] Isidor Kirshenbaum fasste 1943 die physikalischen Eigenschaften zusammen.[15]

Darstellung

Uranhexafluorid kann grundsätzlich aus Uranmetall sowie praktisch allen Uranverbindungen durch Umsetzung mit elementarem Fluor sowie Chlor- und Bromfluoriden dargestellt werden.[16]

Man kann die Bildungsmethoden unterteilen in:

  • Darstellung aus Uran(VI)-verbindungen ohne Änderung der Oxidationsstufe, z. B. Umhalogenierung von Uran(VI)-chlorid (UCl6), Fluorierung von Uranylfluorid (UO2F2) sowie die thermische Zersetzung von UOF4, UO2F2 oder von Fluorouranaten(VI).
  • Darstellung aus Uran oder Uranverbindungen mit niedrigeren Oxidationsstufen, z. B. die oxidierende Fluorierung von Uranmetall, von Uran(V)-chlorid (UCl5), der verschiedenen Uranoxide, Urancarbide und Uranfluoride[17].
  • Verwendung anderer Fluorierungsmittel wie Interhalogenverbindungen und Edelgasfluoride.

Standardmethode

Die gängigste Methode zur Darstellung von Uranhexafluorid ist die Umsetzung von Uran(IV)-fluorid (UF4) mit elementarem Fluor (F2). Bei Temperaturen über 250 °C findet die Reaktion statt und wird meist bei 300 °C durchgeführt; die Reaktion ist endotherm:[18]

$ \mathrm {UF_{4}\ +\ F_{2}\ \longrightarrow \ UF_{6}} $

Setzt man Fluor mit etwa 50 % Überschuss ein, so verläuft die Reaktion vollständig. Dieser Prozess wird auch technisch genutzt. Das Fluor wird aus dem Anodenprozess der Elektrolyse einer Kaliumfluorid-Fluorwasserstoff-Mischung gewonnen.

In gleicher Weise entsteht Neptuniumhexafluorid (NpF6) bei 500 °C aus Neptuniumtetrafluorid (NpF4) und F2 und Plutoniumhexafluorid (PuF6) bei 750 °C aus Plutoniumtetrafluorid (PuF4) und F2.[19]

Mit anderen Fluorverbindungen

Mit Chlortrifluorid (ClF3), Bromtrifluorid (BrF3) und Brompentafluorid (BrF5) reagieren sämtliche Uranoxide zu UF6. Die Reaktivität der Halogenfluoride ist dabei höher als die von elementarem Fluor. UO2 setzt sich mit BrF3 schon bei etwa 50 °C um, die Reaktion mit Fluor läuft dagegen erst bei etwa 400 °C ab.[20] Die Halogenfluoride setzen sich heftig mit Uranmetall um; die Reaktion mit BrF3-Dampf kann zur Explosion führen.[21]

Auch mit Edelgasfluoriden wie z. B. Xenondifluorid (XeF2) wird UF4 bei höherer Temperatur unter Druck oder in flüssigem HF zu UF6 umgesetzt.[20]

Stickstofftrifluorid (NF3) fluoriert Uranmetall, UO2, UF4, UO3, U3O8 und UO2F2 · 2 H2O bei Temperaturen zwischen 100 und 550 °C zu UF6. NF3 wird daher als potentieller Ersatz bisheriger Fluorierungsmittel im bestehenden nuklearen Brennstoffkreislauf sowie in der Wiederaufarbeitung der flüchtigen Actinoidenverbindungen angesehen.[22]

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Uranhexafluorid bildet farblose Kristalle, die unter Normaldruck (1.013,25 hPa) bei 56,54 °C sublimieren,[23] das heißt direkt vom festen in den gasförmigen Zustand übergehen.

Uranhexafluoridkristalle in einer Glasampulle

Es kann unbegrenzt bei Raumtemperatur in Quarz- oder PYREX-Ampullen aufbewahrt werden, wenn sichergestellt ist, dass keine Spuren von Feuchtigkeit vorhanden sind, das Glas selbst von allen Gaseinschlüssen frei ist und eventuell vorhandener Fluorwasserstoff (HF) restlos entfernt wurde.[19]

Parameter für die Antoine-Gleichung[23]
lg P = A−B/(T+C); bei 64–116 °C
A B C
6,99464 1126,288 221,963
lg P = A−B/(T+C); bei > 116 °C
A B C
7,69069 1683,165 302,148

Der Tripelpunkt, an dem die drei Phasen fest, flüssig und gasförmig im Gleichgewicht stehen, liegt bei einer Temperatur von 64,05 °C und einem Druck von 1142 Torr (entspricht 1,5 bar / 1500 hPa).[24][25] Erst oberhalb dieses Drucks ist auch eine flüssige Phase möglich.

Der kritische Punkt, ab dem Flüssigkeit und Gas nicht mehr voneinander unterschieden werden können, liegt bei einer Temperatur (Tc) von 230,2 °C, einem Druck (pc) von 45,5 atm (46,1 bar), einem molaren Volumen (Vm, c) von 256,0 cm3·mol−1 und einer Dichte (ρc) von 1,375 g·cm−3.[23][26] Der Dampfdruck bei 25 °C beträgt 153 mbar (153 hPa).[1]

Die Flüchtigkeit von UF6 ist ähnlich zu der von Neptuniumhexafluorid (NpF6) und Plutoniumhexafluorid (PuF6); sie gehören zusammen zu den drei bisher bekannten Hexafluoriden der Actinoidenelemente.

Die Bildungsentropie (S0m) beträgt für festes UF6: −430,4 ± 1,5 J·K−1·mol−1, für gasförmiges UF6: −280,4 ± 1,5 J·K−1·mol−1.[5] Die Sublimationsenthalpie (ΔHs) am Sublimationspunkt (56,54 °C) beträgt 48,23 kJ·mol−1; die Verdampfungsenthalpie (ΔHv) am Tripelpunkt (64,05 °C) beträgt 28,76 kJ·mol−1.[14][15][27][28]

Uranhexafluorid ist paramagnetisch. Die molare magnetische Suszeptibilität χmol beträgt 43 · 10−6 cm3·mol−1.[29][30][31]

Kristall- und Molekülstruktur

Uranhexafluorid ist eine kovalente Verbindung und kein Salz. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem bei 293 K (20 °C) in der Raumgruppe Pnma (D162h) mit den Gitterparametern a = 990,0 pm, b = 896,2 pm und c = 520,7 pm und vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[32] Im Kristall zeigen die Moleküle eine leichte Abweichung von der regulären oktaedrischen Koordination.[33]

Andere Messungen ergaben zunächst für die Gitterparameter a = 992,4 pm, b = 895,4 pm, c = 519,8 pm bei 293 K (20 °C) und a = 984,3 pm, b = 892,0 pm, c = 517,3 pm bei 193 K (−80 °C). Beim Abkühlen neigt die hexagonale Kugelpackung zu größerer Regelmäßigkeit, die F–F-Abstände außerhalb eines UF6-Oktaeders verkürzen sich. Die Oktaeder sind fast regelmäßig mit einem mittleren U–F-Abstand von 198 pm, einer mittleren F–F-Kantenlänge von 280 pm, und einem F–U–F-Winkel von 90,0° bei 193 K.[34]

Im gasförmigen Zustand ist das UF6-Molekül oktaedrisch (Oh); die U–F-Bindungslänge beträgt 199,6 pm.[35]

Die Analyse der thermischen Parameter ergibt eine nahezu perfekte Festkörperbewegung des UF6-Oktaeders. Die Korrekturen der gemessenen Bindungslängen aus den Librationsbewegungen der Fluor-Atome betragen +1,5 pm für die U–F- und +2,0 pm für die F–F-Abstände. Die korrigierten Abstände betragen für U–F 199,2–200,4 pm, für F–F 280,4–282,6 pm und der F–U–F-Winkel 89,42(17)–90,20(11)°.[32]

Beim Abkühlen auf 77 K (−196 °C) verringern sich die Metall-Fluor-Bindungslängen nicht wesentlich, aber die Atomkoordinaten nähern sich weiter an die idealen Koordinaten der hexagonalen Kugelpackung der Fluoratome an. Aufgrund ihrer kürzeren Metall-Fluor-Bindungen weisen die Strukturen von Molybdän(VI)-fluorid (MoF6) und Wolfram(VI)-fluorid (WF6) im Vergleich eine größere Verzerrung von der Idealstruktur auf als Uranhexafluorid. MoF6, WF6 und insbesondere Schwefelhexafluorid (SF6) sind kompaktere und kugelförmigere Moleküle als UF6.[36]

Spektroskopische Eigenschaften

Uranhexafluorid besitzt sechs Grundschwingungen: ν1, ν2, ν3, ν4, ν5 und ν6. ν1 und ν2 sind Streckschwingungen, ν5 und ν6 sind Biegeschwingungen. Die Normalkoordinate von ν3 besteht überwiegend aus einer Streckung, die von ν4 überwiegend aus einer Biegung. ν1, ν2 und ν5 sind Raman-aktiv,[37] ν3 und ν4 IR-aktiv, ν6 ist IR- und Raman-inaktiv.[38][39][40][41][42]

Grundschwingung ν1 ν2 ν3 ν4 ν5 ν6
Termsymbol A1g Eg F1u F1u F2g F2u
Wellenzahl (cm−1)[43] 667 ± 1 534 ± 1 626 ± 1 186 ± 1 200 ± 1 143 ± 2
IR-aktiv × ×
Raman-aktiv × × ×

Chemische Eigenschaften

Uranhexafluorid ist nicht brennbar, nicht explosiv und beständig gegen trockene Luft. Es reagiert hingegen sehr heftig mit Wasser (beispielsweise Luftfeuchtigkeit), wobei das wasserlösliche Uranylfluorid (UO2F2) und Fluorwasserstoff (HF) entstehen.[44] HF bildet im überschüssigen Wasser stark ätzende Flusssäure.

$ \mathrm {UF_{6}\ +\ 2\ H_{2}O\ \longrightarrow \ UO_{2}F_{2}\ +\ 4\ HF} $

UF6 ist ein kräftiges Fluorierungs- und Oxidationsmittel. Mit den meisten Metallen und Legierungen (z. B. Eisen, Aluminium-Magnesium-Legierungen, Edelstähle) reagiert es unter Bildung von Metallfluoriden, bei Raumtemperatur sehr langsam, bei erhöhten Temperaturen etwas schneller. Da die gebildeten Fluoride schwerflüchtig sind, bilden sie auf den betreffenden Oberflächen Ablagerungen, die die Weiterreaktion verhindern können. Vor allem Nickel ist chemisch sehr widerstandsfähig.[45] Synthetische Hochpolymere, wie z. B. Teflon und einige Copolymere, weisen ebenfalls eine gute Beständigkeit gegenüber UF6 auf.[45] Organische Verbindungen reagieren dagegen bereits bei Raumtemperatur durch Fluorierung mit UF6; dabei bilden sich HF und UF4 unter Abscheidung von Kohlenstoff. Sauerstoffhaltige organische Verbindungen, wie z. B. Ethanol oder Diethylether, reagieren schnell unter Abscheidung von Uranylfluorid und Bildung von HF.[46]

Verwendung

Kaskade von Gaszentrifugen zur Urananreicherung
Hauptartikel: Uran-Anreicherung

Uranhexafluorid dient zur Trennung der Uranisotope nach dem Gasdiffusionsverfahren oder mittels Gasultrazentrifugen. Es ist hierzu ideal geeignet, da es sich im Gegensatz zu den meisten anderen Uranverbindungen leicht in die Gasphase überführen lässt und da Fluor ein Reinelement ist: Es kommt nur ein Fluorisotop (19F) in der Natur vor; alle natürlichen Fluoratome haben exakt die gleiche Atommasse. Daher sind die Massenunterschiede der Uranhexafluoridmoleküle, die bei der Isotopentrennung ausgenutzt werden – wie erwünscht – nur auf die Massenunterschiede der Uranisotope 238U und 235U zurückzuführen. Uranhexafluorid ist damit ein Bestandteil des nuklearen Brennstoffkreislaufs. Zur weiteren Verwendung in Druck- und Siedewasserreaktoren wird angereichertes Uranhexafluorid zu Brennelementefabriken transportiert, um dort erst zu Urandioxid und schließlich zu Brennelementen weiterverarbeitet zu werden.

Für die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente wurde zur Abtrennung des Urans (95 % der Gesamtmasse) vorgeschlagen, das Material fein zu zerkleinern und mit elementarem Fluor zu behandeln („direkte Fluorierung“). Die dabei entstehenden flüchtigen Fluoride (hauptsächlich UF6 und geringe Mengen NpF6) lassen sich leicht von den nichtflüchtigen Fluoriden, z. B. Plutonium(IV)-fluorid (PuF4), Americium(III)-fluorid (AmF3), Curium(III)-fluorid (CmF3) sowie den Fluoriden der meisten Spaltprodukte, abtrennen.[47] Neptuniumhexafluorid (NpF6) und Plutoniumhexafluorid (PuF6) sind gegenüber UV-Licht empfindlich und zersetzen sich zu den Tetrafluoriden und Fluor.[19] Sie lassen sie sich daher photochemisch aus einem Gemisch mit UF6 entfernen.[48][49]

Transport und Lagerung

UF6-Tank

Da die Stätten der Produktion, der Isotopentrennung sowie der Weiterverarbeitung an unterschiedlichen Orten liegen, sind Transport und Lagerung von Uranhexafluorid erforderlich.[50] Der Transport erfolgt auf Straßen, per Bahn oder Schiff. Hierzu stehen spezielle Tanks zur Verfügung, die den Normen ANSI N14.1 oder ISO 7195 entsprechen müssen.[51] Gebräuchlich sind vor allem Stahltanks der Typen 48 F oder 48 Y; sie haben einen Durchmesser von 48 Zoll (ca. 122 cm)[52], eine Wandstärke von 16 mm[53], und fassen bis zu 12,5 Tonnen[54]. Für den Transport des angereicherten Uranhexafluorids werden kleinere Behälter des Typs 30 B benutzt; sie haben einen Durchmesser von 30 Zoll (ca. 76 cm) mit einem Inhalt von 2,277 Tonnen.[52] Die Transporte sind von der IAEO geregelt.[55] Sie sind jedoch umstritten[56] und führten unter anderem zu mehreren Anfragen im Deutschen Bundestag[57][58][59][60] und im Landtag von Baden-Württemberg[61].

In den Vereinigten Staaten lagerten im Jahr 2000 mindestens 46.422 Fässer mit Uranhexafluorid an mindestens drei Orten: auf dem Gelände der K-25 genannten, ehemaligen Urananreicherungsanlage bei Oak Ridge im Bundesstaat Tennessee lagerten 4.683 Fässer; in der Urananreicherungsanlage in Paducah in Kentucky lagerten 28.351 Fässer; in der Urananreicherungsanlage in Portsmouth in Ohio lagerten 13.388 Fässer.[62]

Uranhexafluorid-Lagerplatz in Paducah (USA)

Es gab in den Vereinigten Staaten mehrere Unfälle mit Uranhexafluorid. Ein Unfall ereignete sich im Jahr 1986 an einer Anlage der Sequoyah Fuels Corporation in der Nähe von Gore im Bundesstaat Oklahoma. Als man einen überfüllten Tank erwärmte, um übergelaufenes Material zu entfernen, platzte der Tank auf.[63]

Sicherheitshinweise

Uranhexafluorid wirkt hauptsächlich auf drei verschiedene Weisen auf den menschlichen Körper:[64]

  • Es ist eine sehr aggressive Substanz, die jedes Gewebe angreift. Beim Kontakt des Gases mit Körperflüssigkeiten bildet sich Flusssäure, die auf der Haut und den Schleimhäuten der Atemwege Verätzungen hervorruft. Die Exposition des Menschen gegenüber dem Gas wirkt sich zunächst auf die Augen und Atemwege aus und verursacht Reizungen, Verlust des Sehvermögens, Husten und übermäßige Bildung von Speichel und Auswurf. Nach längerer Exposition führt dies zu Pneumonitis und Lungenödemen und kann zum Tod führen.
  • Es ist – wie alle sechswertigen Uranverbindungen – sehr giftig beim Einatmen und Verschlucken. Außerdem besteht die Gefahr der Anreicherung im menschlichen Körper, was vor allem die Leber und die Nieren betrifft.
  • Wie alle Uranverbindungen ist es radioaktiv. Die Aktivität ist von der Isotopenzusammensetzung des Urans abhängig. 238U hat eine Halbwertszeit von 4,468 Milliarden Jahren und ist wie die anderen natürlichen Isotope (234U und 235U) ein α-Strahler. Die spezifische Aktivität von 238U beträgt 12.450 Bq/g. 235U hat eine Halbwertszeit von 703,8 Millionen Jahren. Es ist spaltbar und hat einen Anteil von etwa 0,7 % in natürlichem Uranvorkommen. Angereichertes Uranhexafluorid ist aufgrund der niedrigeren Halbwertszeit deutlich aktiver.

Literatur

  • Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil A, S. 121–123.
  • Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 71–163.
  • R. DeWitt: Uranium hexafluoride: A survey of the physico-chemical properties, Technical report, GAT-280; Goodyear Atomic Corp., Portsmouth, Ohio; 12. August 1960, 164 S. (doi:10.2172/4025868).
  • Ingmar Grenthe, Janusz Drożdżynński, Takeo Fujino, Edgar C. Buck, Thomas E. Albrecht-Schmitt, Stephen F. Wolf: Uranium, in: Lester R. Morss, Norman M. Edelstein, Jean Fuger (Hrsg.): The Chemistry of the Actinide and Transactinide Elements, Springer, Dordrecht 2006; ISBN 1-4020-3555-1, S. 253–698 (doi:10.1007/1-4020-3598-5_5) (S. 530–531, 557–564).

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Eintrag zu Uranhexafluorid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 30. August 2011 (JavaScript erforderlich).
  2. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 90.
  3. 3,0 3,1 Nicht explizit in EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) gelistet, fällt aber dort mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Sammelbegriff „Uranverbindungen“; Eintrag aus der CLP-Verordnung zu Uranverbindungen in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 30. August 2011 (JavaScript erforderlich)
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. 5,0 5,1 5,2 Gerald K. Johnson: „The Enthalpy of Formation of Uranium Hexafluoride“, in: The Journal of Chemical Thermodynamics, 1979, 11 (5), S. 483–490 (doi:10.1016/0021-9614(79)90126-5).
  6. 6,0 6,1 6,2 Originalschreibweise (!).
  7. A. Ditte: „Sur les composés fluorés de l'uranium“, in: Compt. Rend., 1880, 91, S. 115–118 (Volltext auf Gallica).
  8. Alfred Ditte: „Recherches sur l'uranium“, in: Ann. Chim. Phys., 1884, 6 (1), S. 338–358 (Volltext auf Gallica).
  9. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil A, S. 121–123.
  10. Otto Ruff: „Über einige neue Fluoride“, in: Chem. Ber., 1909, 42 (1), S. 492–497 (doi:10.1002/cber.19090420175).
  11. Otto Ruff, Alfred Heinzelmann: „Über das Uranhexafluorid“, in: Zeitschrift für anorganische Chemie, 1911, 72 (1), S. 63–84 (doi:10.1002/zaac.19110720106).
  12. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 71.
  13. Aristid v. Grosse: „Chemical Properties of Uranium Hexafluoride, UF6“; Technical Report, A-83; Columbia University, New York, NY; 25. Juni 1941 (doi:10.2172/962915).
  14. 14,0 14,1 B. Weinstock, R. H. Crist: „The Vapor Pressure of Uranium Hexafluoride“, in: J. Chem. Phys., 1948, 16, S. 436–441 (doi:10.1063/1.1746915; Maschinoskript (12. April 1943)).
  15. 15,0 15,1 I. Kirshenbaum: „The Physical Properties of Uranium Hexafluoride“; Technical Report, 2M-503; 2R-464; A-753; SAM Labs; 1. Juli 1943 (doi:10.2172/4416966).
  16. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 72–85.
  17. US-Patent 2535572: Preparation of UF6, 26. Dezember 1950 (PDF).
  18. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 80.
  19. 19,0 19,1 19,2 John G. Malm, Bernard Weinstock, E. Eugene Weaver: „The Preparation and Properties of NpF6; a Comparison with PuF6“, in: J. Phys. Chem., 1958, 62 (12), S. 1506–1508 (doi:10.1021/j150570a009).
  20. 20,0 20,1 Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 78–80.
  21. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 76.
  22. Bruce McNamara, Randall Scheelea, Anne Kozeliskya, Matthew Edwards: „Thermal Reactions of Uranium Metal, UO2, U3O8, UF4, and UO2F2 with NF3 to produce UF6“, in: Journal of Nuclear Materials, 2009, 394 (2–3), S. 166–173 (doi:10.1016/j.jnucmat.2009.09.004).
  23. 23,0 23,1 23,2 George D. Oliver, H. T. Milton, J. W. Grisard: „The Vapor Pressure and Critical Constants of Uranium Hexafluoride“, in: J. Am. Chem. Soc., 1953, 75 (12), S. 2827–2829 (doi:10.1021/ja01108a011).
  24. Ferdinand G. Brickwedde, Harold J. Hoge, Russell B. Scott: „The Low Temperature Heat Capacities, Enthalpies, and Entropies of UF4 and UF6“, in: J. Chem. Phys., 1948, 16, S. 429–436 (doi:10.1063/1.1746914).
  25. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 95.
  26. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 97.
  27. Joseph F. Masi: „The Heats of Vaporization of Uranium Hexafluoride“, in: J. Chem. Phys., 1949, 17, S. 755–758 (doi:10.1063/1.1747395).
  28. Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 55, Uran, Teil C 8, S. 100–101.
  29. Paul Henkel, Wilhelm Klemm: „Magnetochemische Untersuchungen. XII. Das Magnetische Verhalten einiger flüchtiger Fluoride“, in: Zeitschrift für anorganische Chemie, 1935, 222, S. 70–72 (doi:10.1002/zaac.19352220110).
  30. Woldemar Tilk, Wilhelm Klemm: „Magnetochemische Untersuchungen. XXXI. Über den Paramagnetismus von Verbindungen des sechswertigen Chroms, Molybdäns, Wolframs und Urans“, in: Zeitschrift für anorganische Chemie, 1939, 240, S. 355–368 (doi:10.1002/zaac.19392400408).
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Weblinks

Commons: Uranhexafluorid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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Dieser Artikel wurde am 9. November 2011 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.