Raumgruppe

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Eine kristallographische Raumgruppe oder kurz Raumgruppe ist eine diskrete Untergruppe der euklidischen Bewegungsgruppe eines euklidischen (affinen) Raums mit beschränktem Fundamentalbereich. Die Raumgruppen gehören zu den Symmetriegruppen und werden üblicherweise mithilfe der Hermann-Mauguin-Symbolik oder manchmal auch in der Schoenflies-Symbolik beschrieben.[1]

Während sich die kristallographischen Punktgruppen aus nicht-translativen Symmetrieoperationen (z. B. Rotationen oder Spiegelungen) zusammensetzen, wird bei der Bestimmung der unterschiedlichen Raumgruppen diese Forderung aufgeweicht zugunsten translativer Symmetrieoperationen (daraus ergeben sich z. B. Gleitspiegelebenen und Schraubenachsen) und den Gittertranslationen. Daraus ergibt sich eine Vielzahl neuer Symmetriegruppen, die Raumgruppen.

Anzahl der möglichen Raumgruppen

Anzahl der Raumgruppen (ohne Berücksichtigung der Raumorientierung)
Dimension
1 2 3 4 5 6
2 17 219 4.783 222.018 28.927.922

Die Anzahl der möglichen Raumgruppen ist abhängig von der Dimension und der Orientierung des betrachteten Raums. Im dreidimensionalen Raum beschreiben kristallographische Raumgruppen die Symmetrien eines unendlich ausgedehnten Kristalls. Symmetrieoperationen in einem Kristall sind (abgesehen von der Identitätsoperation, die jeden Punkt auf sich selbst abbildet) Punktspiegelung, Spiegelung an einer Ebene, Drehung um eine Achse, Verschiebung (die so genannte Translation), sowie Kombinationen dieser Operationen. Wenn man das Hintereinanderausführen von Symmetrieoperationen als additive Verknüpfung auffasst, erkennt man, dass eine Menge von Symmetrieoperationen eine (in der Regel nicht kommutative) Gruppe ist.

Die Bestimmung der 230 möglichen Raumgruppen (bzw. Raumgruppentypen) erfolgte 1891 unabhängig voneinander in mühsamer Sortierarbeit durch Arthur Moritz Schoenflies und Jewgraf Stepanowitsch Fjodorow. Die 230 Raumgruppen (und die Kristalle, die die Symmetrieelemente einer dieser Raumgruppen aufweisen) können u. a. hinsichtlich der 7 Kristallsysteme, der 14 Bravaisgitter und der 32 Kristallklassen eingeteilt werden.[1]

Bravaisgitter –
Basisobjekte mit sphärischer Symmetrie
Kristallstruktur –
Basisobjekte mit beliebiger Symmetrie
Anzahl der Punktgruppen 7 Kristallsysteme 32 kristallograph. Punktgruppen
Anzahl der Raumgruppen 14 Bravaisgitter 230 Raumgruppen

Berücksichtigt man die Orientierung des Raums nicht, reduziert sich die Zahl auf 219 verschiedene Raumgruppen. Daraus ergibt sich die Existenz von 11 Paaren enantiomorpher Raumgruppen. In diesen Paaren unterscheiden sich jeweils die Anordnungen der Symmetrieelemente wie Bild und Spiegelbild, welche nicht durch Drehungen ineinander überführt werden können.[1]

Ein algebraisches Verfahren zur Klassifikation der Raumgruppen (auch in höheren Dimensionen) stammt von Johann Jakob Burckhardt in den 1930er Jahren, der sich auch mit der Geschichte des Problems befasste.

Bezeichnung

Die Bezeichnung der Raumgruppen geschieht üblicherweise in der Hermann-Mauguin-Symbolik, in manchen Fachbereichen wird auch heute noch die Schoenflies-Symbolik als Alternative genutzt. Das Raumgruppensymbol besteht bei der Hermann-Mauguin-Symbolik aus einem Großbuchstaben, der den Bravaistyp angibt, sowie einer Folge von Symbolen (Zahlen und Kleinbuchstaben, die auf das Vorliegen weiterer Symmetrieelemente hinweisen), die sich eng an die Symbolik für Punktgruppen anlehnt, zusätzlich aber berücksichtigt, dass auch kombinierte Symmetrieoperationen aus Translation und Rotation bzw. Spiegelung vorliegen können.[1]

Siehe auch

Literatur

  • Johann Jakob Burckhardt Die Bewegungsgruppen der Kristallographie, Birkhäuser, 1947, 2. Auflage 1966

Weblinks

  • Interaktive Veranschaulichung der 17 Raumgruppen der Ebene:
    • Ornamente zeichnen, Java Applet und Application. Behält gezeichnete Linienzüge beim Wechsel der Gruppe bei.
    • Escher Web Sketch, Java Applet. Erlaubt neben dem Freihandzeichnen auch die Benutzung einzelner anderer Objekte.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3  Will Kleber, Hans-Joachim Bautsch, Joachim Bohm: Einführung in die Kristallographie. 2010, ISBN 978-3486590753 (Seite 101ff in der Google Buchsuche).

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