Euklidischer Raum
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- Mathematischer Raum
In der Mathematik bezeichnet der Begriff euklidischer Raum zunächst den „Raum unserer Anschauung“, wie er in Euklids Elementen durch Axiome und Postulate beschrieben wird (vgl. euklidische Geometrie). Bis ins 19. Jahrhundert wurde davon ausgegangen, dass dadurch der uns umgebende physikalische Raum beschrieben wird. Der Zusatz „euklidisch“ wurde nötig, nachdem in der Mathematik allgemeinere Raumkonzepte (z. B. hyperbolischer Raum, riemannsche Mannigfaltigkeiten) entwickelt wurden und es sich im Rahmen der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie zeigte, dass zur Beschreibung des Raums in der Physik andere Raumbegriffe benötigt werden (Minkowski-Raum, Lorentz-Mannigfaltigkeit).
Im Laufe der Zeit wurde Euklids Geometrie auf verschiedene Arten präzisiert und verallgemeinert:
- axiomatisch durch Hilbert (siehe Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie)
- als euklidischer Vektorraum (einem über
definierten Vektorraum mit Skalarprodukt) - als euklidischer Punktraum (einem affinen Raum, der über einem euklidischen Vektorraum modelliert ist)
- als Koordinatenraum
mit dem Standardskalarprodukt
Wenn vom euklidischen Raum die Rede ist, dann kann jede von diesen gemeint sein oder auch eine höherdimensionale Verallgemeinerung. Den zweidimensionalen euklidischen Raum nennt man auch euklidische Ebene. In diesem zweidimensionalen Fall wird der Begriff in der synthetischen Geometrie etwas allgemeiner gefasst: Euklidische Ebenen können dort als affine Ebenen über einer allgemeineren Klasse von Körpern, den euklidischen Körpern definiert werden.
Vom affinen Raum unterscheidet sich der euklidische dadurch, dass man Längen und Winkel messen kann und demzufolge die Abbildungen auszeichnet, die Längen und Winkel erhalten. Diese nennt man traditionell Kongruenzabbildungen, andere Bezeichnungen sind Bewegungen und Isometrien.
Vom hyperbolischen Raum unterscheidet er sich dadurch, dass das Parallelenaxiom gilt.
Euklidische Vektorräume
Vom euklidischen Anschauungsraum zum euklidischen Vektorraum
In der analytischen Geometrie ordnet man dem euklidischen Raum einen Vektorraum zu. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist, die Menge der Parallelverschiebungen (Translationen) zu nehmen, versehen mit der Hintereinanderausführung als Addition. Jede Verschiebung lässt sich durch einen Pfeil beschreiben, der einen Punkt mit seinem Bildpunkt verbindet. Dabei beschreiben zwei Pfeile, die gleichsinnig parallel sind und die gleiche Länge haben, dieselbe Verschiebung. Man nennt zwei solche Pfeile äquivalent und nennt die Äquivalenzklassen Vektoren.
Wählt man im euklidischen Raum einen Punkt
Man kann nun auch die Längen- und Winkelmessung aus dem euklidischen Raum auf Vektoren übertragen als Länge der zugehörigen Pfeile und Winkel zwischen solchen. Auf diese Art erhält man einen Vektorraum mit Skalarprodukt.
Das Skalarprodukt ist dadurch charakterisiert, dass das Produkt
.
Hierbei bezeichnet
Allgemeiner Begriff
Davon ausgehend nennt man jeden reellen Vektorraum mit Skalarprodukt (beliebiger endlicher Dimension
Längen, Winkel, Orthogonalität und Orthonormalbasen
Sobald man einen reellen Vektorraum mit einem Skalarprodukt versehen hat, kann man die metrischen Begriffe des euklidischen Anschauungsraums auf diesen übertragen. Die Länge (die Norm, der Betrag) eines Vektors
.
Zwei Vektoren
.
Den (nichtorientierten) Winkel zwischen zwei Vektoren definiert man mittels der obigen Formel
,
also
.
Ein Vektor
.
Die Koeffizienten erhält man durch
.
Isometrien
Sind
für alle
und Winkel, also insbesondere Orthogonalität
Umgekehrt ist jede lineare Abbildung, die Längen erhält, eine Isometrie.
Eine Isometrie bildet jede Orthonormalbasis wieder auf eine Orthonormalbasis ab. Umgekehrt, wenn
Daraus ergibt sich, dass zwei euklidische Vektorräume derselben Dimension isometrisch sind, also als euklidische Vektorräume nicht unterscheidbar sind.
Der euklidische Punktraum
Motivation
Euklidische Vektorräume dienen oft als Modelle für den euklidischen Raum. Die Elemente des Vektorraums werden dann je nach Kontext als Punkte oder Vektoren bezeichnet. Es wird nicht zwischen Punkten und ihren Ortsvektoren unterschieden. Rechnerisch kann dies von Vorteil sein. Begrifflich ist es jedoch unbefriedigend:
- Aus geometrischer Sicht sollten Punkte und Vektoren begrifflich unterschieden werden.
- Vektoren können addiert und mit Zahlen multipliziert werden, Punkte aber nicht.
- Punkte werden durch Vektoren verbunden bzw. ineinander übergeführt.
- Im Vektorraum gibt es ein ausgezeichnetes Element, den Nullvektor. In der euklidischen Geometrie sind aber alle Punkte gleichberechtigt.
Beschreibung
Abhilfe schafft das Konzept des euklidischen Punktraums. Dies ist ein affiner Raum über einem euklidischen Vektorraum. Hier unterscheidet man Punkte und Vektoren.
- Die Gesamtheit der Punkte bildet den euklidischen Punktraum. Dieser wird meist mit
, , oder bezeichnet. (Das hochgestellte ist kein Exponent, sondern ein Index, der die Dimension kennzeichnet. ist also kein kartesisches Produkt.) - Die Gesamtheit aller Vektoren bildet einen euklidischen Vektorraum
.
- Zu je zwei Punkten
und existiert genau ein Verbindungsvektor, der mit bezeichnet wird.
Der Verbindungsvektor eines Punktes mit sich selbst ist der Nullvektor: - Ein Punkt
kann durch einen Vektor in eindeutiger Weise in einen Punkt übergeführt werden. Dieser wird oft mit bezeichnet. (Dies ist eine rein formale Schreibweise. Das Pluszeichen bezeichnet keine Vektorraumaddition, und auch keine Addition auf dem Punktraum.)
Der Nullvektor führt jeden Vektor in sich selbst über: - Führt der Vektor
den Punkt in den Punkt über und der Vektor den Punkt in den Punkt , so führt den Punkt in den Punkt über. Dies kann wie folgt ausgedrückt werden:
In der Sprache der Algebra bedeuten diese Eigenschaften: Die additive Gruppe des Vektorraums
Längen, Abstände und Winkel
Streckenlängen, Abstände zwischen Punkten, Winkel und Orthogonalität können nun mit Hilfe des Skalarprodukts von Vektoren definiert werden:
Die Länge
Die Größe des Winkels
.
Zwei Strecken
Abbildungen
Längenerhaltende Abbildungen eines euklidischen Punktraums auf sich heißen Isometrien, Kongruenzabbildungen (in der ebenen Geometrie) oder Bewegungen. Sie erhalten automatisch auch Winkel.
Ist
Der reelle Koordinatenraum
Definition
Der
Als Vektoren werden sie komponentenweise addiert und mit reellen Zahlen multipliziert:
In diesem Fall werden die Elemente des
Das Skalarprodukt (Standardskalarprodukt) ist definiert durch
.
Mit diesem Skalarprodukt ist der
Vom euklidischen Vektorraum/Punktraum zum Koordinatenraum
Wählt man in einem euklidischen Vektorraum eine Orthonormalbasis bzw. in einem euklidischen Punktraum ein kartesisches Koordinatensystem (d. h. einen Koordinatenursprung und eine Orthonormalbasis des Vektorraums), so wird dadurch jedem Vektor bzw. Punkt ein Koordinaten-
Länge, Winkel, Orthogonalität, Standardbasis und Abstände
Die Länge oder Norm eines Vektors ist wie in jedem euklidischen Vektorraum durch die Quadratwurzel aus dem Skalarprodukt mit sich selbst gegeben:
Man nennt diese Norm auch euklidische Norm oder 2-Norm und schreibt statt
Der Winkel zwischen zwei Vektoren
Zwei Vektoren
gilt. Die Vektoren der Standardbasis
sind Einheitsvektoren und paarweise orthogonal, bilden also eine Orthonormalbasis.
Fasst man die Elemente des
Isometrien
Vektorraum-Isometrien (lineare Isometrien) des
das Bild des
.
Jede Isometrie (Bewegung)
als Verknüpfung einer orthogonalen Abbildung
Orientierung
Jeder endlichdimensionale reelle Vektorraum kann durch die Wahl einer geordneten Basis mit einer Orientierung versehen werden. Während bei beliebigen euklidischen Vektor- und Punkträumen keine Orientierung ausgezeichnet ist, besitzt der Koordinatenraum
Eine geordnete Basis
ist genau dann positiv orientiert, wenn die aus ihr gebildete Determinante positiv ist:
Identifiziert man den (als euklidisch angenommenen) physikalischen Raum mit dem Koordinatenraum
Der euklidische Raum in anderen Gebieten der Mathematik
Euklidische Räume in der Topologie
Die Funktion, die jedem Vektor seine durch das Skalarprodukt definierte Länge zuordnet, ist eine Norm. Man spricht von der durch das Skalarprodukt induzierten Norm oder der Skalarproduktnorm; manche Autoren nennen die Norm auch euklidische Norm. Die durch das Standardskalarprodukt auf
Durch die euklidische Abstandsfunktion
Da auf endlichdimensionalen Vektorräumen alle Normen äquivalent sind, hängt die Topologie des euklidischen Raums in Wirklichkeit nicht von der euklidischen Struktur ab. Normierte Vektorräume derselben endlichen Dimension
Als topologischer Raum ist der euklidische Raum zusammenhängend und zusammenziehbar.
Euklidische Räume in der Differentialtopologie
Mannigfaltigkeiten werden über euklidischen Räumen modelliert: Eine Mannigfaltigkeit ist lokal homöomorph zum
Euklidische Räume in der Differentialgeometrie
Durch das (nicht vom Punkt abhängige) Skalarprodukt wird der euklidische Raum zu einer riemannschen Mannigfaltigkeit. Umgekehrt wird in der riemannschen Geometrie jede riemannsche Mannigfaltigkeit, die
isometrisch zum Vektorraum
Siehe auch
- Hierarchie mathematischer Strukturen
Literatur
- Marcel Berger: Geometry I. Aus dem Französischen von M. Cole und S. Levy. Universitext. Springer-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-540-11658-3.
- Marcel Berger: Geometry II. Aus dem Französischen von M. Cole und S. Levy. Universitext. Springer-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-540-17015-4.