Schwefelhexafluorid

Schwefelhexafluorid

Strukturformel
Strukturformel von Schwefelhexafluorid
Allgemeines
Name Schwefelhexafluorid
Andere Namen
Summenformel SF6
CAS-Nummer 2551-62-4
PubChem 17358
Kurzbeschreibung

farb- und geruchloses Gas[1]

Eigenschaften
Molare Masse 146,05 g·mol−1
Aggregatzustand

gasförmig

Dichte

6,63 kg·m−3 (0 °C, 1013 hPa)[1]

Sublimationspunkt

−63,8 °C[1]

Dampfdruck

2,11 MPa (20 °C)[1]

Löslichkeit

sehr schlecht in Wasser (40 mg·l−1)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
04 – Gasflasche

Achtung

H- und P-Sätze H: 280
P: 403 [1]
GWP

22.800 (bezogen auf 100 Jahre)[3]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−1220 kJ·mol−1[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Schwefelhexafluorid ist eine anorganische, chemische Verbindung aus den Elementen Schwefel und Fluor mit der Summenformel SF6. Es ist unter Normalbedingungen ein farb- und geruchloses, ungiftiges Gas, das unbrennbar ist und sich äußerst reaktionsträge, ähnlich wie Stickstoff, verhält. Bei Normaldruck und einer Temperatur von −50,8 °C geht es durch Sublimation direkt vom festen in den gasförmigen Zustand über.

Gewinnung und Darstellung

Schwefelhexafluorid kann direkt aus den Elementen durch Umsetzung elementaren Schwefels (S8) im Fluorgasstrom (F2) synthetisiert werden. Die Reaktion verläuft stark exotherm.[4]

$ \mathrm {S_{8}} +24\ \mathrm {F_{2}} \longrightarrow 8\ \mathrm {SF_{6}} \qquad \Delta H_{R}^{0}=-1220\ \mathrm {kJ/mol} $

Neben SF6 bilden sich bei diesem Syntheseweg auch weitere Schwefelfluoride, wie zum Beispiel Dischwefeldecafluorid (S2F10). Daher wird bei der technischen Herstellung das Gas auf 400 °C erhitzt, wodurch eine Disproportionierung von Dischwefeldecafluorid in Schwefelhexafluorid und Schwefeltetrafluorid (SF4) erfolgt.

$ \mathrm {S_{2}F_{10}} \longrightarrow \mathrm {SF_{6}} +\mathrm {SF_{4}} $

Durch Waschen des Gasgemisches in Lauge wird das Schwefeltetrafluorid zerstört, während SF6 durch die Lauge nicht angegriffen wird.

$ \mathrm {SF_{4}} +6\ \mathrm {OH^{-}} \longrightarrow \mathrm {SO_{3}^{2-}} +4\ \mathrm {F^{-}} +3\ \mathrm {H_{2}O} $

Durch anschließende Druckdestillation wird das reine SF6 abgetrennt.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Schwefelhexafluorid ist unter Normalbedingungen gasförmig. Es hat eine etwa fünfmal höhere Dichte als Luft. Sein Sublimationspunkt liegt bei −50,8 °C. Die kritische Temperatur beträgt 45,55 °C, das kritische Volumen ist 197,4 ml/mol und der kritische Druck liegt bei 3,76 MPa.

Die sechs Fluoratome sind perfekt oktaedrisch um das zentrale Schwefelatom angeordnet; die Bindungslänge beträgt jeweils 156,4 pm.

Chemische Eigenschaften

Aufgrund seiner Struktur ist es praktisch chemisch inert und verhält sich daher ähnlich wie elementarer Stickstoff oder die Edelgase. Es ist nahezu unlöslich in Wasser und nicht entflammbar.

Auf Grund seiner Inertheit sind Reaktionen in der Regel nur unter drastischeren als der Normalbedingung durchführbar. So setzt sich Natrium mit SF6 in flüssigem Ammoniak zu Natriumsulfid und Natriumfluorid um:

$ \mathrm {SF_{6}} +8\ \mathrm {Na} \longrightarrow \mathrm {Na_{2}S} +6\ \mathrm {NaF} $.

In Gegenwart von Schwefelwasserstoff ist die Komproportionierung zu elementarem Schwefel und Fluorwasserstoff (HF) bekannt:

$ 2\ \mathrm {SF_{6}} +6\ \mathrm {H_{2}S} \longrightarrow \mathrm {S_{8}} +12\ \mathrm {HF} $.

SF6 ist isoelektronisch zu den Anionen Hexafluorophosphat (PF6), Hexafluorosilicat (SiF62−) und Hexafluoroaluminat (AlF63−).

Verwendung

Mit SF6 betriebene Schaltanlage

Schwefelhexafluorid (SF6) wird als Isoliergas in der Mittel- und Hochspannungstechnik eingesetzt, beispielsweise in gasisolierten Schaltanlagen (GIS) mit Hochspannungsschaltern und bei gasisolierten Rohrleitern (GIL) in komplett gekapselten Anlagen mit Betriebsspannungen von 6 kV bis 800 kV.[5] Es dient dabei auch als Löschgas, um den Schaltlichtbogen zu unterbrechen.

Die Durchschlagsfestigkeit ist bei Atmosphärendruck fast dreimal höher als in Luft oder Stickstoff. Diese Eigenschaften sowie die geringen dielektrischen Verluste machen es als Isoliergas in Koaxialkabeln und gasisolierten Hochfrequenz-Leistungskondensatoren geeignet. Als Isolationsgas in elektrischen Schaltanlagen wird es unter höheren Druck von 5 bar bis 10 bar gehalten um die nötige hohe Isolationsfähigkeit sicherzustellen. Der Grund für den gegenüber Normaldruck erhöhten Gasdruck in elektrischen Schaltanlagen liegt darin, dass damit die mittlere Weglänge der freien Elektronen im Gas reduziert ist (siehe Paschen-Gesetz). Dadurch können Elektronen bei hohen Gasdruck im Mittel nicht so stark beschleunigt werden und stoßen an die SF6-Moleküle.[6]

In Schaltanlagen mit dem prinzipiell ungiftigen SF6-Gas entstehen im Laufe des Betriebes durch die Lichtbögen in Kombination mit Verunreinigungen wie einen geringen Wasseranteil neben den ungiftigen Tetrafluormethan giftige Fluorid-Verbindungen wie Fluorwasserstoff und Thionylfluorid sowie das hochgiftige Dischwefeldecafluorid (S2F10). Aus diesen Gründen müssen bei gasdichten SF6-Schaltanlagen vor Wartungsarbeiten entsprechende Sicherheitsrichtlinien zur Entlüftung beachtet werden.[7]

Weiterhin wird SF6 zur Dichtheitsprüfung von Leckagen von 1·10−9 mbar·l/s eingesetzt. Es wird als Isoliergas beim Routinetesten (Prüfung) mikroelektronischer Schaltkreise im Rahmen der Qualitätssicherung verwendet.

Bei der Herstellung von Halbleiter-Bauteilen dient es als Ätzgas: SF6 ist das reaktive Gas beim reaktiven Ionenätzen (RIE) und DRIE (von engl. Deep Reactive Ion Etching). Außerdem wird es auf ähnliche Weise zum Reinigungsätzen unter anderem bei der Display-Fertigung eingesetzt.

Weiterhin verwendet man SF6 in großem Umfang als Schutzgas bei der technischen Erzeugung von Magnesium. Das spezifisch schwere SF6 verhindert hier den Kontakt der heißen Metallschmelze mit der Luft. Prozessbedingt werden bei dieser Anwendung sehr große SF6-Mengen in die Atmosphäre abgegeben.

SF6 wurde früher als Isoliergas zwischen Isolierglasscheiben benutzt sowie als Füllgas in Sohlen von Sportschuhen. Außerdem wurde Schwefelhexafluorid bis etwa zum Jahr 2000 auch zur Befüllung von Autoreifen eingesetzt, obwohl das, bedingt durch den hohen Preis des Schwefelhexafluorides, pro Reifensatz bis zu 100 DM (ca. 50 ) kostete (siehe auch Reifengas). Alle drei vorgenannten Anwendungen sind inzwischen aus Gründen des Umweltschutzes verboten.[8][9]

Aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften, der geringen Hintergrundkonzentration in der Atmosphäre und der sehr guten Nachweisbarkeit in Gasanalysatoren wird SF6 aktuell noch als Tracergas für Lüftungseffizienz-Messungen in sehr geringen Mengen verwendet. Für viele Anwendungen werden jedoch mittlerweile weniger klimaschädliche Gase eingesetzt.[10]

Klimaschädlichkeit

SF6-Gas ist laut einer Studie des Intergovernmental Panel on Climate Change (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) das stärkste bekannte Treibhausgas. 1 kg dieses Gases ist, auf einen Zeitraum von 100 Jahren betrachtet, genauso schädlich wie 22.800 kg Kohlendioxid (CO2).[3] Wegen der sehr geringen Konzentration von SF6 in der Erdatmosphäre (ca. 0,005 ppb volumenbezogen, was 0,12 ppmV CO2-Äquivalent entspricht.; CO2 ca. 385 ppm) wird sein Einfluss auf die globale Erwärmung jedoch als verhältnismäßig gering betrachtet. Es trägt nicht wesentlich zur Zerstörung der Ozonschicht bei. Der Abbau des SF6-Gases in der Atmosphäre durch energiereiche UV-Strahlung der Sonne dauert ca. 3.200 Jahre. Die Emission durch elektrotechnische Anlagen in Deutschland betrug 1997 10 % von 238 t der Gesamtemission.

Der Anstieg der SF6-Konzentration in den letzten Jahren ist aber enorm. So stieg er an der Station Bukit Kototabang in Indonesien von 5,3 ppt Anfang 2004 auf 6,3 ppt Ende 2008, was einem Anstieg um ca. 19 % in nur 5 Jahren entspricht.[11]

Kurioses

Wegen seiner etwa fünfmal höheren Dichte im Vergleich zu normaler Luft kann Schwefelhexafluorid wie eine Flüssigkeit in Behälter gegossen werden. Auf dem SF6-Spiegel können dann sehr leichte Objekte, etwa Schalen aus Alufolie, „schwimmen“. Mit großer Sorgfalt gelingt ein solcher Versuch auch mit leichter zugänglichem CO2.

Zu einem interessanten Effekt kommt es, wenn SF6 eingeatmet wird. Im Gegensatz zu Helium erhält man wegen der gegenüber Luft wesentlich höheren Dichte von SF6 und der daraus resultierenden geringeren Schallgeschwindigkeit im Gas (129 m/s, Faktor 0,39 gegenüber Luft) eine tiefe Stimmlage. Vor derartigen Experimenten wird ausdrücklich gewarnt, da Schwefelhexafluorid die Abatmung des Kohlenstoffdioxids behindert. Die Gefahr einer Kohlendioxidnarkose oder eines Atemstillstandes ist größer als bei der Verwendung anderer sauerstofffreier Gase wie Stickstoff oder Helium. Hintergrund ist die geringere Diffusionsgeschwindigkeit von Gasen in Schwefelhexafluorid, das auf Grund seines großen Stoßquerschnitts und seiner hohen molaren Masse die mittlere freie Weglänge herabsetzt.

Literatur

  • Arnold Fr. Holleman, Egon Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102 Auflage. Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S. 566–567.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Eintrag zu Schwefelhexafluorid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 18. Oktober 2009 (JavaScript erforderlich).
  2. Sicherheitsdatenblatt (praxair).
  3. 3,0 3,1 P. Forster, V. Ramaswamy et al.: Changes in Atmospheric Constituents and in Radiative Forcing. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2007, S. 212, (PDF).
  4. 4,0 4,1 Chase, M.W., Jr., NIST-JANAF Themochemical Tables, Fourth Edition, J. Phys. Chem. Ref. Data, Monograph 9, 1998, 1-1951.
  5. Technik von Hochspannungsschaltern.
  6. H. Rebholz, W. Köhler, S. Tenbohlen: Dielektrische Festigkeit verschiedener Gase in GIS. Universität Stuttgart, 2005 (Online).
  7. SF6-Anlagen, Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik, Mai 2008.
  8. Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, Anhang 1.5
  9. Verordnung (EG) Nr. 842/2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase, Art. 8f. sowie Anhang II.
  10. Galle, B.; Samuelsson, J.; Svensson, B. H. und Borjesson G: Measurements of Methane Emissions from Landfills Using a Time Correlated Tracer Method Based on FTIR Absorption Spectroscopy, in: Environmental Science and Technology, 2001, Bd. 35, Nr. 1, S. 21–25; doi:10.1021/es0011008.
  11. http://www.bmg.go.id/data.bmkg?Jenis=Teks&IDS=1421247521522528389.

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