Otto-Kreisprozess
Der Otto-Kreisprozess (Gleichraumprozess) ist der Vergleichsprozess für den nach dem deutschen Ingenieur Nicolaus August Otto benannten Verbrennungsmotor. Er ist ein thermodynamisch rechtslaufender Kreisprozess, der Wärme in Arbeit umwandelt ($ \rightarrow $ Wärmekraftmaschine).
Die Bezeichnung Gleichraum beruht auf der Annahme, dass die Wärmezufuhr bei gleichbleibendem Volumen (isochor) stattfindet. Dazu im Gegensatz steht der Gleichdruckprozess (auch Diesel-Kreisprozess), bei dem die Wärmezufuhr bei konstantem Druck (isobar) erfolgt.
Es gab Anfang des 20. Jahrhunderts Gleichraum-Gasturbinen, welche den Gleichraumprozess mit zyklischer Verbrennung des Gasgemisches einsetzten. Diese nach seinem Konstrukteur Hans Holzwarth benannten Turbinen brauchten keinen Verdichter. Sie wurden durch die kontinuierlich arbeitenden Gleichdruck-Gasturbinen verdrängt.
Der Vergleichsprozess
besteht aus vier Zustandsänderungen eines idealen Gases innerhalb eines geschlossenen Systems. Er beinhaltet also keine chemische Umsetzung und deshalb auch keinen Ladungswechsel.
- 1 - 2 : isentrope Kompression
- 2 - 3 : isochore Wärmezufuhr (deshalb Gleichraumprozess!)
- 3 - 4 : isentrope Expansion
- 4 - 1 : isochore Wärmeabfuhr
Die durch den Linienzug 1-2-3-4 umschlossene Fläche in den Diagrammen entspricht der spezifischen Prozessarbeit w.
Wirkungsgrad
Zur Veranschaulichung und leichten Berechnung der Zustandsgrößen wird als Arbeitsmedium ein ideales Gas mit temperaturunabhängiger spezifischer Wärmekapazität angenommen. Der thermische Wirkungsgrad des idealen Otto-Prozesses hängt dann nicht von der zugeführten Wärmemenge ab und lässt sich folgendermaßen bestimmen:
- $ \eta _{th\,\mathrm {Otto} }=1-{\frac {1}{\varepsilon ^{\varkappa -1}}} $
Je höher das Verdichtungsverhältnis V1/V2) und je höher der Isentropenexponent, desto höher der Wirkungsgrad.
- $ \ V_{1} $ : Anfangsvolumen bzw. Expansionsvolumen
- $ \ V_{2} $ : Kompressionsvolumen
- $ \varepsilon ={\frac {V_{1}}{V_{2}}} $ : Volumenverhältnis (Verdichtungsverhältnis)
- $ \varkappa ={\frac {c_{p}}{c_{v}}} $ : Isentropenexponent (Ladegemisch von 500 °C hat einen Wert von ca. 1,35 und Abgas von 1000 °C hat einen Wert von ca. 1,3)
- $ \ c_{p} $ : Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck (Abgas von 360 °C hat ca. 1150 J/kgK)
- $ \ c_{v} $ : Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen (Abgas von 360 °C hat ca. 850 J/kgK)
Der thermische Wirkungsgrad des Gleichraumprozesses ist bei gleichem Verdichtungsverhältnis höher als der des Gleichdruckprozesses.
Maximaldruck und Maximaltemperatur
Die spezifische Wärmezufuhr oder Heizenergie bestimmt die Druck- bzw. Temperaturzunahme beim Gleichraumprozess und somit die Verhältniszahl $ \xi $. Beim reinen Gleichraumprozess spielt diese Zahl für den Wirkungsgrad keine Rolle.
- $ \xi ={\frac {H_{u}}{m_{H}c_{V}T_{2}}}+1 $; Druckverhältnis bzw. Temperaturverhältnis Verbrennung/Verdichtung. Hu ist der untere spezifische Heizwert (J/kg), z.B. 42 MJ/kg für Benzin oder Diesel. mH ist die spezifische Heizmasse zur Brennstoffmasse (kg/kg), z.B. 18 kg Luft und Restabgas pro kg Benzin. Die spezifische Wärmekapazität cV von Abgas bei 1000 °C beträgt ca. 950 J/kgK.
- $ p_{2}=p_{1}\cdot \varepsilon ^{\kappa } $; Verdichtungsdruck. p1 ist der Anfangsdruck, z.B. 1 bar.
- $ T_{2}=T_{1}\cdot \varepsilon ^{\kappa -1} $; Verdichtungstemperatur. T1 ist die Anfangstemperatur vor dem Verdichtungstakt, z.B. 400 K.
- $ p_{3}=p_{2}\cdot \xi $; Druck nach der Wärmezufuhr (Maximaldruck) und $ T_{3}=T_{2}\cdot \xi $; Temperatur nach der Wärmezufuhr (Maximaltemperatur).
Der ideale Otto-Motor
Der ideale Motor hat keine Dissipationsverluste, mechanische Reibungsverluste, Hilfsaggregate, Zylinderkühlung und Dichtigkeitsverluste. Das Arbeitsgas hat über den gesamten Kreisprozess die gleichen Eigenschaften und keine Strömungsverluste. Es gibt keine Durchmischung von Ladungsgemisch mit Abgas.
Es gibt Zwei- und Vier-Takt-Motoren. Ein Takt besteht jeweils aus einem Kolbenhub bzw. einer halben Kurbelwellenumdrehung. Beim 4-Takt-Ottomotor lassen sich die Zustandsänderungen wie folgt den Arbeitstakten zuordnen:
- 1. Takt = Ansaugen: Der Zylinder füllt sich mit Frischluft 0$ \rightarrow $1.
- 2. Takt = Verdichten und Wärmezufuhr: isentrope Kompression 1$ \rightarrow $2 und isochore Wärmezufuhr $ q_{zu} $ durch Zünden und Verbrennen der Gasladung 2$ \rightarrow $3 im oberen Totpunkt, also bei konstantem Volumen (Gleichraumverbrennung).
- 3. Takt = Arbeitstakt: Isentrope Expansion 3$ \rightarrow $4.
- 4. Takt = Ausblastakt (Wärmeabfuhr): Durch das Öffnen des Auslassventils expandieren die Abgase im unteren Totpunkt ohne weitere Arbeitsleistung nach außen 4$ \rightarrow $1, und der Rest wird durch den Kolbenhub 1$ \rightarrow $0 nach außen geschoben. Dabei wird die im Abgas enthaltene Wärme $ q_{ab} $ an die Umgebung abgegeben. Der ideale Prozess berücksichtigt nicht, dass die Restmenge im Kompressionsraum nicht den Umgebungszustand erreicht.
Der reale Otto-Motor
Die Zustandsänderungen des Gleichraumprozesses entsprechen nicht dem realen Motor. Der gemischte Gleichraum- bzw. Gleichdruckprozess entspricht wesentlich besser den realen Abläufen im Otto- und im Dieselmotor. Beim realen Ottomotor begrenzt die Klopffestigkeit des Gasgemisches den Verdichtungsdruck. Das Luft-Gasgemisch ist kein ideales Gas (kleinerer Isentropenexponent und größere Wärmekapazität bei hohen Temperaturen). Die Umwandlungsgase (hauptsächlich Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid) bewirken eine Veränderung der thermodynamischen Eigenschaften des Arbeitsgases.
Gegenüber dem Vergleichsprozess gibt der reale Prozess im Motor zudem eine geringere Arbeit ab, weil:
- das Ansaugen und Ausschieben mit Reibungsverlusten verbunden ist (linksdrehende Schleife zwischen 0 und 1 im p-V-Diagramm, Ladungswechselarbeit)
- die Verbrennung nicht isochor erfolgt, sondern Zeit erfordert, in der sich die Kurbelwelle weiterdreht. Deshalb erfolgt die Zündung vor dem oberen Totpunkt, und die Verbrennung ist erst nach dem o.T. abgeschlossen. Die Spitze im Diagramm bei 3 wird also nach unten und nach rechts abgerundet.
- ein Teil der durch chemische Reaktion zugeführten Energie (neben unvollständiger Verbrennung und endothermer Bildung von Stickoxid) ohne Arbeitsleistung durch Wärmeübergang an die Brennraumflächen verloren geht. Der Expansionsverlauf liegt unterhalb des idealen Verlaufes.
- das Auslassventil vor dem unteren Totpunkt geöffnet wird. Die Prozessfläche wird im Punkt 4 nach unten abgerundet.
Das Verhältnis von im Motor freigesetzter zu theoretischer Arbeit des Prozesses wird als Gütegrad bezeichnet. Reale Motoren haben zusätzlich eine mechanische Verlustleistung aus Reibung, Neben- und Hilfsantrieben, die ca. 10 % der Nennleistung betragen kann und den Wirkungsgrad weiter vermindern.
Literatur
Siehe auch
- Gleichdruckprozess bzw. Diesel-Prozess
- Seiliger-Prozess (gemischter Vergleichsprozess beim Kolbenmotor)
- Carnot-Prozess (theoretisch maximaler thermodynamischer Wirkungsgrad)
- Joule-Prozess (Gleichdruckprozess bei der Turbine)
Weblinks
- Thermodynamik Uni München
- Uni Duisburg-Essen (PDF-Datei; 2,50 MB)