Reibung
Reibung, auch als Friktion bezeichnet, ist die Hemmung einer Bewegung, die zwischen sich berührenden Festkörpern oder Teilchen auftritt. Man unterscheidet zwischen äußerer Reibung zwischen sich berührenden Grenzflächen von Festkörpern und innerer Reibung zwischen benachbarten Teilchen bei der Verformung von Fluiden und Festkörpern. In physikalischen Modellen werden Reibungskräfte oft vernachlässigt, wenn sie relativ klein und/oder quantitativ schwer erfassbar sind. Im Hinblick auf den bei der Reibung auftretenden Energieverlust (ihre Umwandlung in Wärme unter Zunahme der Entropie) spricht man von Dissipation, insbesondere im Fall von kinetischer Energie, aber auch verallgemeinernd bei nicht-mechanischen Prozessen.
Reibungsarten
Äußere Reibung
Äußere Reibung wird auch als Festkörperreibung bezeichnet, weil sie zwischen den Kontaktflächen von sich berührenden Festkörpern auftritt. Sie wird unterteilt in Haftreibung und Gleitreibung, die beide zu Ehren des Physikers Charles Augustin de Coulomb auch als Coulombsche Reibung bezeichnet werden. Sie treten nicht immer strikt voneinander getrennt auf. Sie können zugleich oder abwechselnd auftreten; zum Beispiel ist der Stick-Slip-Effekt ein periodischer Übergang zwischen Haft- und Gleitreibung. Auf die Anwendung bezogene Begriffe sind Rollreibung, Bohrreibung und Seilreibung.
Die Reibungskraft FR nimmt mit der Normalkraft FN zu, oft annähernd linear und unabhängig von der Größe der Kontaktfläche (siehe Amontonssche Gesetze):
- $ F_{\mathrm {R} }=\mu \cdot F_{\mathrm {N} } $.
Dabei sind die Reibungskoeffizienten µ abhängig von der Beschaffenheit der Oberflächen. Der Koeffizient für Haften ist grundsätzlich größer als der für Gleiten. Ihr Wert wird experimentell bestimmt.
Haftreibung
In vielen Fällen ist Haften zwischen sich berührenden Körpern erwünscht. Ohne Haftreibung würde der Alltag gar nicht funktionieren. Möbel würden nicht an ihrem Platz bleiben, auf der Straße abgestellte Fahrzeuge (die Räder blockiert) könnten allein vom Wind fortbewegt werden. Man könnte keinen Fuß „fest“ auf den Boden setzen, alle angetriebenen Fahrzeugräder würden „durchdrehen“, also keine Traktion ermöglichen. In technischen Anwendungen wird außer der meistens wirkenden Gewichtskraft ein technisch erzeugter Druck zwischen den Kontaktflächen benutzt, zum Beispiel mittels gespannter Federn in einer Reibungs-Kupplung.
Haften ist ein Zustand der Ruhe, so dass weder Verschleiß noch Energieverluste auftreten. Es ist eine Kombination von Formschluss im Kleinen, durch Rauigkeit als Gestaltabweichung 3. bis 5. Ordnung, der bei Bewegung zerstört würde, und molekularem Kraftschluss im Kleinen durch molekulare Anziehungskräfte, also Adhäsion.
Gleitreibung
Gleitreibung tritt an den Kontaktflächen zwischen Körpern auf, die sich relativ zueinander bewegen. Bei einigen Werkstoffkombinationen tritt ein Kriechen auf, so dass die Reibungskraft entgegen dem Amontonsschen Gesetz geschwindigkeitsabhängig wird. Die Gleitreibungskraft ist meist geringer als die Haftreibungskraft bei gleicher Normalkraft.
Rollreibung
Rollreibung entsteht beim Rollen eines Körpers auf einer Unterlage. Im Modell lässt sich die Rollreibung durch die Deformation eines nicht ideal starren Körpers erklären. Die Rollreibung wird durch die dimensionslose Rollreibungszahl beschrieben. Diese ist definiert als Verhältnis der Rollreibungslänge $ d $ und dem Radius $ R $ des Rollkörpers:
- $ \mu _{\mathrm {R} }={d \over R} $
Wälzreibung
Überlagern sich Gleit- und Rollreibung, so wird dies als Wälzreibung bezeichnet.[1]
Bohrreibung
Bohrreibung entsteht am Auflagepunkt eines sich um die vertikale Achse drehenden Körpers auf einer Ebene. Der Koeffizient der Bohrreibung µB ist als Radius der scheinbaren Auflagescheibe deutbar, also als der resultierende Hebelarm der Flächenmomente. Da die Bohrreibung bei einer rotierenden Bewegung wirkt, wird die Bohrreibung als Drehmoment angegeben:
- $ M_{\mathrm {B} }=\mu _{\mathrm {B} }\cdot F_{\mathrm {N} } $
Seilreibung
Die Euler-Eytelwein-Formel beschreibt die Reibung eines um einen runden Körper gelegten Seils, auf das beidseitig Kräfte wirken, und gibt an, unter welchen Bedingungen das Seil haftet.
Innere Reibung
Innere Reibung bewirkt die Zähigkeit von Materialien und Fluiden und hat Einfluss auf Verformungen und Strömungen. Neben der Bewegung der Teilchen in einem Stoff beschreibt die innere Reibung auch den Reibungswiderstand von Körpern, die sich in Fluiden bewegen, sowie die Dämpfung von Schallwellen. Typischerweise nimmt in Gasen die innere Reibung (Viskosität) mit der Temperatur zu, und in Flüssigkeiten ab. In einfachen Fällen ist mit den Mitteln der statistischen Physik eine quantitative Beschreibung möglich.
Bei Temperaturen nahe dem Temperaturnullpunkt verlieren einige Flüssigkeiten ihre innere Reibung vollkommen (siehe Suprafluidität).
Anders als in der Mechanik, in der Reibung so lange wie möglich vernachlässigt wird, ist innere Reibung in der Standardtheorie der Hydrodynamik, den Navier-Stokes-Gleichungen, fest enthalten. Diese nichtlinearen Gleichungen sind im Allgemeinen nur numerisch lösbar. Für den Fall kleiner Reynolds-Zahl Re, wenn also die Advektion von Impuls gegenüber dem Impulstransport durch Viskosität vernachlässigt werden kann, existieren für einfache Geometrien und Newtonsche Fluide geschlossene Lösungen:
Das gilt beispielsweise für eine dünne Schicht von Schmiermittel zwischen sich gegeneinander bewegenden Flächen. Die Reibung ist dann proportional zur Scherrate, also zur Geschwindigkeit v. Dieselben Verhältnisse liegen für den Fall einer kleinen Kugel in einem zähen Fluid vor, siehe das Gesetz von Stokes. Bei dominierender Impulsadvektion ist dagegen die Dissipation proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit, siehe Strömungswiderstand.
Die plastische Verformung von Festkörpern ist in der Regel stark nichtlinear und damit nicht gut durch die Viskosität zu beschreiben. Auch bei kleineren Kräften oder Spannungen, gibt es Abweichungen von der Idealen Elastizität als eine andere Art der inneren Reibung im Festkörper, die sich aber auch nicht einfach als Viskosität verstehen lässt. Entsprechend ist die Gleichsetzung von innerer Reibung und Viskosität auf Fluide beschränkt.
Reibungszustände in der Schmierungstechnik
Die Optimierung von Reibungsvorgängen ist Gegenstand der Tribologie.
Bei der Festkörperreibung berühren sich die aufeinander gleitenden Flächen. Dabei werden Oberflächenerhöhungen eingeebnet (Abrieb oder Verschleiß). Bei ungünstiger Werkstoffpaarung und großer Flächenpressung verschweißen die Oberflächen miteinander (Adhäsion). Festkörperreibung tritt beispielsweise bei Verwendung von Trockenschmierstoffen (Graphit, PTFE) auf, wenn kein Schmierstoff verwendet wird oder die Schmierung versagt. Dieser Reibungszustand wird daher auch als Trockenreibung bezeichnet und kann durch Linearkugellager deutlich verringert werden.
Die Mischreibung kann bei unzureichender Schmierung oder zu Beginn der Bewegung zweier Reibpartner mit Schmierung auftreten. Dabei berühren sich die Gleitflächen punktuell. Die Reibungskraft im Mischreibungsbereich ist Geschwindigkeitsabhängig und lässt sich an Gleitlagern beobachten. Dabei nimmt die Reibkraft / das Reibmoment mit steigender Gleitgeschwindigkeit ab, bis reine Flüssigkeitsreibung auftritt und die Reibflächen trennt. Bei weiter steigender Gleitgeschwindigkeit nimmt dann die Reibkraft / das Reibmoment wieder zu. Im Michreibungsgebiet nimmt der Verschleiß ähnlich mit dem Reibmoment ab, bis die Gleitgeschwindigkeit die verschleißfreie Flüssigkeitsreibung erreicht hat. Dieser Reibungszustand ist daher im Dauerbetrieb stets unerwünscht, ist aber manchmal unvermeidlich oder seine Vermeidung ist so aufwändig, dass die Kosten für Verschleißreparaturen in Kauf genommen werden.
Die Flüssigkeitsreibung tritt dann auf, wenn sich zwischen den Gleitflächen ein permanenter Schmierfilm bildet. Typische Schmierstoffe sind Öle, Wasser aber auch Gase (siehe Luftlager). Die Gleitflächen sind vollständig voneinander getrennt. Die entstehende Reibung beruht darauf, dass die Schmierstoffmoleküle aufeinander gleiten. Damit diese Scherkräfte nur zu einer tragbaren Temperaturerhöhung des Schmierstoffes führen, muss die entstehende Wärme auf geeignete Weise abgeführt werden. Flüssigkeitsreibung ist der gewünschte Reibungszustand in Lagern und Führungen, wenn Dauerhaltbarkeit, hohe Gleitgeschwindigkeit und hohe Belastbarkeit benötigt werden. Ein wichtiges Beispiel ist die Drucköl-Schmierung der Lagerschalen zwischen Kurbelwelle und Pleuelstange im Automotor (Hydrodynamisches Gleitlager).
Der Übergang von der Mischreibung zur Flüssigkeitsreibung wird durch die Stribeck-Kurve dargestellt, das Minimum von Reibkraft/-moment der Kurve markiert den Übergang zur reinen Flüssigkeitsreibung.
Beispiele für Reibungsvorgänge
- Die innere Reibung von Schüttgut definiert sich über den Schüttwinkel.
- Die Rheologie befasst sich mit Reibung in komplexen Flüssigkeiten, zum Beispiel Polymeren und Dispersionen, zu deren Beschreibung die linearen Navier-Stokes-Gleichungen nicht ausreichen.
- Nichtlinear ist auch die Reibung, die bei Verformung in Festkörpern auftritt, etwa durch die Gezeitenkraft in Astronomie und die Modellierung relativistischer Effekte.
- Auch zur Beschreibung von umformtechnischen Prozessen werden Stoffgesetze verwendet, die die innere Reibung berücksichtigen. Diese Stoffgesetze werden in der Plastomechanik verwendet.
- Durch Reibung eines Streichholzes auf der entsprechenden dafür vorgesehenen Anstrichfläche an der Steichholzschachtel lässt sich durch Reibungswärme (unter Mitwirkung von Zündbeschleunigern) das Holz anzünden.[2]
Literatur
- Gerd Fleischer (Hrsg.): Grundlagen zu Reibung und Verschleiß. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1983.
- Bo Persson: Sliding Friction. Physical Principles and Applications. Springer, 2002, ISBN 3540671927.
- Ernest Rabinowicz: Friction and Wear of Materials. Wiley-Interscience, 1995, ISBN 0471830844.
- Frank Philip Bowden, David Tabor: The Friction and Lubrication of Solids. Oxford University Press, 2001, ISBN 0198507771.
- Valentin L. Popov: Kontaktmechanik und Reibung. Ein Lehr- und Anwendungsbuch von der Nanotribologie bis zur numerischen Simulation. Springer-Verlag, 2009, ISBN 978-3-540-88836-9.