Neptunium(VI)-fluorid

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Strukturformel
Strukturformel von Neptuniumhexafluorid
Kristallsystem

orthorhombisch

Raumgruppe

$ Pnma\, $

Gitterkonstanten

a = 990,9 pm
b = 899,7 pm
c = 520,2 pm

Allgemeines
Name Neptunium(VI)-fluorid
Andere Namen

Neptuniumhexafluorid

Summenformel NpF6
CAS-Nummer 14521-05-2
PubChem 19695135
Kurzbeschreibung

oranger, kristalliner Feststoff[1]

Eigenschaften
Molare Masse 351,04 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

54,4 °C[1]

Siedepunkt

55,18 °C[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
keine Einstufung verfügbar
H- und P-Sätze H: siehe oben
P: siehe oben
Radioaktivität
Radioaktiv
 
Radioaktiv
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−1970,0 ± 20,0 kJ·mol−1[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Neptunium(VI)-fluorid (NpF6), meistens Neptuniumhexafluorid genannt, ist eine Verbindung aus den Elementen Neptunium und Fluor. Es ist ein oranger kristalliner Feststoff; welcher leicht flüchtig, radioaktiv und korrosiv ist. In den meisten Fällen wird es aus Neptunium(IV)-fluorid (NpF4) durch Umsetzung mit elementarem Fluor (F2) gewonnen. Die Flüchtigkeit von Neptuniumhexafluorid, welche eine Trennung von Neptunium aus abgebrannten Brennelementen aufzeigte, führte schnell zu einem Interesse an seiner Darstellung wie auch der genauen Untersuchung seiner Eigenschaften.

Darstellung

Standardmethode

Neptuniumhexafluorid wurde erstmals im Jahre 1946 dargestellt. Eine gängige Methode ist die Umsetzung von Neptunium(IV)-fluorid (NpF4) im Fluorgasstrom bei 500 °C:[4]

$ \mathrm {NpF_{4}\ +\ F_{2}\ \longrightarrow \ NpF_{6}} $

Uranhexafluorid (UF6) entsteht relativ zügig bei 300 °C aus Urantetrafluorid (UF4) und Fluor (F2), in gleicher Weise entsteht Plutoniumhexafluorid (PuF6) bei 750 °C aus Plutoniumtetrafluorid (PuF4) und F2.[4]

Andere Methoden

Plutoniumhexafluorid wurde u. a. auch durch Fluorierung von Neptunium(III)-fluorid (NpF3) dargestellt.[5]

$ \mathrm {2\ NpF_{3}\ +\ 3\ F_{2}\ \longrightarrow \ 2\ NpF_{6}} $

Die Darstellung gelingt auch durch Fluorierung von Neptuniumdioxid (NpO2) oder NpF4 mittels starker Fluorierungsreagenzien wie elementarem Fluor (F2), Bromtrifluorid (BrF3) oder Brompentafluorid (BrF5). Die Umsetzungsraten der Reaktion von NpF4 bei 350 °C haben die Reihenfolge: F2 (100 Mol-%) > BrF3 (6–13 Mol-%) > BrF5 (33–35 Mol-%). Die Fluorierung von NpO2 entweder mit BrF5 oder Fluor führt zur Zwischenverbindung NpF4. Die Fluorierung von NpO2 verläuft analog zu der von Plutoniumdioxid (PuO2), die beide das Tetrafluorid als Zwischenverbindung bilden, unterscheidet sich aber von der Fluorierung von Urandioxid (UO2), das als Zwischenverbindung Uranylfluorid (UO2F2) bildet.[6]

Neptuniumdioxid und -tetrafluorid werden in praktisch vollständig durch Disauerstoffdifluorid (O2F2) zum flüchtigen Neptuniumhexafluorid umgewandelt, sowohl in Gas-Feststoff-Reaktionen bei moderaten Temperaturen als auch in flüssigem wasserfreien Fluorwasserstoff bei −78 °C:[7]

$ \mathrm {NpO_{2}\ +\ 3\ O_{2}F_{2}\ \longrightarrow \ NpF_{6}\ +\ 4\ O_{2}} $
$ \mathrm {NpF_{4}\ +\ O_{2}F_{2}\ \longrightarrow \ NpF_{6}\ +\ O_{2}} $

Neptunyl(VI)-fluorid (NpO2F2) wurde durch Raman-Spektroskopie als wesentliches Zwischenprodukt bei der Reaktion mit Neptuniumdioxid identifiziert. Eine direkte Reaktion von NpF4 mit flüssigem O2F2 führt zu einer heftigen Zersetzung des O2F2 mit geringer bis keiner Umsetzung zu NpF6. Diese Reaktionstemperaturen stehen in starkem Gegensatz zu den höheren Temperaturen (> 200 °C), die ansonsten zur Darstellung von NpF6 bei Verwendung von elementarem Fluor oder Halogenfluoriden benötigt werden.[7]

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Parameter für die Antoine-Gleichung[8]
nach lg P = A−B/(T+C); für 0–55,1 °C
A B C
18,48130 2892,0 −2,6990
nach lg P = A−B/(T+C); für 55,1–76,82 °C
A B C
0,01023 1191,1 2,5825

Neptuniumhexafluorid bildet orange, orthorhombische Kristalle; unter Normaldruck (1.013,25 hPa) schmilzt es bei 54,4 °C und siedet bei 55,18 °C.

Der Tripelpunkt, an dem die drei Phasen fest, flüssig und gasförmig im Gleichgewicht stehen, liegt bei einer Temperatur von 55,10 °C bei einem Druck von 1010 hPa (758 Torr),[1] d. h. dass unterhalb dieses Drucks – der nur geringfügig unterhalb des Normaldrucks liegt – festes Neptuniumhexafluorid beim Erwärmen durch Sublimation direkt in den gasförmigen Zustand übergeht.

Die Flüchtigkeit von NpF6 ist ähnlich zu der von Uranhexafluorid (UF6) und Plutoniumhexafluorid (PuF6); sie gehören zusammen zu den drei bisher bekannten Hexafluoriden der Actinoidenelemente. Die Bildungsentropie (S0m) beträgt für NpF6 229,1 ± 0,5 J·K−1·mol−1.[3] Festes NpF6 ist leicht paramagnetisch.[9][10]

Kristall- und Molekülstruktur

Neptuniumhexafluorid ist eine kovalente Verbindung und kein Salz. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe Pnma (D162h) mit den Gitterparametern a = 990,9 pm, b = 899,7 pm und c = 520,2 pm und vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[11] Die Molekular- und Kristallstrukturen von NpF6 entsprechen denen des UF6.[11] Im gasförmigen Zustand besteht es aus regulär oktaedrischen Molekülen (Oh) mit einheitlicher Np–F-Bindungslänge von 198,1 pm.[12]

Spektroskopische Eigenschaften

Neptuniumhexafluorid besitzt sechs Grundschwingungen: ν1, ν2, ν3, ν4, ν5 und ν6. ν1 und ν2 sind Streckschwingungen, ν5 und ν6 sind Biegeschwingungen. ν1, ν2 und ν5 sind Raman-aktiv,[13] ν3 und ν4 IR-aktiv, ν6 ist IR- und Raman-inaktiv.[14][15][16][17]

Grundschwingung ν1 ν2 ν3 ν4 ν5 ν6
Termsymbol A1g Eg F1u F1u F2g F2u
Wellenzahl (cm−1)[11] 654 535 624 198,6 208 (164)
IR-aktiv × ×
Raman-aktiv × × ×

Chemische Eigenschaften

Neptuniumhexafluorid ist nicht brennbar, nicht explosiv und beständig gegen trockene Luft. Es reagiert hingegen sehr heftig mit Wasser (beispielsweise Luftfeuchtigkeit), wobei das wasserlösliche Neptunyl(VI)-fluorid (NpO2F2) und Fluorwasserstoff (HF) entstehen.

$ \mathrm {NpF_{6}\ +\ 2\ H_{2}O\ \longrightarrow \ NpO_{2}F_{2}\ +\ 4\ HF} $

Es kann unbegrenzt bei Raumtemperatur in Quarz- oder PYREX-Ampullen aufbewahrt werden, wenn sichergestellt ist, dass keine Spuren von Feuchtigkeit vorhanden sind, das Glas selbst von allen Gaseinschlüssen frei ist und eventuell vorhandener Fluorwasserstoff (HF) restlos entfernt wurde.[4]

Die Hydrolyse von Neptuniumhexafluorid in fast wasserfreier Fluorwasserstoff-Lösung führt zum Oxid-Fluorid NpOF4, welches die gleiche Struktur mit der trigonalen Form des UOF4 aufweist. NpOF4 wird durch Kryptondifluorid (KrF2) in wasserfreiem HF nicht zu Np(VII) oxidiert. Die Austauschreaktion zwischen NpF6 und Bortrichlorid (BCl3) führt zur Bildung von NpF4.[18]

NpF6 bildet mit Caesiumfluorid (CsF) bei 25 °C das CsNpF6.[18] Mit Natriumfluorid (NaF) reagiert es reversibel nach folgender Reaktion:[19]

$ \mathrm {NpF_{6}\ +\ 3\ NaF\ \leftrightarrow \ Na_{3}NpF_{8}\ +\ 1/2\ F_{2}} $

In beiden Fällen erfolgt ein Reduktion vom sechswertigen Neptunium zum fünfwertigen. In Gegenwart von Chlortrifluorid (ClF3) als Lösungsmittel und bei tieferen Temperaturen gibt es Anzeichen für eine mögliche Bildung eines instabilen Np(VI)-Komplexes.[18]

NpF6 und PuF6 sind lichtempfindlich und zersetzen sich zu den Tetrafluoriden und Fluor.[4]

Verwendung

Für die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente wurde zur Abtrennung des Urans (95 % der Gesamtmasse) vorgeschlagen, das Material fein zu zerkleinern und mit elementarem Fluor zu behandeln („direkte Fluorierung“). Die dabei entstehenden flüchtigen Fluoride (hauptsächlich UF6 und geringe Mengen NpF6) lassen sich leicht von den nichtflüchtigen Fluoriden, z. B.: Plutonium(IV)-fluorid (PuF4), Americium(III)-fluorid (AmF3), Curium(III)-fluorid (CmF3) sowie den Fluoriden der meisten Spaltprodukte, abtrennen.[20]

Aus Gemischen von Uran- und Neptuniumhexafluorid soll mit pelletiertem Cobalt(II)-fluorid selektiv das Neptuniumhexafluorid zum Neptuniumtetrafluorid reduziert werden, bei Temperaturen im Bereich von 93 bis 204 °C. Das im Gemisch vorhandene Uranhexafluorid geht diese Reaktion nicht ein.[21]

Sicherheitshinweise

Einstufungen nach der Gefahrstoffverordnung liegen nicht vor, weil diese nur die chemische Gefährlichkeit umfassen und eine völlig untergeordnete Rolle gegenüber den auf der Radioaktivität beruhenden Gefahren spielen. Auch Letzteres gilt nur, wenn es sich um eine dafür relevante Stoffmenge handelt.

Literatur

  • Zenko Yoshida, Stephen G. Johnson, Takaumi Kimura, John R. Krsul: Neptunium, in: Lester R. Morss, Norman M. Edelstein, Jean Fuger (Hrsg.): The Chemistry of the Actinide and Transactinide Elements, Springer, Dordrecht 2006; ISBN 1-4020-3555-1, S. 699–812 (doi:10.1007/1-4020-3598-5_6).

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 C. Keller: „Die Chemie des Neptuniums“, in: Fortschr. chem. Forsch., 1969/70, 13/1, S. 1–124, hier: S. 71–75 (Erste Seite).
  2. Diese Substanz wurde in Bezug auf ihre Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. 3,0 3,1 Zenko Yoshida, Stephen G. Johnson, Takaumi Kimura, John R. Krsul: Neptunium, S. 736.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 John G. Malm, Bernard Weinstock, E. Eugene Weaver: „The Preparation and Properties of NpF6; a Comparison with PuF6“, in: J. Phys. Chem., 1958, 62 (12), S. 1506–1508 (doi:10.1021/j150570a009).
  5. Sherman Fried, Norman Davidson: „The Preparation of Solid Neptunium Compounds“, in: J. Am. Chem. Soc., 1948, 70 (11), S. 3539–3547 (doi:10.1021/ja01191a003).
  6. L. E. Trevorrow, T. J. Gerding, M. J. Steindler: „The Fluorination of Neptunium(IV) fluoride and Neptunium(IV) oxide“, in: Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry, 1968, 30 (10), S. 2671–2677 (doi:10.1016/0022-1902(68)80394-X).
  7. 7,0 7,1 P. Gary Eller, Larned B. Asprey, Scott A. Kinkead, Basil I. Swanson, Richard J. Kissane: „Reactions of Dioxygen Difluoride with Neptunium Oxides and Fluorides“, in: Journal of Alloys and Compounds, 1998, 269 (1–2), S. 63–66 (doi:10.1016/S0925-8388(98)00005-X).
  8. Zenko Yoshida, Stephen G. Johnson, Takaumi Kimura, John R. Krsul: Neptunium, S. 733.
  9. Clyde A. Hutchison, Bernard Weinstock: „Paramagnetic Resonance Absorption in Neptunium Hexafluoride“, in: J. Chem. Phys., 1960, 32, S. 56–61 (doi:10.1063/1.1700947).
  10. Clyde A. Hutchison, Tung Tsang, Bernard Weinstock: „Magnetic Susceptibility of Neptunium Hexafluoride in Uranium Hexafluoride“, in: J. Chem. Phys., 1962, 37, S. 555–562 (doi:10.1063/1.1701373).
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie, System Nr. 71, Transurane, Teil C, S. 108–114.
  12. 12,0 12,1 Masao Kimura, Werner Schomaker, Darwin W. Smith, Bernard Weinstock: „Electron-Diffraction Investigation of the Hexafluorides of Tungsten, Osmium, Iridium, Uranium, Neptunium, and Plutonium“, in: J. Chem. Phys., 1968, 48 (8), S. 4001–4012 (doi:10.1063/1.1669727).
  13. Earl L. Grasner, Boris Frlec: „Raman Spectrum of Neptunium Hexafluoride“, in: J. Chem. Phys., 1968, 49 (11), S. 5135–5137 (doi:10.1063/1.1670010).
  14. B. Weinstock, E. E. Weaver, J. G. Malm: „Vapour-Pressures of NpF6 and PuF6; Thermodynamic Calculations with UF6, NpF6 and PuF6“, in: Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry, 1959, 11 (2), S. 104–114 (doi:10.1016/0022-1902(59)80054-3).
  15. K. C. Kim, R. N. Mulford: „Vibrational Properties of Actinide (U, Np, Pu, Am) Hexafluoride Molecules“, in: Journal of Molecular Structure: THEOCHEM, 1990, 207 (3–4), S. 293–299 (doi:10.1016/0166-1280(90)85031-H).
  16. J. C. Eisenstein, M. H. L. Pryce: „Theory of the Magnetic and Spectroscopic Properties of Neptunium Hexafluoride“, in: Proceedings of the Royal Society of London. Series A, Mathematical and Physical Sciences, (5. April 1960), Vol. 255, Nr. 1281, S. 181–198 (Abstract).
  17. M. J. Steindler, T. J. Gerding: „The absorption spectrum of neptunium hexafluoride“, in: Spectrochimica Acta, 1966, 22 (6), S. 1197–1200 (doi:10.1016/0371-1951(66)80212-6).
  18. 18,0 18,1 18,2 R. D. Peacock, Norman Edelstein: „Some Reactions of Neptunium Hexafluoride“, in: Journal of Inorganic and Nuclear Chemistry, 1976, 38 (4), S. 771–773 (doi:10.1016/0022-1902(76)80353-3).
  19. LeVerne E. Trevorrow, T. J. Gerding, Martin J. Steindler: „The Reaction of Neptunium Hexafluoride with Sodium Fluoride“, in: Inorg. Chem., 1968, 7 (11), S. 2226–2229 (doi:10.1021/ic50069a010).
  20. Jan Uhlíř, Martin Marečeka: „Fluoride Volatility Method for Reprocessing of LWR and FR Fuels“, in: Journal of Fluorine Chemistry, 2009, 130 (1), S. 89–93 (doi:10.1016/j.jfluchem.2008.07.002).
  21. US-Patent 3615267: Separation of Neptunium from Uranium Hexafluoride Containing the Same, 23. Oktober 1971 (PDF).

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