Natriumborhydrid

Natriumborhydrid

Strukturformel
LithiumkationStrukturformel von Borhydridanion
Allgemeines
Name Natriumborhydrid
Andere Namen
  • Natriumboranat
  • Natriumtetrahydroborat
  • Natriumtetrahydridoborat
Summenformel NaBH4
CAS-Nummer 16940-66-2
Kurzbeschreibung

weißes Pulver[1]

Eigenschaften
Molare Masse 37,83 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,07 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

ca. 400 °C[2]

Siedepunkt

ca. 500 °C (Zersetzung)[2]

Löslichkeit

gut in Wasser unter langsamer Zersetzung (550 g·l−1 bei 25 °C)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
02 – Leicht-/Hochentzündlich 06 – Giftig oder sehr giftig 05 – Ätzend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 260-301-311-314
P: 280-​301+330+331-​302+352-​305+351+338-​402+404 [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [3][2]
Giftig Leichtentzündlich
Giftig Leicht-
entzündlich
(T) (F)
R- und S-Sätze R: 15-24/25-35
S: 7/8-26-36-43-45
LD50
  • 160 mg·kg−1 (Ratte, peroral)[2]
  • 230 mg·kg−1 (Hase, dermal)[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche nicht möglich

Natriumborhydrid ist ein Komplexsalz, bestehend aus einem Natriumkation (Na+) und einem komplexen Tetrahydridoboratanion (BH4). Die Verbindung ist ein Reduktionsmittel und wird häufig in der organischen Chemie eingesetzt.

Geschichte

Natriumborhydrid wurde 1942 in der Arbeitsgruppe um Hermann Irving Schlesinger an der University of Chicago im Rahmen von Arbeiten zur Isolierung von flüchtigen Uranverbindungen entdeckt. Der spätere Nobelpreisträger Herbert Charles Brown war wesentlich an diesen Arbeiten beteiligt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde, auf Anregung des US Army Signal Corps, in der gleichen Arbeitsgruppe die Hydrolyse von Natriumborhydrid zur Wasserstofferzeugung für militärische Anwendungen untersucht. Aus Geheimhaltungsgründen wurden die Forschungsergebnisse zu Natriumborhydrid aber erst 1953 veröffentlicht.[4] In den 1960er-Jahren wurden erste Versuche zum Einsatz von Natriumborhydrid-Lösungen in Brennstoffzellen gemacht.

Darstellung und Gewinnung

Natriumborhydrid wird aus dem Alkalimetallhydrid Natriumhydrid (NaH) und Trimethylborat [B(OCH3)3] dargestellt.[4] Die Reaktionsgleichung lautet:

$ \mathrm {4\,NaH+B(OCH_{3})_{3}\rightarrow NaBH_{4}+3\,NaOCH_{3}} $

Weiterhin kann die Verbindung technisch aus Borosilicatglas, Natrium und Wasserstoff gewonnen werden.[5]

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Natriumborhydrid bildet farblose, ätzende und brennbare Kristalle.[5] Ein Schmelzpunkt bei 505 °C kann nur unter einem Wasserstoffdruck von 10 atm beobachtet werden.[6] Von der Verbindung sind die drei polymorphen Formen α-, β- und γ-Natriumborhydrid bekannt. Bei Raumtemperatur und Normaldruck ist die α-Form, die in einem kubischen Kristallgitter auftritt, die stabile Form. Ab einem Druck von 6,3 GPa wird die Struktur in die tetragonale β-Form und ab 8,9 GPa in die orthorhombische γ-Form umgewandelt.[7][8][9] Aus wässriger Lösung kristallisiert unterhalb von 36,4 °C ein Dihydrat. Oberhalb dieser Temperatur bzw. in Abwesenheit von Wasser ist die α-Anhydratform stabil.[6] Die Verbindung löst sich sehr gut in Wasser. Unterhalb von 36,4 °C ist die Löslichkeitkurve von der Dihydratform bestimmt, darüber entspricht diese dem wasserfreien Anhydrat.[6]

Löslichkeit von Natriumborhydrid in Wasser

Die Lösungen von Natriumborhydrid in Wasser sind basisch. Der pH-Wert hängt von der Konzentration ab und steigt mit zunehmenden Gehalt.[6]

pH-Werte von Natriumborhydridlösungen bei 24 °C[6]
Konzentration in mol·l−1 0,01 0,1 1
pH-Wert 9,56 ± 0,02 10,05 ± 0,02 10,48 ± 0,02

Chemische Eigenschaften

Beim Erhitzen ist die Verbindung an trockener Luft bis 600 °C stabil.[5] In feuchter Luft setzt schon ab 300 °C eine Zersetzung ein.[5] Mit Wasser wird es unter Hydrolyse und Bildung elementaren Wasserstoffs zersetzt, wobei ein Gramm Substanz 2,4 Liter Wasserstoff ergibt.[5] Die Hydrolysegeschwindigkeit ist stark pH-abhängig. Eine schnelle Reaktion erfolgt nur bei niedrigen pH-Werten, so dass die Verbindung auch in wässrigen und alkoholischen Lösungsmitteln eingesetzt werden kann.[10]

Natriumborhydrid ist ein starkes Reduktionsmittel. Die Reaktion mit Metallionen kann entweder zur Reduktion des Metalls, zur Bildung von Metallboriden oder zur Bildung von flüchtigen Metallhydriden führen.

Durch seine reduzierende Wirkung greift Natriumborhydrid organisches Gewebe an, daher ist jeglicher Kontakt, auch mit der Haut, zu vermeiden.

Verwendung und Reaktionen

Natriumborhydrid wird vor allem in der organischen Chemie als Reduktionsmittel beziehungsweise Hydrierungsmittel benutzt. Diese Anwendung läuft mit geringer Atomökonomie ab, da stets beträchtliche stöchiometrische Mengen anorganischer Salze bei der Aufarbeitung des Reaktionsgemisches anfallen. Durch die Polarisierung der Bor-Wasserstoff-Bindung kann die Verbindung als Hydridionen-Donator fungieren; der Wasserstoff wird mit seinen Bindungselektronen übertragen. Dieses Teilchen ist ein starkes Nukleophil und reagiert leicht zum Beispiel mit Carbonylgruppen und reduziert sie zum entsprechenden Alkohol, der nach sauer-wässriger Aufarbeitung erhalten wird. Besonders geeignet ist es für Reaktionen in wässrigen oder methanolischen Lösungen, da es bei weitem nicht so heftig mit Wasser reagiert wie beispielsweise Lithiumaluminiumhydrid.[11][12] Mit Natriumborhydrid lassen sich Aldehyd- und Ketogruppen selektiv reduzieren, während Estergruppen nicht angegriffen werden.

In der analytischen Chemie wird Natriumborhydrid verwendet, um Halbmetalle wie Arsen und Selen in flüchtige Verbindungen umzusetzen, die sich leichter mit der Atomabsorptionsspektrometrie nachweisen lassen (Hydrid-AAS).[13]

Eine weitere ins Auge gefasste Verwendungsmöglichkeit für Natriumborhydrid ist der Einsatz in Brennstoffzellenfahrzeugen, hier existiert der von DaimlerChrysler gebaute Prototyp Natrium.[14] Das Funktionsprinzip ist eine katalytische Hydrolyse des Borhydrids, wodurch elementarer Wasserstoff entsteht, der in der Brennstoffzelle eingesetzt wird. Das Produkt ist Natriummetaborat (NaBO2), das durch Reaktion mit Wasserstoff wieder als Treibstoff nutzbar gemacht werden kann.[15]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Datenblatt Natriumborhydrid bei Merck, abgerufen am 12. April 2011.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Datenblatt Natriumborhydrid bei Carl Roth, abgerufen am 14. Dezember 2010.
  3. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  4. 4,0 4,1 H. I. Schlesinger, H. C. Brown, B. Abraham, A. C. Bond, N. Davidson, A. E. Finholt, J. R. Gilbreath, H. Hoekstra, L. Horvitz, E. K. Hyde, J. J. Katz, J. Knight, R. A. Lad, D. L. Mayfield, L. Rapp, D. M. Ritter, A. M. Schwartz, I. Sheft, L. D. Tuck, A. O. Walker: New developments in the chemistry of diborane and the borohydrides. General summary, in: J. Am. Chem. Soc. 75 (1953) 186–190; doi:10.1021/ja01097a049.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Thieme Römpp Online, abgerufen am 30. Oktober 2011.
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 Rohm & Hass: Sodium borohydride digest, October 2003, pdf.
  7. R. S. Kumar, A. L. Cornelius Structural transitions in NaBH4 under pressure in Appl. Phys. Lett. 87 (2005) 261916, doi:10.1063/1.2158505.
  8. Y. Filinchuk, A. V. Talyzin, D. Chernyshov, V. Dmitriev: High-pressure phase of NaBH4: Crystal structure from synchrotron powder diffraction data in Phys. Rev. B 76 (2007) 092104, doi:10.1103/PhysRevB.76.092104.
  9. E. Kim, R. Kumar, P. F. Weck, A. L. Cornelius, M. Nicol, S. C. Vogel, J. Zhang, M. Hartl, A. C. Stowe, L. Daemen, Y. Zhao: Pressure-driven phase transitions in NaBH4: theory and experiments in J. Phys. Chem. B 111 (2007) 13873–13876, doi:10.1021/jp709840w.
  10. L. Banfi, E. Narisano, R. Riva, N. Stiasni, M. Hiersemann: Sodium Borohydride, in: Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis 2004, J. Wiley & Sons, New York; doi:10.1002/047084289X.rs052.
  11. H. R. Christen, F. Vögtle: Organische Chemie - Von den Grundlagen zur Forschung. 2. Auflage, Otto Salle Verlag, Frankfurt a. Main 1996, S. 821; ISBN 3-7935-5398-1.
  12. Autorenkollektiv: Organikum, 22. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim, 2001, 568–569; ISBN 3-527-29985-8.
  13. Umweltprobenbank des Bundes.
  14. Chrysler Natrium.
  15. Patent DE102006041958B3.