Kubisches Kristallsystem

Kubisches Kristallsystem

Würfelförmiger Pyrit, Navajún, La Rioja, Spanien
Sphaleritstufe (Größe: 2,3 x 2,3 x 1,2 cm) aus der Idarado Mine, Colorado, USA

Das kubische Kristallsystem gehört zu den sieben Kristallsystemen in der Kristallographie. Es umfasst alle Punktgruppen, die in vier unterschiedlichen Richtungen jeweils eine dreizählige Dreh- oder Drehinversionsachse besitzen. Diese vier dreizähligen Achsen verlaufen in kubischen Kristallen entlang der vier Raumdiagonalen der Elementarzellen, deren Gestalt einem Würfel entspricht. Fälschlicherweise werden auch vierzählige Drehachsen als Eigenschaft des kubischen Kristallsystems angegeben. Dies stimmt aber im Allgemeinen nicht, da es kubische Punktgruppen gibt, die keine vierzählige Symmetrie besitzen.

Punktgruppen

Das kubische Kristallsystem umfasst die Punktgruppen $ \ 23,\,m{\bar {3}},\,432,\,{\bar {4}}3m $ und $ m{\bar {3}}m $. Sie bilden die kubische Kristallfamilie und können mit dem kubischen Gittersystem beschrieben werden.

Gittersystem

Das kubische Gittersystem hat die Holoedrie $ m{\bar {3}}m $. Es gibt nur eine Möglichkeit dafür, dass in einem Gitter unterschiedliche dreizählige Achsen existieren können: als Raumdiagonalen eines Würfels. Daher hat das kubische Gitter drei rechte Winkel und auch drei gleich lange Achsen. Es ergeben sich also folgende Bedingungen:

  • $ a\ =b\ =c\ $
  • $ \alpha \ =\beta \ =\gamma \ =90^{\circ } $

Auch wenn die Achsen gleich lang sind, so sind sie nicht in jedem Fall äquivalent! Die Aufstellung erfolgt im Allgemeinen gemäß dem in den International Tables for Crystallography vorgegebenen Standard. Das kubische Gittersystem wird mit c (en:cubic) abgekürzt.

Bravaisgitter

Im Kubischen gibt es drei Bravaisgitter, die in der Literatur auch oft mit ihrer englischen Abkürzung bezeichnet werden: das primitive (sc für simple cubic) das innenzentrierte oder raumzentrierte (bcc für body centered cubic) und das flächenzentrierte (fcc für face centered cubic) Gitter.

Anmerkungen zur Verwendung des Begriffs Gitter

Die Kristallstruktur wird durch ein Gitter und eine Basis beschrieben. Das Gitter (auch Raumgitter oder Translationsgitter genannt) ist die Menge aller Translationsvektoren, die einen Kristall in sich selbst überführen. Die Lage der Atome wird durch die Basis beschrieben. Kristallstrukturen, die nicht nur dasselbe Kristallgitter besitzen, sondern bei denen auch dieselben Lagen (allerdings mit unterschiedlichen Atomen) besetzt sind, bilden einen Strukturtyp. Außerhalb der Fachliteratur wird dieser Unterschied zwischen Gitter und Strukturtyp allerdings nicht immer beachtet. In dem Fall, dass es in der Elementarzelle nur ein Atom gibt, das auf der Lage (0,0,0) liegt, spricht man auch von einem kubisch primitiven (bzw. raumzentrierten oder flächenzentrierten) Gitter als Strukturtyp. Enthält die Basis mehrere Atome, spricht man auch von ineinandergestellten kubischen Gittern.

Während diese Begriffsverwendung noch vernünftig ist, so gibt es, insbesondere im Internet, auch Begriffe und damit verbundene Vorstellungen, die definitiv falsch sind.

  • Die Punkte, die zur Darstellung von Bravaisgittern verwendet werden, stellen keine Atome dar. Es gibt Strukturtypen, bei denen im Ursprung des Gitters kein Atom liegt. (Der bekannteste Strukturtyp mit dieser Eigenschaft ist die hexagonal dichteste Kugelpackung (hcp) )
  • Es gibt keine kubisch-primitiven (-innenzentrierten bzw. -flächenzentrierten) Kristallsysteme. Der Begriff der Zentrierung bezieht sich einzig und alleine auf ein Gitter.
  • Die Begriffe hcp (hexagonal closed packed) und ccp (cubic closed packed) stehen für Kugelpackungen. Diese entsprechen Strukturtypen. Die Angaben zu Koordinationszahlen und Packungsdichte beziehen sich auch nur auf diese Strukturtypen. Es sind aber keine Gitter. Insbesondere ist fcc nicht gleich ccp! Es gibt viele weitere Strukturen, die ein kubisch flächenzentriertes Gitter besitzen. Einzig richtig ist, dass die kubisch dichteste Kugelpackung mit einem kubisch flächenzentrierten Gitter beschrieben werden kann.

Darstellung durch primitive Gitter

Die zentrierten kubischen Gitter können auch durch primitive (allerdings nicht-kubische) Gitter beschrieben werden. Der Zusammenhang zwischen den primitiven und nicht-primitiven Gittervektoren wird in folgender Tabelle zusammengestellt. Dabei ist $ a $ jeweils die Gitterkonstante und nicht zwangsläufig die Länge des Vektors $ {\vec {a}} $. Die Formel zur Berechnung findet man im Artikel zum Reziproken Gitter

Gittertyp Gittervektoren des realen Gitters Gittervektoren des reziproken Gitters
sc-Gitter $ {\vec {a}}=a{\begin{pmatrix}1\\0\\0\end{pmatrix}},{\vec {b}}=a{\begin{pmatrix}0\\1\\0\end{pmatrix}},{\vec {c}}=a{\begin{pmatrix}0\\0\\1\end{pmatrix}} $ $ {\vec {a'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}1\\0\\0\end{pmatrix}},{\vec {b'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}0\\1\\0\end{pmatrix}},{\vec {c'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}0\\0\\1\end{pmatrix}} $
bcc-Gitter $ {\vec {a}}={\frac {a}{2}}{\begin{pmatrix}-1\\1\\1\end{pmatrix}},{\vec {b}}={\frac {a}{2}}{\begin{pmatrix}1\\-1\\1\end{pmatrix}},{\vec {c}}={\frac {a}{2}}{\begin{pmatrix}1\\1\\-1\end{pmatrix}} $ $ {\vec {a'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}0\\1\\1\end{pmatrix}},{\vec {b'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}1\\0\\1\end{pmatrix}},{\vec {c'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}1\\1\\0\end{pmatrix}} $
fcc-Gitter $ {\vec {a}}={\frac {a}{2}}{\begin{pmatrix}0\\1\\1\end{pmatrix}},{\vec {b}}={\frac {a}{2}}{\begin{pmatrix}1\\0\\1\end{pmatrix}},{\vec {c}}={\frac {a}{2}}{\begin{pmatrix}1\\1\\0\end{pmatrix}} $ $ {\vec {a'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}-1\\1\\1\end{pmatrix}},{\vec {b'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}1\\-1\\1\end{pmatrix}},{\vec {c'}}={\frac {2\pi }{a}}{\begin{pmatrix}1\\1\\-1\end{pmatrix}} $

Das reziproke Gitter eines sc-Gitters ist also wieder ein sc-Gitter. Das reziproke Gitter eines fcc-Gitters ist ein bcc-Gitter und umgekehrt.

Beschreibung und physikalische Eigenschaften der kubischen Punktgruppen

Zur Beschreibung der kubischen Kristallklassen in Hermann-Mauguin-Symbolik werden die Symmetrieoperationen bezüglich vorgegebener Richtungen (Blickrichtungen) im Gitter-System angegeben. Die Blickrichtung des 1. Symbols ist die a-Achse (<100>), des 2. Symbols die Raumdiagonale (<111>) und des 3. Symbols die Flächendiagonale (<110>).

Charakteristisch für die kubischen Raumgruppen ist eine 3 (3) an der 2. Stelle des Raumgruppensymbols.

Kristallklassen im kubischen Kristallsystem
Kristallklasse Physikalische Eigenschaften Beispiele
Laueklasse Allgemeine Form Schoenflies-Symbol Hermann-Mauguin-Symbol Hermann/Mauguin-Kurzsymbol Raumgruppennummern Enantiomorph Optische Aktivität Pyroelektrizität Piezoelektrizität
$ 2/m\,{\bar {3}}\, $ tetraedrisch-pentagondodekaedrisch $ T $ $ \ 2\,3\, $ $ \ 23\, $ 195–199 + + + Ullmannit
disdodekaedrisch $ T_{h} $,$ S_{6} $ $ 2/m\,{\bar {3}}\, $ $ m{\bar {3}}\, $ 200–206 Pyrit
$ 4/m\,{\bar {3}}\,2/m $ pentagon-ikositetraedrisch $ O $ $ \ 4\,3\,2\, $ $ \ 432\, $ 207–214 + + Petzit
hexakistetraedrisch $ T_{d} $ $ {\bar {4}}\,3\,m\, $ $ {\bar {4}}3m\, $ 215–220 + Sphalerit
hexakisoktaedrisch $ O_{h} $ $ 4/m\,{\bar {3}}\,2/m $ $ m{\bar {3}}m\, $ 221–230 Galenit

Bei den Angaben zu den physikalischen Eigenschaften bedeutet „−“ aufgrund der Symmetrie verboten und „+“ erlaubt. Über die Größenordnung des Effektes kann aufgrund der Symmetrie keine Aussage getroffen werden, man kann aber davon ausgehen, dass dieser Effekt nie exakt verschwinden wird.

Weitere kubisch kristallisierende, chemische Stoffe siehe Kategorie:Kubisches Kristallsystem

Literatur

  • International Tables for Crystallography. Vol. A: Theo Hahn (Hrsg.): Space-group symmetry. Kluwer Academic Publishing Company, Dordrecht u. a. 1983, ISBN 90-277-1445-2.
  • D. Schwarzenbach: Kristallographie. Springer, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-540-67114-5.
  • Walter Borchard-Ott. Kristallographie. Eine Einführung für Naturwissenschaftler. 7. überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2009, ISBN 978-3-540-78270-4 (Springer-Lehrbuch.).
  • Will Kleber, Hans-Joachim Bautsch, Joachim Bohm : Einführung in die Kristallographie. 19. verbesserte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2010, ISBN 978-3-486-59075-3.

Weblinks