Virialgleichungen
Virialgleichungen sind Erweiterungen der allgemeinen Gasgleichung durch eine Reihenentwicklung nach Potenzen von
Die einzelnen Formelzeichen stehen für folgende Größen:
- Vm - molares Volumen
- T - Temperatur
- p - Druck
- R - universelle Gaskonstante
- zweiter Virialkoeffizient - dritter Virialkoeffizient (usw.)
Virialkoeffizienten
Die Virialkoeffizienten ergeben sich aus den Wechselwirkungen zwischen den Molekülen. Sie sind nicht physikalisch interpretierbar.
Der zweite Virialkoeffizient ergibt sich näherungsweise aus dem Paarpotential V(r) zwischen den Molekülen:
- NA - Avogadro-Konstante
- k - Boltzmann-Konstante
- V - Paarpotential
- r - Abstand zwischen den Molekülen
Der dritte Virialkoeffizient hängt von den Wechselwirkungen innerhalb von Gruppen aus drei Molekülen ab, für alle weiteren gilt entsprechendes. Die Virialgleichung mit zwei oder drei Virialkoeffizienten ist nur im Bereich mäßiger Drücke gültig. Wenn keine experimentellen Werte für die Virialkoeffizienten vorliegen, so können diese mit Hilfe des empirischen Modells nach Hayden-O'Connell berechnet werden. Hierbei wird der zweite Virialkoeffizient aus kritischer Temperatur, kritischem Druck, Dipolmoment und Trägheitsradius abgeschätzt.
Verbindung zur Van-der-Waals-Gleichung
Eine andere, weiter verbreitete Zustandsgleichung für reale Gase, stellt die Van-der-Waals-Gleichung dar. Über eine Vereinfachung kann man zwischen dieser und der Virialgleichung mit zwei Virialkoeffizienten eine Verbindung herstellen.
Wird die Reihenentwicklung nach
Für die Parameter a und b siehe Van-der-Waals-Gleichung. Ist T gleich der Boyle-Temperatur, so gilt B' = 0.
Virialentwicklung: Betrachtung der statistischen Mechanik
Für reale Gase, d.h. wechselwirkende Teilchen, lässt sich die Zustandssumme eines statistischen Ensembles nicht exakt auswerten. Für Gase geringer
Dichte lässt sich diese jedoch näherungsweise berechnen. Die Virialentwicklung ist eine Entwicklung der thermischen Zustandsgleichung in der Teilchendichte
dabei ist
Für
Herleitung im Großkanonischen Ensemble
Im großkanonischen Ensemble lässt sich die Virialentwicklung herleiten. Die großkanonischen Zustandssumme
Dabei ist
Um diese Zustandsgleichung in eine thermische Zustandsgleichung - diese setzt die Zustandsgrößen Druck
Durch Ableiten des großkanonischen Potentials nach dem chemischen Potential
Damit folgt
das mit dem Potenzreihenansatz
Dies ergibt eingesetzt in obige Zustandsgleichung nach Ordnen von Potenzen von
Auf der rechten Seite lässt sich nach dem Äquipartitionstheorem die Ensemble-gemittelte Größe (Summe aller Ortskoordinaten mal Kraft) identifizieren:
Führt man die Teilchenzahldichte
wobei die Virialkoeffizienten
Klassisches Gas
Die kanonische Zustandssumme
wobei die Impulsintegrationen ausgeführt werden konnten (
Mehrteilchenwechselwirkungen können z.B. durch Austauschwechselwirkung, durch Induktion und Dispersion (etwa dem Axilrod-Teller Dreifach-Dipol-Effekt) verursacht werden.
Insbesondere gilt für die Zustandssummen
wobei die Konfigurationsintegrale wie folgt lauten (die Integrationen über die Ortskoordinaten erstrecken sich auf das zur Verfügung stehende Volumen
Damit schreibt sich die Virialentwicklung als
und die ersten Virialkoeffizienten lauten:
Der erste Virialkoeffizient ist identisch 1, der zweite hängt von der Wechselwirkung mit einem äußeren Potential
Spezialfall der Wechselwirkung: Nur abstandsabhängige Paarwechselwirkung
Der zweite Virialkoeffizient vereinfacht sich für den Spezialfall, dass kein äußeres Potential vorliegt (
Dabei wurde im zweiten Schritt die Mayer-Funktion
Ist zusätzlich
Im letzten Schritt wurde
Unter Vernachlässigung nicht-additiver Mehrteilchenwechselwirkungen (
und der fünfte
An diesem Beispiel sieht man, dass die Berechnung höherer Virialkoeffizienten die Auswertung komplexer Integrale erfordert. Die Integranden lassen sich jedoch systematisch mit Hilfe der Graphentheorie bestimmen. Vernachlässigt man nicht-additive Mehrteilchenwechselwirkungen (
für
Berechnung des zweiten Virialkoeffizienten für Beispielpotential
Viele realistische Gase zeigen für kleine Molekülabstände eine starke Abstoßung (Pauli-Abstoßung bei Überlappung der Atomhüllen) und für große Abstände eine schwache Anziehung (etwa wie
Das Potential ist unendlich für Abstände kleiner als der Hartkugelradius
und der zweite Virialkoeffizient ist
Hierbei ist
und
Somit ist in dieser Näherung
Die Virialentwicklung lautet also:
Für geringe Dichte (
Letzte Gleichung ist die sog. Van-der-Waals-Gleichung.
Zustandsgleichung harter Kugeln
Für ein System aus harten Kugeln mit Radius
Obwohl dieses System in der Natur nie realisiert wird, findet es oft Anwendung in der statistischen Mechanik, da die Struktur realer Flüssigkeiten hauptsächlich von abstoßenden Kräften bestimmt wird. Dieses Modell ist somit das einfachste Modell mit flüssigkeitsähnlichen Eigenschaften bei hohen Dichten und wird als Referenzsystem für Störungsrechnungen verwendet. Es zeigt bereits reichhaltige strukturelle und thermodynamische Eigenschaften, wie z. B. einen flüssig-fest Phasenübergang im Bereich 0,494 bis 0,545 der Packungsdichte. Die größtmögliche Packungsdichte ist bei 0,7405 erreicht (siehe dichteste Kugelpackung).
Die ersten vier Virialkoeffizienten können für das Hartkugelmodell analytisch berechnet werden (
Das Integral über
Die analytische Berechnung des vierten Virialkoeffizienten erfordert eine langwierige Rechnung. Das Ergebnis lautet:
Die höheren Virialkoeffizienten wurden numerisch berechnet. Die ersten zehn Terme der Virialentwicklung lauten unter Verwendung der Packungsdichte
Die Virialkoeffizienten hängen hier nicht von der Temperatur ab. Das Hartkugelsystem ist wie das ideale Gas ein ‚athermales‘ System. Die kanonischen Zustandssummen und strukturelle Eigenschaften sind unabhängig von der Temperatur, sie hängen nur von der Packungsdichte ab. Die freie Energie kommt rein von der Entropie, nicht von Beiträgen potentieller Energie.
Nähert man die ersten fünf Terme durch die benachbarte ganze Zahl (4, 10, 18, 28, 40), so lassen sich diese durch eine einfache Vorschrift berechnen
Im letzten Schritt wurden dabei die ersten beiden Ableitungen der geometrischen Reihe verwendet. Diese Zustandsgleichung nach Carnahan und Starling stimmt trotz der Näherung für höhere Virialkoeffizienten sehr gut mit Simulationsergebnissen für die flüssige Phase überein (größte Abweichungen ca. 1 %). Der Phasenübergang und die Zustandsgleichung der festen Phase ist in der Carnahan-Starling Näherung nicht enthalten.
Literatur
- F. Schwabl: Statistische Mechanik. Springer 2006, ISBN 978-3-540-31095-2
- H. Schulz: Statistische Physik. Harri Deutsch 2005, ISBN 3-8171-1745-0
- A. Mulero: Theory and Simulation of Hard-Sphere Fluids and Related Systems. Springer 2008, ISBN 978-3-540-78766-2