Tributylzinnhydrid

Tributylzinnhydrid

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Strukturformel
Struktur von Tributylzinnhydrid
Allgemeines
Name Tributylzinnhydrid
Andere Namen
  • TBT
  • Tributylstannan
  • Tributylzinn
Summenformel C12H28Sn
CAS-Nummer 688-73-3
PubChem 3032732
Kurzbeschreibung

farblose bis gelbliche Flüssigkeit[1]

Eigenschaften
Molare Masse 291,04 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,10 g·cm−3 (20 °C)[2]

Schmelzpunkt

< 0 °C[2]

Siedepunkt

112–114 °C (11 hPa)[2]

Dampfdruck

5 hPa (20 °C)[2]

Löslichkeit

in Wasser Zersetzung[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
06 – Giftig oder sehr giftig 08 – Gesundheitsgefährdend 09 – Umweltgefährlich

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301-312-372-319-315-410
P: 273-​302+352-​305+351+338-​309+310 [4]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [5] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Giftig Umweltgefährlich
Giftig Umwelt-
gefährlich
(T) (N)
R- und S-Sätze R: 21-25-36/38-48/23/25-50/53
S: (1/2)-35-36/37/39-45-60-61
MAK

0,004 ml·m−3[4]

LD50

127 mg·kg−1 (oral, Ratte)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Tributylzinnhydrid (TBT) ist eine metallorganische Verbindung des Zinns. Es ist eine farblose, giftige Flüssigkeit.

Verwendung

Synthetische Anwendung

Die Sn–H-Bindung im TBT ist mit 310 kJ/mol recht schwach, so dass sie leicht homolytisch gespalten werden kann.

Mit AIBN (Azobisisobutyronitril) als Radikalstarter wird TBT in der Barton-McCombie-Reaktion und der Barton-Decarboxylierung eingesetzt. Diese beiden vom englischen Nobelpreisträger Derek H. R. Barton entdeckten Reaktionen ermöglichen die Umsetzung von Alkoholen, bzw. Säurehalogeniden in ihre entsprechenden Alkane.

Eine weitere interessante Reaktion ist die Dehalogenierung von Halogenalkanen, die auch oft in Verbindung mit einer anschließenden intramolekularen radikalischen Cyclisierung des gebildeten Alkylradikals synthetischen Nutzen findet.

TBT wird auch oft zur Synthese der zur Stille-Kupplung benötigten Zinn-Organyle verwandt.

Sonstige Anwendungen

TBT wurde über Jahrzehnte als Zusatz in Schiffanstrichen verwendet. Die giftige Substanz verhinderte, dass sich Muscheln und Algen am Schiffsrumpf festsetzen (Fouling). Seit 2008 ist TBT von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation in Schiffsfarben verboten.

Durch die Nahrungskette kann TBT in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangen und dort hormonelle Störungen hervorrufen, die zur Unfruchtbarkeit führen können. In Meeresgebieten mit hohem Schifffahrtsaufkommen sind durch das TBT der Schiffsanstriche bei zahlreichen Tierarten fortpflanzungsunfähige Imposexe entstanden, d. h. bei Weibchen bildeten sich äußere Geschlechtsorgane von Männchen. Diese Formen machen bis zu 90 % einer Population aus, die Effekte sind irreversibel und die betroffenen Arten dadurch zum Teil vom Aussterben bedroht. Wegen des Eingreifens dieser Umweltchemikalie in den Hormonhaushalt ist sie ein so genannter endokriner Disruptor.

TBT wird auch als Stabilisator in Kunststoffen und im Druckereiwesen eingesetzt und kann daher auch in bedruckten Textilien, Outdoorjacken und 10-Euro-Geldscheinen[6] auftreten.

Begriff „TBT“

Der Begriff TBT bzw. Tributylzinn wird unterschiedlich benutzt. Es handelt sich um eine „überladene“ Bezeichnung:

  • Als Stoff
    • In Wasser, bzw. Meerwasser bilden sich in Abhängigkeit von pH-Wert und Anionen aus verschiedenen TBT-Verbindungen: TBT-Cl (-chlorid), TBT-OH (-stannol), TBT-OH2+ (Stannyl-Kation) und TBT-CO3 (-carbonat). Das TBT steht hier für das n-Bu3Sn+-Kation.
    • Als Chemikalie (Handelsgut) werden unterschiedliche Verbindungen mit der (Zweit-)Bezeichnung TBT versehen. Meist/oft, aber eben nicht immer, handelt es sich um Bis(tributylzinn)oxid (TBTO) oder Tributylzinnhydrid.
    • Das Radikal n-BuTributylzinnhydrid Sn(·) , das in der weiter oben erwähnten Barton-McCombie-Reaktion eine Rolle spielt.
  • Als Stoffgruppe mit der charakteristischen Anordnung n-BuTributylzinnhydrid –(R). Analog dem Gebrauch einer Gruppenbezeichnung wie Sulfat(e). Es sollte gelesen werden als TBT-Verbindung(en) (TBT-compounds) oder TBT-haltige Verbindung.

Siehe auch

  • Tributylzinnchlorid (TBTCL) (C4H9)3SnCl
  • Tributylzinnfluorid (TBTF) C12H27FSn, CAS: 1983-10-4
  • Tributylzinnsulfid (TBTS) C24H54SSn2, CAS: 4808-30-4

Daneben existieren auch noch diverse Dibutyl-, Diphenyl-, Triphenyl-, Tetrabutyl-, Tetraphenyl-zinnverbindungen.

Einzelnachweise

  1. Mike Boysen, in: Roempp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Datenblatt Tributylzinnhydrid bei Merck, abgerufen am 19. Januar 2011.
  3. 3,0 3,1 Nicht explizit in EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) gelistet, fällt aber dort mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Sammelbegriff „Tributylzinnverbindungen“; Eintrag aus der CLP-Verordnung zu Tributylzinnverbindungen in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 6. Februar 2012 (JavaScript erforderlich)
  4. 4,0 4,1 Eintrag zu Tributylzinnhydrid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 24. April 2011 (JavaScript erforderlich).
  5. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  6. Ökotest-Artikel: Euro-Scheine und -Münzen vom Februar 2002

Literatur

  • Heinz Rüdel, Jürgen Steinhanses, Josef Müller, Christa Schröter-Kermani: Retrospektives Monitoring von Organozinnverbindungen in biologischen Proben aus Nord- und Ostsee – sind die Anwendungsbeschränkungen erfolgreich? Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung 21(3), S. 282–291 (2009), ISSN 0934-3504

Weblinks