Silane

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Die Bezeichnung Silane steht nach den IUPAC-Regeln für eine Stoffgruppe chemischer Verbindungen, die aus einem Silicium-Grundgerüst und Wasserstoff bestehen. Ähnliche Stoffgruppen sind Germane und Alkane. Silane können einen verzweigten (iso- und neo-Silane) oder unverzweigten (n-Silane) Aufbau haben. Die allgemeine Summenformel der acyclischen (offenkettigen, auch catena-Silane genannten) Silane lautet SinH2n+2. Ringförmige Silicium-Wasserstoff-Verbindungen nennt man Cyclosilane (allgemeine Summenformel: SinH2n).

Geschichte

Friedrich Wöhler hatte 1857 durch das Zersetzen von siliciumhaltigem Aluminium mit Salzsäure erstmals ein Silan hergestellt. Er hatte beobachtet, dass der bei dieser Reaktion freiwerdende Wasserstoff mit einem anderen Stoff verunreinigt war. Zu dieser Schlussfolgerung kam er, da das entstandene Gas heftig mit dem Luftsauerstoff reagierte bzw. explodierte. Wasserstoff selbst reagiert nur bei erhöhter Temperatur oder in der Gegenwart von Katalysatoren (siehe dazu Knallgasprobe).

1902 wurde der Gedanke der Siliciumwasserstoffe wieder aufgegriffen. Henri Moissan gelang der Nachweis von Monosilan nach der Protolyse von Lithiumsilicid. Ab 1916 befasste sich Alfred Stock, Professor für anorganische Chemie in Karlsruhe, intensiv mit der Silanwasserstoffchemie. Er erhoffte sich, durch ähnliche Zersetzungen auch längerkettige, flüssige „Siliciumbenzine“ zu gewinnen. Mit Hilfe von Magnesiumsilicid (Mg2Si) und Säure war Stock zunächst bei der Darstellung der niederen gasförmigen Silane Monosilan, Disilan, Trisilan und Tetrasilan erfolgreich. Seither werden diese Silane als „Stock′sche Silane“ bezeichnet. Stock gab der gesamten Stoffgruppe zudem den allgemeinen Namen Silane.

Alfred Stock entwarf zur Darstellung der Silane eine Glasapparatur, die das Arbeiten unter völligem Luftabschluss zuließ. Er benutzte einen Glaskolben, der halb mit wässriger Schwefelsäure gefüllt war, rührte diese Säure und schüttete das gemahlene, graue Magnesiumsilicid portionsweise dazu. Dabei zersetzte sich das Silicid unter Hitzeentwicklung und Bildung von gasförmigem Wasserstoff und Silanen. Die Gase leitete Stock nun in eine Glasapparatur, die er von außen kühlte. Die Kühlung war so eingestellt, dass der Wasserstoff und das Monosilan nicht kondensieren konnten. Er erhoffte sich durch die Kühlung, dass eventuell entstandene längerkettige Silane aufgrund ihrer höheren Siedepunkte kondensieren würden. Tatsächlich gelang es ihm, eine wasserklare Flüssigkeit zu gewinnen, die sich aus drei kettenförmigen Silanen zusammensetzte. Die weitere Derivatisierung dieser Verbindungen hatte jedoch keinen Erfolg.

Nomenklatur

Die Namensgebung erfolgt analog zu den Alkanen. Jeder Name endet mit dem Suffix -silan, wie die Alkane mit -an enden (Methan, Ethan, Propan, Butan und so weiter). Ansonsten geht die Zahl der Siliciumatome als griechisches Zahlwort in die Benennung mit ein: Monosilan (ein Siliciumatom), Disilan (zwei Siliciumatome), Trisilan usw. Zur weiteren Differenzierung stellt man je nach Aufbau des Moleküls einen der Deskriptoren n-, iso-, neo- oder cyclo- dem Verbindungsnamen voran.

Struktur

Strukturformel von Monosilan

Konstitutionsisomerie

Enthält ein Silan vier oder mehr Siliciumatome, so sind unterschiedliche Anordnungen, genauer Konstitutionen, denkbar. Man spricht von Konstitutionsisomerie. Die Isomere unterscheiden sich durch verschiedene physikalische Kenndaten wie Schmelz- und Siedepunkte.

Homologe Reihe der Silane

Silane sind die Silicium-Homologen der auf einem Kohlenstoff-Gerüst beruhenden Alkane. Es sind jedoch wesentlich weniger Silane herstellbar, als es Kohlenwasserstoffe gibt. Bekannt sind bisher Silane mit bis zu 8 Si-Atomen[1]

Die homologe Reihe der linearen, unverzweigten Silane ergibt sich aus der allgemeinen Formel H−(SiH2)n−H mit n = 1, 2, 3, …

Übersichtstabelle linearer, unverzeigter Silane (Beispiele)
Silan Summenformel Schmelzpunkt
in °C[2]
Siedepunkt
in °C[2]
Dichte
in g/cm³[3]
Molare Masse
in g/mol
Monosilan SiH4 −184,7 −112,1 0,00135 32,12
Disilan Si2H6 −129,4 −14,8 0,00287 62,22
Trisilan Si3H8 −116,9 52,9 0,739 92,32
Tetrasilan Si4H10 −91,6 108,4 0,795 122,42
Pentasilan Si5H12 −72,2 153,2 0,827 152,52
Hexasilan Si6H14 −44,7 193,6 0,847 182,62
Heptasilan Si7H16 −30,1 226,8 0,859 212,73
Octasilan Si8H18       242,83

Isomere und cyclische Silane

Ähnlich wie bei den Alkanen beobachtet man bei den höheren Silanen (ab Tetrasilan) auch das Auftreten von Konstitutionsisomeren. Es sind verzweigte und cyclische Silane bekannt.

Übersichtstabelle verzweigte und cyclische Silane (Beispiele)
Silan Summenformel Strukturformel Schmelzpunkt
in °C
Siedepunkt
in °C
Molare Masse
in g/mol
Bemerkungen
Verzweigte Verbindungen
iso-Tetrasilan Si4H10 Iso-Tetrasilan 2D.png −99,4 +101,7 122,42
Cyclische Silane
Cyclopentasilan Si5H10 Cyclopentasilan.png −10,5 +194,3 150,51 Farblose Flüssigkeit

Eigenschaften

Die niedrigsten Silane – Monosilan und Disilan (Si2H6) – sind gasförmig. Ab Trisilan (Si3H8) nehmen die Silane einen flüssigen Aggregatzustand ein.

Chemische Reaktionen

Silane sind im Gegensatz zu den homologen Alkanen sehr instabil. Sie sind nur unter Luftabschluss synthetisierbar. Die niedrigen Silane, das heißt die Silane mit ein bis vier Siliciumatomen, sind sehr unbeständig und können sich an der Luft selbstentzünden, explodieren und spontan zu Siliciumdioxid und Wasser verbrennen.

$ \mathrm {SiH_{4}+2\ O_{2}\ _{\overrightarrow {\mathrm {\Delta T} }}\ SiO_{2}+2\ H_{2}O} $
Monosilan reagiert mit Sauerstoff zu Siliciumdioxid und Wasser.

Die Reaktivität nimmt mit zunehmender Kettenlänge ab. Schon Pentasilan reagiert nicht mehr selbständig mit dem Sauerstoffanteil der Luft. Ab Heptasilan sind Silane nicht mehr spontan selbstentzündlich.

Bei 300 °C findet bei den höheren Silanen eine Thermolyse statt. Sie zerfallen in Monosilan, Polysilane und andere Polymerprodukte ((SiH<2)x). Höhere Temperaturen führen zum Zerfall in die Elemente.

Silane können auch mit Stickstoff reagieren, indem sie sich bei Temperaturen von etwa 500 °C zersetzen und das entstandene Silicium mit Stickstoff reagiert. Auch Mikrowellenstrahlung kann zur Zersetzung genutzt werden. Diese Reaktion wird beispielsweise zur Erzeugung dünner Siliciumnitrid-Schichten oder Siliciumnitrid-Nanokristalle verwendet.[4][5]

In Wasser bei einem pH-Wert oberhalb von 7 zersetzen sich Silane zu Kieselsäure und Wasserstoff:

$ \mathrm {SiH_{4}+4\ H_{2}O\ _{\overrightarrow {\mathrm {pH\ >\ 7} }}\ Si(OH)_{4}+4\ H_{2}} $
Monosilan und Wasser bilden Kieselsäure und Wasserstoff.

Gewinnung und Darstellung

Darstellbar sind die Silane in Form des so genannten Rohsilan-Gemisches mittels Zersetzung von Magnesiumsilicid (Mg2Si) unter sauren Bedingungen und Luftausschluss.

$ \mathrm {Mg_{2}Si+\ H^{+}\ \longrightarrow \ Rohsilan} $

Die gezielte Synthese von Monosilan ist nach der Methode von Sundermeyer in einer Salzschmelze als Reaktionsmedium möglich. Die Ausgangssubstanzen sind Tetrachlorsilan und als Wasserstoffdonator Lithiumhydrid:

$ \mathrm {SiCl_{4}+4\ LiH\ _{\overrightarrow {\mathrm {LiCl/KCl-Eutektikum} }}\ SiH_{4}+4\ LiCl} $
Tetrachlorsilan und Lithiumhydrid reagieren in einer Schmelze aus Lithiumchlorid und Kaliumchlorid am Eutektischen Punkt zu Monosilan und Lithiumchlorid.

Trisilan und höhere Silane sind in guter Ausbeute aus Monosilan mit Hilfe einer elektrischen Entladung zugänglich.

Je nach Synthesebedingungen entstehen unter anderem Polysilen (SiH2), das Silicium-Homologe zu den Alkenen, bzw. Polysilin (SiH) (vergleiche dazu Alkine). Auch Verbindungen mit dazwischen liegender Stöchiometrie ((SiHn), 1 ≤ n ≤ 2) und ringförmige Oligo- sowie Polysilane sind möglich.

Derivate der Silane

Derivate (Abkömmlinge) der Silane entstehen formal durch Austausch (Substitution) der Wasserstoffatome durch Halogene, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff bzw. diese Elemente enthaltene Gruppen.

Zu nennen sind hier die Chlorsilane Monochlorsilan (SiH3Cl), Dichlorsilan (SiH2Cl2), Trichlorsilan (SiHCl3) und Tetrachlorsilan (SiCl4).

Ersetzt man den Wasserstoff in den Silanen durch organische Reste, so erhält man Siliciumorganische Verbindungen, die nach IUPAC als Derivate des Siliciums aufgefasst werden.

Wichtige weitere Verbindungen sind substituierte Silane, wie das chemisch weitgehend inerte Tetramethylsilan sowie die Reihe der Chlormethylsilane, insbesondere das Dichlordimethylsilan, welche als Ausgangsprodukte für die Silikon-Herstellung dienen.

Im Vergleich zu den entsprechenden Kohlenstoff-Verbindungen sind nur noch die Silanole und Siloxane nennenswerte stabile Silicium-Verbindungen.

Verwendung

Trichlorsilan ist ein Zwischenprodukt zur Herstellung von hochreinem Silicium für integrierte Schaltkreise (Microchips). Aus Chlorsilanen und Chloralkylsilanen lassen sich durch Umsetzung in einer Knallgasflamme sogenannte pyrogene Kieselsäuren erzeugen, ein wichtiger Füllstoff für Kunststoffe. Spezielle als funktionelle Organosilane bezeichnete Silane verwendet man zur Oberflächenfunktionalisierung, die auch kurz als Silanisierung bezeichnet wird.

Höhere, nicht mehr selbstentzündliche Silane wurden für ihre Verwendung als Raketentreibstoff diskutiert. Der hohe Preis sowie der im Vergleich zu Hydrazin oder Knallgasgemischen niedrigere spezifische Impuls[6] sprechen gegen Silane. Allerdings könnten sich höhere, flüssige Silane wie Pentasilan als nichttoxische Additive zur Steigerung der Verbrennungseffizienz herkömmlicher Raketentreibstoffe eignen.[3]

Quellen und Fußnoten

  1. N. N. Greenwood und A. Earnshaw: Chemie der Elemente, 1. Auflage, 1988, S. 43–431, ISBN 3-527-26169-9.
  2. 2,0 2,1  Arnold Frederik Holleman, Egon Wiberg, Nils Wiberg: Lehrbuch der anorganischen Chemie. 101., verb. und stark erw. Auflage. de Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-012641-9, S. 485.
  3. 3,0 3,1 Bernhard Hidding: Untersuchung der Eignung von Silanen als Treibstoffe in der Luft- und Raumfahrt. Diplomarbeit an der Universität der Bundeswehr München und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Januar 2004.
  4. Jingwei Song, Xiying Ma, Wang Zui, Chen Wei, Zhongpin Chen: Fabrication of Si3N4 Nanocrystals and Nanowires Using PECVD. In: Advances in Materials Science and Engineering. 2010, doi:10.1155/2010/892792.
  5. J. R. Flemish, R. L. Pfeffer: Low hydrogen content silicon nitride films from electron cyclotron resonance plasmas. In: J. Appl. Phys. 1993, 74, S. 3277–3282, doi:10.1063/1.355318.
  6. B. Leitenberger: Chemische Raketentreibstoffe Teil 1.

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