Cumarin

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Dieser Artikel behandelt den natürlich vorkommenden sekundären Pflanzenstoff Cumarin. Für Derivate des Cumarin als Farbstoffe siehe Cumarin-Farbstoffe.


Strukturformel
Strukturformel von Cumarin
Allgemeines
Name Cumarin
Andere Namen
  • 1,2-Benzopyron
  • 2H-1-Benzopyran-2-on
  • o-Cumarsäurelacton
  • Tonkabohnencampher
  • Chromen-2-on
  • α-Benzopyron
Summenformel C9H6O2
CAS-Nummer 91-64-5
PubChem 323
Kurzbeschreibung

farblose, brennend schmeckende Prismen, mit süßem, würzig, heuartigem Geruch[1]

Eigenschaften
Molare Masse 146,14 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

0,94 g·cm−3 (20 °C)[2]

Schmelzpunkt

68–71 °C[2]

Siedepunkt

298–302 °C[2]

Dampfdruck

1,3 hPa (bei 106 °C)[3]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
06 – Giftig oder sehr giftig

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: 309+310 [2]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4][2]
Gesundheitsschädlich
Gesundheits-
schädlich
(Xn)
R- und S-Sätze R: 22
S: keine S-Sätze
LD50

293 mg·kg−1 (Ratte, peroral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Cumarin ist der Stoff, der frischem Heu und getrocknetem Waldmeister seinen eigentümlichen, angenehm würzigen Geruch verleiht. In größeren Mengen ist es gesundheitsgefährdend. Verbindungen, die das Strukturgerüst des Cumarin enthalten, werden auch unter der Sammelbezeichnung Cumarine geführt.

Vorkommen

Cumarin ist ein natürlich vorkommender sekundärer Pflanzenstoff, der in verschiedenen Ruchgräsern, Schmetterlingsblütlern, beispielsweise dem gelben Steinklee (Melilotus officinalis), im Waldmeister, der Steinweichsel (Prunus mahaleb), in Datteln sowie in der Tonkabohne (Dipteryx odorata) und auch in der Zimtkassie enthalten ist.

Der Name leitet sich vom ins Spanische übernommene Tupí-Wort cumarú ‚Tonkabohnenbaum‘ ab.

Cumarin (und verwandte Stoffe) sind für den typischen Heugeruch beim Trocknen von Gras verantwortlich. In der Pflanze ist Cumarin teilweise glykosidisch gebunden und wird erst bei Verletzung beziehungsweise beim Welken der Pflanzen durch Abspaltung des Zuckers freigesetzt. Kommen das Glykosid und die zugehörige Glykosidase zusammen, beispielsweise durch Zerstörung oder Verwesung der Pflanzenzelle, wird das Glykosid hydrolytisch gespalten, der Stoff (in diesem Falle das Cumarin) wird freigesetzt und kann seine Wirkung entfalten.

Geschichte

Cumarin wurde erstmals im Jahre 1822 aus Tonkabohnen isoliert. 1868 gelang die erste synthetische Herstellung, worauf es 1876 erstmals vermarktet wurde. Seit 1954 ist Cumarin als Aromastoff in den USA verboten, da in Tierexperimenten toxische Wirkungen festgestellt wurden.[5]

In Deutschland wurde die Verwendung von Cumarin als Aroma durch die Aromenverordnung vom 22. Dezember 1981 verboten, später wurde der Grenzwert für Cumarin als Lebensmittelzusatzstoff gemäß Anlage 4 zu § 2 Abs. 3 der überarbeiteten Aromenverordnung (in der Fassung von 1991) bei aktuell 2 mg pro Kilogramm zubereiteter Speise festgelegt. Das Verbot von Cumarin wurde durch die Aromenverordnung 1991 für die Verwendung als Aromastoff in Zubereitungen, die nicht der Ernährung dienen, wie z. B. in Parfums oder Kerzen, aufgehoben. Den Zusatz von Cumarin zu Tabakprodukten verbietet die Tabakverordnung. Im Winter 2006/2007 sorgte Cumarin in Deutschland für Schlagzeilen, nachdem durch den in Weihnachtsgebäck verwendeten Zimt eine gegenüber dem gesetzlichen Höchstwert vielfach erhöhte Menge des Aromas gefunden wurde.

Synthese

Ausgangsstoff für Cumarin in der Pflanze ist die Zimtsäure, aus der es durch Hydroxylierung, Glykosidierung und Cyclisierung gebildet wird. Der Stoff seinerseits ist Grundkörper zahlreicher Naturstoffe, unter anderem des Aesculins, der Furocumarine und des Umbelliferons.

Synthetisch wird Cumarin mit der Perkinschen Synthese aus Salicylaldehyd und Essigsäureanhydrid hergestellt:[1]

Cumarinsynthese

Ein alternatives Herstellungsverfahren ist der Raschig-Prozess aus o-Kresol.[1]

Verwendung

Cumarin dient vor allem als Duftstoff in der Parfümerie.[6] Daneben wird es (in Form von welken Waldmeisterblättern) auch in der Küche, beispielsweise zum Aromatisieren von Maibowle verwendet.

Aufgrund des vanilleähnlichen Geschmacks wurde es seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Ersatz für die Echte Vanille verwendet. Die Tonkabohne enthält größere Mengen an Cumarin, das daher oft daraus gewonnen wird. Wegen der Eigenschaft von Cumarin, den Geschmack der Echten Vanille vorzutäuschen, wird es auch als Mexikanische Vanille bezeichnet. Die Verwendung von Cumarin als Aromastoff ist jedoch in einigen Gebieten (zum Beispiel USA, Europäische Union) gesetzlich eingeschränkt.[7]

In der Europäischen Union gehört Cumarin laut Aromaverordnung EG 1334/2008 zu den Stoffen, die Lebensmitteln nicht als solche zugesetzt werden dürfen (Anhang III, Teil A der Aromaverordnung). Wenn Cumarin von Natur aus in Aromen oder Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften vorkommt, dürfen bestimmte zulässige Höchstmengen nicht überschritten werden (Anhang III, Teil B der Aromaverordnung). Die zulässigen Höchstmengen liegen je nach Art des Lebensmittels zwischen 5 mg/kg bei Dessertspeisen und 50 mg/kg bei traditionellen und/oder saisonalen Backwaren, sofern hier Zimt als Zutat in der Kennzeichnung angegeben ist.[8]

Neben dem in Europa heimischen Waldmeister enthalten auch einige Zimtarten, etwa der Cassiazimt – im Gegensatz zu anderen, etwa dem Ceylonzimt – erhebliche Mengen an Cumarin.[9] Cumarin wird über die Haut gut aufgenommen. In Kosmetika darf es in Europa unbegrenzt eingesetzt werden, muss jedoch ab einer bestimmten Menge deklariert werden.

Des Weiteren wird Cumarin als Substrat bei der Markerreaktion für CYP2A6 im in vitro-Metabolismus verwendet. Dabei wird es zu 7-Hydroxycumarin (Umbelliferon) verstoffwechselt.

In Farbstofflasern finden Cumarin-Farbstoffe als Lasermedium Verwendung.

Derivate

Die blutgerinnungshemmenden Cumarin-Derivate Phenprocoumon, Warfarin und Ethylbiscoumacetat werden in der Medizin bei entsprechend risikobehafteten Personen eingesetzt, um beispielsweise ischämische Schlaganfälle zu verhindern. Außerdem werden sie als Rodentizide vor allem zur Bekämpfung von Ratten eingesetzt, da sie in entsprechend hoher Dosierung zu tödlichen inneren Blutungen führen. In der Naturheilkunde werden Extrakte aus Eschenrinde verwendet, deren Wirkung möglicherweise dem Cumarinderivat Fraxin zugeschrieben werden kann.[10]

Stark fluoreszierende Cumarin-Derivate finden darüber hinaus Anwendung als effektive Farbstoffe in Farbstofflasern und optischen Aufhellern. Als Farbstofflaser emittieren sie im blauen bis in den grünen Spektralbereich des Lichtspektrums.

Isocumarin

Das Isocumarin ist ein Stellungisomer des Cumarins, bei dem die Carbonylgruppe und das Sauerstoffatom vertauscht sind.[11]

Einige Dihydro-Isocumarin-Derivate, wie z. B. das Phyllodulcin, das in den Blättern der Gartenhortensie vorkommt, haben einen süßen Geschmack. Die Süßkraft von Phyllodulcin im Vergleich zu Saccharose beträgt 250.[12]

Physiologie

In größeren Mengen peroral aufgenommen verursacht Cumarin heftige Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel und Schlafsucht. Noch höhere Dosen können zu zentraler Lähmung, Atemstillstand und Koma führen. Daneben werden Leber- und Nierenschädigungen beobachtet. Die letale Dosis (LD50) liegt peroral bei der Ratte bei 293 mg/kg und beim Meerschweinchen bei 202 mg/kg Körpergewicht.

Als TDI (tolerable daily intake‚ tolerierte Tagesdosis) geht aus Studien des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) von Anfang 2006 eine Menge von 0,1 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag hervor. Diesen TDI-Wert hat das BfR auf Basis neuer Daten zur Aufnahme und Bioverfügbarkeit von Cumarin im September 2012 bestätigt. Gleichzeitig weist das BfR darauf hin, dass Überschreitungen des TDI-Wertes nur dann möglich sind, wenn täglich große Mengen an zimthaltigen Lebensmitteln verzehrt würden. Bei Kleinkindern mit einem Körpergewicht von 15 kg wäre laut BfR der TDI-Wert bei einem täglichen Verzehr von 6 Zimtsternen oder 100 g Lebkuchen ausgeschöpft.[13]

Aus Tierversuchen leitet sich der Verdacht ab, dass Cumarin in sehr hohen Mengen krebserregend sei. Mehrere Studien an menschlichen Zelllinien deuten hingegen auf keine Nebenwirkungen im menschlichen Organismus hin.[14][15][16]

Für die bekannte Maibowle aus Waldmeister sollen höchstens 3 g Kraut je Liter Bowle verwendet werden. In dieser geringen Menge ist das enthaltene Cumarin nicht gesundheitsschädlich. Der nach dem Genuss von Maibowle häufig zu beobachtende Kater ist meist mehr auf den Alkoholgenuss als auf das Cumarin zurückzuführen.

Während Cumarin selbst keine gerinnungshemmenden Eigenschaften besitzt, kann es bei einer unsachgemäßen Silo-Lagerung von Heu zu einem Pilzbefall cumarinhaltiger Gräser kommen, wodurch Cumarin-Derivate (Bis-Hydroxycumarine) gebildet werden, die diese Wirkung zeigen. Solches kontaminiertes Heu kann zum Tod der damit gefütterten Tiere führen, da Bis-Hydroxycumarine – als Antagonisten des Vitamin K – die Synthese der in der Leber gebildeten Blutgerinnungsfaktoren (II, VII, IX, X) durch Enzymhemmung beeinträchtigen.

Die Kinetik ist stark artspezifisch. Der Hauptstoffwechselweg im Menschen ist die Hydroxylierung an Position 7 zum ungiftigen Umbelliferon, katalysiert durch das Enzym CYP2A6. In Ratten dominiert hingegen der Stoffwechsel via 3,4-Epoxidierung.[17][18][19] In wässriger, glutathionfreier Umgebung lagert sich das Epoxid (unter Ringöffnung und Decarboxylierung) rasch zum lebergiftigen o-Hydroxyphenylacetaldehyd (o-HPA) um.[20] Dessen Oxidation zur o-Hydroxyphenylessigsäure stellt einen Entgiftungsschritt dar. Die beiden letzten Metaboliten sind in geringen Mengen auch im Menschen nachweisbar.[17]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Herbert Otteneder, in: Roempp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Eintrag zu Cumarin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 26. Dezember 2012 (JavaScript erforderlich).
  3. Datenblatt Cumarin bei Merck, abgerufen am 23. März 2011.
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. BfR: Verbraucher, die viel Zimt verzehren, sind derzeit zu hoch mit Cumarin belastet. Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 16. Juni 2006 (PDF; 136 kB)].
  6. Juliane Daphi-Weber, Heike Raddatz, Rainer Müller: Untersuchung von Riechstoffen – Kontrollierte Düfte, S. 94–95, in Band V der Reihe HighChem hautnah – Aktuelles aus der Lebensmittelchemie (Herausgegeben von der Gesellschaft Deutscher Chemiker) 2010, ISBN 978-3-936028-64-5.
  7. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): Opinion of the Scientific Panel on food additives, flavourings, processing aids and materials in contact with food (AFC) related to Coumarin; PDF.
  8. Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln sowie zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 2232/96 und (EG) Nr. 110/2008 und der Richtlinie 2000/13/EG Text von Bedeutung für den EWR.
  9. BfR: Fragen und Antworten zu Cumarin in Zimt und anderen Lebensmitteln. Herausgegeben vom Bundesinstitut für Risikobewertung, Fassung vom 30. Oktober 2006 (PDF; 74 kB).
  10. Takaaki Yasuda, Mai Fukui, Takahiro Nakazawa, Ayumi Hoshikawa, Keisuke Ohsawa: Metabolic Fate of Fraxin Administered Orally to Rats; J. Nat. Prod., 2006, 69 (5), S. 755–757; doi:10.1021/np0580412.
  11. J. Falbe, M. Regitz (Hrsg.): Römpp Lexikon Chemie. 10. Aufl., Thieme, Stuttgart u. New York 1996–1999, S. 1998.
  12. H.-D. Belitz et al.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 5. Aufl., Springer, Berlin u. a. 2001, S. 431–432.
  13. http://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2012/26/cassia_zimt_mit_hohen_cumaringehalten_nur_massvoll_verzehren-131683.html
  14. Weber, US. et al. (1998): Antitumor-activities of coumarin. In: Res Commun Mol Pathol Pharmacol., 99 (2); S. 193–206; PMID 9583093.
  15. Elinos-Báez, CM. et al. (2005): Effects of coumarin and 7OH-coumarin on bcl-2 and Bax expression in two human lung cancer cell lines in vitro. In: Cell Biol Int., 29 (8); S. 703–708; PMID 15964220; doi:10.1016/j.cellbi.2005.04.003.
  16. Simon Mills, Kerry Bone: Principles and Practices of Phytotherapy. Churchill Livingstone, Edinburgh 1999, 2000, ISBN 978-0-443-06016-8.
  17. 17,0 17,1 Born SL, Caudill D, Smith BJ, Lehman-McKeeman LD: In vitro kinetics of coumarin 3,4-epoxidation: application to species differences in toxicity and carcinogenicity. In: Toxicol. Sci.. 58, Nr. 1, 2000, S. 23–31. PMID 11053537.
  18. Born SL, Caudill D, Fliter KL, Purdon MP: Identification of the cytochromes P450 that catalyze coumarin 3,4-epoxidation and 3-hydroxylation. In: Drug Metab. Dispos.. 30, Nr. 5, 2002, S. 483–487. PMID 11950775.
  19. von Weymarn LB, Murphy SE: CYP2A13-catalysed coumarin metabolism: comparison with CYP2A5 and CYP2A6. In: Xenobiotica. 33, Nr. 1, 2003, S. 73–81. PMID 12519695.
  20. Born SL, Hu JK, Lehman-McKeeman LD: o-hydroxyphenylacetaldehyde is a hepatotoxic metabolite of coumarin. In: Drug Metab. Dispos.. 28, Nr. 2, 2000, S. 218–223. PMID 10640521.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Cumarin – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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