Deutsches Elektronen-Synchrotron
Das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY in der Helmholtz-Gemeinschaft ist ein Forschungszentrum für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung mit Sitz in Hamburg und Zeuthen.
DESY hat drei Forschungsschwerpunkte:
- Entwicklung, Bau und Betrieb von Teilchenbeschleunigern
- Teilchenphysik
- Forschung mit Photonen
Das Forschungszentrum DESY ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts und wird aus öffentlichen Mitteln finanziert. Gegründet wurde die Stiftung „Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY“ am 18. Dezember 1959 in Hamburg durch einen Staatsvertrag, den Siegfried Balke, der damalige Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft, und der Hamburger Bürgermeister Max Brauer unterzeichneten. Die Stiftung DESY ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Aufgaben
Die Aufgabe von DESY ist die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung. Dabei setzt das Forschungszentrum auf drei Schwerpunkte:
- Entwicklung, Bau und Betrieb von Teilchenbeschleunigern;
- Untersuchung der fundamentalen Eigenschaften von Materie und Kräften im Rahmen der Teilchenphysik bzw. Hochenergiephysik;
- Forschung mit Photonen, d. h. Synchrotronstrahlung und Freie-Elektronen-Laser in (u. a.) Physik, Chemie, Biologie, Geologie und Medizin.
DESY stellt der Wissenschaft große Beschleunigeranlagen zu Verfügung, die national und international von verschiedenen Instituten und Universitäten genutzt werden. Insbesondere im Bereich der Forschung mit Photonen wird das breite interdisziplinäre Forschungsspektrum von DESY deutlich.
Standorte
DESY verfügt über zwei Standorte. Der größere Standort liegt in Hamburg-Bahrenfeld in der Nähe des Altonaer Volksparks. Am 1. Januar 1992 wurde DESY um einen zweiten Standort in Zeuthen, südöstlich von Berlin, erweitert. Vormals befand sich dort das Institut für Hochenergiephysik (IfH), das Labor für Hochenergiephysik der damaligen DDR.
Etat und Finanzierung
Das Forschungszentrum hat einen Jahresetat von etwa 183 Mio. €. Davon entfallen ca. 160 Mio. € auf den Standort Hamburg, die übrigen ca. 23 Mio. € auf den Standort Zeuthen. Die Finanzierung übernimmt zu 90 % das Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 % die Stadt Hamburg bzw. das Land Brandenburg.
Mitarbeiter und Ausbildung
Insgesamt beschäftigt DESY ungefähr 1.900 Mitarbeiter. Etwa 1.700 Mitarbeiter sind am Hamburger Standort angestellt und etwa 200 am Standort Zeuthen. In diese Zahlen eingerechnet sind über 100 Auszubildende in gewerblich-technischen Berufen sowie über 100 Diplomanden, mehr als 350 Doktoranden und ca. 300 Nachwuchswissenschaftler, die von DESY betreut werden.
Internationale Zusammenarbeit
DESY ist fest in die nationale und internationale Forschungslandschaft eingebunden. Alle Forschungsprojekte zeigen einen hohen Grad an Internationalität. Über 3.000 Wissenschaftler aus über 45 Nationen nutzen die DESY-Anlagen.
„HERA-Modell“
Der Bau des Teilchenbeschleunigers HERA durch das DESY war ein wegweisend für die internationale Zusammenarbeit. HERA war das erste international finanzierte Großprojekt in der Teilchenforschung. Zuvor wurde der Bau von Beschleunigern stets zu 100 % von den Gastgeberstaaten finanziert, in denen sich die Anlagen befanden. Die durchführenden nationalen und ausländischen Institute beteiligten sich lediglich an den von ihnen genutzten Experimenten. Der Wunsch nach der Beschleunigeranlage HERA war jedoch so groß, dass sich viele internationale Einrichtungen bereiterklärten, auch zum Bau des Teilchenbeschleunigers wesentlich beizutragen. Insgesamt beteiligten sich zwölf Länder mit mehr als 45 Instituten am Bau der Anlage (ca. 22 % der HERA-Baukosten von ca. 700 Mio. € wurden von ausländischen Einrichtungen übernommen).
Nach dem Vorbild von HERA wurden in den folgenden Jahren viele wissenschaftliche Großprojekte gemeinschaftlich durch mehrere Staaten getragen. Inzwischen hat sich das Modell etabliert und die internationale Kooperation schon beim Bau der Anlagen ist heutzutage weit verbreitet.
Teilchenbeschleuniger und Anlagen
Die Beschleuniger von DESY entstanden nacheinander mit der Forderung der Teilchenphysiker nach immer höheren Teilchenenergien zur verbesserten Untersuchung der Teilchenstrukturen. Durch die Errichtung neuerer Beschleuniger wurden die älteren Beschleuniger zu Vorbeschleunigern und zu dedizierten Strahlungsquellen für Synchrotronstrahlung umgebaut. Dedizierte Quellen sind Beschleunigeranlagen, die ausschließlich für die Erzeugung von Synchrotronstrahlung optimiert und genutzt werden.
Die Entwicklung der verschiedenen Anlagen wird im folgenden chronologisch behandelt:
DESY
Der Bau des ersten Teilchenbeschleunigers DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron), der dem Forschungszentrum seinen Namen gab, begann im Jahr 1960. Der Ringbeschleuniger war zu dieser Zeit die weltweit größte Anlage ihrer Art und konnte Elektronen auf 7,4 GeV beschleunigen. Am 1. Januar 1964 wurden erstmals Elektronen im Synchrotron beschleunigt und die Forschungsarbeit an Elementarteilchen aufgenommen. Zwischen 1965 und 1976 diente die Anlage der Teilchenphysik-Forschung.
Internationale Aufmerksamkeit erregte DESY zum ersten Mal 1966 mit seinem Beitrag zur Prüfung der Quantenelektrodynamik. Die Ergebnisse bestätigten diese Theorie. Im folgenden Jahrzehnt etablierte sich DESY als Kompetenzzentrum für Entwicklung und Betrieb von Teilchenbeschleunigeranlagen.
Die Forschung mit Photonen begann am Forschungszentrum bereits 1964, als die beim Beschleunigen von Elektronen im DESY-Beschleuniger als Nebeneffekt auftretende Synchrotronstrahlung für Messungen genutzt wurde.
Das Elektronen-Synchrotron DESY II und das Protonen-Synchrotron DESY III wurden 1987 bzw. 1988 als Vorbeschleuniger für HERA in Betrieb genommen.
DORIS
DORIS (Doppel-Ring-Speicher), gebaut von 1969 bis 1974, war der zweite Ringbeschleuniger und der erste Speicherring des DESY. Der Umfang von DORIS beträgt knapp 300 Meter. Ursprünglich als Elektron-Positron-Speicherring entwickelt, konnten in DORIS erstmals Kollisionsexperimente zwischen Elektronen und ihren Antiteilchen bei Energien von 3,5 GeV pro Teilchenstrahl durchgeführt werden. 1978 wurde die Energie der Strahlen auf 5 GeV angehoben. DORIS wurde bis 1992 für Teilchenphysik-Forschung genutzt.
Durch den Beweis der „angeregten Charmonium-Zustände“ leistete DORIS 1975 einen wichtigen Beitrag für den Nachweis schwerer Quarks. 1987 wurde im ARGUS-Detektor (ursprünglich „A Russian-German-United States-Swedish Collaboration“) des DORIS-Speicherrings zum ersten Mal die Umwandlung eines B-Mesons in sein Antiteilchen, ein Anti-B-Meson, beobachtet. Daraus ließ sich schließen, dass sich das zweitschwerste Quark – das Bottom-Quark – unter bestimmten Bedingungen in ein anderes Quark umwandeln kann. Des Weiteren folgte aus der Beobachtung, dass das noch nicht gefundene sechste Quark – das Top-Quark – eine sehr große Masse haben musste. Das Top-Quark wurde schließlich 1995 am Fermilab in den USA erstmals nachgewiesen.
Mit der Gründung des Hamburger Synchrotronstrahlungslabors HASYLAB im Jahre 1980 wurde die ursprünglich von DORIS als Nebenprodukt erzeugte Synchrotronstrahlung auch für Forschung genutzt. Stand anfangs nur ein Drittel der Betriebszeit von DORIS für die Forschung mit Synchrotronstrahlung zur Verfügung, diente der Speicherring ab 1993 unter dem Namen DORIS III ausschließlich als Strahlungsquelle für HASYLAB und wurde bis 4,5 GeV betrieben. Um eine intensivere und besser steuerbare Synchrotronstrahlung zu erhalten, wurde DORIS ab 1984 mit Wigglern und Undulatoren bestückt. Über eine spezielle Magnetanordnung konnten nun die beschleunigten Elektronen auf einen Slalomkurs gebracht werden. Dadurch wurde die Intensität der ausgesandten Synchrotronstrahlung im Vergleich zu herkömmlichen Speicherringsystemen um viele Größenordnungen gesteigert. Über zwei Jahrzehnte gehörte DORIS zu den fünf stärksten Quellen der Welt und war zugleich die stärkste Röntgenquelle Europas. Am 22. Oktober 2012 wurde HASYLAB von DORIS III getrennt. Bis zum 2. Januar 2013 lief noch das Experiment OLYMPUS, bevor dann DORIS nach fast 40 Jahren Betriebszeit abgeschaltet wurde.
PETRA
PETRA (Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage) wurde von 1975 bis 1978 erbaut. Der Beschleuniger war zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme mit 2.304 Meter Länge der größte Speicherring seiner Art und ist noch heute nach HERA der zweitgrößte Ringbeschleuniger des DESY. PETRA diente ursprünglich der Erforschung der Elementarteilchen. Positronen und Elektronen konnten auf 19 GeV beschleunigt werden. Als einer der größten Erfolge gilt der Nachweis des Gluons, des Trägerteilchens der Starken Kraft, an PETRA im Jahr 1979.
Die Forschung an PETRA führte zu einer intensiveren internationalen Nutzung der DESY-Anlagen. Wissenschaftler aus China, England, Frankreich, Israel, Japan, den Niederlanden, Norwegen und den USA beteiligten sich neben zahlreichen deutschen Kollegen an den ersten Untersuchungen an PETRA.
Im Jahr 1990 wurde die Anlage unter dem Namen PETRA II als Vorbeschleuniger von Protonen und Elektronen/Positronen für den neuen Teilchenbeschleuniger HERA in Betrieb genommen. Elektronen oder Positronen wurden dabei bis auf 12 GeV beschleunigt, Protonen bis 40 GeV.
Im März 1995 wurde PETRA II mit einem Undulator bestückt, um Synchrotronstrahlung mit einem intensiven Röntgenlichtanteil zu erzeugen. Seitdem diente PETRA II auch HASYLAB als eine Quelle für hochenergetische Synchrotronstrahlung mit zwei Testmessplätzen.
PETRA III
Am 2. Juli 2007 endete die Nutzung von PETRA II als Vorbeschleuniger für HERA, weil HERA stillgelegt wurde. Danach begann der Umbau von PETRA II zu PETRA III, einer höchst brillanten Lichtquelle. Dazu wurden etwa 300 Meter von den 2,3 Kilometern des Ringes komplett neu gebaut und mit 14 Undulatoren bestückt. Am 16. November 2009 wurde PETRA III mit 14 neuen Messplätzen in Betrieb genommen, im Bereich der Röntgenstrahlung gehört die Anlage mit zu den besten Quellen der Welt.[1]
HERA
HERA (Hadron-Elektron-Ring-Anlage) ist mit einem Umfang von 6336 Metern der größte Ringbeschleuniger, den DESY errichtet hat. Der Bau der unterirdischen Anlage begann 1984, am 8. November 1990 wurde der Beschleuniger in Betrieb genommen. Am 19. Oktober 1991 gelang die erste Proton-Elektron-Kollision in HERA. Somit konnten die ersten Experimente 1992 ihren Messbetrieb beginnen. HERA war bis Ende Juni 2007 in Betrieb.
Der HERA-Beschleuniger wurde in internationaler Zusammenarbeit gebaut (s. „HERA-Modell“). Zum Bau von HERA wurden neue Technologien entwickelt. HERA war der erste Teilchenbeschleuniger, bei dem supraleitende Magnete in großem Umfang eingebaut wurden.
Der Tunnel von HERA befindet sich 10 bis 25 Meter unter der Erdoberfläche und hat einen Innendurchmesser von 5,2 Meter. Für den Bau des Tunnels kam dieselbe Technik zur Anwendung, die sonst für den Bau von U-Bahn-Tunneln eingesetzt wird. In der Tunnelröhre verlaufen zwei ringförmige Teilchenbeschleuniger. Der eine beschleunigt Elektronen auf eine Energie von 27,5 GeV, der andere Protonen auf eine Energie von 920 GeV. Beide Teilchenstrahlen durchfliegen in entgegengesetzter Richtung annähernd mit Lichtgeschwindigkeit ihre Beschleunigerringe etwa 47.000 Mal in einer Sekunde.
An zwei Stellen des Rings konnten der Elektronen- und der Protonen-Strahl zur Kollision gebracht werden. Dabei wurden entweder Elektronen oder Positronen an den Bausteinen des Protons, den Quarks, gestreut. Die Produkte dieser Teilchenreaktionen, zum einen das gestreute Lepton und zum anderen die aus der Fragmentation des Protons entstehenden Hadronen, wurden in großen Detektoren nachgewiesen. Zusätzlich gibt es im HERA-Ring zwei weitere Wechselwirkungszonen, bei denen die Teilchen mit ruhenden Targets kollidieren konnten. Alle vier Zonen sind in großen unterirdischen Hallen untergebracht, die jeweils ca. 1,5 km voneinander entfernt sind (s. Forschung an HERA).
FLASH
Der Freie-Elektronen-Laser FLASH (Freie-Elektronen-Laser in Hamburg) ist ein supraleitender Linearbeschleuniger mit Freie-Elektronen-Laser für Strahlung im weichen Röntgenbereich. FLASH arbeitet nach dem SASE-Prinzip (self amplified spontaneous emission) und basiert auf einer 1997 errichteten Testanlage für das TESLA-Projekt, die 2003 von ca. 100 Meter Länge auf ca. 260 Meter erweitert wurde. Bis April 2006 hieß die Anlage zunächst VUV-FEL (Vakuum-Ultra-Violett - Freie-Elektronen-Laser). FLASH dient auch weiterhin als eine Testanlage für mögliche zukünftige supraleitende Linearbeschleuniger, insbesondere das europäische Röntgenlaserprojekt XFEL und den Internationalen Linearcollider ILC. An FLASH kann die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt und erprobt werden.
Weitere Beschleuniger
Neben den großen Anlagen gibt es am DESY mehrere kleine Teilchenbeschleuniger, die großteils als Vorbeschleuniger für PETRA und HERA fungieren. Dazu gehören die Linearbeschleuniger LINAC I (von 1964 bis 1991 für Elektronen), LINAC II (seit 1969 für Positronen) und LINAC III (seit 1988 als Vorbeschleuniger für Protonen für HERA).
Forschung
HERA
HERA wurde genutzt, um den Aufbau von Protonen aus Quarks und Gluonen und die Eigenschaften schwerer Quarks zu untersuchen. HERA war der einzige Speicherring weltweit, in dem Protonen und Elektronen bzw. ihre Antiteilchen, die Positronen, zur Kollision gebracht werden konnten. An HERA konnte der Aufbau von Protonen mit einer dreißigmal höheren Genauigkeit untersucht werden, als dies vor HERA möglich war. Die Auflösung erfasste Strukturen von einem Tausendstel der Größe eines Protons. In den Jahren nach der Eröffnung wurden viele Entdeckungen über die Zusammensetzung der Protonen aus Quarks und Gluonen gemacht.
Der HERA-Beschleuniger verläuft durch vier große unterirdische Hallen, in denen Nachweisgeräte für Teilchenkollisionen untergebracht wurden. In drei der vier Hallen arbeitete jeweils eine internationale Experimentiergruppe. Diese eigenständigen Gruppen entwickelten, bauten und betrieben in langjähriger gemeinsamer Arbeit haushohe komplexe Messgeräte und werten noch heute Millionen von Daten aus den Teilchenkollisionen aus. Auch die vierte Halle wurde von 1999 bis 2003 von einer Gruppe internationaler Wissenschaftler genutzt.
Folgende Experimente waren in den unterirdischen HERA-Hallen untergebracht: H1, ZEUS, HERMES und HERA-B.
H1
H1 ist ein Universaldetektor für die Kollision von Elektronen und Protonen und befindet sich in der HERA-Halle „Nord“. Er war seit 1992 im Betrieb, ist 12 m × 10 m × 15 m groß und wiegt ca. 2.800 Tonnen.
Die Aufgaben von H1 sind die Entschlüsselung der inneren Strukturen des Protons, die Erforschung der starken Wechselwirkung sowie die Suche nach neuen Formen der Materie und nach in der Teilchenphysik unerwarteten Phänomenen.
H1 konnte zeigen, dass sich zwei fundamentale Naturkräfte, die Elektromagnetische Kraft und die Schwache Kraft, bei hohen Energien vereinigen. Bei niedrigen Energien ist die Schwache Kraft erheblich schwächer als die Elektromagnetische Kraft, weshalb wir in unserem makroskopischen Alltag davon auch nicht viel merken. Bei den Kollisionsenergien der Teilchen in HERA werden beide Kräfte jedoch gleich stark. Dies diente als Nachweis, dass beide Kräfte einen gemeinsamen Ursprung haben, die Elektroschwache Kraft. Es war ein wesentlicher Schritt in Richtung einer Vereinheitlichung aller fundamentalen Kräfte.
Die Teilchenkollisionen, die in H1 gemessen wurden, liefern Aufschluss über die Stärke der Starken Kraft. Damit konnte erstmals in einem einzigen Experiment über einen großen Energiebereich hinweg, die exakte Stärke der Starken Kraft vermessen und die Änderung der Stärke belegt werden: Je dichter die Quarks beieinander sind, desto geringer ist die Starke Kraft zwischen den Teilchen. Je größer die Entfernung zwischen den Quarks, desto stärker wirkt auch die Starke Kraft, die die Quarks zusammenhält.
ZEUS
ZEUS ist ähnlich H1 ein Universaldetektor für die Kollision von Elektronen und Protonen und befand sich in der HERA-Halle „Süd“. Er war seit 1992 im Betrieb, 12 m × 11 m × 20 m groß und wiegt ca. 3.600 Tonnen.
Die Aufgaben von ZEUS gleichen denen des H1-Detektors. ZEUS und H1 ergänzen und überprüfen sich gegenseitig in ihren Untersuchungen. Alle o. a. Forschungsergebnisse von H1 müssen im gleichen Maße ZEUS angerechnet werden. Durch die Messungen von ZEUS und H1 konnte in den vergangenen Jahren das Verständnis vom Aufbau des Protons erheblich erweitert und verbessert werden. Die Teilchenkollisionen in HERA stellen zugleich einen Zustand nach, der kurze Zeit nach dem Urknall im Universum herrschte. Durch die Forschung am HERA-Beschleuniger konnte deshalb das Verständnis über die ersten Momente nach dem Urknall erweitert werden.
HERMES
HERMES ist ein Experiment in der HERA-Halle „Ost“ und wurde 1995 in Betrieb genommen. Der longitudinal polarisierte Elektronen-Strahl von HERA wird dabei für die Untersuchung der Spin-Struktur von Nukleonen genutzt. Dazu wurden die Elektronen mit einer Energie von 27,5 GeV an einem internen Gas-Target gestreut. Dieses Target und der Teilchendetektor wurden speziell im Hinblick auf spinpolarisierte Physik konstruiert. Der Detektor ist 3,50 m × 8 m × 5 m groß und wiegt ca. 400 Tonnen.
HERMES untersuchte, wie der Gesamtspin eines Protons entsteht. Der Gesamtspin eines Protons lässt sich nur zu einem Drittel durch die Spins der drei Hauptbestandteile des Protons, den drei Valenzquarks, erklären. HERMES konnte zeigen, dass auch die Spins der Gluonen im Proton einen wesentlichen Teil zum Gesamtspin beitragen. Der Spin der vielen weiteren Seequarks im Proton trägt hingegen nur einen geringen Teil zum Gesamtspin bei.
HERA-B
HERA-B war ein Experiment in der HERA-Halle „West“ und sammelte zwischen 1999 und Februar 2003 Daten. Die Maße des Teilchendetektor betrugen 8 m × 20 m × 9 m, sein Gewicht ca. 1.000 Tonnen. Bei HERA-B kollidierte der Protonen-Strahl im Detektor mit festen Aluminiumdrähten und erzeugte so Teilchen, die aus schweren Quarks bestehen, darunter auch sogenannte B-Mesonen.
B-Mesonen dienen u. a. zur Untersuchung der Symmetrie in der Physik. Mit B-Mesonen lässt sich die Frage untersuchen, warum das Universum heute fast nur aus Materie besteht, obwohl im Urknall sowohl Materie als auch Antimaterie in gleichen Mengen entstanden. Später konzentrierten sich die Physiker um HERA-B auf speziellen Fragen zur Starken Kraft, z. B. wie Elementarteilchen aus schweren Quarks in Materie entstehen und wie diese Teilchen mit der Materie reagieren.
Inzwischen ist der Teilchendetektor HERA-B stillgelegt. Die Datenauswertung zur Physik der schweren Quarks läuft noch. HERA-B lieferte sowohl neue wissenschaftliche Erkenntnisse als auch wichtige Ergebnisse für den modernen Detektorbau und die Analyse großer Datenmengen in der Teilchenphysik. Die Erkenntnisse aus HERA-B flossen in viele andere Projekte ein und helfen heute den Wissenschaftlern in aller Welt.
HASYLAB
Das Hamburger Synchrotronstrahlungslabor HASYLAB am DESY wurde 1980 eröffnet und dient der Forschung mit Strahlung aus den Beschleunigeranlagen. Zwei Arten von Strahlungsquellen werden von HASYLAB genutzt, Speicherringe, die im Betrieb Synchrotronstrahlung erzeugen, und lineare Freie-Elektronen-Laser, die laserartige Strahlung erzeugen. Dabei reicht das Forschungsspektrum von Experimenten in u. a. Physik, Chemie, Biologie, Biochemie, Molekularbiologie, Medizin, Geologie und Materialwissenschaft bis zu anwendungsnahen Untersuchungen und Industriekooperationen.
Die ersten Experimente mit Synchrotronstrahlung begannen bereits 1964 am Ringbeschleuniger DESY, nachdem schon vorher Vorrichtungen zur Beobachtung des Elektronenstrahls im Beschleuniger mithilfe der Synchrotronstrahlung eingebaut worden waren. Sofort zeigten sich die herausragenden Eigenschaften dieser neuen Strahlungsquelle, die sehr stark fokussierte, intensive und kurze Strahlungsblitze über ein breites Spektrum lieferte. Es bildete sich eine schnell wachsende Gruppe von Wissenschaftlern um diese neue Strahlungsquelle. Später wurde auch die Synchrotronstrahlung von den Speicherringen DORIS (seit 1974) und PETRA (seit 1995) von den Wissenschaftlern genutzt.
Anfang der 1980er Jahre hatte HASYLAB 15 Messplätze am Speicherring DORIS. Durch den Einbau von Wigglern und Undulatoren ab 1984 konnte die Strahlungsintensität an den Messplätzen erheblich gesteigert werden. Seit 1993 bis zur Abtrennung Oktober 2012 wurde der Speicherring DORIS ausschließlich zur Erzeugung von Synchrotronstrahlung betrieben und weitere Messplätze wurden eingerichtet.
Die Synchrotronstrahlung von PETRA wurde seit 1995 von HASYLAB genutzt, wenn PETRA nicht für HERA als Vorbeschleuniger gebraucht wurde. Seit 2009 dient PETRA III, nach einem zweijährigen Umbau, ausschließlich zur Erzeugung von Synchrotronstrahlung. Damit steht eine der weltweit brillantesten Röntgenstrahlungsquellen für die Forschung zur Verfügung.
Seit 2004 ist auch der Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg als Strahlungsquelle in Betrieb. Forscher können die laserartige Röntgenstrahlung von FLASH an fünf Messplätzen für wissenschaftliche Experimente nutzen.
Anwendungen der Strahlung am HASYLAB betreffen viele Bereiche der Naturwissenschaften. Einige Beispiele sind im folgenden aufgeführt.
Im Jahr 1975 fanden am DESY erste Tests der Röntgenlithografie statt, später wurde das Verfahren zur Röntgen-Tiefenlithografie weiterentwickelt.
Im Jahr 1984 wurde am HASYLAB das erste durch Synchrotronstrahlung gewonnene Mößbauer-Spektrum aufgenommen.
1985 konnte durch die Weiterentwicklung der Röntgentechnik die Detailstruktur des Schnupfenvirus aufgeklärt werden.
Im folgenden Jahr 1986 gelang erstmals der Versuch, mit Synchrotronstrahlung einzelne Gitterschwingungen (Phononen) in Festkörpern anzuregen. Durch die unelastische Röntgenstreuung (IXS) konnten Untersuchungen der Eigenschaften von Materialien durchgeführt werden, die vorher nur an Kernreaktoren mit Neutronenstreuung (INS) möglich waren.
In der jüngeren Vergangenheit nutzte die Firma OSRAM die Anlagen von HASYLAB, um die Glühdrähte ihrer Lampen mittels Synchrotronstrahlung untersuchen zu lassen. Durch die neugewonnenen Erkenntnisse über den Glühvorgang konnte die Haltbarkeit von Lampen in bestimmten Anwendungsgebieten besser kontrolliert werden.
Am HASYLAB werden kleinste Verunreinigungen im Silicium für Computerchips analysiert, die Wirkungsweise von Katalysatoren erforscht, die mikroskopischen Eigenschaften von Werkstoffen untersucht und Eiweißmoleküle mit dem Röntgenlicht der Synchrotronstrahlung durchleuchtet.
AMANDA und IceCube
DESY, insbesondere vertreten durch den Standort Zeuthen, ist an zwei außergewöhnlichen Forschungsprojekten der Astroteilchenphysik beteiligt, dem Neutrinoteleskop Antarctic Muon And Neutrino Detector Array (AMANDA) und dem darauf basierenden IceCube.
In internationaler Zusammenarbeit betreiben DESY-Wissenschaftler aus Zeuthen das Neutrinoteleskop AMANDA. Am Südpol gelegen registriert AMANDA Neutrinos, die im Eis ihre Spur hinterlassen. Da die Neutrinos nur sehr selten mit anderen Teilchen reagieren, können sie sogar durch die Erde hindurch fliegen. Neutrinos liefern daher Informationen auch aus solchen Bereichen des Universums, die sonst für Astronomen unzugänglich wären, z. B. aus dem Inneren der Sonne oder von Sternenexplosionen.
Wissenschaftler aus Zeuthen waren maßgeblich an der Entwicklung des Neutrinoteleskops AMANDA beteiligt. Inzwischen wird das Projekt AMANDA in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern aus Zeuthen zum IceCube ausgebaut. Auch in diesem Projekt spielt DESY eine wichtige Rolle bei der Produktion der Detektormodule und der Datenauswertung.
Theorie
Die Weiterentwicklung der Physik erfordert eine stetige und enge Zusammenarbeit zwischen der theoretischen Physik und der experimentellen Physik. Damit diese enge Zusammenarbeit bei DESY möglich ist, gibt es am DESY Wissenschaftler, die sich mit der theoretischen Physik hinter den Experimenten beschäftigen.
Die Theorieabteilung am DESY unterteilt sich in mehrere Gruppen, die unterschiedliche Fragestellungen verfolgen. Besondere Schwerpunkte liegen in der Elementarteilchenphysik und der Kosmologie. In Zeuthen betreibt DESY im „Zentrum für Paralleles Rechnen“ massiv-parallele Hochleistungsrechner, die u. a. für Berechnungen in der theoretischen Teilchenphysik genutzt werden.
Weitere Projekte mit DESY-Beteiligung
ILC
Das nächste große Projekt der Hochenergiephysik ist der International Linear Collider’ (ILC)“. ILC ist ein globales Projekt mit Beteiligung von DESY für einen 30 bis 40 Kilometer langen Linearbeschleuniger, in dem Elektronen mit ihren Antiteilchen, den Positronen, bei Energien bis zu 1 TeV zusammenstoßen. Ziel des Projektes ist es, zentrale Fragen der Teilchen- und Astrophysik zur Natur von Materie, Energie, Raum und Zeit, u. a. zur Dunklen Materie, Dunklen Energie und Existenz von Extra-Dimensionen, zu untersuchen. Schon früh haben sich alle interessierten Forscher darauf geeinigt, dass es weltweit nur eine Anlage dieser Größenordnung geben sollte.
Im August 2004 hat das „International Technology Recommendation Panel ITRP“ die Empfehlung gegeben, den Linearbeschleuniger auf der Basis von supraleitender Beschleunigertechnologie zu bauen, die DESY und seine internationalen Partner als TESLA-Technologie gemeinsam entwickelt und in einer Pilotanlage in Hamburg erfolgreich getestet haben.
XFEL
2009 begann in europäischer und internationaler Zusammenarbeit der Bau des Röntgenlasers XFEL (X-Ray Free-Electron Laser), der in einem drei Kilometer langen Tunnel vom DESY-Gelände in Hamburg bis nach Schenefeld reichen wird. Teilchen werden im Tunnel beschleunigt und erzeugen am Ende Röntgenblitze von sehr hoher Intensität und von sehr kurzer Dauer (ca. 10–100 fs). Damit wird der XFEL zu einer der stärksten Quellen von Röntgenstrahlung auf der Erde, um viele Größenordnungen stärker als Röntgenstrahlung aus heutigen Speicherringen. Er wird der Forschung völlig neue Möglichkeiten und Anwendungsbereiche eröffnen, z. B. wird er chemische Reaktionen einzelner Atome dreidimensional abbilden können. Die Inbetriebnahme des XFEL ist für das Jahr 2014 geplant.
CFEL
Am 1. Januar 2008 nahm das Center for Free-Electron Laser Science CFEL[2] seine Arbeit auf.[3] CFEL ist eine Kooperation von DESY und der Universität Hamburg mit der Max-Planck-Gesellschaft MPG.
TESLA-Technologie
TESLA (TeV-Energy Superconducting Linear Accelerator) ist ein Projektvorschlag aus dem Jahre 2000, wie ein Teilchenbeschleuniger der nächsten Generation aussehen könnte. Dieser Linearbeschleuniger sollte in einem 33 Kilometer langen, relativ knapp unter der Erdoberfläche liegenden Tunnel von Hamburg in Richtung Nord-Nordwest gebaut werden. Die supraleitende TESLA-Technologie und weitere Erkenntnisse aus diesem Projekt fließen sowohl in das europäische Röntgenlaserprojekt XFEL als auch in den Internationalen Linearcollider (ILC) ein.
DESY-Direktoren
- Willibald Jentschke, Gründungsdirektor des DESY, Vorsitzender des Direktoriums von 1959 bis 1970
- Wolfgang Paul (1971-1972)
- Herwig Schopper (1973-1980)
- Volker Soergel, deutscher Physiker, 1974 bis 1979 Vorsitzender des Rats des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY in der Helmholtz-Gemeinschaft, 1981 bis 1993 Vorsitz des DESY-Direktoriums, Koordinator von 1981 bis 1993 für den Bau des Elektron-Proton Speicherring HERA
- Bjørn Wiik, norwegischer Physiker, 1993 bis 1999 Vorsitzender des DESY-Direktoriums
- Albrecht Wagner, Vorsitzender des DESY-Direktoriums von 1999 bis Anfang 2009
- Seit 2. März 2009 ist Helmut Dosch, ehemalig am Max-Planck-Institut für Metallforschung, Stuttgart, Vorsitzender des DESY-Direktoriums[4].
Einzelnachweise
Weblinks
- Offizielle DESY-Webseite
- Offizielle HASYLAB-Webseite
- Sehr ausführliche Seite über HERA auf Welt der Physik
- Ebenso ausführlich zu XFEL auf Welt der Physik
- DESY unterirdisch - Besuchsbericht hinter den Kulissen, mit Fotos und Tunnel-Panorama
- Helmholtz Podcast (mp3) Juni 07 – DESY ab Min 02:22
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