Topiramat

Topiramat

Strukturformel
Struktur von Topiramat
Allgemeines
Freiname Topiramat
Andere Namen

2,3:4,5-Bis-O-(1-methylethyliden)-β-D-fructopyranose-sulfamat

Summenformel C12H21NO8S
CAS-Nummer 97240-79-4
PubChem 5284627
ATC-Code

N03AX11

DrugBank DB00273
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiepileptikum

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 339,4 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
07 – Achtung

Achtung

H- und P-Sätze H: 315-319-335
P: 261-​305+351+338 [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [2][1]

Xi
Reizend
R- und S-Sätze R: 36/37/38
S: 26-36
LD50

>1500 mg·kg−1 (Ratte, intraperitoneal)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Topiramat (Handelsname: Topamax®) ist ein Arzneistoff gegen Epilepsie und Migräne. Einzelberichte beschreiben einen positiven Effekt von Topiramat in der Cluster-Kopfschmerz-Prophylaxe.[3] Es wurde in Deutschland bis zum Patentablauf 2009 nur von Janssen-Cilag vertrieben.

Wirkmechanismus

Topiramat wirkt über verschiedene Mechanismen, die eine übermäßige Erregung von Nervenzellen verhindern. Topiramat blockiert die (verstärkend wirkende) Glycin-Bindungsstelle am erregenden, glutamatergen AMPA-Rezeptor [4] und verstärkt durch Bindung an GABA-Rezeptoren deren hemmenden Effekt. Außerdem inaktiviert Topiramat den spannungsabhängigen Natriumkanal, wodurch die Zelle gehindert wird, schnell aufeinanderfolgende Aktionspotentiale zu generieren. Des Weiteren wirkt es modulierend auf bestimmte spannungsabhängige Calciumkanäle und bewirkt eine schwache Hemmung gewisser Isoenzyme der Carboanhydrase.[5]

Pharmakokinetik

Topiramat wird vom Körper gut aufgenommen und wird als Tablette verabreicht. Die Halbwertszeit beträgt zwischen 20 und 30 Stunden. Topiramat wird überwiegend unverändert über die Niere ausgeschieden. Daher muss bei verminderter Nierenleistung die Dosis des Arzneimittels gesenkt werden. Durch die Antiepileptika Carbamazepin und Phenytoin wird der Topiramatspiegel im Blut gesenkt. Bei Therapiekombination mit diesen muss die Topiramatdosis angepasst werden.

Anwendung

Topiramat wird in Dosen von 25 bis 200 mg als Antiepileptikum eingesetzt. Es wird bei Erwachsenen und Jugendlichen als Zusatzmedikament bei fokalen und generalisierten Anfällen sowie beim Lennox-Gastaut-Syndrom eingesetzt. Des Weiteren ist Topiramat für die Prophylaxe von Migräne-Anfällen zugelassen. Nach den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft kann Topiramat auch zur vorbeugenden Behandlung von Cluster-Kopfschmerzen verwendet werden.[6] In letzter Zeit wird Topiramat auch in Bezug auf die Behandlung der chronifizierten PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) getestet. Hier werden erste ermutigende Ergebnisse berichtet (BMC Psychiatry. 2004 Aug 18;4(1):24). Topiramat ist verschreibungspflichtig.

Topiramat bei Alkohol- und Kokainabhängigkeit

Die Dopaminfreisetzung im corticomesolimbischen System wird durch Topiramat reduziert, vermutlich könnte der Arzneistoff in der Therapie von Alkoholabhängigen eingesetzt werden. In einer doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Studie wurde diese Behandlungsoption genauer untersucht. Während 14 Wochen erhielten 371 Probanden entweder Topiramat in steigender Dosis (bis 300 mg/Tag ab der fünften Woche) oder Placebo. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie wurden wöchentlich kurze Einzelgespräche geführt. Werden die Tage mit starkem Alkoholkonsum betrachtet, so reduzierte sich dieser Anteil in der Topiramat-Gruppe von 81,5 % auf 43,8 % und in der Placebo-Gruppe von 82 % auf 51,8 %. In der Topiramat-Gruppe kam es häufiger zu Nebenwirkungen wie zum Beispiel Parästhesien, Geschmacks- oder Konzentrationsstörungen. Die Autoren der Studie sehen in Topiramat eine vielversprechende Therapieoption bei Alkoholabhängigkeit. Es müssen noch verschiedene Parameter wie zum Beispiel Dosierung und Wirkdauer abgeklärt werden.[7] [8]

Einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie der Universität von Pennsylvania zufolge erhöht Topiramat die Wahrscheinligkeit abstinent von Kokain zu bleiben sowie die Wahrscheinligkeit, eine dreiwöchige Abstinenzzeit zu erzielen, gegenüber Placebo deutlich.[9] Eine weitere Studie kam zum Schluss, dass Topiramat das Verlangen nach Kokain bei 25% der Teilnehmer deutlich senken kann.[10] Weitere, größer angelegte Studien werden benötigt.

Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit

Topiramat hat bei Maus, Ratte und Kaninchen teratogene Wirkungen gezeigt. Daten aus Schwangerschaftsregistern (Nordamerikanisches Antiepileptika-Schwangerschaftsregister, NAAED, sowie das Epilepsie- und Schwangerschaftsregister des Vereinigten Königreichs) zeigten Fälle von schwerwiegenden Fehlbildungen des Kindes, wenn die Mutter im ersten Schwangerschaftstrimenon Topiramat eingenommen hatte. Ebenso weisen präklinische Daten auf ein teratogenes Potential des Arzneistoffs hin. In Deutschland wurde ein Stufenplanverfahren eingeleitet.[11] Für die Behandlung der Migräne darf Topiramat in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden. Topiramat wird in der Milch säugender Ratten ausgeschieden. Begrenzte Beobachtungen beim Menschen weisen auf eine erheblichen Übertritt in die Muttermilch hin.[12]

Anwendung von Topiramat und Empfängnisverhütung

Patientinnen, die neben Topiramat gleichzeitig orale Kombinationskontrazeptiva („Antibabypille“) einnehmen, müssen mit einer möglichen Verminderung der empfängnisverhütende Wirksamkeit sowie mit verstärkten Durchbruchblutungen rechnen. Die Verhütungssicherheit der Antibabypille kann durch Topiramat auch beeinflusst werden, ohne dass es zu Durchbruchblutungen kommt.[12]

Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit und auf das Bedienen von Maschinen

Topiramat wirkt auf das Zentralnervensystem. Es können Schläfrigkeit, Schwindel oder andere ähnliche Symptome auftreten. Dies kann dann gefährlich werden, wenn die Patienten ein Fahrzeug lenken oder Maschinen bedienen müssen.[12]

Nebenwirkungen

Topiramat kann folgende Nebenwirkungen haben:

  • häufigste Nebenwirkung sind Kribbelempfindungen, besonders in Armen und Beinen (sogenannte Parästhesien); diese verschwinden jedoch in der Regel nach einiger Zeit; eine kaliumreiche Ernährung (Bananen, Trockenobst) kann die Parästhesien lindern
  • Ataxie (Koordinationsstörung, z. B. stark schwankender Gang) - kann gleichzeitig zu sehr langsamen Gehen trotz Gehhilfe (auch wenn vor Einnahme von Topiramat keine Gehilfe benötigt wurde) führen
  • Konzentrationsstörungen (mitten im Satz weiß man nicht mehr, was man sagen wollte. Suche nach Worten)
  • Gestörte Merkfähigkeit (betrifft sowohl das Kurz- als auch das Langzeitgedächtnis)
  • das Gefühl, Erlerntes nicht mehr zu können
  • erhöhte Reizbarkeit
  • Depression
  • extrem starke Müdigkeit mit einem damit verbunden starken Schlafbedürfnis
  • Schlafstörungen, Albträume
  • Appetitsteigerung, Appetitverminderung (wird daher auch bei Essstörungen eingesetzt)
  • Tremor (Zittern der Hände)
  • skandierende Sprache bzw. Redeweise, was vom Betroffenen nicht wahrgenommen wird
  • Auftreten von sogenannten dissoziativen Anfällen, Wutanfällen
  • Halluzinationen
  • Nierenstein

Sollte der Verdacht bestehen, dass z. B. starke Gangstörungen die Wirkung von Topiramat sind, muss dies mittels psychologischer Tests geprüft werden.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Datenblatt Topiramate bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 24. April 2011.
  2. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  3. Leitlinie Cluster-Kopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. In: AWMF online (Stand 10/2005)
  4. Lüllmann, H; Mohr, K; Hein, L. Pharmakologie und Toxikologie. Thieme, 2006.
  5. Fachinformation: Topamax® Migräne (Stand: September 2008).
  6. May A, Evers S, Straube A, Pfaffenrath V, Diener HC: Therapie und Prophylaxe von Cluster-Kopfschmerzen und anderen trigemino-autonomen Kopfschmerzen. Überarbeitete Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. In: Schmerz. 19, Nr. 3, Juni 2005, S. 225–241. doi:10.1007/s00482-005-0397-8. PMID 15887001.
  7. Topiramate for Treating Alcohol Dependence JAMA. 2007;298:1641–1651.
  8. Antiepileptikum mildert Alkoholabhängigkeit Pressemitteilungen der Bundeswehr.
  9. Kampman KM, Pettinati H, Lynch KG, Dackis C, Sparkman T, Weigley C, O'Brien CP.: A pilot trial of topiramate for the treatment of cocaine dependence. In: Drug Alcohol Depend. 75, Nr. 3, 2004, S. 233–240. PMID 15283944..
  10. Reis AD, Castro LA, Faria R, Laranjeira R.: Craving decrease with topiramate in outpatient treatment for cocaine dependence: an open label trial. In: Rev Bras Psiquiatr. 30, Nr. 2, 2008, S. 132–135. PMID 18470406..
  11. Topiramat: Hinweise auf erhöhtes Risiko für Fehlbildungen bei Anwendung im ersten Trimenon, BfArM, 16. Mai 2012.
  12. 12,0 12,1 12,2 Fachinformation Topamax. Janssen-Cilag GmbH, Stand: Januar 2011.
Commons: Topiramate – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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