Radioaktiver Abfall

Radioaktiver Abfall

Behälter mit radioaktivem Abfall in den USA
Transportbehälter des Typs TN 85 (Castor) des Atommülltransportes vom 9. November 2008 in das Transportbehälterlager Gorleben

Radioaktive Abfälle, umgangssprachlich meist Atommüll genannt, sind radioaktive Stoffe, die nach derzeitigem Stand der Technik nicht mehr genutzt werden können oder aufgrund politischer Vorgaben nicht mehr genutzt werden dürfen. Der meiste Atommüll entsteht durch die Nutzung der Kernenergie. Kleinere Mengen fallen in Medizin und Forschung an; einige Staaten haben erhebliche Altlasten aus der Entwicklung und Herstellung von Kernwaffen. Die sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle ist eine vordringliche Aufgabe für die Menschheit im 21. Jahrhundert.

Herkunft

Entstehung der radioaktiven Abfälle der Nuklear-Industrie

Der mengenmäßig überwiegende Teil der Abfälle entsteht durch die Uranwirtschaft. Der größte Teil mit rund 80 % der radioaktiven Abfälle stammt aus dem Uranabbau (Abraum und Tailings) und wird in der Nähe des jeweiligen Uranbergwerks deponiert. Hochradioaktive Abfälle entstehen ganz überwiegend durch Kernspaltung und Neutroneneinfang in Kernreaktoren. Vergleichsweise geringe Mengen radioaktiver Abfälle stammen aus der Anwendung radioaktiver Substanzen in Medizin, Industrie und Forschung.

Radioaktive Abfälle entstehen auch, wenn Materialien beim Umgang mit radioaktiven Stoffen kontaminiert oder durch Neutronenstrahlung aktiviert wurden. Dazu gehören zum Beispiel

  • Spritzen und Kanülen sowie Präparate und Abwässer aus der Nuklearmedizin,
  • Putzlappen, Arbeitskleidung, Verpackungen,
  • Putzwasser, auch als Verdampferkonzentrat,
  • ausgediente Werkzeuge, Geräte, Baumaterialien, Bauschutt.

Klassifizierung nach Aktivität

Radioaktive Abfälle werden international in schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle eingeteilt (low-, intermediate- und high-level waste, LLW, ILW und HLW). Es sind unterschiedliche Abgrenzungskriterien in Gebrauch.[1] Die Internationale Atomenergie-Agentur IAEO hat 1981 folgende Einteilung vorgenommen:[2]

  • Hochradioaktive Abfälle erzeugen aufgrund ihrer hohen Aktivität (> 1014 Bq pro m³; typisch 5 · 1016 bis 5 · 1017 Bq/m³) erhebliche Zerfallswärme (typisch 2 bis 20 Kilowatt pro m³);
  • Mittelradioaktive Abfälle (1010 bis 1015 Bq pro m³) erfordern Abschirmmaßnahmen, aber kaum oder gar keine Kühlung;
  • Schwachradioaktive Abfälle (<1011 Bq pro m³) erfordern bei Handhabung oder Transport keine Abschirmung.

Der hochradioaktive Abfall hat einen relativ geringen Mengenanteil (in Deutschland ca. 10 %), enthält aber den ganz überwiegenden Teil (ca. 99,9 %) der gesamten Radioaktivität. Für schwach- und mittelaktive (also nichtwärmeentwicklende) Abfälle werden in verschiedenen Staaten Endlager betrieben oder vorbereitet. In der öffentlichen Diskussion um die weltweit ungeklärte Endlagerfrage geht es im Wesentlichen um die hochradioaktiven Abfälle aus der Kernenergienutzung.

Abklingzeiten von Nuklidgemischen

Die Aktivität einzelner Radionuklide klingt exponentiell ab. Nach einer Halbwertszeit beträgt sie nur noch die Hälfte des Anfangswerts, nach zwei Halbwertszeiten ein Viertel, nach zehn Halbwertszeiten rund ein Tausendstel (2-10=1/1024), nach zwanzig Halbwertszeiten rund ein Millionstel. Sie erreicht niemals Null; jedoch sind keine Schutzmaßnahmen mehr erforderlich, wenn die Aktivität auf das Niveau natürlicher Strahlungsquellen abgesunken ist. Je nach Anfangswert können dafür einige wenige bis über zwanzig Halbwertszeiten nötig sein.

Für eine gegebene Anfangsmenge radioaktiver Atomkerne sind Anfangsaktivität und Halbwertszeit umgekehrt proportional zueinander. Beispielsweise strahlt durch Neutroneneinfang aktiviertes Aluminium heftig, hat aber eine Halbwertszeit von nur wenigen Minuten, so dass die Aktivität nach einer Stunde vernachlässigbar und nach einem Tag nicht mehr nachweisbar ist. Die gleiche Menge frisch aktivierter 60Co-Kerne hat eine wesentlich geringere Anfangsaktivität, die jedoch monatelang nahezu unverändert bleibt, da die Halbwertszeit 5,27 Jahre beträgt.

Radioaktive Abfälle aber sind nur in den seltensten Fällen isotopenrein. In aller Regel enthalten sie Mischungen verschiedenster Nuklide mit sehr unterschiedlichen Halbwertszeiten. Dadurch wird das exponentielle Abklingen außer Kraft gesetzt. Beispielsweise enthält der Werkstoff Aluminium außer dem chemischen Element Aluminium stets auch Beimischungen von Kupfer und Zink und Spuren von Nickel und Cobalt. Alle diese Elemente aktivieren sich durch Neutroneneinfang, wenn der Werkstoff in einem Reaktor eingesetzt wird. Nach dem Ende der Neutronenbestrahlung dominiert zunächst die zuvor erwähnte kurzlebige Radioaktivität des Aluminiums. Nach zehn Minuten aber sinkt die Gesamtaktivität nicht exponentiell weiter, sondern es tritt die langlebigere Aktivität des aktivierten 64Cu in den Vordergrund. Nach zwei Wochen ist auch das 64Cu so gut wie weg, nun aber zeigt sich die noch langlebigere Aktivität von 65Zn mit einer Halbwertszeit von 244 Tagen. Es kann deshalb sein, dass man das Werkstück viele Jahre lang sicher verwahren muss, bevor die Gesamtaktivität vernachlässigbar ist.

Ähnliches gilt, auf anderen Zeitskalen, für radioaktive Abfällen aus Kernkraftwerken. Dort kommen die folgenden wesentlichen Stoffgruppen vor:

  • Spaltprodukte, also die bei der Kernspaltung entstehenden „Bruchstücke“. Diese sind zum größten Teil sehr kurzlebig (z. B. Iod-131 etc.), jedoch sind auch einige längerlebig (z. B. Cäsium-137, Strontium-90 etc.) oder langlebig (z. B. Iod-129 etc.).
  • Aktivierungsprodukte. Dies sind ursprünglich nichtradioaktive Materialien aus dem Reaktor oder dessen Umgebung, die durch Neutroneneinfang von Spalt-Neutronen in radioaktive Nuklide umgewandelt wurden (prominentestes Nuklid ist hier Cobalt-60).
  • Erbrüteter Kernbrennstoff, z. B. Plutonium-239, das durch Neutroneneinfang und zwei anschließende Betazerfälle aus Uran-238 gebildet wird, sowie das aus Plutonium-239 durch zwei Neutroneneinfänge erbrütete Plutonium-241.
  • Erbrütete weitere Transurane, z. B. Neptunium-237 entsteht, wenn Uran-235 durch Neutroneneinfang nicht gespalten wird, sondern das entstehende Uran-236 sich durch einen weiteren Neutroneneinfang in Uran-237 umwandelt, das sich anschließend durch Betazerfall in das Neptuniumisotop umwandelt. Ein weiteres Beispiel ist Americium-241, das durch mehrfachen Neutroneneinfang aus Plutonium-239 über Plutonium-240 und -241 mit nachfolgendem Betazerfall entsteht.
  • Unverbrauchter ursprünglicher Brennstoff (Uran-235, Plutonium-239 und -241)
  • Nicht in Plutonium umgewandeltes Uran-238

Wegen der hohen Anfangsaktivität sind abgebrannte Brennstäbe zunächst nicht transportfähig; sie werden in einem Abklingbecken aufbewahrt. Danach ist eine jahrzehntelange Zwischenlagerung erforderlich.

Wiederaufbereitungsanlagen sollen unverbrauchten und erbrüteten Brennstoff zur Wiederverwendung vom radioaktiven Abfall abtrennen. Der Gehalt an Radionukliden und deren Mischungsverhältnis ist von vielen Faktoren abhängig, insbesondere von der Art, Herkunft und Vorgeschichte des Abfalls.

Anfallende und angefallene Mengen

Nach Angaben der World Nuclear Association entstehen Jahr für Jahr 12.000 Tonnen hochradioaktive Abfälle. Bis Ende 2010 sind weltweit etwa 300.000 Tonnen hochradioaktiven Abfalls angefallen,[3] davon etwa 70.000 in den USA.[4] In den deutschen Atomkraftwerken werden jährlich rund 450 Tonnen hochradioaktive abgebrannte Brennelemente erzeugt.[5]

In Russland lagerten 2008 mehr als 700.000 Tonnen radioaktiven Mülls unterschiedlicher Strahlung, davon 140.000 Tonnen aus europäischen Meilern.[6] An der Hanford Site in den USA müssen etwa 200.000 Kubikmeter radioaktiven Materials entsorgt werden.[7]

Entsorgung

Betriebliche Abfälle aus Überwachungsbereichen in kerntechnischen Anlagen werden bis zum Nachweis des Gegenteils als radioaktiv angesehen. In Tonnen wie der hier gezeigten werden zum Beispiel Putzlumpen, Verpackungen, Papiermüll und ähnliches gesammelt. Für brennbaren und unbrennbaren Abfall gibt es unterschiedliche Entsorgungswege.

Die Entsorgungsfrage ist bisher weltweit ungelöst, obwohl seit Jahrzehnten technische Verfahren zur Konditionierung und Endlagerung erprobt werden. Insbesondere mittel- und hochradioaktive Abfälle stellen große Herausforderungen an die Entsorgung. Aufgrund der langen Halbwertszeiten vieler radioaktiver Substanzen muss eine sichere Lagerung sichergestellt werden. Die Halbwertzeit von Plutonium-239 beträgt 24.000 Jahre. In Deutschland wird analog zur Entsorgung nicht-radioaktiver toxischer Stoffe das Konzept der Endlagerung in tiefen geologischen Formationen favorisiert. Eines der Hauptargumente, mit dem Atomkraftgegner schon seit Jahren den Ausstieg aus der Atomtechnologie fordern, ist die nicht gesicherte Entsorgung der radioaktiven Abfälle, während die Entsorgung großer Mengen hochtoxischer nicht-radioaktiver Abfälle in Untertagedeponien ohne größere Beachtung durch die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten Praxis ist. Auch Atommülltransporte geben immer wieder Anlass zu Demonstrationen für einen Atomausstieg. In Europa warten 8000 m³ HLW in Zwischenlagern auf die Endlagerung, jährlich werden es 280 m³ mehr.[8]

Kosten

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Gemäß §21 des deutschen Atomgesetzes ist der Verursacher von radioaktiven Abfällen verpflichtet die Kosten für die Erkundung, Errichtung, sowie den Unterhalt von Anlagen zur geordneten Beseitigung des Abfalls zu tragen.[9] Zu diesem Zweck haben die Energieversorgungsunternehmen Rücklagen zu bilden, deren Höhe sich Ende 2009 auf etwa 28 Milliarden Euro belief.[10]

Kritiker bemängeln, dass dieses Verursacherprinzip im Zusammenhang mit der Schließung der Schachtanlage Asse zum Teil ausgehebelt werde.[11] Der Großteil der auf über 2 Milliarden Euro geschätzten Kosten wird vom Bund getragen, da 95 % der eingelagerten Aktivität unmittelbar aus öffentlichen Einrichtungen, v.a. der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) stammt.[12] Mittelbar kann der, von der WAK verursachte Abfall allerdings auf Experimente mit verbrauchten Brennelementen aus kommerziellen Kraftwerken zurückgeführt werden, so dass Interpretationsspielraum bei der Verursacherfrage besteht. Um die Versorgungsunternehmen dennoch an den Kosten zu beteiligen wurde 2011 die Kernbrennstoffsteuer eingeführt, die jährliche Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro generieren soll.[13]

Des Weiteren hat der Bund die Kosten für den Rückbau und die Entsorgung radioaktiver Abfälle der DDR zu tragen. Dies betrifft insbesondere das Endlager Morsleben, sowie einen Teil des Inventars des Zwischenlagers Lubmin. Insgesamt belaufen sich die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zu tragenden Kosten auf schätzungsweise 3,2 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2011 bis 2035.[14]

Ein weiterer Streitpunkt sind die öffentlichen Ausgaben für die Sicherung von Atommülltransporten, welche in der Vergangenheit bis zu 25-50 Millionen Euro betrugen.[15] Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Schutz gegen Störungen rechtmäßiger Aktivitäten eine staatliche Aufgabe ist, deren Kosten nicht dem Betreiber oder Veranstalter dieser Aktivitäten zuzurechnen sind, wie auch am Beispiel von Demonstrationen o. ä. Veranstaltungen deutlich wird.

Bis zum Ende der Wiederaufbereitung deutschen Atommülls im Jahr 2005 hatten die Versorgungsunternehmen Gebühren an die britischen und französischen Wiederaufbereitungsanlagen zu entrichten. British Nuclear Fuels und Cogema verlangten im Jahr 2000 bei Abschluss von Wiederaufarbeitungs-Verträgen mit deutschen Stromkonzernen umgerechnet zwischen 850 und 900 Dollar je Kilogramm Strahlenabfall.[16]

Konditionierung

Durch die Konditionierung werden die radioaktiven Abfälle in einen chemisch stabilen, in Wasser nicht oder nur schwer löslichen Zustand überführt und den Anforderungen von Transporten und Endlager entsprechend verpackt. Je nach Material werden dazu unterschiedliche Verfahren verwendet.

Hochradioaktive Spaltproduktlösungen, die bei der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente anfallen, werden in Glas eingeschmolzen. Die dabei entstehenden Glaskokillen sind korrosionsfest und unlöslich in Wasser. Zusätzlich werden sie wasserdicht in Edelstahlbehälter verpackt.

Forscher entdeckten jedoch, dass die Actinoide (Uran, Neptunium, Plutonium) im Atommüll mit dem Borglas, aus dem die Kokillen bestehen, unter Wassereinfluss reagieren können, wenn die Edelstahlumhüllung durch Korrosion undicht wird. Die dabei entstehenden Kristalle könnten theoretisch das Glas zerstören. Andere Forscher halten jedoch die Zerstörung des Glases trotz der Reaktionen für unmöglich, weil im realen Atommüll die Konzentration der Actinoide dafür zu gering wäre.[17]

Alternativ hierzu wird an der Einbindung in Keramik gearbeitet; hier ist ebenfalls eine chemisch stabile Lagerung gewährleistet.

Andere radioaktive Abfälle werden – je nach Art – durch unterschiedliche Verfahren (zum Beispiel Verbrennen, Verpressen) in eine möglichst raumsparende, chemisch stabile Form gebracht und anschließend in der Regel in einer chemisch stabilen, wasserunlöslichen Matrix (Zement, Bitumen) fixiert. Hierbei können teilweise radioaktive Stoffe verwertet werden, unter anderem finden radioaktive Lösungen zum Anmischen von Zement bei der Fixierung anderer Abfälle Verwendung und aus schwach radioaktivem Stahlschrott werden beispielsweise Abschirmplatten für Behälter gefertigt.

Endlagerung

Aufgrund der langen Zeiträume sowie durch die Radioaktivität sind die Lagermaterialien nicht notwendigerweise dauerhaft in der Lage, die eingebundenen Stoffe zurück zu halten. Daher ist die sichere Lagerung des verarbeiteten Mülls entscheidend. Selbst nach Zerfall der Lagerbehälter soll ein Transport der radioaktiven Substanzen durch das Gestein sehr langsam erfolgen. Die geologischen Eigenschaften des Gebirges müssen dabei den sicheren Einschluss der radioaktiven Stoffe gewährleisten, so dass diese nicht in die Biosphäre gelangen können. Über lange Zeiträume könnten chemische Reaktionen im Endlager dann eine Rolle spielen, wenn Wasser in den Endlagerbereich vordringt. Neben der Korrosion von Lagerbehältern könnten mit denen im Abfall vorhandenen Radionukliden eine Vielzahl von Reaktionen auftreten: Auflösung und Fällungsreaktionen, Redoxreaktionen, Komplexbildungsreaktionen, Radiolyse und Kolloidbildung. Für diesen Fall muss dann ein Radionuklidtransport im Bereich des Endlagers angenommen werden. Die Untersuchungen zur Schaffung von Warnzeichen und Warnsymbolen, die über Jahrtausende auf die eingelagerten radioaktiven Stoffe hinweisen, werden unter dem Begriff Atomsemiotik zusammengefasst.

An die Erkundung, Einrichtung, den Betrieb und auch die Sicherung von Endlagern für radioaktive Stoffe sind prinzipiell die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an Endlager für nicht-radioaktive hochtoxische Stoffe. Als Endlagerstätten werden etwa Salzstöcke in geologisch stabilen Gesteinsschichten diskutiert. Auch Granit, Tongestein oder Tuff kommen als Wirtsgesteine in Frage. Die seit 1979 andauernde Erkundung des Standortes im Salzstock Gorleben in Norddeutschland wurde im Oktober 2000 durch das BMU unterbrochen. Der Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandort (AkEnd) wurde beauftragt, wissenschaftlich fundierte Kriterien für ein relativ sicheres Endlager aufzustellen. Der Bericht des AKEnd war bereits 2002 vorgelegt worden.

2011 beschloss die EU-Kommission eine neue Richtlinie. Demnach müssen alle 14 kernenergie-nutzenden Länder bis 2015 eine Lösung für die Atommüll-Endlagerung finden. Andernfalls kann Brüssel rechtlich gegen säumige Staaten vorgehen und vor dem Europäischen Gerichtshof ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengen.[18] Hierbei müssen die Staaten zwar nationale Pläne vorlegen, es können aber auch mehrere Mitgliedsstaaten beschließen, gemeinsam ein Endlager in einem EU-Staat zu nutzen. Atommüll-Exporte in Staaten außerhalb der EU wurden mit der neuen Richtlinie nicht explizit verboten. Sie sind unter der Auflage erlaubt, dass im Zielland bereits ein Endlager in tiefen geologischen Formationen in Betrieb ist. Derzeit existiert jedoch nirgends ein Endlager dieser Art und es ist auch keines im Bau.[19] Der Transport von Atommüll in afrikanische, karibische, pazifische Länder sowie die Antarktis war schon zuvor durch entsprechende Richtlinien verboten.[20]

Wiederverwertung

Unter Umständen kann aber auch eine gewollte Bergung von endgelagerten intakten Behältern mit den radioaktiven Resten der Kernspaltung sowie eventuell zwischenzeitlich durch den andauernden radioaktiven Zerfall angereicherten Stoffen in der fernen Zukunft planmäßig durchgeführt werden, da sowohl unter den Spalt- als auch den Zerfallsprodukten wertvolle Stoffe wie Rhodium, Ruthenium und das radioaktive Metall Technetium sind. Insbesondere sind direkt (ohne Wiederaufarbeitung) endgelagerte Brennelemente wegen ihres erheblichen Gehalts an unverbrauchten Kernbrennstoffen unter Umständen für nachfolgende Generationen eine wertvolle Ressource.

Viele radioaktiv kontaminierte Stoffe können – soweit wirtschaftlich sinnvoll – gereinigt (Dekontamination) und bei erwiesener Kontaminationsfreiheit bzw. Grenzwertunterschreitung (Freimessen) normal weiter genutzt werden. Des Weiteren können radioaktive Reststoffe in der Kerntechnik weiterverwendet werden, so wird z. B. schwachradioaktiver Stahlschrott zu Abschirmungen für Abfallbehälter verarbeitet.

Ein seit den 1950er Jahren in Entwicklung befindliches Konzept zur energetischen Wiederverwertung von radioaktiven Abfällen ist der Laufwellen-Reaktor. Wie beim Brutreaktor erbrütet dieser seinen Brennstoff, kann aber unter anderem auch mit Rohuran oder bereits abgebranntem Kernbrennstoff betrieben werden und so die Rückstände seiner eigenen Produktion wiederverwerten. Theoretisch ist es so möglich, Material als Brennstoff zu verwenden, das im Moment als radioaktiver Abfall angesehen wird. Dies würde eine aufwändige Lagerung erübrigen und somit zur effizienteren Nutzung von Kernbrennstoff beitragen.

Transmutation

Hauptartikel: Transmutation

Es gibt Vorschläge[21], die langlebigen Nuklide aus hoch radioaktiven Abfällen in geeigneten Anlagen (spezielle Reaktoren, Spallations-Neutronenquellen) durch Neutronenbeschuss in kurzlebige Nuklide umzuwandeln, was die notwendige Dauer des Abschlusses von der Biosphäre erheblich verkürzen und evtl. sogar eine Wiederverwertung der entstehenden Materialien ermöglichen würde. Die entsprechenden Forschungen in der Transmutation sind jedoch noch in den Anfängen. Bisher wurde weltweit noch keine produktive Transmutationsanlage zur Beseitigung nuklearer Abfälle verwirklicht, lediglich im Rahmen von Forschungsprojekten wurden kleine Anlagen realisiert.

Legale Entsorgung in Meergewässern

Radioaktive Abfälle konnten legal im Meer verklappt werden, bis diese Vorgehensweise zumindest für Feststoffe 1994 von der International Maritime Organisation (IMO) verboten wurde. Sämtliche Atommüll produzierenden Länder haben bis dahin in weniger als 50 Jahren mehr als 100.000 Tonnen radioaktiven Abfall im Meer versenkt. Die Briten versenkten hierbei mit 80 % den größten Anteil, gefolgt von der Schweiz, die bis 1982 schwach- und mittelaktive Abfälle sowie radioaktive Abfälle aus Industrie, Medizin und Forschung unter der Führung der OECD im Nordatlantik versenkt hat.[22] Die USA haben gegenüber der Internationalen Atomenergieorganisation eingeräumt, von 1946 bis 1970 über 90.000 Container mit radioaktivem Abfall vor ihren Küsten versenkt zu haben. Aus Deutschland wurden einige hundert Tonnen Atommüll im Meer entsorgt.[23][24]

Die direkte Einleitung von radioaktiven Abwässern in Meergewässer ist jedoch nach wie vor legal und wird auch praktiziert: Die Wiederaufarbeitungsanlage La Hague leitet durch ein viereinhalb Kilometer langes Rohr täglich 400 Kubikmeter radioaktives Abwasser in den Ärmelkanal.[25] Auch der Nuklearkomplex Sellafield (früher hieß er Windscale) leitet legal radioaktive Abwässer in die Irische See ein. Diese Einleitungen übersteigen die Einleitungen der Anlage La Hague für fast alle Nuklide.

Lagerung unter freiem Himmel

Die offene Lagerung von radioaktivem Material unter freiem Himmel ist in Westeuropa in keinem Staat zugelassen. Die offene Lagerung von Behältern mit radioaktivem Material unter freiem Himmel ist wegen der unter Wetterbedingungen und Sonneneinstrahlung stärkeren Korrosion der Lagerbehälter problematisch. In Mitteleuropa ist die andauernde offene Lagerung von Behältern mit radioaktivem Material in keinem Land politisch erwünscht oder legal zulässig.

Als politischer Ausweg wird der Export von Behältern mit radioaktivem Material von verschiedenen Regierungen als legaler Maßnahme gefördert. Eine Kontrolle der ausländischen Lagerorte erfolgt in der Regel nicht. Die Lagerung wird von lokalen Sicherheitsbeamten in den Empfängerländern wegen mangelnder Bildung und überlagertem wirtschaftlichen Partikularinteresse unkritisch kommentiert.

Hypothetische Szenarien eines Flugzeugabsturzes, Brandes oder eines ähnlichen Unfalles in der Nähe der Container sind mangels Vorbereitung weder durch Vorsorgemaßnahmen noch durch Sofortmaßnahmen zu beherrschen. Zuletzt aufgetretene Waldbrände in der Nähe von Lagerstätten zeigen die Gefährdung der Atmosphäre durch Brände und Austrag der Asche mit dem Wind.

Im Oktober 2009 wurde durch die Berichterstattung um den Film Albtraum Atommüll öffentlich bekannt, dass Frankreich seit den 1990er Jahren heimlich einen nicht unerheblichen Teil seines Atommülls nach Sibirien transportiert. In der Stadt Sewersk, in der mehr als 100.000 Menschen leben, lagern knapp 13 Prozent des französischen radioaktiven Abfalls in Containern unter freiem Himmel auf einem Parkplatz.[26] Zudem wurde öffentlich, dass Deutschland sogar in noch größerem Maße radioaktiven Abfall nach Russland exportiert.[27]

Die kirgisische Stadt Mailuussuu ist umgeben von 36 nicht gesicherten Lagern von Uranabfällen und zählt zu den zehn am schlimmsten verseuchten Gegenden der Erde. Seit mindestens 2009 droht der Abrutsch von 180.000 Kubikmetern Uranschlamm in einen Fluss, wodurch das Trinkwasser in Kirgisistan und Usbekistan radioaktiv verseucht würde.[28]

Illegale Entsorgung

Im September 2009 wurde 28 Kilometer vor der Küste Süditaliens das Wrack eines 110 Meter langen Frachters mit 120 Behältern Atommüll an Bord entdeckt. Damit wurde der seit Jahrzehnten bestehende Verdacht bestätigt, dass die italienische Mafia Giftmüll im Mittelmeer entsorgt.[29] Mindestens 32 Schiffe mit Gift- und Atommüll sollen auf diese Weise in der Adria, dem Tyrrhenischen Meer und vor den Küsten Afrikas versenkt worden sein. Die Herkunft des radioaktiven Materials ist bislang nicht geklärt.[30] Es soll nicht nur die Ndrangheta beteiligt gewesen sein, sondern auch der Geheimdienst und die Politik – manche damaligen Ermittler dürfen „aus institutionellen Gründen“ nicht über die Vorfälle sprechen, es gibt ungeklärte Todesfälle, die mit diesen Fällen in Zusammenhang gebracht werden. Auch chemischer Giftmüll ist offenbar so entsorgt worden.[31]

In der Ostsee wurden zwischen 1991 und 1994 radioaktive und chemische Altwaffen aus sowjetischen Beständen illegal versenkt.[32]

Waffenproduktion

Als Abfallprodukt bei der Anreicherung von Uran für die Energieerzeugung oder Waffenproduktion fällt abgereichertes Uran an. Dieses wird zum Teil genutzt, um damit Uranmunition zu produzieren. Neben dem militärisch erwünschten zerstörenden Effekt entfaltet diese Munition sowohl wegen der Radioaktivität als auch wegen der chemischen Giftigkeit des Urans eine schädliche Wirkung auf den menschlichen Organismus. Über das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung herrscht Uneinigkeit. Von Gegnern dieser Waffen, wie der Organisation Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, wird Uranmunition für Krebserkrankungen, Missbildungen[33] und Folgeschäden wie das Golfkriegssyndrom verantwortlich gemacht.

Beispielsweise wurden während eines dreiwöchigen Einsatzes im Irakkrieg 2003 von der Koalition der Willigen zwischen 1000 und 2000 Tonnen Uranmunition eingesetzt.[34]

Entsorgung ohne genauen Nachweis

Im Dezember 2009 wurde der Öffentlichkeit bekannt, dass bei der Erdöl- und Erdgasförderung jährlich Millionen Tonnen radioaktiver Rückstände anfallen, die größtenteils ohne Nachweis und unsachgemäß (nämlich wie nicht-radioaktiver Abfall) entsorgt werden.[35] Im Rahmen der Förderung an die Erdoberfläche gepumpte Schlämme und Abwässer enthalten NORM-Stoffe (Naturally occurring radioactive material), u. a. das hochgiftige und extrem langlebige Radium 226 sowie Polonium 210. Die spezifische Aktivität der Abfälle beträgt zwischen 0,1 und 15.000 Becquerel (Bq) pro Gramm. In Deutschland, wo etwa 1.000 bis 2.000 Tonnen Trockenmasse im Jahr anfallen, ist das Material laut der Strahlenschutzverordnung von 2011 bereits ab einem Bq pro Gramm überwachungsbedürftig und müsste gesondert entsorgt werden. Die Umsetzung dieser Verordnung wurde der Eigenverantwortung der Industrie überlassen; diese beseitigte die Abfälle über Jahrzehnte hinweg sorglos und unsachgemäß. Es sind Fälle dokumentiert, in welchen Abfälle mit durchschnittlich 40 Bq/g ohne jede Kennzeichnung auf einem Betriebsgelände gelagert wurden und auch nicht für den Transport gekennzeichnet werden sollten.[36]

In Ländern mit größeren geförderten Mengen von Öl oder Gas entstehen deutlich mehr Abfälle als in Deutschland; in keinem Land existiert eine unabhängige, kontinuierliche und lückenlose Erfassung und Überwachung der kontaminierten Rückstände aus der Öl- und Gasproduktion. Die Industrie geht mit dem Material unterschiedlich um: In Kasachstan sind weite Landstriche durch diese Abfälle verseucht, in Großbritannien werden die radioaktiven Rückstände in die Nordsee geleitet.[35][36] In den Vereinigten Staaten gibt es in fast allen Bundesstaaten aufgrund der radioaktiven Altlasten aus der Erdölförderung zunehmend Probleme. In Martha, einer Gemeinde in Kentucky, hat das Unternehmen Ashland Inc. tausende kontaminierte Förderrohre an Farmer, Kindergärten und Schulen verkauft, ihnen die Kontamination aber verschwiegen. Es wurden bis zu 1.100 Mikroröntgen pro Stunde gemessen, so dass die Grundschule und einige Wohnhäuser nach Entdeckung der Strahlung sofort geräumt werden mussten.[37]

Völkerrechtliche verworfene Entsorgungskonzepte

Lagerung in der Antarktis

Durch Endlagerung unter dem Eisschild der Antarktis wäre es prinzipiell möglich, radioaktiven Abfall sehr sicher von der Biosphäre zu trennen. Nachteilig wäre die Wärmeentwicklung mancher Abfälle, die sich auf die Stabilität der Lagerkammern oder Ähnliches negativ auswirken könnte. Auch kann eine radioaktive Verseuchung des fragilen Ökosystems Antarktis, zum Beispiel durch Unfälle, nicht ausgeschlossen werden. Es ist umstritten, in welchem Maß die langfristige Isolation der Abfälle gesichert ist. Einerseits könnten durch den Treibhauseffekt die Eiswände schmelzen, andererseits wird der gegenteilige Effekt beobachtet.[38]

Der Antarktisvertrag schreibt hohe Umweltschutznormen für den sechsten Kontinent vor; eine Verwendung als Endlager für radioaktive Stoffe ist damit nach internationalem Recht nicht möglich.

Entsorgung im Weltraum

Weiter gibt es Vorschläge, die atomaren Abfälle im Weltraum zu entsorgen. Neben der Lagerung in Asteroiden und auf anderen Planeten[39] gibt es auch Überlegungen, den Müll direkt in die Sonne zu schießen.[40] Gelänge dies, wäre der Atommüll tatsächlich wirksam von der Biosphäre isoliert.

Dem stehen allerdings die beim gegenwärtigen Stand der Technik immensen Kosten der raketenbasierten Raumfahrt entgegen, die schon allein für das Erreichen der Erdumlaufbahn anfallen würden. Beispielsweise mit einer Proton-Rakete betragen die Kosten etwa 4000 Euro für ein Kilogramm Nutzlast.[41][42] Um die jährlich anfallende Menge von 12.000 Tonnen hochradioaktiven Abfalls ins Weltall zu befördern, müssten jedes Jahr 2.000 Raketen starten, etwa sechs pro Tag. Die etwa 300.000 Tonnen, die bis heute schon weltweit angefallen sind, müssten zusätzlich entsorgt werden.[43] Anderen Überlegungen zufolge ließe sich diese Müllmenge jedoch deutlich reduzieren, wenn man die abgebrannten Brennelemente im PUREX-Prozess auf höchstradioaktiven Restmüll konzentrieren würde (auf ca. 1/20), womit eine ökonomische Umsetzbarkeit realistischer wäre.[44]

Weiterhin bestünde ein enormes Risiko, da viele Starts jährlich erfolgen müssten und bei einem Fehlstart, der bei allen existierenden Trägersystemen mit einer Wahrscheinlichkeit > 1 % auftritt, mit einer Freisetzung der radioaktiven Fracht auf der Erde oder durch Verglühen in der Atmosphäre zu rechnen wäre. Folge wäre eine großflächige Kontamination. Eine notwendige sichere Verpackung der Fracht – wie sie z. B. bei den für Raumsonden verwendeten Radionuklidbatterien verwendet wird – wäre zwar in der Lage, einen Fehlstart mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Leckage zu überstehen, würde allerdings die zu befördernde Masse vervielfachen und die Entsorgungskosten vollends utopisch machen. Es gibt auch Vorschläge, die Raketen mit jeweils einer Rettungsrakete auszustatten, allerdings würde dies das Gewicht ebenfalls merklich steigern.

Als Alternative zu einem Transport mit der problematischen und teuren Raketentechnik werden auch ballistische[40] und bodengestützte Antriebsmethoden diskutiert.[45] Vorteile wären deutlich reduzierte Kosten über einen höheren Nutzlast-Anteil und auch ein geringeres Unfallrisiko, u.a. da kein hochexplosiver Raketentreibstoff mitgeführt würde. Jedoch existiert noch keine vollständige technische Lösung, infrage kommende Technologieprototypen von Leichtgaskanonen[46] oder Railguns erreichen nur einen Teil der Fluchtgeschwindigkeit, die zum Überwinden des Erdgravitationsfeldes notwendig wäre[47] (siehe auch HARP und SHARP[48] Projekte).

Obwohl weiter an Verbesserungen und neuen Antriebstechnologien gearbeitet wird, z.B. das „Advanced Propulsion Concepts“ vom JPL, Lightcrafts[45][49][50] oder der Weltraumlift, welche die Transportkosten merklich verringern sollen, sind diese in der Entwicklung befindlichen Ansätze noch nicht in Reichweite einer technischen oder wirtschaftlichen Umsetzbarkeit.

Weiterhin steht der Abschnitt A, Artikel IX des Weltraumvertrags (Zitat Abs. A, Art. IX, Satz 2: „States Parties to the Treaty shall pursue studies of outer space, including the Moon and other celestial bodies, and conduct exploration of them so as to avoid their harmful contamination (…)“) einer Entsorgung gefährlicher Stoffe im Weltraum entgegen. Zudem lässt sich aus den „Principles Relevant to the Use of Nuclear Power Sources in Outer Space“ ebenfalls ableiten, dass eine Verbringung radioaktiver Materialien in den Weltraum unerwünscht ist.[51]

Die sowjetischen RORSAT-Satelliten trugen mit Uran-235 betriebene Kernreaktoren. Normalerweise wurden die Reaktorkerne am Ende ihrer Lebenszeit auf eine hohe Umlaufbahn (eine sogenannte „Beseitigungsbahn“) geschossen. Wenn keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, kehren die hochradioaktiven Objekte nach einigen hundert Jahren (dann radioaktiv deutlich abgeklungen, wie geplant) wieder in die Erdatmosphäre zurück.

Gefahren durch radioaktiven Abfall

Umweltschutzorganisationen warnen seit Jahren, dass es nie eine sichere Lagerung von Atommüll für hunderttausende von Jahren geben werde. Greenpeace fordert daher u.a. eine Beendigung der Atommüll-Produktion und ein gesetzlich festgelegtes Atommüll-Exportverbot.[52]

In der Nordsee wurde Anfang der 1970er Jahre ein Anstieg der Aktivitätskonzentration von 137Cs nachgewiesen. Messungen haben gezeigt, dass auch die Wiederaufarbeitungsanlage im Englischen Sellafield für diese Kontamination verantwortlich war. In den 1980er Jahren nahmen die Einleitungen ab, so dass diese Reduzierung auch in der Nordsee messbar wurde.[53] Mit der Ernte von Blasentang in der Irischen See, das zu Nahrungs-, Futter- und Düngemittel verarbeitet wurde, gelangte radioaktiv belastetes Material in die Nahrungskette. Nach Untersuchungen des Öko-Instituts sind die aufgenommenen Dosen über diesen Pfad allerdings relativ gering. Nach dieser Studie lagen die effektiven Dosen für den Abwasserpfad dieser Anlage bei 7,9 mSv/a (Millisievert pro Jahr) für den Erwachsenen und 7,7 mSv/a für das Kleinkind, während vergleichbare Werte für La Hague bei 2,3 bzw. 0,83 mSv/a lagen. Deutsche Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung wären damit für Sellafield überschritten.[54]

Unfälle mit radioaktivem Abfall

Eine Reihe von Vorfällen ereignete sich, als radioaktives Material nicht korrekt entsorgt wurde – beispielsweise auf einem Schrottplatz, von wo es zum Teil sogar gestohlen wurde – oder die Abschirmung während des Transportes defekt war.[55]

In der Sowjetunion wurde Abfall aus der Kerntechnischen Anlage Majak, der im Karatschai-See entsorgt wurde, während eines Sturms in der Umgebung verteilt, nachdem der See teilweise ausgetrocknet war.[56]

In einer Entsorgungsfabrik für schwach-radioaktive Materialien in Maxey Flat, Kentucky, sind Entsorgungsgruben, die nur mit Erde anstelle von Stahl oder Zement bedeckt waren, durch starken Regen eingestürzt und füllten sich mit Wasser. Das eingedrungene Wasser wurde kontaminiert und musste in der Entsorgungsfabrik selbst behandelt werden.

In anderen Vorfällen mit radioaktivem Abfall sind Seen oder Teiche mit Atommüll während außergewöhnlich starker Stürme überflutet worden. Radioaktives Material gelangte dabei in Flüsse. Dies passierte beispielsweise in Italien, wobei auch als Trinkwasser geeignetes Wasser verseucht wurde. In Frankreich ereigneten sich im Sommer 2008 eine Reihe von Vorfällen[57], einer davon in der Nuklearanlage Tricastin, wo während einer Entleerungsaktion Flüssigkeit mit unbehandeltem Uran aus einem defekten Tank floss und dabei ungefähr 75 kg des radioaktiven Materials zunächst in den Boden sickerten und von dort in zwei nahegelegene Flüsse.[58] In einem anderen Fall wurden 100 Mitarbeiter kleinen Dosen von Strahlung ausgesetzt. Der Tag dieses Ereignisses fiel in einen 15-tägigen Zeitraum, in welchem bei vier Fehlfunktionen in vier verschiedenen französischen Kernkraftwerken insgesamt 126 Arbeiter verstrahlt wurden.[59]

Die Plünderung von altem, mangelhaft bewachten radioaktiven Material war die Ursache für mehrere andere Vorfälle, bei denen Menschen gefährlicher Strahlung ausgesetzt wurden. Diese ereigneten sich meist in Entwicklungsländern, die weniger Vorschriften für den Umgang mit gefährlichen Stoffen haben, weniger generelle Aufklärung über Radioaktivität und deren Gefahren betreiben und zudem einen Markt für Metallschrott und geplünderte Güter besitzen. Sowohl die Plünderer selbst als auch die Käufer des Materials sind sich meist nicht bewusst, dass das Material radioaktiv ist, zumal es auch oft wegen seines ästhetischen Wertes ausgewählt wird.[60] Unverantwortlichkeit auf der Seite der ursprünglichen Besitzer des radioaktiven Materials – üblicherweise Krankenhäuser, Universitäten oder das Militär – sowie das Fehlen oder die nicht konsequente Umsetzung von Vorschriften zum Umgang mit Atommüll sind maßgebliche Faktoren, die zu derartigen Unfällen führen.

Beispiele für solche Vorfälle sind der Goiânia-Unfall und der Nuklearunfall von Samut Prakan.

In den Nachfolgestaaten der UdSSR wurden zur Stromerzeugung in abgelegenen Gebieten seit 1976 1000-1500 Radioisotopengeneratoren (RTGs) hergestellt,[61] in welchen oft große Mengen (bis zu über 100 kg) radioaktiven Materials, meist 90Strontium, eingesetzt wurden.[62] Alle diese Geräte haben mittlerweile ihre Lebensdauer überschritten. Aufgrund der schleppenden Demontage und Entsorgung durch die zuständigen Behörden sowie der meist unzureichenden Sicherung dieser Anlagen kam es mindestens bis 2006 zu Freisetzungen strahlenden Materials durch Korrosion und insbesondere durch Metall-Diebstähle.[63]

Auch aus Georgien wurde berichtet, dass Holzfäller in Wäldern die zurückgelassenen Bestandteile der Isotopenbatterien ehemaliger mobiler militärischer Funkanlagen fanden.[64] In Georgien wird von der IAEA und der georgischen Regierung aktiv nach sogenannten Orphan-Strahlern („herrenlose Strahler“) gesucht, da es bereits zu schwerwiegenden Verletzungen kam. Neben den 90Strontium enthaltenden RTGs sind das vor allem 137Caesium-Quellen aus militärischer und landwirtschaftlicher Nutzung.[61]

Mit den atomgetriebenen RORSAT-Satelliten passierten diverse Unfälle, bei denen mehrere Reaktorkerne zurück auf die Erde fielen und beispielsweise im Falle Kosmos 954 eine Fläche von 124.000 Quadratkilometern der kanadischen Nordwest-Territorien mit Atommüll kontaminiert wurde.

Transportunfälle mit ausgedienten Brennstäben von Kernkraftwerken haben aufgrund der Stärke der Transportbehälter selten ernsthafte Konsequenzen.

Siehe auch

Literatur

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  • Hans-Werner Rengeling: Rechtsfragen zur Langzeitsicherung von Endlagern für radioaktive Abfälle. Heymann, Köln 1995, ISBN 3-452-23122-4.
  • Ulrike Kronfeld-Goharani: Ein Erbe des maritimen Wettrüstens - der Atommüll der Nordmeerflotte. Schleswig-Holsteinisches Institut für Friedenswissenschaften,schiff-texte nr. 53, Kiel 1999.
  • Robert B. Clark (et al.): Radioactivity. in: Marine pollution. Oxford University Press, Oxford 2001, ISBN 0-19-879292-1, S. 151 - 173.
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  • Radioactive Waste Management Glossary IAEA 2003 Edition (pdf, 61S., abgerufen 13. Oktober 2009)
  • Klaus Stierstadt: Atommüll - wohin damit? Verlag Harri Deutsch, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-8171-1868-7
  • Klaus-Jürgen Röhlig, Horst Geckeis, Kurt Mengel: Endlagerung radioaktiver Abfälle. Teil 1: Fakten und Konzepte. In: Chemie in unserer Zeit. 46, Nr. 3, 2012, ISSN 0009-2851, S. 140-149, doi:10.1002/ciuz.201200578.
  • Klaus-Jürgen Röhlig, Horst Geckeis, Kurt Mengel: Endlagerung radioaktiver Abfälle. Teil 2: Die Wirtsgesteine: Tonstein, Granit, Steinsalz. In: Chemie in unserer Zeit 46(4), S. 208–217 (2012), ISSN 0009-2851
  • Klaus-Jürgen Röhlig, Horst Geckeis, Kurt Mengel: Endlagerung radioaktiver Abfälle. Teil 3: Chemie im Endlagersystem. In: Chemie in unserer Zeit. 46, Nr. 5, 2012, ISSN 0009-2851, S. 282-293, doi:10.1002/ciuz.201200583.

Filmdokumentationen

  • „Albtraum Atommüll“ („Déchets, le cauchemar du nucléaire“). Dokumentarfilm von Éric Guéret und Laure Noualhat. 2009, 98 min. Edition arte.[65]
  • Nuking the Climate – Strahlendes Klima, „Uranium – is it a country? Eine Spurensuche nach der Herkunft von Atomstrom.“

Weblinks

Commons: Radioaktiver Abfall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Quellen

  1. Vergleich der HAW-Definitionen in unterschiedlichen Ländern
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  4. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/umwelt/1429422/
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  6. http://www.taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-anti-akw/artikel/1/ab-nach-sibirien/
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  12. http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/hg_finanzierung_asse_bf.pdf
  13. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/030/1703054.pdf
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  15. http://www.sueddeutsche.de/politik/streit-um-kosten-fuer-polizeieinsatz-teuer-teurer-castor-transport-1.1021393
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