Hall-Effekt
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In Zeichnung A nimmt die Hall-Sonde an der Oberseite eine negative Ladung an (symbolisiert durch die blaue Farbe) und eine positive Ladung an der Unterseite (rote Farbe). In den Zeichnungen B und C ist das elektrische bzw. das magnetische Feld umgekehrt, so dass die Ladungspolarisation vertauscht ist. In der Zeichnung D sind beide Felder umgekehrt, so dass sich wieder die gleiche Polarisation wie in Zeichnung A einstellt. Legende:
1 Elektronen
2 Hallelement oder Hallsonde
3 Magnete
4 Magnetfeld
5 Spannungsquelle
Der Hall-Effekt ['hɔːl-], benannt nach Edwin Hall, beschreibt das Auftreten einer elektrischen Spannung in einem stromdurchflossenen Leiter, der sich in einem stationären Magnetfeld befindet. Die Spannung fällt dabei senkrecht sowohl zur Stromfluss- als auch zur Magnetfeldrichtung am Leiter ab und wird Hall-Spannung
Die Größe der Spannung kann mit Hilfe der weiter unten hergeleiteten Gleichung
aus Stromstärke
Erklärung
Der Hall-Effekt tritt in einem stromdurchflossenen elektrischen Leiter auf, der sich in einem Magnetfeld befindet, wobei sich ein elektrisches Feld aufbaut, das zur Stromrichtung und zum Magnetfeld senkrecht steht und das die auf die Elektronen wirkende Lorentzkraft kompensiert.
Durch Anlegen einer Spannung an die Probe fließt ein Strom. Die Ladungsträger sind im Allgemeinen Elektronen, es kann aber auch Löcherleitung in entsprechend dotierten Halbleitern vorherrschen. Die Elektronen bewegen sich entgegen der technischen Stromrichtung mit einer mittleren Geschwindigkeit
Die Hallspannung ist insbesondere unabhängig vom spezifischen Widerstand der Probe. Der Hall-Effekt wird sowohl zum Messen von Magnetfeldern (mit Hall-Sonde) als auch zur Bestimmung der Ladungsträgerart (Elektronen oder Löcher) und deren Dichte eingesetzt.
Die spezifischen Eigenschaften des Leitungsvorganges werden durch die Hall-Konstante
Geschichte
Edwin Hall beschrieb den später nach ihm benannten Effekt 1879[2] im Rahmen seiner Promotionsarbeit. Nach eigener Aussage[3] wurde er durch eine Aussage von James Clerk Maxwell dazu motiviert, diesen Effekt zu suchen, denn diese Aussage Maxwells erschien ihm unnatürlich:
„It must be carefully remembered that the mechanical force which urges a conductor carrying a current across the lines of magnetic force acts, not on the electric current, but on the conductor which carries it. — The only force which acts on electric currents is electromotive force.“
Vor Hall hatten schon eine Reihe anderer Physiker einen solchen Effekt gesucht (etwa Feilitzsch, Mach, Wiedemann und sein Doktorvater Rowland), aber erst er erreichte eine ausreichende Messempfindlichkeit. Seine Doktorarbeit enthielt Messungen des Hall-Effekts in Gold. Zu späteren Messungen bemerkte Kelvin:
„The subject of the communication is by far the greatest discovery that has been made in respect to the electrical properties of metals since the times of Faraday – a discovery comparable with the greatest made by Faraday.“
Herleitung
Verwendete Größen | |
---|---|
Magnetische Flussdichte | |
Elektrische Feldstärke | |
Kraft auf die Ladungsträger | |
Hall-Spannung | |
Elektrische Stromstärke | |
Stromdichte | |
Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger | |
Breite des Leiters | |
Dicke des Leiters | |
Ladungsträgerdichte | |
Ladung eines Ladungsträgers | |
Hall-Konstante |
- Zum Verständnis dieses Abschnitts sind Grundkenntnisse in der Vektorrechnung und Elektrodynamik hilfreich.
An dieser Stelle soll eine kurze Herleitung der Formel für die Hallspannung skizziert werden. Die Gültigkeit der Herleitung beschränkt sich dabei auf elektrische Leiter mit nur einer Sorte von Ladungsträgern, wie bei Metallen (Elektronen) oder stark dotierten Halbleitern (entweder überwiegend Löcher oder Elektronen).
Bewegte Ladungsträger in einem magnetischen Feld erfahren die Lorentzkraft:
Beim Hall-Effekt baut sich ein kompensierendes elektrisches Feld auf, das die ablenkende Wirkung des Magnetfeldes neutralisiert. Für die resultierende Kraft auf die Ladungsträger muss folglich gelten:
Der Einfachheit halber wird das Koordinatensystem so gelegt, dass sich die Ladungsträger in x-Richtung bewegen und das Magnetfeld in z-Richtung wirkt. Es ist also
Die Stromdichte
Über diese Beziehung wird die Hall-Konstante
Um die Gleichung etwas handlicher zu machen, kann man den Leiter, in dem ja eine Ladungstrennung stattgefunden hat, als Plattenkondensator auffassen.[4] Für diesen gilt die Beziehung
.
Außerdem kann die Stromdichte
.
Diese Gleichung ist auch für Leiter mit verschiedenen Sorten von Ladungsträgern korrekt, jedoch lässt sich dann die Hall-Konstante nicht mehr durch
Der Hall-Widerstand charakterisiert ein Hallelement, hat jedoch nichts mit dem gemessenen elektrischen Widerstand an einem Hallelement zu tun. Er gibt das Verhältnis Querspannung zu Strom eines Hallelementes bei einer bestimmten magnetischen Flussdichte an:
Anwendung
In der Elektronik wird der Hall-Effekt in so genannten Hallsonden zur Messung der magnetischen Flussdichte benutzt. Fließt ein Strom durch den Leiter, so kann durch das Messen der erzeugten Hall-Spannung nach obiger Formel
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Bestimmung von Ladungsträgerdichten durch Messen der Hall-Konstanten. Durch eine zusätzliche Messung der elektrischen Leitfähigkeit (oder des spezifischen Widerstands) ist es zudem möglich, die Beweglichkeit der Ladungsträger im Material zu ermitteln. Eine komfortable Methode zur Bestimmung des spezifischen Widerstandes und der Hallkonstanten an dünnen Schichten ist die Van-der-Pauw-Messmethode.
Ein elektronischer Kompass kann mit Hallsonden gebaut werden.
Praktische Anwendungen finden sich auch in der Raumfahrt, bei Hall-Ionentriebwerken.[5][6]
Quanten-Hall-Effekt
→ Hauptartikel: Quanten-Hall-Effekt
Schon um 1930 herum hatte Landau den Gedanken, dass bei sehr tiefen Temperaturen, starken Magnetfeldern und zweidimensionalen Leitern Quanteneffekte auftreten sollten.[7] Der Quanten-Hall-Effekt bewirkt, dass in zweidimensionalen Systemen bei sehr starken Magnetfeldern und tiefen Temperaturen (wenige Kelvin) die Hall-Spannung
(in der Einheit Ohm=Volt/Ampere; h ist die plancksche Konstante, e die Elementarladung). Die angegebenen Stufenwerte für das Verhältnis
Verallgemeinerung: Spin-Hall-Effekt
Elektronen besitzen außer der elektrischen Elementarladung noch eine andere „elementare Eigenschaft“, nämlich den sog. „Spin“, eine Art magnetische Ausrichtung, der nur die beiden Werte
Wenn man also die gewöhnlichen Ströme (präzise: „Ladungsströme“) durch „Spinströme“ ersetzt, erhält man anstelle des „gewöhnlichen Hall-Effekts“ den sog. Spin-Hall-Effekt, der gegenwärtig, 2010, in der Physik sehr aktuell ist.
Im Einzelnen ist der Spin-Hall-Effekt ebenfalls, wie auch der gewöhnliche Hall-Effekt, proportional zur Longitudinalkomponente des elektrischen Feldes, also zur gewöhnlichen Stromstärke, und der erzeugte Spinstrom ist ebenfalls, analog zur gewöhnlichen Hall-Spannung UH, „quer“ gerichtet. Es besteht aber folgender wesentlicher Unterschied zum gewöhnlichen Hall-Effekt: Es wird gar kein magnetisches Feld benötigt, sondern der Spin-Hall-Effekt ergibt sich durch extrinsische Mechanismen (z. B. durch Störstellen) oder durch intrinsische Effekte (z. B. durch die sog. Spin-Bahn-Kopplung).
Planarer Hall-Effekt
Der sogenannte planare Hall-Effekt ist ein magnetoresistiver Effekt in ferromagnetischen Materialien, der trotz des Namens nichts mit dem gewöhnlichen Hall-Effekt zu tun hat. Der Hauptunterschied zum gewöhnlichen Hall-Effekt - und zugleich Grund für die Namensgebung - ist, dass in diesem Fall das Magnetfeld nicht senkrecht zur Probe, sondern in der Probe (also „planar“) verläuft, aber „quer“ zum longitudinalen Strom, wobei ebenfalls extrinsische und intrinsische Effekte unterschieden werden. Insofern ist der Spin-Hall-Effekt eher analog zum planaren Hall-Effekt als zum gewöhnlichen Hall-Effekt.
Literatur
- Charles Kittel: Einführung in die Festkörperphysik. Oldenbourg, 5. Auflage 1980.
- P. Grosse: Freie Elektronen in Festkörpern. Springer 1979.
- C. M. Hurd: The Hall Effect in metals and alloys. Plenum 1972.
- E. H. Putley: The Hall Effect and related phenomena. Butterworth, London 1960.
Siehe auch
Weblinks
- Faksimile von Halls grundlegender Veröffentlichung: On a New Action of the Magnet on Electric Currents, American Journal of Mathematics, Band 2, 1879, S. 287-292
- The Hall Effect National Institute of Standards and Technology
- Edwin H. Hall: On Supraconductivity and the Hall Effect. PNAS 1933
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Die Ladungsträgerdichte ist hier natürlich eine Volumendichte, Gesamtladung / {Länge mal Breite mal Höhe} der Probe (die „Höhe“ wird im Artikel auch als „Dicke“ bezeichnet und d genannt). Im Zusammenhang mit dem Quanten-Hall-Effekt, wo es nur um den Hall-Effekt an (zweidimensionalen!) sog. Hall-Streifen geht, ist die Ladungsträgerdichte dagegen eine Flächendichte, weil der Quotient ... / ( ... Höhe) fehlt; während gleichzeitig d durch 1 ersetzt wird (man könnte auch sagen: „Volumendichte mal d = Flächendichte“.
- ↑ E. Hall: On a New Action of a Magnet on Electric Currents. In: American Journal of Mathematics. Bd.2, 1879, S. 287–292 (Originalarbeit, Abstact).
- ↑ Percy Williams Bridgman: BIOGRAPHICAL MEMOIR OF EDWIN HERBERT HALL 1855-1938. National Academy of Sciences, abgerufen am 12. März 2010 (pdf, englisch).
- ↑ Setzt man voraus, dass sich alle Ladungsträger gleich schnell bewegen und das Magnetfeld homogen ist, dann wird auf jeden Ladungsträger die gleiche Lorentzkraft ausgeübt. Im Gleichgewichtsfall ist dann die elektrische Kraft auf jeden Ladungsträger gleich groß wie die Lorentzkraft, sonst wäre es ja noch kein Gleichgewicht. Also sind die elektrischen Kräfte ja überall im Leiter gleich groß. Ein solches elektrisches Feld heißt homogen, dafür gilt die Formel, die auch für den Plattenkondensator gilt und mit diesem verbunden wird.
- ↑ Martin Tajmar: Advanced space propulsion systems. Springer, Wien 2003, ISBN 3-211-83862-7, S.75 ff.
- ↑ Das Hall-Triebwerk Physikalisches Institut der JLU Gießen (zugriff=12.März 2010)
- ↑ Károly Simonyi: Kulturgeschichte der Physik. Harri Deutsch, Thun, Frankfurt a. M. 1995, ISBN 3-8171-1379-X., S. 479
- ↑ Mit den angegebenen Ziffern ist derzeit, 2010, die Konstante RK festgelegt. Vielleicht kann man sie in späteren Jahren noch genauer bestimmen.
- ↑ Es bestehen jedoch mathematische Unterschiede: Anstelle von „Spin-Vektoren“ spricht man im Zusammenhang mit dem Spin von „Spinoren“, weil eine Vektordrehung um einen Winkel α zu einer „Spinordrehung“ um den halben Winkel führt.