Gleichraumprozess

Gleichraumprozess

Der Gleichraumprozess ist ein thermodynamischer Vergleichsprozess für Maschinen, bei denen der größte Teil der Wärmezufuhr bei ungefähr gleichem Volumen (isochor) stattfindet. Dazu im Gegensatz steht der Gleichdruckprozess, bei dem der größte Teil der Wärmezufuhr oder Verbrennung bei ungefähr konstantem Druck (isobar) erfolgt.

Es gab Anfang des 20. Jahrhunderts Gleichraum-Gasturbinen, welche den Gleichraumprozess mit zyklischer Verbrennung des Gasgemisches einsetzten. Diese nach seinem Konstrukteur Hans Holzwarth benannten Turbinen brauchten keinen Verdichter.

Eine weitere ältere Anwendung mit zyklischer Verbrennung war das Pulsstrahltriebwerk mit Flatterventilen am Lufteinlass.

Eine neuzeitliche Anwendung wäre ein Staustrahltriebwerk für diskontinuierlichen Betrieb ohne bewegliche mechanische Teile. Es sollte dereinst im 5- bis 10-fachen Geschwindigkeitsbereich unterwegs sein.

Otto-Kreisprozess

p-v-Diagramm des Otto-Prozesses
T-s-Diagramm des Otto-Prozesses

Der Ottoprozess besteht aus vier Zustandsänderungen eines idealen Gases innerhalb eines geschlossenen Systems. Er beinhaltet also keine chemische Umsetzung und auch keinen Ladungswechsel.

  • 1 - 2 : isentrope Kompression
  • 2 - 3 : isochore Wärmezufuhr (deshalb Gleichraumprozess!)
  • 3 - 4 : isentrope Expansion
  • 4 - 1 : isochore Wärmeabfuhr

Die durch den Linienzug 1-2-3-4 umschlossene Fläche in den Diagrammen entspricht der spezifischen Prozessarbeit w.

Thermischer Wirkungsgrad

Zur Veranschaulichung und leichten Berechnung der Zustandsgrößen wird als Arbeitsmedium ein ideales Gas mit temperaturunabhängiger spezifischer Wärmekapazität angenommen. Der thermische Wirkungsgrad des Ottoprozesses hängt nicht von der zugeführten Wärmemenge ab, wie der des Dieselprozesses.

$ \eta _{th\,\mathrm {GleichraumOtto} }=1-{\frac {1}{\varepsilon ^{\kappa -1}}} $

Je höher das Verdichtungsverhältnis V1 / V2) und der Isentropenexponent, desto höher der Wirkungsgrad.

$ \ V_{1} $; Anfangsvolumen bzw. Expansionsvolumen
$ \ V_{2} $; Kompressionsvolumen
$ \varepsilon ={\frac {V_{1}}{V_{2}}} $; Volumenverhältnis (Verdichtungsverhältnis)
$ \kappa ={\frac {c_{p}}{c_{V}}} $; Isentropenexponent. Er sinkt stark bei hohen Temperaturen. Brenngas bzw. Abgas von 1000 °C hat einen Wert von ca. 1,3.
$ \ c_{p} $; Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck (Abgas von 1000 °C hat ca. 1250 J/kgK)
$ \ c_{V} $; Spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen (Abgas von 1000 °C hat ca. 950 J/kgK)
$ \ R_{s}=c_{p}-c_{V} $; Die Spezifische Gaskonstante Rs bleibt über einen grossen Temperaturbereich konstant und beträgt für Frischgas und für Abgas ca. 295 J/kgK.

Der thermische Wirkungsgrad des Gleichraumprozesses ist bei gleichem Verdichtungsverhältnis höher als der des Gleichdruckprozesses.

Maximaldruck und Maximaltemperatur

Die spezifische Wärmezufuhr oder Heizenergie bestimmt die Druck- bzw. Temperaturzunahme beim Gleichraumprozess und somit die Verhältniszahl $ \xi $. Beim reinen Gleichraumprozess spielt diese Zahl für den Wirkungsgrad keine Rolle.

$ \xi ={\frac {H_{u}}{m_{H}c_{V}T_{2}}}+1 $; Druckverhältnis bzw. Temperaturverhältnis (Verbrennungsdruck bzw. -temperatur/Verdichtungsdruck bzw. -temperatur). Hu ist der untere spezifische Heizwert (J/kg), z.B. 42 MJ/kg für Benzin oder Diesel. mH ist die spezifische Heizmasse zur Brennstoffmasse (kg/kg), z.B. 18 kg Luft und Restabgas pro kg Benzin. Die spezifische Wärmekapazität cV von Abgas bei 1000 °C beträgt ca. 950 J/kgK.
$ p_{2}=p_{1}\cdot \varepsilon ^{\kappa } $; Verdichtungsdruck. p1 ist der Anfangsdruck, z.B. 1 bar.
$ T_{2}=T_{1}\cdot \varepsilon ^{\kappa -1} $; Verdichtungstemperatur. T1 ist die Anfangstemperatur vor dem Verdichtungstakt, z.B. 400 K (ca. 127 °C).
$ p_{3}=p_{2}\cdot \xi $; Druck nach der Wärmezufuhr (Maximaldruck) und $ T_{3}=T_{2}\cdot \xi $; Temperatur nach der Wärmezufuhr (Maximaltemperatur).

Der ideale Otto-Motor

Gleichraumprozess beim Kolbenmotor

Der ideale Motor hat keine Dissipationsverluste, mechanische Reibungsverluste, Hilfsaggregate, Zylinderkühlung und Dichtigkeitsverluste. Das Arbeitsgas hat über den gesamten Kreisprozess die gleichen Eigenschaften und keine Strömungsverluste. Es gibt keine Durchmischung von Ladungsgemisch mit Abgas.

Es gibt Zwei- und Vier-Takt-Motoren. Ein Takt besteht jeweils aus einem Kolbenhub bzw. einer halben Kurbelwellenumdrehung. Beim 4-Takt-Ottomotor lassen sich die Zustandsänderungen wie folgt den Arbeitstakten zuordnen:

  • 1. Takt = Ansaugen: Der Zylinder füllt sich mit Frischluft 0$ \rightarrow $1.
  • 2. Takt = Verdichten und Wärmezufuhr: isentrope Kompression 1$ \rightarrow $2 und isochore Wärmezufuhr $ q_{zu} $ durch Zünden und Verbrennen der Gasladung 2$ \rightarrow $3 im oberen Totpunkt, also bei konstantem Volumen (Gleichraumverbrennung).
  • 3. Takt = Arbeitstakt: Isentrope Expansion 3$ \rightarrow $4.
  • 4. Takt = Ausblastakt (Wärmeabfuhr): Durch das Öffnen des Auslassventils expandieren die Abgase im unteren Totpunkt ohne weitere Arbeitsleistung nach außen 4$ \rightarrow $1, und der Rest wird durch den Kolbenhub 1$ \rightarrow $0 nach außen geschoben. Dabei wird die im Abgas enthaltene Wärme $ q_{ab} $ an die Umgebung abgegeben. Der ideale Prozess berücksichtigt nicht, dass die Restmenge im Kompressionsraum nicht den Umgebungszustand erreicht.

Der reale Otto-Motor

Die Zustandsänderungen des Gleichraumprozesses entsprechen nicht dem realen Motor. Der gemischte Gleichraum- bzw. Gleichdruckprozess entspricht wesentlich besser den realen Abläufen im Otto- und im Dieselmotor. Beim realen Ottomotor begrenzt die Klopffestigkeit des Gasgemisches den Verdichtungsdruck. Das Luft-Gasgemisch ist kein ideales Gas (kleinerer Isentropenexponent und größere Wärmekapazität bei hohen Temperaturen). Die Umwandlungsgase (hauptsächlich Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid) bewirken eine Veränderung der thermodynamischen Eigenschaften des Arbeitsgases.

Gegenüber dem Vergleichsprozess gibt der reale Prozess im Motor zudem eine geringere Arbeit ab, weil:

  • das Ansaugen und Ausschieben mit Reibungsverlusten verbunden ist (linksdrehende Schleife zwischen 0 und 1 im p-V-Diagramm, Ladungswechselarbeit)
  • die Verbrennung nicht isochor erfolgt, sondern Zeit erfordert, in der sich die Kurbelwelle weiterdreht. Deshalb erfolgt die Zündung vor dem oberen Totpunkt, und die Verbrennung ist erst nach dem o.T. abgeschlossen. Die Spitze im Diagramm bei 3 wird also nach unten und nach rechts abgerundet.
  • ein Teil der durch chemische Reaktion zugeführten Energie (neben unvollständiger Verbrennung und endothermer Bildung von Stickoxid) ohne Arbeitsleistung durch Wärmeübergang an die Brennraumflächen verloren geht. Der Expansionsverlauf liegt unterhalb des idealen Verlaufes.
  • das Auslassventil vor dem unteren Totpunkt geöffnet wird. Die Prozessfläche wird im Punkt 4 nach unten abgerundet.

Das Verhältnis von im Motor freigesetzter zu theoretischer Arbeit des Prozesses wird als Gütegrad bezeichnet. Reale Motoren haben zusätzlich eine mechanische Verlustleistung aus Reibung, Neben- und Hilfsantrieben, die ca. 10 % der Nennleistung betragen kann und den Wirkungsgrad weiter vermindern.

Humphrey-Kreisprozess

Der Humphreyprozess unterscheidet sich vom Ottoprozess durch die unlimitierte Gasausdehnung und damit das Ausnützen des Gasdrucks bis auf den Umgebungsdruck. Es wird also kein Restgasdruck „verschenkt“ am Ende des Arbeitstaktes wie beim Kolbenmotor. Vom Jouleprozess unterscheidet er sich von der höheren Spitzentemperatur und damit vom höheren Spitzendruck.

Vergleichsprozess

pV-Humphrey-Kreisprozess

Der Humphreyprozess besteht aus vier Zustandsänderungen eines idealen Gases innerhalb eines geschlossenen Systems. Der Ladungswechsel bei getakteten Motoren wird nicht berücksichtigt.

Ts-Humphrey-Kreisprozess

Thermischer Wirkungsgrad

Humphrey-Cycle

Mit pulsierender Verbrennung ist bei gleicher thermischer Belastung des Materials eine höhere Maximaltemperatur und damit ein höherer Maximaldruck möglich, als bei kontinuierlicher Verbrennung. Der Humphreyprozess entspricht formal dem Carnot-Kreisprozess.

$ {\frac {T_{1}}{T_{2}}}={\frac {T_{4}}{T_{3}}}={\frac {T_{4}-T_{1}}{T_{3}-T_{2}}} $
$ \eta _{th\,\mathrm {Gleichraum\,Humphrey} }=1-{\frac {T_{1}}{T_{2}}} $

Die zweite Formel ergibt sich aus der Verwendung der Gleichung für die Temperaturänderung bei isentroper Kompression.

$ {\frac {T_{1}}{T_{2}}}={\bigg (}{\frac {p_{1}}{p_{2}}}{\bigg )}^{\frac {\kappa -1}{\kappa }} $
$ \eta _{th\,\mathrm {Gleichraum\,Humphrey} }=1-{\bigg (}{\frac {p_{1}}{p_{2}}}{\bigg )}^{\frac {\kappa -1}{\kappa }} $
$ \kappa $; Isentropenkoeffizient cp/cV des Arbeitsgases
$ p_{41} $; Anfangs- bzw. Enddruck
$ p_{2},T_{2} $; Verdichtungs- bzw. Staudruck und -temperatur
$ p_{3},T_{3} $; Maximaldruck und -temperatur nach isochorer Verbrennung
$ T_{4} $; Endtemperatur
$ T_{1} $; Anfangstemperatur bzw. Umgebungstemperatur

Die Druckzunahme p3-p2 und die Temperaturzunahme T3-T2 rechnen sich gleich wie beim Ottoprozess. Je höher der Isentropenkoeffizient und das Druckverhältnis (großer p3, kleiner p41), desto höher der Wirkungsgrad.

Literatur

Weblinks