Fullerene

Fullerene

Rotierende Struktur von C60
Ein Fußball als Modell für das C60-Fullerenmolekül
Netzwerk des C60-Fullerens

Als Fullerene (Einzahl: Fulleren) werden sphärische Moleküle aus Kohlenstoffatomen (mit hoher Symmetrie, z. B. Ih-Symmetrie für C60) bezeichnet, welche weitere Modifikationen des chemischen Elements Kohlenstoff (neben Diamant, Graphit, Kohlenstoffnanoröhren, und Graphen) darstellen.

Geschichte

Die erste Veröffentlichung zu Fullerenen erfolgte bereits im Jahr 1970 von dem japanischen Chemiker Eiji Ōsawa, der ihre Existenz theoretisch vorhersagte und berechnete.[1][2][3][4] Diese und folgende seiner Publikationen veröffentlichte er in japanischer Sprache, weswegen erst die 15 Jahre später am 14. November 1985 in der Zeitschrift Nature[5] erschienene Publikation der Forscher Robert F. Curl jr. (USA), Sir Harold W. Kroto (England) und Richard E. Smalley (USA) weltweite Aufmerksamkeit erlangte. Diese erhielten dafür 1996 den Nobelpreis für Chemie, während Osawa unberücksichtigt blieb.

Vor diesen Veröffentlichungen zu Fullerenen gab es einige zu "Hohlmolekülen", beispielsweise einen Artikel von David Jones im New Scientist 1966, nachgedruckt auch im Buch "Zittergas und schräges Wasser" (S. 27 f.), mit Rechnungen zur Stabilität von Hohlmolekülen, wobei die damals größten bekannten Moleküle nur Dodekaeder-Form hatten, also nur 20 Atome enthielten.

2010 wurden Fullerene durch Infrarotaufnahmen des Weltraumteleskops Spitzer im planetarischen Nebel Tc 1 nachgewiesen. Sie sind somit die größten nachgewiesenen Moleküle im extraterrestrischen Weltraum.[6]

Name

Die bekanntesten und stabilsten Vertreter der Fullerene haben die Summenformeln C60, C70, C76, C80, C82, C84, C86, C90 und C94. Das mit Abstand am besten erforschte Fulleren ist C60, das zu Ehren des Architekten Richard Buckminster Fuller Buckminster-Fulleren (auf englisch auch buckyball) genannt wurde, da es den von ihm konstruierten geodätischen Kuppeln ähnelt. Es besteht aus 12 Fünfecken und 20 Sechsecken, die zusammen ein Abgestumpftes Ikosaeder (Archimedischer Körper) bilden. Da ein Fußball dieselbe Struktur hat, wird es auch Fußballmolekül (footballen) genannt.

Herstellung

Erstmals wurde das C60-Fulleren von der schon erwähnten Forschergruppe (Harold Walter Kroto, Richard Erret Smalley, Robert Floyd Curl, James R. Heath und S. C. O‘Brien) 1985 hergestellt. In einer Heliumatmosphäre unter 10 bar Druck wurde eine sich drehende Graphitscheibe von einem pulsierenden Laser bestrahlt. Das Laserlicht hatte in dem Versuch eine Wellenlänge von 532 nm, mit dem innerhalb einer Bestrahlungszeit von 5 ns eine Energie von 30 bis 40 mJ übertragen wurde. Der Kohlenstoff des Graphits verband sich zu penta- und hexagonalen Ringstrukturen, die sich, nachdem sie von dem Helium aus dem Bestrahlungsraum hinausgetrieben worden waren, in einer Reaktionskammer unter anderem zu Fullerenen verbanden.[7]

Aufgrund der Ineffizienz des Verfahrens wurde 1990 von Konstantinos Fostiropoulos, Wolfgang Krätschmer und Donald Huffman ein neues Verfahren entwickelt.[8][9] Graphit wird unter reduziertem Druck in Schutzgasatmosphäre (Argon) mit einer Widerstandsheizung oder im Lichtbogen in einer Heliumatmosphäre verdampft. Der entstehende Ruß enthält bis zu 15 % Fullerene. Dieses Herstellungsverfahren ermöglichte erst die Forschung an Fullerenen im großen Maßstab.

Möglich ist auch die Herstellung unter ausschließlicher Verwendung rationaler Synthesen, wobei hier im letzten Schritt eine Flash-Vakuum-Pyrolyse erfolgt.[10] Die Ausbeute bei diesem Verfahren liegt allerdings nur bei etwa einem Prozent, weshalb es deutlich teurer als die Herstellung im Lichtbogen ist.

Man kann auch eine speziell präparierte Rußprobe mit Toluol im Soxhlet-Extraktor bei 110 °C extrahieren. Dabei entstehen Kohlenstoffcluster wie C2, C4 und C6, die bei Abkühlung wieder zu größeren Einheiten zusammentreten. Dabei ist C60 die am häufigsten auftretende Form, daneben findet man auch C70 und höhere Fullerene. Im Ruß, der nach Abkühlung zurückbleibt, werden die Fullerene, aber auch Kohlenstoff-Nanoröhren gefunden. Eine erste Abtrennung erfolgt mit Benzol, in dem sich Fullerene gut lösen, der restliche Ruß jedoch schlecht. Durch Chromatographie, z. B. an Aktivkohle und/oder Kieselgel, können die Fullerene aufgetrennt werden.

Die Fullerene C60 und C70 kommen natürlich in Shungit und Fulgurit vor.

Eigenschaften

Fullerene sind braun-schwarze Pulver von metallischem Glanz. Sie lösen sich in manchen organischen Lösungsmitteln (z. B. Toluol) unter charakteristischer Färbung. Fullerene lassen sich bei ca. 400 °C sublimieren.

[60]Fulleren in kristalliner Form

Verschiedene Möglichkeiten zur Verwendung als Katalysator, Schmiermittel, zur Herstellung künstlicher Diamanten, in der Medizin, als Halbleiter und Supraleiter sind Gegenstand der Forschung.

Einen Einsatz findet das C60-Molekül zum Beispiel in Anti-Aging-Cremes. Aufgrund der Bindungsverhältnisse im Molekül kann es extrem viele Radikale aufnehmen und binden (Radikalfänger). Diese sollen für den Alterungsprozess der Haut mitverantwortlich sein. Diese Wirkung von Fullerenen ist jedoch nicht wissenschaftlich belegt.

Die orale Gabe von C60 aufgelöst in Olivenöl (0,8 mg/ml) in wiederholten Dosen (1,7 mg/kg Körpergewicht) hat bei Ratten nicht nur keine chronische Giftigkeit zur Folge, sondern sie verdoppelt die Lebensdauer der Ratten nahezu.[11]

Nomenklatur

Lange Zeit weigerte sich die für verbindliche Empfehlungen zur Nomenklatur chemischer Verbindungen zuständige IUPAC, den Trivialnamen Fulleren anzuerkennen. Erst im Jahr 2002 änderte sie ihre Meinung und empfiehlt seitdem die Verwendung von Fulleran, Fulleren und Fulleroid. Das bedeutet eine erhebliche Erleichterung, denn bis dahin wäre der korrekte, das heißt IUPAC-konforme Name, z. B. des [60]Fullerens (C60), folgender gewesen:

Hentriacontacyclo[29.29.0.02,14.03,12.04,59.05,10.06,58.07,55.08,53.09,21.011,20.013,18.015,30.016,28.017,25.019,24.022,52.023.50.026,49.027,47.029,45.032,44.033,60.034,57.035,43.036,56.037,41.038,54.039,51.040,48.042,46]hexaconta-1,3,5(10),6,8,11,13(18),14,16,19,21,23,25,27,29(45),30,32(44),33,35(43),36,38(54),39(51),40(48),41,46,49,52,55,57,59-triaconten

Struktur und Stabilität

Konstruktion einer gewölbten Fläche durch Fünf- und Sechsecke

Viele Fullerene bestehen aus 12 Fünfecken, die von einer unterschiedlichen Anzahl an Sechsecken umgeben sind. Durch die Unmöglichkeit, eine Ebene mit regelmäßigen Fünfecken (und Sechsecken) vollständig zu bedecken, ergibt sich die sphärische Wölbung (siehe Bild rechts). Das kleinste Fulleren ist ein Dodekaeder, C20, und besteht nur aus pentagonalen Kohlenstoffringen.

C60 hat etwa den Durchmesser 7 Ångström, also 7 · 10−10 m[12]. Der Van-der-Waals-Durchmesser beträgt allerdings etwa 10 Ångström, also einen Nanometer oder 1 · 10−9 m. Die Masse des C60 Fullerens beträgt etwa 720 u, außerdem hat C60 Ikosaeder-Symmetrie. Die Fullerene mit mehr als 60 C-Atomen besitzen im Allgemeinen geringere Symmetrie, C70 etwa ist annähernd ein Ellipsoid mit D5h-Symmetrie.

Die Stabilität eines Fullerens ist dann am größten, wenn

  • die Fünfecke nicht aneinander grenzen, sondern nur von Sechsecken umgeben sind (Fünfeckregel, engl.: isolated pentagon rule, IPR),
  • der aromatische Charakter ausgeprägt ist (siehe Aromatizität, wobei hier allerdings die sog. sphärische Aromatizität[13] betrachtet werden muss), und
  • es eine magische Zahl (60, 70, 76 usw.) an C-Atomen besitzt

Fullerene sind eng verwandt mit Graphen, einer Modifikationen des Kohlenstoffs, bei der die C-Atome eine monomolekulare Schicht mit hexagonaler Struktur bilden.

Reaktionen von C60

Fullerene bieten drei Ansatzpunkte für chemische Modifikationen. Durch Additionsreaktionen an die Doppelbindungen erhält man exohedrale Addukte. Das Ersetzen von Kohlenstoffatomen aus der Käfighülle durch z. B. Stickstoffatome zum C59N bezeichnet man als substitutionelles Doping. Schließlich bieten derartige Käfigstrukturen noch die Möglichkeit, Atome oder Verbindungen in den Hohlraum einzubringen. Verbindungen dieser Art bezeichnet man als endohedrale Komplexe. Zur Kennzeichnung endohedraler Komplexe hat sich in der Literatur die Schreibweise X@Cn durchgesetzt, bei der sich ein Atom oder Cluster X im Inneren eines Fullerenkäfig aus n Kohlenstoffatomen befindet.

C60 besitzt einen Hohlraum mit einem Durchmesser von 700 pm, in den Metall- und Nichtmetallatome eingelagert werden können. Ein Beispiel ist die Einlagerungsverbindung des Heliums, die mit der Notation He@C60 korrekt bezeichnet wird. He@C60 entsteht, wenn Graphit in einer Helium-Atmosphäre verdampft wird.

Weiterhin kann C60 die für Aromaten aber auch Alkene typischen Reaktionen wie Hydrierung, Halogenierung, Ozonolyse und Birch-Reduktion eingehen. Jedoch findet in der Regel keine vollständige Umsetzung aller Doppelbindungen statt; nur mit Fluor kann die Zusammensetzung C60F60 erreicht werden.

Weitere interessante Verbindungen sind die ionischen Alkalimetall-Fulleride: C60 kann mit Natrium und Kalium reduziert werden. Dabei entstehen Verbindungen der Zusammensetzung MC60, M2C60 und M3C60 (M = Na, K). KC60 kristallisiert in der Natriumchlorid-Struktur. In K3C60 liegt das C603−-Anion vor und bildet eine kubisch-dichteste Kugelpackung, wobei die K+-Kationen alle vorhandenen Tetraeder- und Oktaeder-Lücken in der Kristallstruktur besetzen. K3C60 ist ein Supraleiter.

In der Gruppe von Anton Zeilinger an der Universität Wien (siehe Weblink) wurde die Interferenz von C60-Molekülen am Gitter beobachtet.[14] Damit wurden die von Louis de Broglie postulierten Materiewellen auch für relativ makroskopische Objekte gezeigt.

In der Arbeitsgruppe von Jochen Mattay an der Universität Bielefeld wurden weitreichende Untersuchungen über die Funktionalisierung der Fullerene zu Aza-Heterofullerenen gemacht.

Natürliches Vorkommen

Fullerene kommen in der Natur in bestimmten Kristallen vor. Am häufigsten im Shungit, dessen Name sich von seinem Fundort in der Nähe der Region Shunga im russischen Karelien ableitet.[15]

Literatur

  • Joachim Dettmann: Fullerene – Die Buckyballs erobern die Chemie. Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1994, ISBN 3-7643-2947-5.
  • Andreas Hirsch, Michael Brettreich: Fullerenes – Chemistry and Reactions. Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 3-527-30820-2.
  • Aurelio Mateo-Alonso, Dirk M. Guldi, Francesco Paolucci, Maurizio Prato: Fullerene: vielseitige Bausteine für molekulare Maschinen. In: Angewandte Chemie. 119, Nr. 43, 2007, ISSN 0044-8249, S. 8266–8272.
  • Karsten Strey: Die Welt der Fullerene. Lehmanns Media, Berlin 2009, ISBN 978-3-86541-321-5.

Weblinks

Commons: Fullerene – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eiji Osawa (大澤映二): Superaromaticity. In: 「化学」 (Kagaku). 25, 1970, S. 854–863 (Japanisch).
  2. Z. Yoshida, E. Osawa: Aromaticity. In: Kagaku Dojin. 22, 1971, S. 174–178 (Japanisch).
  3. István Hargittai: The Road to Stockholm: Nobel Prizes, Science, and Scientists Oxford University Press, 2002, ISBN 0-19-850912-X, S. 87
  4. D. B. Boyd, Z. Slanina: Introduction and foreword to the special issue commemorating the thirtieth anniversary of Eiji Osawa’s C60 paper. In: Journal of Molecular Graphics and Modelling. 19, Nr. 2, 2001, S. 181–184, doi:10.1016/S1093-3263(00)00106-6..
  5. H. W. Kroto, J. R. Heath, S. C. O’Brien, R. F. Curl, R. E. Smalley: C60: Buckminsterfullerene. In: Nature 318, 1985, S. 162–163. doi:10.1038/318162a0.
  6. Pressemitteilung des Jet Propulsion Laboratory (engl.).
  7. H. W. Kroto, J. R. Heath, S. C. O'Brien, R. F. Curl, R. E. Smalley: C60: Buckminsterfullerene. In: Nature. 318, Nr.6042, 1985, S. 162–163, DOI:10.1038/318162a0 (HTML).
  8. http://www.cumschmidt.de/sm_fullerene.htm.
  9. Wolfgang Krätschmer: The story of making fullerenes. In: Nanoscale. 3, 2011, doi:10.1039/C0NR00925C.
  10. Anke Krüger: Neue Kohlenstoffmaterialien. Vieweg+Teubner, 2007, ISBN 978-3-519-00510-0.
  11. The prolongation of the lifespan of rats by repeated oral administration of C60-fullerene
  12. H. W. Kroto, J. R. Heath, S. C. O'Brien, R. F. Curl, R. E. Smalley: C60: Buckminsterfullerene. In: Nature 318, 1985, S. 162, linke Spalte, doi:10.1038/318162a0.
  13. Andreas Hirsch, Zhongfang Chen, Haijun Jiao: Sphärische Aromatizität in Ih-symmetrischen Fullerenen: die 2(N+1)2-Regel. In: Angew. Chem.. 112, 2000, S. 4079–4081, doi:10.1002/1521-3757(20001103)112:21<4079::AID-ANGE4079>3.0.CO;2-H.
  14. Markus Arndt, Olaf Nairz, Julian Voss-Andreae, Claudia Keller, Gerbrand van der Zouw, Anton Zeilinger: Wave-particle duality of C60 molecules. In: Nature. 401, Nr. 6754, 1999, S. 680–682, doi:10.1038/44348 (PDF).
  15. Mineralienatlas: Shungit.

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