Essigsäureethylester

Essigsäureethylester

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Strukturformel
Strukturformel von Essigsäureethylester
Allgemeines
Name Essigsäureethylester
Andere Namen
  • Ethylacetat
  • Ethylethanoat (IUPAC)
  • Ethansäureethylester
  • Essigester
  • ESTP
  • Äthylacetat
Summenformel C4H8O2
CAS-Nummer 141-78-6
PubChem 8857
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit "fruchtigem" Geruch[1]

Eigenschaften
Molare Masse 88,11 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

0,894 g·cm−3 (25 °C)[2]

Schmelzpunkt

−83 °C[1]

Siedepunkt

77 °C[1]

Dampfdruck

98 hPa (20 °C)[1]

Löslichkeit

mäßig in Wasser (86 g·l−1 bei 20 °C)[1]

Brechungsindex

1,372[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
02 – Leicht-/Hochentzündlich 07 – Achtung

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225-319-336
EUH: 066
P: 210-​240-​305+351+338 [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [5] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
Leichtentzündlich Reizend
Leicht-
entzündlich
Reizend
(F) (Xi)
R- und S-Sätze R: 11-36-66-67
S: (2)-16-26-33
MAK

1500 mg·m−3[1]

LD50

5620 mg·kg−1 (Ratte, peroral)[6]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
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Essigsäureethylester, auch Ethylacetat oder Essigester ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Carbonsäureester. Es ist der Ester von Essigsäure und Ethanol. Die farblose Flüssigkeit ist ein charakteristisch „nach Klebstoff“ riechendes Lösungsmittel, das in der chemischen Industrie und in Laboratorien oft verwendet wird.

Herstellung

Eines der großtechnischen Herstellungsverfahren der chemischen Industrie beruht auf der säurekatalysierten Veresterung von Ethanol mit Essigsäure:

Herstellung von Ethylacetat aus Ethanol und Essigsäure

Diese Gleichgewichtsreaktion wird nach dem Prinzip von Le Chatelier (Massenwirkungsgesetz) durch fortlaufende Abtrennung des entstehenden Wassers oder kontinuierliches Abziehen des Esters auf die Seite der Produkte verlagert.

Steht Acetaldehyd ausreichend zur Verfügung, kann Essigsäureethylester mit Aluminiumalkoholat als Katalysator nach Claisen-Tiščenko aus diesem Vorprodukt hergestellt werden:

Herstellung von Ethylacetat aus Acetaldehyd

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Ethylacetat liegt unter Normalbedingungen als farblose, niedrigviskose und brennbare Flüssigkeit vor. Der Schmelzpunkt liegt bei −83 °C[1], wobei eine Schmelzenthalpie von 10,48 kJ·mol−1 realisiert wird.[7] Bei Normaldruck siedet die Verbindung bei 77 °C.[1] Die Verdampfungswärme beträgt am Siedepunkt 31,94 kJ·mol−1.[8] Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,22809, B = 1245,702 und C = −55.189 im Temperaturbereich von 289 K bis 349 K.[9] Die Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie lässt sich entsprechend der Gleichung ΔVH0=Aexp(−βTr)(1−Tr)βVH0 in kJ/mol, Tr =(T/Tc) reduzierte Temperatur) mit A = 54,26 kJ/mol, β = 0,2982 und Tc = 523,2 K im Temperaturbereich zwischen 298 K und 363 K beschreiben.[8]

Zusammenstellung der wichtigsten thermodynamischen Eigenschaften
Eigenschaft Typ Wert [Einheit] Bemerkungen
Standardbildungsenthalpie ΔfH0liquid
ΔfH0gas
−480,57 kJ·mol−1[10]
−445,43 kJ·mol−1 [10]
als Flüssigkeit
als Gas
Standardentropie S0liquid
S0gas
259,4 J·mol−1·K−1[11]
362,75 J·mol−1·K−1[12]
als Flüssigkeit
als Gas
Verbrennungsenthalpie ΔcH0liquid −2235,4 kJ·mol−1[13]
Wärmekapazität cp 168,94 J·mol−1·K−1 (25 °C)[2]
113,64 J·mol−1·K−1 (25 °C)[12]
als Flüssigkeit
als Gas
Kritische Temperatur Tc 523,2 K[8]
Kritischer Druck pc 38,82 bar[14]
Kritische Dichte ρc 3,497 mol·l−1[15]
Azentrischer Faktor ωc 0,36641[16]

In 100 ml Wasser lösen sich ca. 8 ml Essigsäureethylester bei 20 °C. Die Verbindung bildet mit Wasser und vielen organischen Lösungsmitteln azeotrope Gemische. Das Azeotrop mit Wasser enthält bei Normaldruck 8,43 % Wasser und siedet bei 70,38 °C.[17] Die Azeotropzusammensetzung und der Azeotropsiedepunkt ist druckabhängig. Mit sinkendem Druck sinkt der Wassergehalt im azeotropen Gemisch, sowie dessen Siedepunkt.[17]

Druckabhängigkeit der Azeotropzusammensetzung und des Azeotropsiedepunkts[17]
p in Torr 25 50 75 100 200 300 400 500 600 700 760 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500
x(H2O) in % 3,60 4,00 4,36 4,70 5,79 6,56 7,11 7,54 7,92 8,25 8,43 8,54 8,80 9,04 9,26 9,47 9,67 9,86 10,04
Tb in °C −1,89 10,0 17,4 23,0 37,6 46,8 53,8 59,4 64,1 68,2 70,4 71,8 75,1 78,2 81,0 83,5 85,9 88,2 90,3

wobei 1 Torr ≈ 133,322 Pa entspricht und 760 Torr in etwa der Normaldruck auf Meereshöhe ist.

Die azeotropen Zusammensetzungen und Siedepunkte mit weiteren organischen Lösungsmitteln finden sich in der folgenden Tabelle. Keine Azeotrope werden mit Toluol, Benzol, n-Propanol, n-Butanol, iso-Butanol, sec-Butanol, Aceton, 1,4-Dioxan, Methylacetat und Isopropylacetat gebildet.[18]

Azeotrope mit verschiedenen Lösungsmitteln[18]
Lösungsmittel n-Hexan Cyclohexan Methanol Ethanol 2-Propanol
Gehalt Ethylacetat in Ma% 38 54 56 69 75
Siedepunkt in °C 65 72 62 72 76
Lösungsmittel Chloroform Tetrachlorkohlenstoff Butanon Schwefelkohlenstoff Acetonitril
Gehalt Ethylacetat in Ma% 72 43 82 3 77
Siedepunkt in °C 78 75 77 46 75

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Ethylacetat bildet leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei −4 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 2 Vol% (73 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 12,8 Vol% (470 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[19] Eine Korrelation der Explosionsgrenzen mit der Dampfdruckfunktion ergibt einen unteren Explosionspunkt von −8 °C sowie einen oberen Explosionspunkt von 25 °C. Die Explosionsgrenzen sind druckabhängig. Eine Erniedrigung des Druckes führt zu einer Verkleinerung des Explosionsbereiches. Die untere Explosionsgrenze ändert sich bis zu einem Druck von 100 mbar nur wenig und steigt erst bei Drücken kleiner als 100 mbar an. Die obere Explosionsgrenze verringert sich mit sinkendem Druck analog.[20]

Explosionsgrenzen unter reduziertem Druck (gemessen bei 100 °C)[20]
Druck in mbar 1013 800 600 400 300 250 200 150 100 50 25
Untere Explosionsgrenze (UEG) in Vol% 1,7 1,8 1,8 1,8 1,9 1,9 2,0 2,1 2,2 2,8 3,5
in g·m−3 62 63 64 65 67 69 71 74 79 102 126
Obere Explosionsgrenze (OEG) in Vol% 12,8 12,6 12,2 11,8 11,6 11,6 11,6 11,4 11,4 9,9 8,1
in g·m−3 468 461 448 433 426 419 419 426 426 364 295

Die Sauerstoffgrenzkonzentration liegt bei 20 °C bei 9,8 Vol%.[19] Der maximale Explosionsdruck beträgt 9,5 bar.[19] Die Grenzspaltweite wurde mit 0,95 mm (50 °C) bestimmt.[19] Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA.[19] Mit einer Mindestzündenergie von 1,42 mJ sind Dampf-Luft-Gemische extrem zündfähig.[21][22] Die Zündtemperatur beträgt 470 °C.[19] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1. Die elektrische Leitfähigkeit liegt mit <1·10−7 S·m−1 im mittleren Bereich für flüssige Stoffe.[23]

Entsprechend den Gefahrgutvorschriften ist Ethylacetat der Klasse 3 (Entzündbare flüssige Stoffe) mit der Verpackungsgruppe II (mittlere Gefährlichkeit) zugeordnet (Gefahrzettel: 3).[1]

Verwendung

Essigsäureethylester

Essigsäureethylester ist ein vielseitig einsetzbares Lösemittel. Essigsäureethylester wird zur Extraktion von Antibiotika und zur Aromatisierung von Limonaden, Bonbons und Arzneimitteln verwendet. In Rum und einigen anderen Spirituosen ist es von Natur aus in geringen Mengen vorhanden. Auch im Wein kommt es in geringen Mengen vor, besonders wenn die Trauben durch Hagel oder Fäulnis geschädigt wurden; es verursacht dann einen Lösungsmittelton im Wein.

In Klebstoffen ist es eines der am häufigsten eingesetzten Lösungsmittel. In hoher Konzentration ist es ein Suchtgift, welches von sogenannten „Schnüfflern“ verwendet wird, um sich zu berauschen.

Aufgrund seiner starken Lösungskraft findet Essigsäureethylester auch als Bestandteil von Nagellackentfernern Verwendung.

In der Entomologie ist es das am häufigsten eingesetzte Tötungsmittel bei der Präparation von Insekten.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 Eintrag zu Ethylacetat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 30. Juni 2010 (JavaScript erforderlich).
  2. 2,0 2,1 Pintos, M.; Bravo, R.; Baluja, M.C.; Paz Andrade, M.I.; Roux-Desgranges, G.; Grolier, J.-P.E.: Thermodynamics of alkanoate + alkane binary mixtures. Concentration dependence of excess heat capacities and volumes in Can. J. Chem. 66 (1988) 1179–1186, doi:10.1139/v88-193.pdf
  3. CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification, Third Edition, 1984, ISBN 0-8493-0303-6.
  4. 4,0 4,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 141-78-6 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  5. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  6. Andrea Weber-Mußmann, in: Roempp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  7. Acree, W.E., Jr.: Thermodynamic properties of organic compounds: enthalpy of fusion and melting point temperature compilation in Thermochim. Acta 189 (1991) 37–56. doi:10.1016/0040-6031(91)87098-H
  8. 8,0 8,1 8,2 Majer, V.; Svoboda, V.: Enthalpies of Vaporization of Organic Compounds: A Critical Review and Data Compilation in Blackwell Scientific Publications, Oxford, 1985, 300.
  9. Polak, J.; Mertl, I.: Saturated Vapour Pressure of Methyl Acetate, Ethyl Acetate, n-Propyl Acetate, Methyl Propionate, and Ethyl Propionate in Collect. Czech. Chem. Commun. 30 (1965) 3526-3528.
  10. 10,0 10,1 Wiberg, K.B.; Crocker, L.S.; Morgan, K.M.: Thermochemical studies of carbonyl compounds. 5. Enthalpies of reduction of carbonyl groups in J. Am. Chem. Soc. 113 (1991) 3447-3450, doi:10.1021/ja00009a033.
  11. Parks, G.S.; Huffman, H.M.; Barmore, M.: Thermal data on organic compounds. XI. The heat capacities, entropies and free energies of ten compounds containing oxygen or nitrogen in J. Am. Chem. Soc. 55 (1933) 2733-2740, doi:10.1021/ja01334a016.
  12. 12,0 12,1 Stull D.R., Jr.: The Chemical Thermodynamics of Organic Compounds Wiley, New York, 1969.
  13. Butwill, M.E.; Rockenfeller, J.D.: Heats of combustion and formation of ethyl acetate and isopropyl acetate in Thermochim. Acta 1 (1970) 289-295,doi:10.1016/0040-6031(70)80033-8.
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  16. Schmidt, J.: Auslegung von Sicherheitsventilen für Mehrzweckanlagen nach ISO 4126-10 in Chem. Ing. Techn. 83 (2011) 796–812, doi:10.1002/cite.201000202.
  17. 17,0 17,1 17,2 Merriman, R.W.: The Azeotropic Mixtures of Ethyl Acetate, Ethyl Alcohol and Water at Pressures Above and Below the Atmospheric Pressure. Part 1 in J. Chem. Soc. Trans. 103 (1913) 1790–1801.
  18. 18,0 18,1 I.M. Smallwood: Handbook of organic solvent properties, Arnold London 1996, ISBN 0 340 64578 4, S. 227–229.
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 19,4 19,5 E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenndaten – Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase, Wirtschaftsverlag NW – Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven 2003.
  20. 20,0 20,1 Pawel, D.; Brandes, E.: Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben Abhängigkeit sicherheitstechnischer Kenngrößen vom Druck unterhalb des atmosphärischen Druckes, Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Braunschweig, 1998. pdf-Datei
  21. Fenn, J.B.: Lean flammability limit and minimum spark ignition energy in Ind. Eng. Chem. 43 (1951) 2865-2869.
  22. Calcote, H.F.; Gregory, C.A.; Barnett, C.M.; Gilmer, R.B.: Spark Ignition - Effect of Molecular Structure in Ind. Eng. Chem. 44 (1952) 2656-2662.
  23. Technische Regel für Betriebssicherheit - TRBS 2153, BG RCI Merkblatt T033 Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen, Stand April 2009, Jedermann-Verlag Heidelberg. Anhang H.