Tetryzolin

Tetryzolin

Strukturformel
Struktur der Tetryzolin-Enatiomere
(R)-Form (links) und (S)-Form (rechts), 1:1-Stereoisomerengemisch
Allgemeines
Freiname
  • Tetryzolin
Andere Namen
  • Tetrahydrozolin
  • 2-(1,2,3,4-Tetrahydronaphthalin-1-yl)-2-imidazol[1][2]
  • 2-Tetralin-1-yl-4,5-dihydro-1H-imidazol
  • 2-[(1RS)(1,2,3,4-Tetrahydronaphthalin-1-yl]-4,5-dihydro-1H-imidazol
  • 2-(1,2,3,4-Tetrahydro-1-naphthyl)-imidazolin[3]
  • 4,5-dihydro-2-(1,2,3,4-Tetrahydro-1-naphthyl)-1H-imidazolin[4]
Summenformel C13H16N2
CAS-Nummer
PubChem 5419
ATC-Code

R01AA06, R01AB03, S01GA02, S01GA52

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Sympathomimetikum

Wirkmechanismus

α1-Adrenozeptor-Agonist

Verschreibungspflichtig: nein
Eigenschaften
Molare Masse
Schmelzpunkt
Löslichkeit

Hydrochlorid:

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [7]

Hydrochlorid

07 – Achtung

Achtung

H- und P-Sätze H: 302-315-319-335
P: 261-​305+351+338 [7]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [8][5]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 22
S: 36/37
LD50
  • 335 mg·kg−1 (Maus p.o.)[9]
  • 252 mg·kg−1 (Maus s.c.)[9]
  • 48,1 mg·kg−1 (Maus i.v.)[10]

Hydrochlorid:

  • 785 mg·kg−1 (Ratte p.o.)[5]
  • 35 mg·kg−1 (Ratte i.v.)[4]
  • 345 mg·kg−1 (Maus p.o.)[4]
  • 39 mg·kg−1 (Maus i.v.)[4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Tetryzolin ist eine chemische Verbindung, die schleimhautabschwellend und blutgefäßverengend wirkt. Sie dient als Arzneistoff zur Abschwellung der Schleimhaut bei Augenreizungen und Schnupfen (Rhinitis). Tetryzolinhydrochloridlösung wird örtlich in Form von Augentropfen, Nasentropfen oder Nasenspray angewendet.

Pharmakologie

Tetryzolin ist ein Sympathomimetikum und wirkt auf α-Adrenozeptoren des sympathischen Nervensystems. Es resultieren Vasokonstriktion und Schleimhautabschwellung.[11] Die Wirkung auf β-Adrenozeptoren ist schwach ausgeprägt. Die Wirkung an der Bindehaut tritt nach wenigen Minuten ein und hält 4 bis 8 Stunden an. Tetryzolin wird bei lokaler, sachgemäßer Anwendung und intaktem Epithel in der Regel nur wenig resorbiert. Im Gegensatz zu Phenylephrin wurde auch nach wiederholter Anwendung keine[12][13] bzw. nur eine geringfügige[14] Pupillenerweiterung beobachtet.

Klinische Informationen

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Tetryzolin ist angezeigt zur Schleimhautabschwellung bei nichtinfektiösen Konjunktividen (z. B. Reizungen durch Wind, Rauch, gechlortes Wasser oder allergische Reizung) sowie bei Schnupfen, Heuschnupfen und Sinusitis. Es wurde außerdem eine vorübergehende Verbesserung der sympathischen Ptosis (Hängelid) beobachtet.[15]

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Als unerwünschte Wirkungen können häufig (bei 1–10 % der Behandelten) eine vermehrte Durchblutung der Schleimhaut am Anwendungsort (Blutfülle, reaktive Hyperämie), Schleimhautbrennen und Schleimhauttrockenheit auftreten. Systemische Wirkungen können sich in Form von z. B. Herzklopfen, Kopfschmerzen, Zittern, Schwäche, Schwitzen und Blutdruckanstieg äußern.[16] Bei der Verwendung von Nasentropfen und -sprays über einen längeren Zeitraum wurden häufig langwierige Nasenverstopfungen (Rhinitis medicamentosa, „Medikamentenschnupfen“) beobachtet.

Insbesondere bei Kleinkindern besteht auch bei vorschriftsmäßiger Dosierung die Gefahr, dass erhebliche Effekte auf das zentrale Nervensystem wie Unruhe, Krämpfe, Atemdepression oder Kreislaufkollaps auftreten können. Diese unerwünschten Wirkungen werden unter anderem durch die durchlässige Blut-Gehirn-Schranke in diesem Alter begünstigt.[17]

Missbrauch

Bei chronischer Anwendung als Nasenspray kann es durch die hypoxämische Schädigung des Gewebes zur nekrotischen Zerstörung der Nasenschleimhaut kommen (Rhinitis sicca).[17]

Chemische und pharmazeutische Informationen

Tetryzolin ist chiral und besitzt an der 1-Position des Tetralin-Gerüsts ein asymmetrisch substituiertes Kohlenstoff-Atom. Es kann daher als (R)- oder (S)-Enantiomer vorliegen. Arzneilich verwendet wird das Racemat, meist in Form des wasserlöslichen Tetryzolin-Hydrochlorids, seltener als Tetryzolin-Phosphat.

Tetryzolin ist nicht verschreibungspflichig.

Handelsnamen

Monopräparate

Azolin (IL), Berberil N, Burnil (TR) Caltheon (D), Constrillia (F) Diabenyl T, Exrhinin, Eyesine (USA), Ischemol (I), Murine Tears Plus (USA), Narbel (J), Nasin (IL), Oftan-Starine (FIN), Ophtalmin-N, Rhinopront Top (D), Stilla (IL), Tetrilin, Tinarhinin (D), Vasopos N, Typinal (IL), Tyzine (USA), Vidiseptal EDO Sine, Visine (USA), Visine Yxin (D)

Kombinationspräparate

Allergopos N, Collypan (CH), Collyrium (USA), Efemolin (D, CH), Spersallerg (CH)

Rechte

Am 7. Januar 1956 ließ sich das Unternehmen Sahyun Labs mehrere Syntheserouten für Imidazolin-Derivate im US-Patent 2731471[3] sichern, darunter auch Tetryzolin (Spalte 3, Example 2) und Tetryzolin-Hydrochlorid (Spalte 2, Example 1). Die Verwendung als Beruhigungsmittel in der Veterinärmedizin schützte sich am 8. Juli 1958 die Pfizer Inc. durch das US-Patent 2842478.[18]

Einzelnachweise

  1. WHO INN-Vorschlag: WHO Chronicle, Vol. 12, No. 3, März 1958, S. 109.
  2. WHO INN-Empfehlung: WHO Chronicle, Vol. 13, No. 12, Dezember 1959, S. 474.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 US Patent 2731471
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernhard Kutscher, Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances: Systheses, Patents, Applications of the most relevant APIs. 5. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 3-13-558405-4, S. 1358.
  5. 5,0 5,1 5,2 Datenblatt Tetryzoline Hydrochloride CRS beim EDQM, abgerufen am 15. Februar 2011.
  6. 6,0 6,1 The Merck Index. 13. Edition.
  7. 7,0 7,1 Datenblatt Tetrahydrozoline hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 24. April 2011.
  8. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  9. 9,0 9,1 Arzneimittel-Forschung. Drug Research. Vol. 12, 1962, S. 971.
  10. Drugs in Japan Vol. -, 1990, S. 699.
  11. E. Mutschler, G. Geisslinger, H. K. Kroemer, P. Ruth, M. Schäfer-Korting: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2008, ISBN 3-8047-1952-X. S. 377.
  12. Grossmann, E. E., R. H. Lehman: Ophthalmic use of Tyzine. In: Amer. J. Ophthalmol. Nr. 42, 1956, S. 121.
  13. Menger, H. C.: New ophthalmic decongestant, Tetrahydrozoline hydrochloride. In: J. Amer. Med. Assoc. Nr. 170, 1959, S. 178.
  14. Neuhann, W.: Erfahrungen mit Tetryzolin-Augentropfen bei Haftschalenträgern. In: Ther. Gegenw. Nr. 104, 1965, S. 1506.
  15. G. Duncker, K. F. Manthey: Tetryzolin-Augentropfen bei sympathischer Ptosis. In: Khn. Mbl. Augenheilk. Nr. 182, 1983, S. 164—165
  16. Fachinformation Visine Yxin, Stand November 2009.
  17. 17,0 17,1 C.-J. Estler und H. Schmidt (Hrsg.): Pharmakologie und Toxikologie. 6. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7945-2295-8, S. 130.
  18. US-Patent 2842478.

Weblinks

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