Tetraethylblei

Tetraethylblei

Strukturformel
Struktur von Tetraethylblei
Allgemeines
Name Tetraethylblei
Andere Namen
  • Bleitetraethyl
  • TEL
  • Bleitetraäthylen (veraltet)
  • Tetraethylplumban
Summenformel C8H20Pb
CAS-Nummer 78-00-2
PubChem 6511
Kurzbeschreibung

farblose, leicht bewegliche, süßlich riechende, giftige Flüssigkeit[1]

Eigenschaften
Molare Masse 323,45 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,65 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

−136 °C[2]

Siedepunkt

180 °C[2]

Dampfdruck

35 Pa (20 °C)[2]

Löslichkeit
  • unlöslich in Wasser[1]
  • gut in vielen organischen Lösungsmitteln[1]
Brechungsindex

1,519 bei 20 °C[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
06 – Giftig oder sehr giftig 08 – Gesundheitsgefährdend 09 – Umweltgefährlich

Gefahr

H- und P-Sätze H: 360Df-330-310-300-373-410
P: 201-​260-​264-​273-​280-​284Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [5] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [4]
Sehr giftig Umweltgefährlich
Sehr giftig Umwelt-
gefährlich
(T+) (N)
R- und S-Sätze R: 61-26/27/28-33-62-50/53
S: 53-45-60-61
MAK

0,05 g·m−3[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
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Tetraethylblei (TEL von engl. Tetra-ethyl lead) zählt zu den organischen Bleiverbindungen, einer Unterklasse der Organometallverbindungen. Große Bedeutung erlangte es als Antiklopfmittel für Ottokraftstoffe. Aufgrund seiner Giftigkeit wird es hierfür seit Anfang der 1990er Jahre nur noch in Ausnahmefällen verwendet. Als Alternative kann MTBE (Methyl-tert-butylether) oder ETBE (Ethyl-tert-butylether) verwendet werden.

Geschichte

Im ersten Weltkrieg hatte die Militärfliegerei einen stürmischen Aufschwung genommen; viele Staaten hatten Militärflugzeuge bauen lassen und Luftwaffen aufgebaut, zum Beispiel

  • Luftstreitkräfte (Deutsches Kaiserreich)
  • Royal Air Force
  • Französische Luftstreitkräfte

Wer die schnelleren Flugzeuge hatte, hatte Luftüberlegenheit und konnte leichter die Lufthoheit erlangen bzw. verteidigen. Während des Krieges wurden ständig neue Rekorde (z. B. Höhe, Geschwindigkeit) aufgestellt. Die Nachfrage nach hochwertigem Flugbenzin war hoch.

Die Erstsynthese von Tetraethylblei war bereits 1854 gelungen, die kommerzielle Nutzung begann im Jahr 1921, als Thomas Midgley (General Motors) seine Wirkung als Antiklopfmittel entdeckte.

Da TEL auch durch die Haut resorbiert und akkumuliert wird, wurden viele Mitglieder des Forschungsteams vergiftet (unter anderem auch Midgley selbst), und Dutzende starben schließlich daran. 1924 gründeten Standard Oil Company of New Jersey und General Motors die Ethyl Gasoline Corporation, um die in den USA bestehenden Patente zur Herstellung und Verwendung zu kontrollieren und TEL ausschließlich in den USA zu produzieren.[6]

Die I.G. Farben erwarben nach langwierigen Verhandlungen und trotz Einspruchs der US-Regierung 1935 von Standard Oil, mit denen sie beim Synthetischen Benzin zusammenarbeiteten, eine Lizenz zur Herstellung von Bleitetraethyl, um damit hochoktanigeres Flugbenzin herstellen zu können. Nach Gründung der Ethyl GmbH wurden zwei TEL-Anlagen gebaut und mit der Regierung am 10. Juni 1936 ein Flugbenzinvertrag geschlossen.[7] Eine dieser TEL-Anlagen für die jährliche Produktion von 1200 Tonnen entstand in Gapel, die andere 1938/39 für 3600 Tonnen in Frose.

In den USA wurde während des Zweiten Weltkriegs nach Entwicklung des hochwertigen und weit weniger giftigen Isooctans aus Crackgasen die Verwendung von TEL für Flugbenzin zugunsten von Isooctan eingeschränkt.

In den USA begann die Environmental Protection Agency 1972 mit einer Kampagne, um TEL schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen. Dies dauerte 10 Jahre (1976 bis 1986). 1994 bewies eine Studie, dass die Bleikonzentration im Blut von 1978 bis 1991 um 78 Prozent gesunken war.

Um ehemals die 94 ROZ von Superbenzin zu erreichen, waren ca. 0,85 g/L Zugabekonzentration[8] notwendig. Ab Mitte der 80er Jahre wurde bleifreies Benzin nach und nach an immer mehr Tankstellen in Deutschland angeboten, zunächst parallel zu herkömmlichen verbleiten Kraftstoffen. Mit fortschreitender Verbreitung von Katalysatoren, die auf „bleifreies“ Benzin angewiesen sind, war es nach einigen Jahren praktisch überall verfügbar. Siehe auch Benzinbleigesetz (BzBlG) vom 5. August 1971.[9]

In der Europäischen Union wurde verbleites Benzin am 1. Januar 2000 endgültig aus dem Verkehr gezogen. Etwa seit dem Jahr 2001 sind auch chinesische Tankstellen „bleifrei“. Für ältere Fahrzeuge, deren Motoren bauartbedingt Tetraethylblei benötigen, sind heute Bleizusätze separat im Handel erhältlich. Bleihaltiges Benzin für den Straßeneinsatz wird (Stand Juni 2011) noch in sechs Ländern verkauft.[10]

Obwohl verbleites Benzin schon in der ersten Hälfte der 1990er Jahre aus Nordamerika verbannt wurde, gibt noch immer Auswirkungen auf die Umwelt, die sich auf die hohe Konzentration von Blei zurückführen lassen. Experten raten beispielsweise Eltern in betroffenen Regionen (z. B. auf Altlastenflächen), ihre Kinder nicht draußen spielen zu lassen.

Gewinnung und Darstellung

TEL wird durch Reaktion von Chlorethan mit einer Natrium-Blei-Legierung (Verhältnis Na:Pb = 4:1) hergestellt:

$ \mathrm {4\ CH_{3}CH_{2}Cl+4\ Na+Pb\longrightarrow Pb(CH_{2}CH_{3})_{4}+4\ NaCl} $
Chlorethan reagiert mit Natrium und Blei zu TEL und Kochsalz.

Eine Alternative ist die elektrochemische Herstellung über die Grignard-Verbindung C2H5MgCl als Zwischenstufe mit folgender Gesamtreaktion:

$ \mathrm {4\ CH_{3}CH_{2}Cl+2\ Mg+Pb\longrightarrow Pb(CH_{2}CH_{3})_{4}+2\ MgCl_{2}} $

Die erste Anlage hierzu wurde in Freeport/USA mit einer Gesamtkapazität von 17000 t Bleitetraethyl pro Jahr entwickelt.[11]

Die Verbrennung im Motor

Eine bemerkenswerte Eigenschaft von TEL ist die Schwäche der C-Pb-Bindungen. Bei den hohen Temperaturen in Verbrennungsmotoren zerfällt Pb(CH2CH3)4 teilweise in Pb(CH2CH3)3 und Ethylradikale. Diese Radikale fangen die bei der thermischen Zersetzung des Ottokraftstoffes im Zylinder entstehenden Kraftstoffradikale ab (Scavenger oder Radikalfänger) und verhindern so eine vorzeitige Verbrennung des Luft-Brennstoff-Gemisches.

Die übrigen Pb(CH2CH3)4-Moleküle verbrennen gemäß folgender Gleichung:

$ \mathrm {Pb(CH_{2}CH_{3})_{4}+13\ O_{2}\longrightarrow 8\ CO_{2}+10\ H_{2}O+Pb} $
TEL und Sauerstoff reagieren zu Kohlendioxid, Wasser und Blei.
$ \mathrm {2\ Pb+O_{2}\longrightarrow 2\ PbO} $
Blei reagiert mit Sauerstoff zu Blei(II)-oxid.

Als Reaktionsprodukte bleiben Blei und Blei(II)-oxid zurück. Um eine Ablagerung dieser Stoffe und eine damit verbundene Schädigung des Motors zu verhindern, wird dem Kraftstoff 1,2-Dibromethan oder 1,2-Dichlorethan zugesetzt. Das sich bildende Bleibromid bzw. Bleichlorid ist bei den Verbrennungstemperaturen im Motor flüchtig und wird daher mit den Abgasen ausgestoßen. Über diesen Weg gelangte das Blei direkt in die Umwelt. Zudem sind 1,2-Dibromethan und 1,2-Dichlorethan selbst giftige Substanzen.

Löslichkeit

Da die vier Ethylgruppen tetraedrisch um das Bleiatom angeordnet sind, fallen der positive (Pb) und die addierten negativen Ladungsschwerpunkte (C2H5) zusammen. Da das Molekül zudem ungeladen ist, ist es unpolar und somit lipophil (fettliebend) und hydrophob (wasserabweisend). Daraus resultieren seine gute Löslichkeit in öligen und sehr schlechte Löslichkeit in polaren Lösungsmitteln, zum Beispiel Wasser.

Verwendung

Tetraethylblei ist als Antiklopfmittel bei Flugbenzin (AvGas) noch im Einsatz.

Sicherheitshinweise

TEL ist giftig (MAK 0,05 ppm) und wirkt auf das Zentralnervensystem. Die Toxizität wird auf Ethyl-Radikale zurückgeführt, die beim Abbau der Verbindung entstehen. TEL ist möglicherweise krebserregend.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Roempp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Eintrag zu Tetraethylblei in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 28.12.2007 (JavaScript erforderlich)
  3. 3,0 3,1 Datenblatt Tetraethyllead bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 24. April 2011.
  4. 4,0 4,1 Nicht explizit in EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) gelistet, fällt aber dort mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Sammelbegriff „Bleialkyle“; Eintrag aus der CLP-Verordnung zu Bleialkyle in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. April 2012 (JavaScript erforderlich) Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „CLP_530016“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  5. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  6. Standard Oil Fuels World War II
  7. Rainer Karlsch, Raymond G. Stokes: „Faktor Öl“. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–1974. C. H. Beck, München, 2003, ISBN 3-406-50276-8, S. 187.
  8. Antiklopfmittel
  9. www.gesetze-im-internet.de (pdf, 4 Seiten)
  10. Countries where Leaded Petrol is Possibly Still Sold for Road Use
  11. Wolfgang-Dieter Luz, Eberhard Zirngiebl: Die Zukunft der Elektrochemie. In: Chemie in unserer Zeit. Jg. 23, Nr. 5, 1989, ISSN 0009-2851, S. 155–160, doi:10.1002/ciuz.19890230503.

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