Talg

Talg

Dieser Artikel beschreibt das Körperfett von Wiederkäuern. Für das ebenfalls Talg genannte viskose Hautfett, siehe Talgdrüse. Beides ist nicht zu verwechseln mit dem Mineral Talk.

Talg (lat. Sebum, auch Ungel, Unschlitt oder Inselt) ist aus geschlachteten Wiederkäuern gewonnenes festes Körperfett. Es handelt sich um eine feste, gelblich-weiße Masse, die hauptsächlich Triglyceride mit gesättigten Fettsäure-Resten gerader Anzahl von Kohlenstoff-Atomen enthält. Es kommen jedoch auch veresterte Fettsäuren mit ungerader C-Zahl wie die Pentadecansäure (C15) und die Margarinsäure (C17) in den Triglyceriden vor.

Die größte wirtschaftliche Bedeutung hat Rindertalg, das nahezu den gesamten Talgbedarf deckt. Geringere Mengen anderer Talgsorten wie etwa Hammeltalg oder Hirschtalg können jedoch ebenfalls Verwendung finden.

Herstellung

Talg wird durch das Schmelzen von Rind- oder Hammelschlachtteilen gewonnen. Das durch das Schmelzen von Schweine- und Gänsefleisch gewonnene Fett hat einen niedrigeren Schmelzpunkt und wird Schmalz genannt.

Verwendung

Ernährung und Futtermittel

Aufgrund des hohen Schmelzpunktes und neuerdings auch aufgrund seines Cholesteringehalts wird Talg eher selten zu Speisezwecken eingesetzt. Der aus dem Fettgewebe um die Nieren von Rindern und Schafen gewonnene Nierentalg (englisch suet) ist jedoch für das Kochen und Backen geeignet und wird insbesondere in der traditionellen britischen und amerikanischen Küche verwendet. In Belgien werden Pommes frites traditionell in Rindernierenfett frittiert. Feintalg wird aus frischen Rohmaterialien vorsichtig geschmolzen und gereinigt und ist auch unter der Bezeichnung Premier Jus im Handel erhältlich. Die ursprünglich hauptsächlich aus Talg gewonnene Margarine wird inzwischen meist aus pflanzlichen Ölen hergestellt. Auch als Vogelfutter (etwa in Meisenknödeln) wird Talg verwendet.

Industrielle Nutzung

Unter Verwendung von Talg werden Seifen, Lippenstifte, Haarwaschmittel, Rasiercremes und andere Kosmetika hergestellt. Hirschtalg wird als Creme verwendet, die das Wundwerden von Hautstellen verhindert. Wachspapiere, Pastellstifte und Radiergummis werden durch Talg geschmeidig gehalten. Für die Kerzenproduktion werden neben dem traditionellen Bienenwachs auch pflanzliche Fette und Talg verwendet (Stearin), heute werden Kerzen jedoch meist aus dem günstigeren, erdölbasierten Paraffin hergestellt.

Eine der wichtigsten Verwendungen ist die Herstellung von Ölsäure für die Oleochemie über eine Hydrolyse und anschließende Kristallisation aus Talg gewonnen. Durch diesen Prozess können Konzentrationen von etwa 70 % gewonnen werden, die als Olein bezeichnet werden.[1] Ölsäure kommt als Bestandteil der entsprechenden Triglyceride in fast allen natürlichen (pflanzlichen und tierischen) Ölen und Fetten vor, Rindertalg besitzt einen Anteil von 26–45 % und Hammeltalg sogar 31–56 %.[2] Neben Ölsäure können in diesem Gemisch Palmitoleinsäure, Linolsäure und weitere ungesättigte und gesättigte Fettsäuren enthalten sein.[3] Talg kann durch Umesterung auch als Grundstoff für die Herstellung von Biodiesel dienen, wird jedoch nur sehr selten verwendet.

Weitere Verwendungszwecke von Talg im industriellen Bereich sind Verwendungen als Gleit- und Schmiermittel bei allgemeinen Schlosserarbeiten, Montagen, Gewindeschneiden und anderen Arbeiten. Schrauben, die bei der Montage unter Wasser mit Inselt geschmiert und konserviert wurden, lassen sich meist sogar nach Jahrzehnten problemlos lösen. Wasserturbinenteile wurden/werden zu Dichtzwecken und Korrosionsvermeidung mit erhitztem Talg (Unschlitt) beschichtet. Im 19. Jahrhundert wurde eine Mischung aus Bienenwachs und Unschlitt für die Abdichtung und Konservierung von Gewehrpatronen verwendet (Fettauche).

Die Kerben im Sattel von Saiteninstrumenten werden von ihren Benutzern gerne mit Talg geschmiert, um ein problemloses Gleiten der Saiten im Steg zu ermöglichen. Dies gilt sowohl für klassische Instrumente, wie auch für moderne Elektrogitarren und -bässe. Auch fetten manche Musiker für das Spiel durch Zupfen und Anschlagen der Saiten ihrer Instrumente ihre Fingerkuppen mit Talg ein. Dies schont die Fingerkuppen und ermöglicht ein leichteres Spiel. Sogar als Material der bildenden Kunst wurde Talg im 20. Jahrhundert verwendet; am prominentesten im Werk von Joseph Beuys, dessen Fettecke zu einer Ikone der modernen Kunst wurde.

Geschichte

Schon in frühen Kulturen wurde Talg zur Herstellung von Seifen und Salben benutzt. In der Seefahrt war Talg für das Geschmeidighalten der Takelage unverzichtbar; die Takler führten ihn stets in einem Splisshorn mit sich. Auch für Schuhwichse und als Schmierstoff (bei Kutschen und anderen Geräten) wurde jahrhundertelang Talg verwendet.

Talg wurde seit dem Mittelalter von den Bergleuten als Brennstoff für ihre Grubenlampen benutzt. Auch das in den Weltkriegen in Schützengräben und in Bombennächten eingesetzte Hindenburglicht war eine Talglampe.

Im 19. Jahrhundert wurde die Talgverarbeitung durch zunehmende Bedeutung von Hygieneprodukten und die Ausweitung der Produktion von Stearinkerzen zu einem industriellen Gewerbe, in dessen Rahmen weltweit mit Talg gehandelt wurde.

Herstellung

Bis zum 19. Jahrhundert, teilweise bis in das 20. Jahrhundert, wurde Talg handwerklich in Kleinbetrieben aus Schlachtabfällen hergestellt. Zum Ausschmelzen des Talges erhitzte man die zerkleinerte Rohmasse mit Wasser, bisweilen unter Zusatz von etwas Schwefelsäure auf freiem Feuer oder unter Einleiten von Dampf.

Industriell wurden seit dem 19. Jahrhundert zunächst ausschließlich doppelwandige, oben geschlossene Kessel benutzt, aus denen die übel riechenden Dämpfe in einen hohen Schornstein oder in die Feuerung eingeleitet wurden. Das ausgeschmolzene und von den Grieben abgeseihte Fett bildete für sich bereits eine Handelsware (roher Talg), die aber für die Herstellung von Kerzen und Seifen nicht rein genug war, sondern einem nochmaligen Läuterungsverfahren unterzogen wurde (geläuterter Talg).

Historischer Handel

Unschlitthaus in Nürnberg

Die Hauptmenge des in Deutschland gewonnenen Talges ging von den Fleischern und Schlachthöfen direkt an die Seifensieder. Importware hoher Qualität stammte aus Polen, Holland, Dänemark und Russland. Der größte Teil der Handelsware stammte aus Russland, wobei der Schaftalg mehr aus dem Süden vom Schwarzen Meer her, der Rindertalg hauptsächlich aus den inneren und nördlichen Provinzen von Archangelsk und Sibirien über Petersburg und andere westliche Häfen importiert wurde. Zur Verpackung dienten Ende des 19. Jahrhunderts typischerweise Holzfässer, die beim weißen Talg die eigenartige Form eines abgestumpften Kegels mit Bodenflächen von 75 und 45 cm Durchmesser zeigten. Die vielfach übliche Lagerung der Fässer auf freiem Deck ohne Schutz vor der Sonne war für die Haltbarkeit von Nachteil. Für die aus dem Inneren kommenden Sendungen bestanden in Petersburg besondere Warenhäuser, in denen Sachverständige die Waren prüften, sortierten und mit einem Wertstempel versahen. Die große Talgproduktion Australiens und Argentiniens ging größtenteils nach England.

Sorten

Nach der Farbe ließ sich weißer Hammeltalg von gelbem Rindertalg unterscheiden. Hammeltalg ist etwas härter und spröder, wird aber leichter gelb und ranzig als der weiche und schlüpfrige Rindertalg.

Wichtiger war die Unterscheidung nach der Verwendung in Lichtertalg und Seifentalg:

  • Der wertvollere Lichtertalg, der die reinere, hellere und härtere Ware umfasste, wurde eingeteilt in die Sorten gelber Lichtertalg aus nahezu reinem Rindertalg und weißer Lichtertalg (dessen beste Qualitäten aus Woronesch stammten).
  • Seifentalg umfasste den gewöhnlichen Talg und die bessere Sorte sibirischer Seifentalg.

Der Wert des Talges wurden nach dem Erstarrungspunkt der Fettsäuren (dem so genannten Talgtiter) bemessen.

Außer zur Herstellung von Kerzen und Seifen fand Talg bei der Lederbearbeitung und als Schmiermittel ausgedehnte Anwendung. Der von Apothekern zu Pflastern und Salben benutzte Talg wurde jedoch nicht dem Handel entnommen, sondern aus frischem Rohstoff ausgeschmolzen.

Siehe auch

  • Unschlittplatz

Literatur

Der Abschnitt Geschichte basiert auf einem Text aus Merck’s Warenlexikon.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Talg – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Stichwort „Oleic Acid“ In: Hans Zoebelein (Hrsg.): Dictionary of Renewable Ressources. 2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim und New York 1996; Seite 92. ISBN 3-527-30114-3.
  2. Heinrich Heydt, in: Roempp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  3. Stichwort „Olein“ In: Hans Zoebelein (Hrsg.): Dictionary of Renewable Ressources. 2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim und New York 1996; Seite 92. ISBN 3-527-30114-3.