Sassolin

Sassolin

Sassolin
Sassolite.jpg
Sassolin (weiß) mit Überzug aus gediegenem Schwefel (gelb)
Chemische Formel

B(OH)3[1] bzw. H3[BO3][2]

Mineralklasse Borate (ehemals Oxide und Hydroxide, siehe Klassifikation)
6.AA.05 (8. Auflage: IV/F.01) nach Strunz
24.03.01.01 nach Dana
Kristallsystem triklin
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin triklin-pinakoidal, 1[3]
Raumgruppe (Raumgruppen-Nr.) P1 (Raumgruppen-Nr. 2)
Farbe farblos (weiß); durch Verunreinigungen auch gelb bis braun
Strichfarbe weiß
Mohshärte 1
Dichte (g/cm3) gemessen: 1,46 bis 1,50 ; berechnet: 1,562[4]
Glanz Glasglanz, Perlmuttglanz auf Spaltflächen
Transparenz durchsichtig
Bruch
Spaltbarkeit vollkommen nach {001}
Habitus tafelig als pseudohexagonale Plättchen, sehr selten nadelig
Häufige Kristallflächen {001}
Zwillingsbildung häufig, Zwillingsachse [001]
Kristalloptik
Brechungsindex nα = 1,340
nβ = 1,456
nγ = 1,459[5]
Doppelbrechung
(optischer Charakter)
δn = 0,1190[5] ; zweiachsig negativ
Optischer Achsenwinkel 2V = 16,2° (berechnet); 5° (gemessen)[5]
Weitere Eigenschaften
Schmelzpunkt 171 °C
Chemisches Verhalten Leicht löslich in Wasser
Ähnliche Minerale Behoit, Klinobehoit, Borax, Kernit, Metaborit
Besondere Kennzeichen manchmal fluoreszierend, „fruchtschädigend“ und „Fruchtbarkeit beeinträchtigend“

Sassolin ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Borate (ehemals Oxide und Hydroxide, siehe Klassifikation). Es kristallisiert im triklinen Kristallsystem mit der Zusammensetzung B(OH)3[1] bzw. H3[BO3][2] und ist damit die natürlich auftretende Form der Orthoborsäure.

Sassolin entwickelt überwiegend farblose und durchsichtige Kristalle mit plättchen- bis tafelförmigem, pseudohexagonalem Habitus. Durch Verunreinigung mit Schwefel kann er auch eine gelbe und mit Eisenoxiden eine braune Farbe annehmen. Seine Strichfarbe ist jedoch immer weiß.

Besondere Eigenschaften

Sassolin ist leicht löslich in Wasser und hat einen salzigen bis bitteren Geschmack. Unter kurzwelligem UV-Licht zeigen manche Sassoline eine blaue Fluoreszenz.[4]

Etymologie und Geschichte

Der Name Sassolin leitet sich von dem Fundort und der heutigen Typlokalität Sasso nahe Larderello (Toskana, Italien) ab, die im so genannten Tal des Teufels (ital. valle del diavolo) liegt. Diese geothermisch sehr aktive Region zeichnet sich durch zahlreiche schwefel- und borhaltige Fumarolen aus, den so genannten Soffionen. Die Erstbeschreibung des Minerals datiert auf den Beginn der 19. Jahrhunderts.

Seit der Gründung der International Mineralogical Association ist Sassolin (engl. Sassolite) der international anerkannte Mineralname für die natürlich auftrende Borsäure.

Klassifikation

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Sassolin zur Mineralklasse IV der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Hydroxide und oxidischen Hydrate“, wo er zusammen mit Behoit und Klinobehoit die unbenannte Gruppe IV/F.01 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Sassolin dagegen in die Klasse der „Borate“ und dort in die Abteilung der „Monoborate“ ein. Diese Abteilung ist weiter unterteilt nach der Form des Boratkomplexes und der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „BO3 ohne zusätzliche Anionen“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 6.AA.05 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Sassolin in die Gemeinsame Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort in die Abteilung der "Wasserfreien Borate mit (A)2+XO4“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 24.03.01 innerhalb der Unterabteilung der „[[Systematik der Minerale nach Dana/Carbonate, Nitrate, Borate#24.03 Wasserfreie Borate mit (A)m(B)n[XO3]p|Wasserfreien Borate mit (A)m(B)n[XO3]p]]“ zu finden.

Bildung und Fundorte

Sassolin bildet sich durch Kristallisation aus kondensiertem, borsäurehaltigem Wasserdampf und findet sich gewöhnlich an Fumarolen in vulkanisch aktiven Gebieten. Bei entsprechend hohen Borsäuregehalten können in diesen Gebieten lokale Bor-Lagerstätten entstehen. Begleitende Minerale (Paragenesen) von Sassolin sind häufig gediegen Schwefel, Realgar und verschiedene Eisenoxide.

Neben der Typlokalität nahe Larderello findet sich Sassolin in Italien auch am Vesuv und auf den Liparischen Inseln. Als weitere Fundorte können die Region um Aachen/Nordrhein-Westfalen in Deutschland, Jammu und Kashmir in Indien, die Region um Kagoshima in Japan, die Halbinsel Kamtschatka in Russland, sowie Death Valley/Kalifornien, Yellowstone-Nationalpark/Wyoming und Washoe County/Nevada in den USA genannt werden.[6]

Morphologie

Sassolin kristallisiert gewöhnlich in Form von schuppenartigen Plättchen mit einer pseudohexagonalen Symmetrie. Dieser sechseckige Querschnitt der Plättchen wird einerseits durch den nahe bei 120° liegenden γ-Winkel, andererseits auch durch die starke Tendenz zur Zwillingsbildung der Kristalle verursacht, wobei mehrere Individuen makroskopisch als ein Kristall erscheinen. Die Kristalle erreichen eine Größe von bis zu 5 mm. Seltener sind nadelförmige Kristalle, die stalaktitartig, an Gesteinsoberflächen hängend, wachsen.

Kristallstruktur

Kristallographische Daten[7]
Elementarzelle von Sassolin
Elementarzelle von Sassolin
Kristallsystem triklin
Raumgruppe P1
Gitterparameter
(Elementarzelle)
a = 709 pm
b = 704 pm
c = 635 pm
α = 92,49°
β = 101,46°
γ = 119,76°
Zahl (Z) der
Formeleinheiten
Z = 4
Blick entlang der c-Achse auf die Schichten aus Borsäuremolekülen.

Sassolin kristallisiert im triklinen Kristallsystem in der Raumgruppe P1 mit den Gitterparametern a = 709 pm, b = 704 pm, c = 635 pm; α = 92,49°, β = 101,46° und γ = 119,76° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Die Kristallstruktur weist einen ausgeprägten schichtartigen Charakter auf. Die einzelnen, trigonal-planar (siehe auch VSEPR-Modell) aufgebauten Borsäure-Moleküle sind senkrecht zur kristallographischen c-Achse ([001]) ausgerichtet und bilden über Wasserstoffbrückenbindungen Schichten parallel der (001)-Ebene (ab-Ebene). Zwischen diesen Schichten bestehen nur sehr schwache intermolekulare Wechselwirkungen, wodurch sich auch die vollkommene Spaltbarkeit parallel der (001)-Ebene und die sehr geringe Mohshärte von 1 erklärt.

Vorsichtsmaßnahmen

Da Borsäure als reproduktionstoxisch, d.h. „fruchtschädigend“ und „Fruchtbarkeit beeinträchtigend“[8] gilt, sollten Mineralproben in staubdichten Behältern aufbewahrt und eine Aufnahme in den Körper (Inkorporation, Ingestion) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden werden. Der Grenzwert für Stäube liegt mit 0.5mg/m3 Bor, entsprechend 3mg/m3 Sassolin, zum Vergleich einige allgemeine Staub-Grenzwerte.

Siehe auch

Literatur

  • Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7. vollständige überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer Verlag, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 171.

Weblinks

Commons: Sassolin (Sassolite) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Commonscat/WikiData/Difference

Commons: Borsäure – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Commonscat/WikiData/Difference

  • Mineralienatlas:Sassolin (Wiki)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IMA/CNMNC List of Mineral Names - Sassolite (PDF 1,8 MB; S. 250)
  2. 2,0 2,1 Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 328.
  3. Webmineral – Sassolite
  4. 4,0 4,1 John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols: Sassolite, in: Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 65,5 kB)
  5. 5,0 5,1 5,2 Mindat – Sassolite
  6. MinDat - Localities for Sassolite
  7. M. Gajhede, S. Larsen, S. Rettrup: Electron density of orthoboric acid determined by X-ray diffraction at 105 K and ab initio calculations. In: Acta Crystallographica. Nr. B42, 1986, S. 545–552
  8. Sicherheitsdatenblatt Borsäure bei VWR.de