Oxymorphon

Oxymorphon

Strukturformel
Struktur von Oxomorphon
Allgemeines
Freiname Oxymorphon
Andere Namen

IUPAC: 4,5-epoxy-3,14-dihydroxy- 17-methylmorphinan-6-on

  • 14-Hydroxydihydromorphinon
Summenformel C17H19NO4
CAS-Nummer 76-41-5
PubChem 5284604
ATC-Code

N02A

DrugBank APRD00158
Kurzbeschreibung

weißliches, geruchloses Pulver (Hydrochlorid)[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Opioid-Analgetikum

Wirkmechanismus

Supraspinale Analgesie durch Bindung an µ-Opioidrezeptoren

Eigenschaften
Molare Masse 301,34 g·mol−1
Schmelzpunkt
  • 248–249 °C [2]
  • 172–180 °C (Hydrochlorid) [3]
pKs-Wert

8,17 [2]

Löslichkeit

gut in Wasser, mäßig in Methanol, wenig in Ethanol [3]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [4]
keine Einstufung verfügbar

H- und P-Sätze H: siehe oben
P: siehe oben
LD50

172 mg·kg−1 (Maus i.v.) [2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Oxymorphon (Handelsname: Opana® (USA)) ist ein stark schmerzstillend wirkender Arzneistoff (Analgetikum). Die Substanz ist ein halbsynthetisch hergestelltes Opioid und wirkt etwa zehnmal so stark wie Morphin.

Oxymorphon wird in der Akut- und Langzeit-Schmerztherapie bei starken bis sehr starken Schmerzen eingesetzt. Wie auch alle anderen Opioide besitzt Oxymorphon ein primäres Abhängigkeitspotential. Neben seiner starken analgetischen Wirkung besitzt es auch eine starke euphorisierende und beruhigende Wirkung. Oxymorphon wurde von M. J. Lewenstein und U. Weiss erfunden und am 10. September 1957 unter der Nummer US 2806033 in den Vereinigten Staaten patentiert[5] und 1995 von der Arzneimittelzulassungsbehörde FDA zugelassen.

Darreichungsformen

Fertigarzneimittel sind nur in den USA zugelassen, möglich ist die orale (Tabletten) wie auch parenterale Gabe (Injektionslösung). Arzneilich verwendet wird das Hydrochlorid des Oxymorphons (1 mg Oxymorphonhydrochlorid entspricht 0,89 mg Oxymorphonbase) mit 5 mg und 10 mg in schnell und 5 mg bis 40 mg in verlangsamt (retardiert) freisetzenden Tabletten. Letztere geben den Wirkstoff über etwa zwölf Stunden gleichmäßig ab.

In Deutschland fällt der Arzneistoff unter die Anlage II des BtMG, ist also verkehrs- aber nicht verschreibungsfähig.

Medizinischer Einsatz

Oxymorphon wird zur Behandlung von starken bis stärksten Schmerzen in der Akut- und Langzeit-Schmerztherapie verwendet. Außerdem wird es bei operativen Eingriffen als Anästhetikum intravenös appliziert.

Retardierte (wirkungsverzögerte) Tabletten werden bei der Behandlung von chronischen Schmerzen verwendet, da der Wirkstoff ca. 12 Stunden lang gleichmäßig abgegeben wird. Dadurch muss der Patient nur zweimal pro Tag eine definierte Dosis einnehmen. Oxymorphon eignet sich sowohl zur Therapie von Tumorschmerzen als auch von Nicht-Tumorschmerzen, wie etwa chronischen Rückenschmerzen.

Nicht retardiertes Oxymorphon wird als schnellwirkendes Medikament zur Behandlung sog. Durchbruchsschmerzen bei Patienten verwendet, welche mit der Retardform behandelt werden. Oxymorphon sollte wie auch andere Opioide erst verwendet werden, wenn andere nicht-Opioid-Analgetika oder schwächere Opioide nicht mehr wirken. Zudem wird es auch wie Morphin, Levomethadon und Hydromorphon in der Veterinärmedizin zur Behandlung von Schmerzen bei Katzen, Hunden, Ratten, Frettchen und anderen Haustieren eingesetzt.

Die intravenöse Applikation verursacht innerhalb von 10–60 Sekunden Schmerzlinderung. Nach einer subkutanen oder intramuskulären Applikation tritt nach etwa 5–8 min Analgesie ein. Die nicht retardierte Tablettenform bewirkt nach etwa 30 min Schmerzfreiheit und die Retardform nach etwa 60 min Die Analgesiedauer beträgt etwa 3–4 h bei den nichtretardierten Formen und etwa 12 h bei der Retardform. Oxymorphon besitzt eine analgetische Potenz von 10: 1–1,5 mg Oxymorphon sind 10 mg Morphin äquipotent.

Physikalische Eigenschaften

Oxymorphonhydrochlorid ist ein geruchloses, kristallines weißes Pulver. Ist es direkter Lichteinstrahlung länger ausgesetzt, so wird seine weiße Farbe dunkel. Dieser Effekt hat aber keine Auswirkung auf die analgetische Potenz. Ein Gramm Oxymorphonhydrochlorid lösen sich in 4 ml Wasser. Es ist wenig löslich in Ethanol und Diethylether. Die Injektionslösung hat einen pH-Wert von 2,7–4,5.

Struktur

Oxymorphon ist ein Morphin-Derivat, d. h., es leitet sich von dem Referenz-Opioid Morphin ab. Das Oxymorphon-Molekül besitzt wie Morphin fünf Ringe. (Wobei die C7-C8 Doppelbindung des Morphins (Ring C) im Fall des Oxymorphons entfällt.)

Morphin-Grundgerüst

Nomenklatur der Ringe:

  • Ring A, aromatischer Ring
  • Ring B, Cyclohexan-Ring
  • Ring C, Cyclohexan-Ring
  • Ring D, Piperidin-Ring
  • Ring E, Tetrahydrofuran-Ring

Oxymorphon ist chemisch gesehen wie auch sein Analogon Hydromorphon ein Morphin-Keton. Es besitzt wie Morphin am 3. C-Atom eine Hydroxylgruppe. Der Unterschied in der Molekül-Struktur besteht darin, dass Oxymorphon am 14. C-Atom eine zusätzliche OH-Gruppe und am 6. C-Atom eine Keto-Gruppe besitzt. Des Weiteren ist im Vergleich zu Morphin die Doppelbindung zwischen dem 7. und 8. C-Atom reduziert. Diese Modifikationen am Morphin-Grundgerüst führen zu einem Anstieg der analgetischen Potenz von 1 für Morphin zu 10 für das entstandene Oxymorphon. Wie auch bei Morphin und Hydromorphon hängt am Stickstoff des Piperidin-Ringes eine Methylgruppe.

Herstellung

Oxymorphon wird großtechnisch aus dem Opiat Thebain hergestellt. Da dieses im schwarzen Schlafmohn (Papaver somniferum) zu nur etwa 0,2–0,5 % vorkommt, wird Thebain aus dem orientalischen Schlafmohn (Papaver orientale) extrahiert, weil es hier zu etwa 3 % vorkommt.

Oxymorphon kann auch aus Morphin und Oxycodon synthetisiert werden. Es ist ein aktiver Metabolit bei der Metabolisierung des Opioids Oxycodon. Hierbei wird der Sauerstoff am 3. C-Atom des Oxycodon demethyliert. Allerdings ist Oxymorphon nur in geringer Konzentration nach Einnahme von Oxycodon im Blut vorhanden. Ein wichtiges Derivat von Oxymorphon ist der Opioid-Antagonist Naltrexon.

Pharmakodynamik

Analgetische Wirkung

Oxymorphon wirkt, wie auch endogene Opioidpeptide (Endorphine und Enkephaline) im zentralen Nervensystem. Die Wirkung beruht auf einer Bindung an spezifische Rezeptoren, den Opioid-Rezeptoren, die sowohl spinal (im Rückenmark) als auch supraspinal (im Gehirn) vorkommen. Der Unterschied zu den endogenen Opioiden besteht darin, dass die Wirkungen exogener Opioide, wie z. B. Morphin und Oxymorphon, um ein Vielfaches stärker sind.

Verantwortlich für eine Analgesie sind vor allem die µ-Opioidrezeptoren, aber auch die κ-Opioidrezeptoren. Oxymorphon weist eine hohe Rezeptoraffinität (hohe Passform zum Rezeptor) als auch eine hohe intrinsische Aktivität am µ-Opioidrezeptor auf, was die hohe analgetische Potenz bedingt. Durch die Bindung an die Opioidrezeptoren bewirkt Oxymorphon, wie andere Opioide auch, eine Konformationsänderung des Rezeptors einschließlich der daran gekoppelten G-Proteine. Daraus resultiert eine Öffnung postsynaptischer Kalium-Kanäle (Hyperpolarisation der Zellmembran) und eine Schließung der präsynaptischen Calcium-Kanäle (geringere Ausschüttung erregender Transmitter wie Substanz P und Glutamat) mit Inhibition der synaptischen Erregungsüberleitung.

Weitere Wirkungen/Nebenwirkungen

Oxymorphon verursacht wie auch Morphin Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Sedierung, Euphorie und/oder Dysphorie, Atemdepression, Muskelrigidität, Hemmung des Hustenzentrums, Miosis, Hypotonie, Bradykardie, Hautjucken sowie physische und psychische Abhängigkeit. Eine Überdosis kann durch intravenöse Gabe des Antidots Naloxon antagonisiert werden.

Pharmakokinetik

Absorption

Oxymorphon wird sowohl subkutan als auch intramuskulär sehr gut absorbiert. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt nur etwa 10 %, da Oxymorphon nach oraler Gabe einem relativ hohem First-Pass-Effekt unterliegt. Die schlechte orale Bioverfügbarkeit erfordert trotz hoher therapeutischer Potenz entsprechend hohe Dosen.

Metabolismus

Hauptmetabolit Oxymorphon-3-glucuronid

Oxymorphon wird trotz seiner strukturellen Verwandtschaft mit Morphin anders als dieses überwiegend durch die Uridindiphosphat-Glucuronosyl-Transferase (UGT), ein in der Leber gebildetes Enzym, metabolisiert. Es bildet wie auch die Analoga Oxycodon und Hydromorphon keine aktiven Metaboliten. Der Hauptmetabolit ist konjugiertes Oxymorphon, d. h., dass durch Ankopplung von Glucuronid an der phenolischen OH-Gruppe des dritten Kohlenstoffatoms, der Metabolit Oxymorphon-3-Glucuronid zu etwa 45 % gebildet wird, gefolgt von 6-alpha-Oxymorphol (< 5 %), welches durch die Reduktion der Keto-Gruppe am 6er C-Atom verursacht wird. Diese Metaboliten werden über die Nieren ausgeschieden. Des Weiteren werden etwa 10 % freies Oxymorphon über den Urin ausgeschieden.

Wechselwirkungen

Oxymorphon verstärkt die Wirkung von Stoffen, die auf das zentrale Nervensystem wirken. Dazu zählen Alkohol, Barbiturate, Sedativa, Anxiolytika und Neuroleptika.

Literatur

  • ACS Division of Medicinal Chemistry: Chemistry of Opioid Analgesics
  • Mellar Davis, Paul Glare, Janet Hardy: Opioids in cancer Pain. Oxford University Press, 2005, ISBN 0-19-852943-0
  • Freye: Opioide in der Medizin. Springer, 6. Auflage, ISBN 3-540-40812-6
  • Kurzweil, Pittrow: Vom Schlafmohn zu den synthetischen Opiaten. Verlag Shaker, 1995, ISBN 3-8265-5080-3

Einzelnachweise

  1. Opana Oxymorhone Hydrochloride Injection
  2. 2,0 2,1 2,2 Oxymorphon bei ChemIDplus
  3. 3,0 3,1 Thieme Chemistry (Hrsg.): Eintrag zu Oxymorphon im Römpp Online. Version 3.29. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2012, abgerufen am 10. Juli 2011.
  4. Diese Substanz wurde in Bezug auf ihre Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  5. Patent US2806033.
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