Multiplizität

Multiplizität

Dieser Artikel erläutert den quantenmechanischen Begriff der Multiplizität; zu anderen Bedeutungen siehe Multiplizität (Begriffsklärung).

Als (Spin-)Multiplizität wird in der Quantenmechanik die Größe $ 2S+1\!\, $ bezeichnet, wobei $ S\!\, $ die Quantenzahl des Gesamt-Spins ist. Die Multiplizität gibt an, in wie viele verschiedene Raumrichtungen sich der Spin-Vektor eines Teilchens bezüglich einer ausgezeichneten Achse (z. B. in einem Magnetfeld) einstellen kann (Richtungsquantelung):

$ m_{S}=\underbrace {-S,-S+1,...,S-1,S} _{2S+1\,{\text{Werte: Multiplizität}}}. $

Dabei ist $ m_{S} $ die "spinmagnetische" Quantenzahl.

Spin-Multipletts
Spinquantenzahl
$ S\!\, $
magn. QZ des Spins
$ m_{S} $
Multiplizität
$ 2S+1\!\, $
Bezeichnung Typ
0 0 1 Singulett Skalarboson
1/2 -1/2, +1/2 2 Dublett Fermion
1 -1, 0, +1 3 Triplett Vektorboson
3/2 -3/2, -1/2, +1/2, +3/2 4 Quartett Fermion
2 -2, -1, 0, +1, +2 5 Quintett Tensorboson

Multiplizität von Atomen und Molekülen

Bei Systemen aus mehreren Elektronen und/oder Atomkernen wird zwischen der Spin-Multiplizität der Elektronen und der Spin-Multiplizität der Atomkerne unterschieden.

Multiplizität des Elektronenspins

Einelektronen-Systeme

Bildlich stellt man sich unter dem Spin eines Elektrons oft den Eigendrehimpuls vor, der durch die „Rotation“ eines Elektrons um die eigene Achse entsteht. Dies ist jedoch nur eine Vorstellung, die physikalisch unhaltbar ist. In diesem Bild ist der Spin-Bewegung die Quantenzahl $ s=1/2\!\, $ zugeordnet. Die Multiplizität des Einelektronen-Systems ist damit $ 2s+1=2\!\, $. Es liegt also ein elektronischer Dublett-Zustand vor.

  • Beispiel: ein einzelnes Wasserstoff-Atom H• (formal könnte es auch als Beispiel für ein Radikal mit null gepaarten Elektronen in der Tabelle unten stehen)

Mehrelektronen-Systeme

Bei Atomen (bzw. Ionen) mit mehreren Elektronen und bei Molekülen muss zunächst die Gesamtspin-Quantenzahl $ S\!\, $ des gesamten elektronischen Systems ermittelt werden. Für ein Atom mit $ i $ Elektronen ist $ S $ gegeben durch

$ S=\left|\sum _{i}m_{s_{i}}\right|, $

wobei $ m_{s_{i}} $ die Spinquantenzahl des i-ten Elektrons ist. Da die individuellen Spins gepaarter Elektronen aufgrund entgegengesetzter Ausrichtung nicht zum Gesamtspin beitragen, reicht es aus, die ungepaarten Elektronen zu zählen. Ihre individuellen Spin-Quantenzahlen $ s=+1/2\!\, $ addieren sich zur Gesamtspin-Quantenzahl $ S=n_{\text{ungepaart}}/2. $

System Beispiel Elektronen im Grundzustand Gesamtspin-Quantenzahl
$ S\!\, $
Multiplizität
$ 2S+1\!\, $
Grundzustand
gepaart ungepaart
die meisten Moleküle Wasserstoff-Molekül H-H alle
(hier 1x2)
0 0/2 = 0 2x0+1 = 1 Singulett
Radikale Stickstoffmonoxid •N=O bzw. N-O• hier 5x2 1 1/2 2x(1/2)+1 = 2 Dublett
Biradikale Sauerstoff-Molekül •O-O• hier 5x2 2 2/2 = 1 2x1+1 = 3 Triplett
Metallionen, vor allem der Nebengruppe,
und Komplexe
…x2 $ \geq 2 $ $ \geq 1 $ $ \geq 3 $ Triplett, Quartett, …

Bedeutung: Auswahlregeln, Interkombinationsverbot

Der Zahlenwert der Multiplizität wird in den Termsymbolen links hochgestellt angegeben, die häufig zur Kennzeichnung der Quantenzustände von Atomen und Molekülen verwendet werden.

  • Beispiel: Für Wasserstoffatome (H) im Grundzustand ist das Termsymbol 2S1/2 (Multiplizität 2).

Die Multiplizität spielt eine wichtige Rolle für die Auswahlregeln in der Spektroskopie. So erfolgen elektrische Dipolübergänge besonders gut, wenn die Multiplizität erhalten bleibt (erlaubter Übergang, z. B. Fluoreszenz aus dem ersten angeregten Singulett-Zustand in den Singulett-Grundzustand).

Dagegen sind Prozesse, bei denen sich die Multiplizität ändert (Interkombination), verboten (Interkombinationsverbot), d. h. sie finden meist nur in geringem Ausmaß bzw. „langsam“ (d.h. statistisch selten) statt, z. B. Phosphoreszenz (Übergang aus dem tiefsten angeregten Triplett-Zustand in den Singulett-Grundzustand).

Multiplizität des Kernspins

Der Gesamtspin $ I\!\, $ der Atomkerne in einem Molekül setzt sich zusammen aus den Kernspins $ i\!\, $ der einzelnen Atomkerne: $ I=\Sigma i\!\, $. Anders als bei den Elektronen ist der Kernspin der Atomkerne jedoch nicht immer gleich, sondern hängt von der Zusammensetzung des jeweiligen Kerns ab. Auch hier ergibt sich dann die Multiplizität nach der Formel $ 2I+1\!\, $.

Siehe auch