Kernspin
Der Kernspin
Zustandekommen
Der Kernspin ist die Summe der Spins
Es sind die quantenmechanischen Regeln der Addition von Drehimpulsen anzuwenden.
Die Kernbausteine Protonen und Neutronen haben jeweils die Spinquantenzahl 1/2. Bahndrehimpulsquantenzahlen sind immer ganzzahlig. Daher gibt es je nach Anzahl der Kernbausteine, also der Massenzahl
ist gerade: Dann ist die Kernspinquantenzahl ganzzahlig. Z. B. ist für den Grundzustand des Hauptisotops von Stickstoff. Es gibt zwei Unterfälle:- Neutronenzahl und Protonenzahl gerade (gg-Kern): In ihrem Grundzustand haben alle gg-Kerne einen Kernspin
(z. B. ), denn es ist energetisch am günstigsten, wenn sich die Neutronen und die Protonen jeweils untereinander zu Paaren mit antiparallelen Drehimpulsen ausrichten (siehe auch Bethe-Weizsäcker-Formel (Paarungsanteil)). Kerne mit Spin Null haben auch kein magnetisches Moment. - Neutronenzahl und Protonenzahl ungerade (uu-Kern): Weder Protonen noch Neutronen können sich vollständig zu Paaren zusammenschließen, weshalb viele uu-Kerne auch im Grundzustand einen Spin
haben. Es kommen alle Werte von , z. B. bei , bis bei vor. Nur vier leichte uu-Nuklide sind stabil, nämlich mit und mit , und eventuell auch das sehr seltene Isotop im 1. angeregten Zustand mit .
- Neutronenzahl und Protonenzahl gerade (gg-Kern): In ihrem Grundzustand haben alle gg-Kerne einen Kernspin
ist ungerade: Dann ist die Kernspinquantenzahl halbzahlig, z. B. oder .
In angeregten Energieniveaus hat die Kernspinquantenzahl im Allgemeinen andere Werte als im Grundzustand. Sie ist aber immer bei gerader Massenzahl ganzzahlig, und bei ungerader Massenzahl halbzahlig.
Es gibt eine Datenbank für die Spins aller bekannten stabilen und metastabilen Nuklide.[1].
Da die Atomkerne (auch der leichteste, das Proton) immer zusammengesetzte Teilchen sind, handelt es sich beim Kernspin nicht um einen Spin im engeren Sinn.
Der Kernbaustein Neutron besitzt zwar keine elektrische Ladung, jedoch ein magnetisches Moment, und dieses ist seinem Spin entgegengesetzt gerichtet. Daher kann das magnetische Moment eines ganzen Kerns trotz positiver elektrischer Ladung sogar antiparallel zum Kernspin ausgerichtet sein, z. B. beim Isotop
Nutzungen
Genutzt wird der Kernspin, genauer: das mit ihm verbundene Magnetische Moment, in der Kernspinresonanz. Im äußeren Magnetfeld hängt die Energie des Kerns davon ab, wie der Spin (und das damit verbundene magnetische Moment) zu diesem Feld ausgerichtet ist. Bei Magnetfeldern von wenigen Tesla ergibt sich dadurch eine Aufspaltung des Energieniveaus des Grundzustands des Kerns in der Größenordnung von 10−25 J, entsprechend einer Photonenfrequenz um 100 MHz (entspricht einer Radiofrequenz im Bereich der Ultrakurzwelle). Entsprechende elektromagnetische Strahlung kann von den Atomkernen absorbiert werden.
Medizin
Die Magnetresonanztomographie oder Kernspintomographie nutzt die Kernspinresonanz aus. Kernspintomographen im medizinischen Einsatz messen in der Regel die Verteilung von Wasserstoff-Atomkernen (Protonen) im Körper. Anders als beim Röntgen können damit Veränderungen im Gewebe zumeist gut sichtbar gemacht werden. Um dreidimensionale Schnittbilder zu ermöglichen, werden Magnetfelder mit einem Gradienten verwendet, so dass aus der Frequenz, bei der die Resonanzbedingung erfüllt ist, auf die räumliche Lage zurückgeschlossen werden kann.
Strukturanalyse
Bei der chemischen Strukturanalyse per Kernspinresonanzspektroskopie (engl. nuclear magnetic resonance, NMR) werden hingegen die Effekte beobachtet, die die umgebenden Elektronen und benachbarten Atome auf den Kernspin haben. Beispielsweise erzeugen Elektronen in der Nähe ein zusätzliches Magnetfeld, das das äußere Feld entsprechend verstärkt oder abschwächt. Dadurch verschieben sich die Frequenzen, bei denen die Resonanzbedingung erfüllt ist.
Makroskopische Wirkungen
Als Drehimpuls ist der Kernspin in derselben Einheit
- Die spezifische Wärme von Wasserstoffgas (H2) zeigt bei Temperaturen unter 100 K einen speziellen Temperaturverlauf, der sich nur dadurch erklären lässt, dass die beiden Kerne (Protonen) der Gasmoleküle je einen Spin 1/2 besitzen, die sie in 3/4 der Moleküle parallel gestellt haben (Orthowasserstoff), zu 1/4 antiparallel (Parawasserstoff). In beiden Fällen ist der Gesamtspin der Kerne (und des Moleküls) ganzzahlig, jedoch fehlen im Orthowasserstoff alle Rotationsniveaus mit ungeradem Moleküldrehimpuls, im Parawasserstoff die mit geradem. Diese Einstellungen bleiben in den Gasmolekülen trotz der zahlreichen Stöße untereinander über Wochen erhalten. Durch diese Entdeckung wurde überhaupt erstmals nachgewiesen, dass das Proton den Spin 1/2 hat.
- Die Bose-Einstein-Kondensation, die flüssiges Helium in einen superfluiden Zustand überführt, findet nur beim normalen Hauptisotop He-4 statt, nicht bei einem Tropfen aus He-3. Der Grund ist, dass im He-3-Atom der Kern einen Spin 1/2 hat, der das ganze Atom zu einem Fermion macht, während der Kernspin bei He-4 Null ist und das ganze Atom deshalb ein Boson. Das wirkt sich in der Symmetrie bzw. Antisymmetrie des quantenmechanischen Zustandes der He-Flüssigkeit gegenüber Vertauschung zweier Atome aus und führt zu dem makroskopischen Unterschied im Verhalten der beiden Flüssigkeiten.
Literatur
- Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Moderne Physik von den Atomen bis zum Standard-Modell. Springer, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-85299-5, Kap. 7.1.