Toluol

Toluol

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Strukturformel
Strukturformel von Toluol
Allgemeines
Name Toluol
Andere Namen
  • Retinaphtha
  • Methylbenzol
  • Methylbenzen
  • Anisen
  • Toluen
  • Phenylmethan
Summenformel C7H8
CAS-Nummer 108-88-3
PubChem 1140
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch[1]

Eigenschaften
Molare Masse 92,14 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

0,87 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

−95 °C[1]

Siedepunkt

111 °C[1]

Dampfdruck

29,1 hPa (20 °C)[1]

Löslichkeit

schlecht in Wasser (470 mg·l−1 bei 20 °C)[1]

Brechungsindex

1,4969[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
02 – Leicht-/Hochentzündlich 08 – Gesundheitsgefährdend 07 – Achtung

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225-361d-304-373-315-336
P: 210-​301+310-​331-​302+352 [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Leichtentzündlich Gesundheitsschädlich
Leicht-
entzündlich
Gesundheits-
schädlich
(F) (Xn)
R- und S-Sätze R: 11-38-48/20-63-65-67
S: (2)-36/37-62
MAK

50 ml·m−3, 190 mg·m−3[1]

LD50

636 mg·kg−1 (Ratte, oral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
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Toluol, Trivialname nach IUPAC auch Toluen, Methylbenzol, Phenylmethan, nach IUPAC-Nomenklatur Methylbenzen genannt, ist eine farblose, charakteristisch riechende, flüchtige Flüssigkeit, die in vielen ihrer Eigenschaften dem Benzol ähnelt. Toluol ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff, häufig ersetzt es als Lösungsmittel das giftige Benzol. Es ist unter anderem auch im Benzin enthalten.

Geschichte des Namens

Als Henri Etienne Sainte-Claire Deville Toluol aus Tolubalsam gewann, hatte er für diesen Körper den Namen Benzoën angenommen, der bei den Balsamen, von denen er herkommt, an den fast generischen Charakter erinnert, den nämlich, Benzoesäure zu halten. Berzelius schlug dann in seinen Jahresberichten den Namen Toluin vor. Die Abwandlung in Toluol taucht erstmalig in einer Arbeit von Muspratt und Hoffmann auf, die indessen – wohl irrtümlich – sich bezüglich des Namens auf die obige Stelle von Berzelius berufen.[5]

Geschichte

1844 wurde Toluol zum ersten Mal von Henri Etienne Sainte-Claire Deville durch trockene Destillation aus Tolubalsam gewonnen; hierauf beruht auch sein Name. Durch Nitrierung von Toluol mittels Nitriersäure (Mischung aus Salpetersäure und Schwefelsäure) wurde 1863 durch den Chemiker Julius Wilbrand zum ersten Mal TNT hergestellt. Die Großproduktion wurde in Deutschland schließlich im Jahre 1891 aufgenommen; dieses Verfahren wird noch heute verwendet.

Vorkommen und Emissionen

Toluol kommt im Erdöl und in dem Leichtöl, das bei der Steinkohleteerdestillation anfällt, in kleineren Mengen vor. Toluol wird unter anderem durch Kfz-Verkehr freigesetzt, weil es im Benzin enthalten ist, und entsteht in kleinen Mengen bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Stoffen, wie zum Beispiel beim Rauchen. In den letzten Jahren ist ein Rückgang der Toluolemissionen zu verzeichnen, das Jahresmittel beträgt zum Beispiel in Rheinland-Pfalz 30 µg/m3, je nach Ort kann es jedoch zu größeren Schwankungen dieses Wertes kommen. Hauptemissionsfaktor ist mit ca. 65 % der Kfz-Verkehr, 33 % sind auf den Gebrauch von Toluolprodukten und 2 % auf die Toluolherstellung zurückzuführen. Freigesetztes Toluol wird in der Erdatmosphäre, wie beim Benzol, nach mehreren Tagen durch Reaktionen mit Hydroxylradikalen (OH-Radikale) abgebaut.

Gewinnung und Darstellung

Eine direkte Gewinnung aus Erdöl oder durch Trockendestillation von Steinkohle ist bei den aktuellen (2006) Rohölpreisen noch nicht wirtschaftlich.

In der Industrie wird es hauptsächlich bei der Verarbeitung von Erdöl gewonnen, indem das (durch Cracken erzeugte) n-Heptan zu Methylcyclohexan reformiert und danach zu Toluol dehydriert wird. Diesen Vorgang nennt man auch Dehydrocyclisierung.

$ \mathrm {C_{7}H_{16}\longrightarrow C_{7}H_{14}+H_{2}\longrightarrow C_{7}H_{8}+3\ H_{2}} $
n-Heptan wird zu Methylcyclohexan reformiert und danach zu Toluol dehydriert

Während des Zweiten Weltkrieges kam es in Deutschland wegen des fehlenden Erdöls zu Engpässen bei der Toluolherstellung, weswegen es auch aus Benzol und Methanol mittels der Friedel-Crafts-Alkylierung hergestellt wurde. Die Friedel-Crafts-Alkylierung hat limitierende Faktoren, die die Ausbeute und damit die wirtschaftliche Bedeutung erheblich senken: Alkylbenzole sind in der elektrophilen Substitution an Aromaten reaktiver als Benzol selbst; daher tendiert das gerade erst entstandene Alkylbenzol dazu, zu zwei- und mehrfach alkylierten Produkten zu reagieren. Die Ausbeute von Toluol wird geringer:

Friedel-Crafts reaction benzene to Toluene.svg

Tatsächlich verwendet man immense Mengen der Ausgangsstoffe, da diese kostengünstig sind, und isoliert kontinuierlich das entstandene Toluol. Denn die chemischen Vorgänge verlaufen alle in Form von Gleichgewichtsreaktionen und werden dadurch in Richtung Toluol verlagert.

Außerdem fällt Toluol bei der Herstellung von Ethen und Propen an. Die Weltproduktion liegt jährlich zwischen fünf Millionen und zehn Millionen Tonnen. Photochemisch ist es durch Isomerisierung von Cycloheptatrien zugänglich.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Toluol ist der einfachste Vertreter der Alkylbenzole. An der Luft verbrennt es nur unvollständig mit gelber, stark rußender Flamme. Die Flüssigkeit riecht charakteristisch, stechend angenehm (ähnlich wie Benzol) und hat eine Geruchsschwelle von 0,6–263 mg/m3. Toluol schmilzt bei −95 °C, siedet bei 111 °C und ist bei Normalbedingungen eine farblose, klare, wasserhelle Flüssigkeit, die stark lichtbrechend ist (Brechungsindex: 1,4969). In Wasser ist es fast unlöslich (0,47 g/l); mit Kohlenstoffdisulfid, Ethanol und Diethylether ist es in jedem Verhältnis mischbar. Auch in Chloroform, Aceton und den meisten weiteren organischen Lösungsmitteln ist Toluol gut löslich. Die Verbindung bildet mit einer Reihe von Lösungsmitteln azeotrop siedende Gemische. Die azeotropen Zusammensetzungen und Siedepunkte finden sich in der folgenden Tabelle. Keine Azeotrope werden mit n-Hexan, n-Heptan, n-Octan, Benzol, Ethylbenzol, Cyclohexanol, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Aceton, Methylethylketon, Diethylether, Ethylacetat, Dimethylformamid, Dimethylsulfoxid, Schwefelkohlenstoff und Phenol gebildet.[6]

Azeotrope mit verschiedenen Lösungsmitteln[6]
Lösungsmittel Wasser Methanol Ethanol 1-Propanol 2-Propanol 1-Butanol iso-Butanol sec-Butanol
Gehalt Toluol in Ma% 80 31 32 51 31 68 55 45
Siedepunkt in °C 85 64 77 93 81 106 101 95
Lösungsmittel Ethandiol Methylglycol Ethylglycol 1,4-Dioxan Acetonitril Essigsäure Pyridin Methylisobutylketon
Gehalt Toluol in Ma% 93 74 89 20 24 72 68 97
Siedepunkt in °C 110 106 110 102 81 101 108 111

Die dynamische Viskosität beträgt 0,6 mPa·s, Toluol ist also dünnflüssiger als Wasser. Der Heizwert beträgt 40.940 kJ/kg.

Chemische Eigenschaften

Toluol ist bei Normalbedingungen stabil und relativ reaktionsträge, mit Oxidationsmitteln und Säuren reagiert es jedoch heftig. Es geht ähnliche Reaktionen ein wie Phenol und Benzol; die Reaktivität von Toluol liegt zwischen diesen beiden Verbindungen. Toluol greift viele Kunststoffe an und wird deswegen meist in Glas- oder Metallbehältern aufbewahrt. Durch Oxidation (zum Beispiel mit saurer Kaliumpermanganat-Lösung) kann Toluol über Benzylalkohol und Benzaldehyd zu Benzoesäure umgewandelt werden. Toluol geht vor allem radikalische Substitutionsreaktionen und elektrophile Substitutionsreaktionen ein. Nukleophile Substitutionsreaktionen sind seltener.

Insbesondere in der Hitze oder unter Bestrahlung mit Licht kann Toluol mit geeigneten Reaktionspartnern (beispielsweise Brom) radikalische Substitutionsreaktionen an der Methylgruppe eingehen (siehe SSS-Regel):

Reaktion von Toluol mit Brom unter radikalischen Reaktionsbedingungen

Da Toluol relativ reaktionsträge ist, laufen elektrophile Substitutionsreaktionen an ihm nur relativ langsam ab. In Gegenwart eines geeigneten Katalysators kann die Reaktionsgeschwindigkeit erheblich gesteigert werden (siehe KKK-Regel). Es entstehen bevorzugt para- und ortho-substituierte Produkte:

Reaktion von Toluol mit Brom in Gegenwart einer Lewis-Säure (FeBr3)

Toluol reagiert mit Salpetersäure zu 4-Nitrotoluol und Wasser, daneben entsteht auch das isomere 2-Nitrotoluol. Das eigentliche nitrierende Agens (NO2+) wird in Gegenwart von Schwefelsäure aus Salpetersäure gebildet:

Nitrierung von Toluol

Über mehrfache Nitrierung kann TNT (Trinitrotoluol) gewonnen werden.

Eine weitere, wichtige Reaktion ist die Oxidation von Toluol zu Benzoesäure.

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Toluol bildet leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei 6 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 1,1 Vol% (42 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 7,8 Vol% (300 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[7] Eine Korrelation der Explosionsgrenzen mit der Dampfdruckfunktion ergibt einen unteren Explosionspunkt von 3 °C sowie einen oberen Explosionspunkt von 40 °C. Die Sauerstoffgrenzkonzentration beträgt etwa 9,6 Vol% (bei 100 °C).[7] Die Grenzspaltweite wurde mit 1,06 mm bestimmt.[7] Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA.[7] Die Zündtemperatur beträgt 535 °C.[7] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1. Die elektrische Leitfähigkeit ist mit 8·10−14 S·m−1 sehr gering, so dass beim Umgang elektrostatische Aufladungen auftreten können.[8]

Sicherheitshinweise

Toluol ist gesundheitsschädlich (Xn) und leichtentzündlich (F). Toluol selbst wirkt nicht erbgutverändernd, ist jedoch häufig mit Benzol verunreinigt. Die geringere Giftigkeit von Toluol gegenüber Benzol lässt sich mit seinem anderen Metabolismus erklären. Toluol wird im Gegensatz zum Benzol kaum durch Oxidation des Ringes, sondern hauptsächlich durch Oxidation der Seitenkette zur Benzoesäure metabolisiert. Der Grund dafür ist die hohe Selektivität des Monooxygenasesystems P450 für die Methylgruppe des Toluols. Aus diesem Grund entsteht kaum karzinogenes Epoxid wie im Falle des Benzols. Die geringen Mengen an Epoxid können durch Konjugation an Glutathion, spontane intramolekulare Umlagerung zum Phenol oder durch enzymatische Hydrolyse zum Diol abgebaut werden.

Toluol als Xenobiotikum kann über das Monooxygenasesystem P450 zu Benzylalkohol umgesetzt werden. Jedoch fallen bei dieser Reaktion geringe Mengen der kanzerogenen Epoxide an.

In Form von Benzoesäure und Hippursäure wird Toluol, neben kleinen Mengen o-Kresol, über den Harn ausgeschieden.

Metabolismus von Toluol über Benzoesäure zu Hippursäure.

Toluol verursacht Nerven-, Nieren- und möglicherweise auch Leberschäden. Toluol ist fortpflanzungsgefährdend sowie fruchtschädigend. Die Inhalation von Toluoldämpfen kann zu unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Unwohlsein, Empfindungsstörungen, Störungen der Bewegungskoordination und Bewusstseinverlust führen. Bei regelmäßigem Kontakt kann es zu einer Toluolsucht kommen, die mit Heiterkeits- und Erregungsräuschen einhergeht. Toluoldämpfe haben eine narkotisierende Wirkung und reizen die Augen und Atmungsorgane schwer, allergische Reaktionen auf Toluol sind möglich. Toluol sollte an gut belüfteten Orten aufbewahrt werden.

Toluol ist selbst in geringen Mengen, obwohl es nicht wasserlöslich ist, wassergefährdend (WGK 2).[1] Es ist biologisch leicht abbaubar. Toluol darf, wie auch Benzol, in der EU nicht mehr als Stoff oder Bestandteil von Zubereitungen in frei verkäuflichen Klebstoffen und Farbsprühdosen verwendet bzw. in Verkehr gebracht werden.[9]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 Eintrag zu Toluol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 4. Dezember 2012 (JavaScript erforderlich).
  2. Heinz G. O. Becker, Werner Berger und Günter Domschke: Organikum. 22. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2004, ISBN 978-3-527-31148-4, S. 732.
  3. 3,0 3,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 108-88-3 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. Christian Wiegand: Entstehung und Deutung wichtiger organischer Trivialnamen. In: Angewandte Chemie. A/60. Jahrg. 1948/Nr.4
  6. 6,0 6,1 I.M. Smallwood: Handbook of organic solvent properties, Arnold London 1996, ISBN 0 340 64578 4, S. 40–42.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenngrößen - Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase, Wirtschaftsverlag NW – Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven 2003.
  8. Technische Regel für Betriebssicherheit – TRBS 2153, BG RCI Merkblatt T033 Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Stand April 2009, Jedermann-Verlag Heidelberg.
  9. Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 vom 18. Dezember 2006. Abl. L 136, 29.05.2007, Anhang XVII. pdf-Datei

Literatur

  • Unterausschuss Wirkungsfragen des LAI: Bewertung von Toluol- und Xylol-Immissionen. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-503-04071-4.
  • Jürgen Angerer: Prävention beruflich bedingter Gesundheitsschäden durch Benzol, Toluol, Xylole und Ethylbenzol. Gentner, Stuttgart 1983, ISBN 3-87247-311-5.
  • A. Seeber, M. Blaszkewicz, P. Demes: Toluol in Tiefdruckereien. Abschlussbericht zu einem Forschungsprojekt. HVBG, Sankt Augustin 2002, ISBN 3-88383-623-0.
  • Helmut Greim: Gesundheitsschädliche Arbeitstoffe. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten. Toluol. VCH, Weinheim 1985, ISSN 0930-1984.

Weblinks

Commons: Toluene – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Toluol – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen