Landé-Faktor
Der Landé-Faktor
Als klassischer Vergleichswert wird das magnetische Moment für ein System berechnet, das die gleiche Masse, die gleiche elektrische Ladung und den gleichen Drehimpuls besitzt. Bei reinem Bahndrehimpuls herrscht Übereinstimmung, daher ist
Liegt reiner Spindrehimpuls vor, heißt der g-Faktor
Wenn der Gesamtdrehimpuls des Systems im betrachteten Zustand aus beiden Arten Drehimpuls zusammengesetzt ist, ist der g-Faktor eine Kombination aus
Befindet sich das System in einem Magnetfeld, präzedieren die Vektoren
Theorie
Magnetisches Moment
Nach der klassischen Physik hat ein Körper mit Masse
(kleine Buchstaben für 1 Teilchen, große für Mehrteilchensysteme).
Dies gilt auch für den Bahndrehimpuls
Die Operatoren für den Gesamtdrehimpuls bzw. das gesamte magnetische Moment eines Teilchens sind:
- .
Um diese Formeln allgemein und auch für neutrale Teilchen (wie das Neutron) verwenden zu können, obwohl deren Bahndrehimpuls wegen
wobei
Wenn das System aus mehreren Teilchen derselben Art besteht (z. B. Elektronen in der Atomhülle), dann addieren sich alle Bahndrehimpulsoperatoren zum gesamten Bahndrehimpuls
- .
Landé-Formel
Wegen
Der resultierende g-Faktor ist demnach der Wert des Operators
Wenn man
durch die Quantenzahlen ausdrücken, das zweite analog. Es folgt die verallgemeinerte Landé-Formel
Für ein Elektron setzt man
Für eine ganze Atomhülle mit mehreren Elektronen muss die Art der Kopplung der Drehimpulse berücksichtigt werden. Die einfache Landé-Formel ist im Fall der LS-Kopplung richtig, weil nur dann in dem betrachteten Zustand der gesamte Bahndrehimpuls
Die einfache Landé-Formel enthält noch nicht den genaueren Spin-g-Faktor des Elektrons, der aufgrund von Effekten der Quantenelektrodynamik um 1,1 ‰ größer ist.
Landé selbst hatte 1923 (fast richtig)
Anomale g-Faktoren des Spins
Elektron
In der theoretischen Beschreibung des Elektrons durch die Schrödinger-Gleichung gibt es zunächst keinen Spin. Mit der Entdeckung des halbzahligen Spins musste dem Elektron aufgrund der Beobachtungen am anomalen Zeeman-Effekt der anomale gyromagnetische Faktor
Experimente der Elektronenspinresonanz zeigten später geringe Abweichungen. Zuweilen werden nur diese zusätzlichen Abweichungen anomales magnetisches Moment genannt, Experimente zu ihrer Bestimmung heißen auch (g-2)-Experimente. Die Dirac-Gleichung berücksichtigt nicht die mögliche Erzeugung und Vernichtung von Photonen und Elektron-Positron-Paaren. Dies leistet erst die Quantenelektrodynamik. Das führt zu Korrekturen in der Ankopplung des Elektrons an das Magnetfeld. Sie liefern einen theoretischen Wert von
wohingegen Experimente nach derzeitiger Messgenauigkeit einen Wert von
ergeben. Daran ist bemerkenswert, dass der Wert experimentell mit höherer Genauigkeit bekannt ist, als er sich theoretisch berechnen lässt. Die präzise Berechnung des g-Faktors und der Vergleich mit dem Experiment etwa beim Myon dient für Präzisionstests des Standardmodells der Elementarteilchen.
Zusammengesetzte Teilchen
Zusammengesetze Teilchen haben deutlich andere gyromagnetische Faktoren:
Die g-Faktoren dieser Nukleonen sind nicht genau berechenbar, da das Verhalten ihrer Bestandteile, Quarks und Gluonen, nicht genügend genau bekannt ist.
Beim gyromagnetischen Faktor des Neutrons handelt es sich genau genommen um die Stärke der Spin-Magnetfeld-Energie des Neutrons im Vergleich zur Bahndrehimpuls-Magnetfeld-Energie des Protons, denn das Neutron ist ungeladen und hat keine Bahndrehimpuls-Magnetfeld-Energie.
Ebenso wie die gyromagnetischen Faktoren der Protonen und Neutronen kann der Kern-g-Faktor nicht a-priori berechnet werden, sondern muss experimentell bestimmt werden.
Bestimmungsgeschichte
Der g-Faktor, insbesondere der Wert
Der Bestimmung des g-Faktors des Myons widmete sich insbesondere Vernon Hughes, gipfelnd in einem Experiment am Brookhaven National Laboratory, dessen Ergebnisse 2002 vorgelegt wurden.[7] Der Vergleich mit der Theorie ist beim Myon insofern schwieriger, als in den theoretischen Wert zusätzliche experimentelle Werte mit geringerer Genauigkeit mit einfließen. Eine Analyse ergab 2009 eine Abweichung von den Vorhersagen des Standardmodells.[8]
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ Zwei mögliche Vorgehensweisen:
- (nach Shankar, Principles of quantum mechanics, Plenum Press, N.Y. 1980) Die kinetische Energie statt durch
mit der identischen Größe ansetzen. Nach Ankopplung des elektromagnetischen Felds in üblicher Form, , ergibt sich g=2. - (nach Greiner: Quantenmechanik. Einführung. Band 4, Kapitel XIV, ISBN 3-8171-1765-5) Die Schrödingergleichung direkt linearisieren, d. h. als Produkt zweier Differentialoperatoren 1. Ordnung zu schreiben. Es ergeben sich die 4-komponentigen Dirac-Spinoren und entsprechend g=2.
- (nach Shankar, Principles of quantum mechanics, Plenum Press, N.Y. 1980) Die kinetische Energie statt durch
Literatur
Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Moderne Physik von den Atomen bis zum Standard-Modell. Springer, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-85299-5.
Einzelnachweise
- ↑ Entgegen dieser Konvention nimmt man in der Atomphysik für das Elektron beide Werte positiv und berücksichtigt das Vorzeichen (wenn überhaupt erforderlich) an anderer Stelle, z. B. bei der Energie.
- ↑ A. Landé: Termstruktur und Zeemaneffekt der Multipletts, in: Zeitschrift für Physik', Bd. 15, Seiten 189-205, 1923
- ↑ CODATA Recommended Values. National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 19. Juni 2011. Wert für
- ↑ CODATA Recommended Values. National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 19. Juni 2011. Wert für
- ↑ CODATA Recommended Values. National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 19. Juni 2011. Wert für
- ↑ D. Hanneke, S. Fogwell Hoogerheide, G. Gabrielse: Cavity control of a single-electron quantum cyclotron: Measuring the electron magnetic moment, Physical Review A, Bd. 83, S. 052122, 2011
- ↑ G. W. Bennett, Hughes u. a. Final Report, Brookhaven, Physical Review D, Bd. 73, 2006
- ↑ Fred Jegerlehner, Andreas Nyffeler: The muon g
2, Physics Reports Bd. 477 (2009) S. 1-111