Isocyanate

Isocyanate

Grundstruktur der Isocyanate. R steht für einen Alkyl- oder Arylrest

Isocyanate werden die Ester der Isocyansäure genannt. Für die Salze der Isocyansäure könnte man ebenfalls die Bezeichnung Isocyanate erwarten, da diese jedoch identisch mit den Salzen der Cyansäure sind, bezeichnet man beide traditionell als Cyanate.

Herstellung von Isocyanaten

Isocyanate lassen sich durch die Umsetzung der entsprechenden Amine mit Phosgen herstellen. Die Synthese erfolgt in zwei Schritten über das als Zwischenprodukt auftretende Carbamoylchlorid. In jedem Teilschritt wird ein Chlorwasserstoff-Molekül abgespalten:

Herstellung von Isocyanaten

Alternative Synthesewege sind beispielsweise die katalytische Carbonylierung von Nitro-Verbindungen bzw. Aminen oder die Umsetzung primärer Amine mit Di-tert-butyldicarbonat (Diboc) in Anwesenheit von 4-(Dimethylamino)-pyridin (DMAP).

Chemische Eigenschaften

Isocyanate sind chemisch hochreaktive Verbindungen, die das Strukturelement R–N=C=O aufweisen. Die bedeutendsten Reaktionen der Isocyanatgruppe sind Additionsreaktionen. So reagieren sie mit Alkoholen zu Urethanen, mit Aminen zu Harnstoffderivaten und mit Wasser zu Carbamidsäuren, die aber chemisch instabil sind und direkt unter Abgabe von Kohlenstoffdioxid zu den Aminen zerfallen.

Urethanbildung:

$ \mathrm {R{-}NCO+R'{-}OH\longrightarrow R{-}NHC(O)O{-}R'} $

Harnstoffderivatbildung:

$ \mathrm {R{-}NCO+R'{-}NH_{2}\longrightarrow R{-}NHC(O)NH{-}R'} $

Reaktion mit Wasser:

$ \mathrm {R{-}NCO+H_{2}O\longrightarrow [R{-}NHCOOH]} $
$ \mathrm {[R{-}NHCOOH]\longrightarrow R{-}NH_{2}+CO_{2}} $


Isocyanate können in einer Gleichgewichtsreaktion zu Uretdionen dimerisieren. Die Dimerisierung kann durch basische Katalysatoren wie Pyridin oder tertiäre Phosphane beschleunigt werden; aromatische Isocyanate dimerisieren jedoch auch ohne Katalysator.[1]

Uretdione.svg

Bei höheren Temperaturen ist die Lage des Gleichgewichts zu den thermisch stabileren Isocyanaten hin verschoben.

Auch eine Trimerisierung zu den sogenannten Isocyanuraten (1,3,5-Triazin-2,4,6-trionen] ist möglich; als Katalysatoren hierfür sind z. B. Natriumformiat, Kaliumacetat, Phosphane oder tertiäre Amine geeignet. Aus Diisocyanaten hergestellte Isocyanurate werden als Reaktionskomponente mit besonders niedrigem Dampfdruck für Polyurethansysteme eingesetzt.[1] Ebenso kann die Trimerisierung aber auch zur Herstellung von Polyisocyanuraten genutzt werden.

Anwendung und Nutzung

Bei der Anwendung der Isocyanate muss unterschieden werden zwischen den sehr flüchtigen Monoisocyanaten und den deutlich weniger flüchtigen Di- und Polyisocyanaten.

Methylisocyanat (CH3–N=C=O) ist der einfachste Ester der Isocyansäure. Es ist eine sehr reaktive Substanz, die z. B. bei der Herstellung von Pestiziden verwendet wird.

Industrielle Nutzung

Werden Verbindungen mit zwei Isocyanat-Gruppen (Diisocyanate) mit zweiwertigen Alkoholen (Diolen) zur Reaktion gebracht, so laufen Polyadditions-Reaktionen ab und es entstehen die technisch vielfältig genutzten Polyurethane. Ist gleichzeitig auch noch Wasser (z.B. Luftfeuchtigkeit) vorhanden, läuft auch die Reaktion über die instabilen Carbamidsäuren ab, die unter Kohlenstoffdioxid-Abspaltung zerfallen. Das hierbei entstehende Gas ist für die Schaumbildung bei Polyurethanschäumen verantwortlich. Das gleichzeitig entstehende Amin wiederum kann, wie oben dargestellt, mit einem weiteren Isocyanat zu einer Harnstoffverbindung reagieren. Bei der Härtung von Polyisocyanaten mit Wasser werden also Polyharnstoffe gebildet. So lassen sich auch einkomponentige Produkte (Lacke, Klebstoffe, Schäume) formulieren, die das zur Härtung erforderliche Wasser als Wasserdampf aus der Umgebungsluft beziehen. Dünne Schichten härten ohne Aufschäumen aus, soweit das Basismaterial eine genügende Durchlässigkeit für Kohlendioxid besitzt.

Die Hauptanwendung der Diisocyanate stellt die Synthese der Polyurethane dar. Die wichtigsten Vertreter sind:

Die beiden letztgenannten aliphatischen Diisocyanate und ihre Derivate finden hauptsächlich in hochwertigen Polyurethan-Lacksystemen Verwendung.

Medizinische Bedeutung

Isocyanate schädigen, durch eine Reaktion mit NH2- und OH-Gruppen, die Zellmembranen menschlicher Zellen. Bei Aufnahme durch Inhalation Isocyanat-haltiger Dämpfe kommt es zu Reizerscheinungen an Haut und Schleimhaut. Im Auge können Hornhautschädigungen verursacht werden. Insbesondere HMDI kann auf der Haut eine Nesselsucht, ein Kontaktekzem oder eine toxische Dermatitis auslösen.

Isocyanate, insbesondere MDI und TDI, können eine allergische Reaktionen des Typ I hervorrufen. Das sich dadurch entwickelnde Isocyanat-Asthma präsentiert sich ähnlich wie das klassische allergische Asthma, scheint jedoch etwas anderen molekularen Mechanismen zu unterliegen. Spezifische Antikörper werden nur selten nachgewiesen. Eine Diagnose erfolgt häufig über einen Provokationstest.

Atemwegserkrankungen, die durch Isocyanate ausgelöst werden, können als Berufskrankheit (BK1315) anerkannt werden. Arbeitnehmer, die regelmäßig Isocyanaten ausgesetzt sind, müssen an arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen.[2][3]

Toxizität

Isocyansäure, Methylisocyanat und andere Isocyanate sind sehr giftig.

Am 3. Dezember 1984 entwichen aus einem defekten Tank einer Pestizidfabrik des amerikanischen Chemiekonzerns Union Carbide Corporation in der Nähe der Stadt Bhopal (Indien) rund 40 Tonnen Methylisocyanat. Die Gaswolke tötete mehr als 2800 Menschen und verursachte bei mehreren Hunderttausend weiteren Personen schwere Verletzungen wie Augen- und Schleimhautschäden (Bhopalunglück).

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hans Kittel: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen. In: Walter Krauß (Hrsg.): Band 2: Bindemittel für lösemittelhaltige und lösemittelfreie System. 2. Auflage. Hirzel, Stuttgart 1998, ISBN 3-7776-0886-6.
  2. Jürgen Fritze: Die ärztliche Begutachtung: Rechtsfragen, Funktionsprüfungen, Beurteilungen. 7. Auflage. Steinkopff, Darmstadt 2008, ISBN 3-7985-1563-8.
  3. Claus Kroegel, Neil C. Barns: Asthma bronchiale: Pathogenetische Grundlagen, Diagnostik, Therapie. 2. Auflage, Georg Thieme, Stuttgart/New York 2001, ISBN 3-13-104732-1.