Haüyn
Haüyn | |
Haüyn im Muttergestein Bims in ungewöhnlicher Größe von ca. 2 cm | |
Andere Namen |
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Chemische Formel | |
Mineralklasse | Silikate und Germanate 9.FB.10 (8. Auflage: VIII/J.11) nach Strunz 76.02.03.03 nach Dana |
Kristallsystem | kubisch |
Kristallklasse; Symbol nach Hermann-Mauguin | hexakistetraedrisch 43m[3] |
Raumgruppe (Raumgruppen-Nr.) | P43n (Raumgruppen-Nr. 218) |
Farbe | blau, braun, gelb, grau, grün, grünblau, rot, weiß |
Strichfarbe | hellblau bis bläulich-weiß |
Mohshärte | 5,5 bis 6 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 2,44 bis 2,50[4] |
Glanz | Fettglanz, Glasglanz |
Transparenz | durchsichtig bis durchscheinend |
Bruch | muschelig |
Spaltbarkeit | vollkommen nach {110}, {011} und {101} |
Habitus | würfelig, rhombendodekaedrisch |
Zwillingsbildung | häufig nach [111] |
Kristalloptik | |
Brechungsindex | n = 1,494 bis 1,509[5] |
Weitere Eigenschaften | |
Ähnliche Minerale | Sodalith, Nosean, Lasurit |
Besondere Kennzeichen | Gelegentlich Fluoreszenz |
Haüyn (eingedeutscht auch Hauyn, veraltet Hauynit, Aussprache [ha'ɥi:n]) ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Er kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Zusammensetzung Na5-6Ca2[(SO4,Cl)2|Al6Si6O24][1], ist also chemisch gesehen ein Natrium-Calcium-Alumosilikat mit [SO4]2− und Chlorid als zusätzlichen Anionen.
Haüyn entwickelt meist nur millimetergroße Kristalle von überwiegend blauer Farbe und glasähnlichem Glanz. In seltenen Fällen wurden aber auch schon weiße, braune, gelbe, graue, grüne, grünblaue und orangerote Haüyne gefunden.
Besondere Eigenschaften
Haüyn gehört als Mitglied der Sodalithgruppe zu den Foiden. Das Mineral ist transparent bis durchscheinend, hat eine Mohshärte von 5,5 bis 6 und eine Dichte von 2,4 g/cm³. Die chemische Zusammensetzung von Haüyn ist schwer zu ermitteln, da es sich zumeist um komplexe Mischkristalle zwischen verschiedenen Gliedern der Sodalithgruppe (hauptsächlich Sodalith, Nosean und Lasurit) handelt. Daher werden in der Literatur unterschiedliche chemischen Formeln genannt, neuere Quellen geben sie idealisiert als Na3Ca(Si3Al3)O12(SO4) an.[2]
Gelegentlich zeigt sich unter langwelligem UV-Licht gelborange und unter kurzwelligem UV-Licht rosa bis rotorange Fluoreszenz.
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Haüyn am Monte Somma in Italien und beschrieben 1807 durch Tønnes Christian Bruun-Neergaard (1776–1824)[6], der das Mineral nach dem französischen Mineralogen René-Just Haüy (1743–1822) benannte.
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Haüyn zur Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate), mit Zeolithen“, wo er zusammen mit Bicchulith, Hydrosodalith, Kamaishilith, Lasurit, Nosean, Sodalith, Tsaregorodtsevitund Tugtupit die „Sodalith-Reihe“ mit der System-Nr. VIII/J.11 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Haüyn in die Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate) ohne zeolithisches H2O“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Gerüstsilikate (Tektosilikate) mit weiteren Anionen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Bicchulith, Danalith, Genthelvin, Helvin, Kamaishilith, Lasurit, Nosean, Sodalith, Tsaregorodtsevit und Tugtupit die „Sodalith-Danalith-Gruppe“ mit der System-Nr. 9.FB.10 bildet.
Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Haüyn in die Abteilung der „Gerüstsilikate: Al-Si-Gitter“ ein. Hier ist er zusammen mit Sodalith, Nosean, Lasurit, Bicchulith, Kamaishilith, Tugtupit und Tsaregorodtsevit in der „Sodalithgruppe“ mit der System-Nr. 76.02.03 innerhalb der Unterabteilung „Gerüstsilikate: Al-Si-Gitter, Feldspatvertreter und verwandte Arten“ zu finden.
Bildung und Fundorte
Haüyn bildet sich in SiO2-untersättigten (siliciumarmen, alkalischen) Vulkaniten während der Spätphase der magmatischen Differentiationsfolge. Bei explosiven vulkanischen Eruptionen wird es aus der Tiefe der Erdkruste heraus geschleudert. Der Fallout enthält vulkanische Aschen, Bims, Tuff und Schlacke. Als Begleitminerale treten unter anderem titanhaltiger Andradit, Apatit, Augit, Biotit, Leucit, Melilith, Nephelin, Phlogopit und Sanidin auf.[4]
„Edle“, das heißt für die Schmuckindustrie verwertbare und facettierbare Haüyne werden vor allem in den Aschen und Bimsschichten gefunden, die das Umfeld des Laacher Sees bedecken.
In Deutschland wurde Haüyn bisher außer im Bereich des Laacher-See-Vulkans in der Eifel auch noch bei Andernach, Bad Breisig, Daun, Gerolstein, Hillesheim, Mayen, Mendig, Niederzissen und Polch gefunden. Die besten Fundstellen befinden sich in der Umgebung der Städte Mendig und Nickenich. Obwohl kleinere Hauyne noch überall in der Laacher-See-Region gefunden werden können, kann man Steine von höherer Qualität nur noch in wenigen Gruben finden. Die momentan (2009) beste Hauyn-Quelle ist die kommerzielle Sandgrube „In den Dellen“ in der Nähe der Stadt Nickenich. Hier wurden alle möglichen blauen Farbvarianten des Hauyn in allen Größen finden, und möglicherweise sogar einen zweiten, facettierbaren 5-Karäter.
Weltweite Fundorte sind unter anderem Badakhshan in Afghanistan; Armenien; die Insel Tasmanien in Australien; die brasilianische Insel Martim Vaz; am Fluss Napo in Ecuador; Auvergne und Rhône-Alpes in Frankreich sowie die französische Kolonie Tahiti; Tunu in Grönland; verschiedene Regionen in Italien; Nunavut und Québec in Kanada; die Steiermark in Österreich; die nördlichen Regionen von Russland; die Kanarischen Inseln sowie Katalonien in Spanien; Dalarna und Uppland in Schweden; sowie in mehreren Staaten der USA.[7]
Morphologie
Normalerweise findet man Hauyn als sehr kleine (ca. 1 bis 2 mm), abgerundete Stücke. Kristalle über 5 mm sind nur sehr selten zu finden. Hauyn ist nur selten in vollkommenen Kristallen zu finden. Normalerweise sind die einzelnen Kristalle mit anderen Mineralien zusammen gewachsen.
Kristallstruktur
Haüyn kristallisiert im kubischen Kristallsystem in der Raumgruppe P43n (Raumgruppen-Nr. 218) mit dem Gitterparameter a = 9,12 Å sowie einer Formeleinheit pro Elementarzelle.[8]
Verwendung
Obwohl die Typlokalität der Monte Somma am Vesuv in Italien ist, stammen die bisher gefundenen Haüyne in der begehrten neonblauen Farbe und in Schmucksteinqualität aus der Eifel. Internationale Quellen erwähnen immer wieder auch weiße, graue, gelbe, grüne, violette oder rote Hauyne. Hauyn in Bims ist heller und kleiner (1 bis 2 mm) als in basaltischen Lapilli (< 5 mm).
Nur transparente, fehlerfreie und intensiv gefärbte Haüynkristalle werden geschliffen und zu Schmucksteinen verarbeitet. Aufgrund der in mehreren Achsrichtungen des Kristalls vollkommenen Spaltbarkeit reagiert der Stein auf alle Arten von Druck (Schleifen, Fassen, Ultraschallreinigen) und Wärmeänderungen (Löten, Punktlichtstrahler) sehr empfindlich[9]. Der Wert eines facettierten Haüyns steigt demnach umso mehr, je größer er ist. Zukünftig können Hauyne noch zusätzlich im Wert steigen, da die wenigen noch existierenden deutschen Gruben nur noch für eine überschaubare Zeit existieren. Der Hauptgrund liegt darin, dass mehr und mehr alte Eifelvulkane als schützenswerte Naturdenkmäler angesehen werden und somit nicht mehr von Sammlern oder Bergbaubetrieben „angegraben“ werden können.
Siehe auch
Literatur
- T. C. Bruun-Neergard: Ueber den Hauyn (la Hauyne), eine neue mineralische Substanz', in: Journal of Chemical Physics, Band 4 (1807), S. 417-429 (PDF 1,3 MB)
- Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. 13. Auflage. BLV Verlags GmbH, 1976/1989, ISBN 3-405-16332-3, S. 43, 56, 240.
Weblinks
- Mineralienatlas:Haüyn (Wiki)
- American Mineralogist Crystal Structure Database - Haüyne (englisch)
- mineralienfreunde.de
- Mineralien aus der Gegend von Niederrotweil und vom Totenkopf mit Haüynen in seltener Farbe
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. 4. Auflage. Christian Weise Verlag, München 2002, ISBN 3-921656-17-6.
- ↑ 2,0 2,1 IMA/CNMNC List of Mineral Names - Haüyne (PDF 1,8 MB; S. 116)
- ↑ Webmineral - Hauyne (englisch)
- ↑ 4,0 4,1 Haüyne, in: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 74,1 kB)
- ↑ Mindat - Haüyne (englisch)
- ↑ Schwedische Wikisource - Sida:Berzelius Bref 8.djvu/88
- ↑ MinDat - Localities for Haüyne (englisch)
- ↑ Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 699.
- ↑ Edelstein-Knigge - Hauyn (Die dortige Schreibweise Hayn ist ein Schreibfehler)