Ethinylestradiol

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Strukturformel
Struktur von Ethinylestradiol
Allgemeines
Freiname Ethinylestradiol (INN)
Andere Namen
  • 17α-Ethinylestradiol
  • Ethinylestradiolum (Latein)
  • 19-Nor-17α-pregna-1,3,5(10)-trien-20-in-3,17-diol (IUPAC)
Summenformel C20H24O2
CAS-Nummer 57-63-6
PubChem 5991
ATC-Code
DrugBank DB00977
Kurzbeschreibung

weißes bis schwach gelblichweißes kristallines Pulver[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Estrogene

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 296,40 g·mol−1
Schmelzpunkt
  • 182–184 °C (wasserfrei)[2]
  • 141–146 °C (Hemihydrat)[3]
Löslichkeit

fast unlöslich in Wasser, gut löslich in verschiedenen organischen Lösungsmitteln[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [4]
07 – Achtung 08 – Gesundheitsgefährdend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302-350-413
P: 201-​308+313 [4]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [5][4]

T
Giftig
R- und S-Sätze R: 45-22
S: 53-36/37/39-45
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Ethinylestradiol ist ein synthetischer Arzneistoff aus der Gruppe der Estrogene. Es ist ein Derivat des natürlichen vorkommenden Estradiols mit verstärkter estrogener Wirkung und wird vor allem zur Empfängnisverhütung eingesetzt.

Pharmakologische Eigenschaften

Ethinylestradiol wirkt wie Estradiol als Agonist an den im Zellinneren vorkommenden Estrogenrezeptoren. Die zusätzliche Ethinylgruppe am C-17 beeinflusst insbesondere die pharmakokinetischen Eigenschaften: So unterliegt Ethinylestradiol im Vergleich zum Estradiol einem deutlich verminderten First-Pass-Effekt in der Leber, mit der Folge einer deutlich erhöhten oralen Bioverfügbarkeit.[6]

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Ethinylestradiol wird vor allem zur Empfängnisverhütung eingesetzt und dient hier zusammen mit einem Gestagen als typischer Inhaltsstoff von kombinierten oralen Kontrazeptiva (Antibabypille). Weitere Anwendungsgebiete sind die Hormonersatztherapie, die palliative Behandlung bei Prostatakrebs sowie verschiedene Menstruationsstörungen, wie beispielsweise die primare und sekundäre Amenorrhoe.[7] [8]

Dosierung

Bei einer typischen Antibabypille beträgt die täglich zugeführte Ethinylestradiol-Dosis heute 20 bis 35 Mikrogramm.[7] In den 1960er Jahren waren noch Dosierungen von 50 bis 100 Mikrogramm üblich.[6]

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Bei folgenden Erkrankungen - akut vorliegend, oder auch in der Vorgeschichte - sollten Ethinylestradiol-haltige Präparate nicht eingesetzt werden (Auswahl):[7] [9]

  • Erkrankungen der Leber, insbesondere Lebertumoren
  • Estrogenabhängige Tumoren von Gebärmutter und Brustdrüse
  • schwer behandelbare Hypertriglyceridämie
  • Pankreatitis
  • Thromboembolische Erkrankungen
  • ungeklärte vaginale Blutungen
  • Schwer einstellbare arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Diabetes mellitus mit Gefäßveränderungen
  • Migräne mit fokalen neurologischen Symptomen

Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit

Für die Anwendung von Ethinylestradiol in der Schwangerschaft besteht keine Indikation. In der Stillzeit ist zu beachten, dass Ethinylestradiol in die Muttermilch übertreten und auch deren Bildung mindern kann.[7]

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Aufgrund seiner pharmakokinetischen Eigenschaften unterliegt Ethinylestradiol vielfältigen Arzneimittelwechselwirkungen. An erster Stelle zu nennen sind hier Interaktionen mit Enzyminduktoren des Cytochrom P450-Enzymsystems. Ethinylestradiol wird v.a. durch CYP3A4 in der Leber metabolisiert. Verschiedene Arzneistoffe zur Behandlung der Epilepsie (Antikonvulsiva) wie Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin oder Primidon, aber auch das Antiinfektivum Rifampicin oder das pflanzliche Antidepressivum Johanniskraut verstärken die Ausprägung dieses Enzyms, erhöhen somit den Stoffwechsel von Ethinylestradiol, und vermindern - bei Anwendung als Bestandteil der Antibabypille - die empfängnisverhütende Wirkung.[10]

Ethinylestradiol unterliegt teilweise einem enterohepatischen Kreislauf. Konjugate mit Glucuronsäure oder Sulfat gelangen mit der Gallenflüssigkeit in den Darm. Dort werden sie zum Teil durch die Darmflora gespalten, das ungebundene Ethinylestradiol kann erneut absorbiert werden und länger wirken. Bei gleichzeitiger Einnahme von Antibabypillen mit Tetrazyklinen und verschiedenen Penicillinen sind erniedrigte Ethinylestradiol-Plasmaspiegel beobachtet wurden.[7] Es ist ungeklärt, ob dies tatsächlich auf eine Beeinträchtigung des enterohepatischen Kreislaufs zurückzuführen ist.[9]

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Zu den häufigsten Nebenwirkungen nach der Einnahme von Ethinylestradiol (in oralen Kontrazeptiva) zählen Brustschmerzen und eine gesteigerte Empfindlichkeit der Brust, Gewichtsveränderungen, Akne, Stimmungsschwankungen sowie Vaginitis. Gelegentlich kommt es zu Veränderungen des Appetits, Bauchkrämpfen oder Ausschlag. Durch die Beachtung der Kontraindikationen soll das Auftreten der schwerwiegendsten Nebenwirkungen wie Thromboembolien sowie Krebserkrankungen von Leber, Gebärmutterhals und Brustdrüse minimiert werden.[9]

Sonstige Informationen

Synthese von Ethinylestradiol aus Estron durch Ethinylierung der Carbonylgruppe

Chemische Informationen

Ethinylestradiol kann durch Einführung einer Ethinylgruppe in der Position 17 von Estron synthetisiert werden.[11] Der 3-Methylether des Ethinylestradiols, das Mestranol, ist ein weiteres synthetisches Estrogen, das jedoch nur noch selten verwendet wird.

Umweltwirkungen

Wie Frauke Hoffmann und Werner Kloas vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Tierversuchen gezeigt haben, verändern schon geringste Mengen (ng bis µg/l Umgebungswasser) von Ethinylestradiol das Balzverhalten von Afrikanischen Krallenfröschen (Xenopus laevis) merklich. Die Anzahl der Rufe und Klicklaute verringert sich signifikant, wodurch sich auch die Attraktivität der Männchen für die Weibchen verringert. Dadurch steigt auch das Risiko einer Paarungsverweigerung. Da Ethinylestradiol teilweise über den Urin wieder ausgeschieden wird, gelangt es über Abwässer in Freilandgewässer, wo es sich tatsächlich in den untersuchten Konzentrationen wiederfindet. Ethinylestradiol könnte somit also einen Beitrag zum weltweiten Amphibiensterben leisten.[12]

Geschichte

Die Entwicklung von Ethinylestradiol erfolgte 1938 durch Hans Herloff Inhoffen und Walter Hohlweg bei der Berliner Schering AG (heute Bayer Schering Pharma).[13]

Handelsnamen

Kombinationspräparate

aida (D), Balanca (D, A), Belara (D, A, CH), Bellgyn (A), Bellissima (D), Biviol (D), Cilest (D, CH), Cileste (A), Clevia (D), Conceplan (D), Desmin (D), Diane (D, A, CH), Elleacnelle (CH), Eve (D), Evra (D, CH), Femigoa (D), Femigyne (D), Femovan (D), Gracial (A, CH), Gravistat (D), Harmonet (CH), Illina (D), Lamuna (D), Leios (D), Lovelle (D), Marvelon (D, A, CH), Maxim (D), Microgynon (D), Minisiston (D), Minulet (D, A, CH), Miranova (D), Mirelle(A), Monahexal (D), MonoStep (D), Neo-Eunomin (D), NovaStep (D), Novial (D), NuvaRing (D, CH), Ovysmen (A), Petibelle (D), Pramino (D), Synphasec (D), Trigoa (D), TriNovum (D, A), Triquilar (D), Trisiston (D), Valette (D), Yasmin (D, A, CH), Yasminelle (D), Yaz (D)

(Auswahl)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Europäisches Arzneibuch. Nachtrag 2001. Deutscher Apotheker Vlg. März 2002. ISBN 978-3-7692-2768-0.
  2. 2,0 2,1 Hunnius C. [Begr.], Ammon HPT [Hrsg.]: Hunnius pharmazeutisches Wörterbuch. 9., neu bearb. und erw. Aufl., de Gruyter, Berlin, New York 2004. ISBN 3-11-017475-8
  3. The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; S. 641, ISBN 978-0-911910-00-1.
  4. 4,0 4,1 4,2 Datenblatt 17α-Ethynylestradiol bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 31. März 2011.
  5. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  6. 6,0 6,1 Brunton LL, Lazo JS, Parker K (Hrsg.). Goodman and Gilman's the Pharmacological Basis of Therapeutics. 11. Auflage. B&T Verlag. ISBN 978-0-07-142280-2.
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 Rote Liste Online. Abgerufen am 2. August 2008.
  8. Fachinformation eines Ethinylestradiol-Monopräparats (englisch). Abgerufen am 13. August 2008.
  9. 9,0 9,1 9,2 BfArM-Musterfachinformation für Ethinylestradiol-Levonorgestrel-Kombinationspräparate. Abgerufen am 13. August 2008.
  10. Stockley IH (Hrsg.) Stockley's Drug interactions. 6. Auflage. Pharmaceutical Press, London, Grayslake. ISBN 0-85369-504-0.
  11. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher und Dieter Reichert: Pharmaceutical Substances, Thieme-Verlag Stuttgart, 5. Auflage (2009), S. 522−523 ISBN 978-3-13-558405-8; zusätzlich online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.
  12. Schubert, Frank: Wirkstoff von Antibabypillen lässt Frösche weniger flirten. In: Spektrum der Wissenschaft. Juni 2012. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg. ISSN 0170-2971.
  13. bayerpharma.com: Meilensteine der Firmengeschichte.
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