Tyrothricin

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Strukturformel
Strukturformel von Tyrothricin
Allgemeines
Freiname Tyrothricin
Summenformel C65H85N11O13
CAS-Nummer 1404-88-2
PubChem 452550
ATC-Code
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antibiotika

Verschreibungspflichtig: Nein
Eigenschaften
Molare Masse 1228,44 gmol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
LD50

> 3000 mg•kg−1 (Maus, peroral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Tyrothricin ist ein Gemisch zweier antibakteriell wirksamer Polypeptide (sogenannte Antimikrobielle Peptide), Gramicidin und Tyrocidin, die durch den anaeroben sporenbildenden Bacillus aneurinolyticus (früher Bacillus brevis) endotoxinartig gebildet werden. Das Gemisch enthält 70 bis 80 % Tyrocidine und 20 bis 30 % Gramicidine. Der Wirkungsbereich umfasst vorwiegend grampositive Bakterien, aber auch einige gramnegative Bakterien und verschiedene Pilzarten, wie beispielsweise Candida albicans.

Tyrothricin wird aufgrund seiner Struktur und Synthesewegen der Gruppe der Polypeptid-Antibiotika zugeordnet, der unter anderem auch Actinomycin, Bacitracin, und die Polymyxine angehören.

Die Gruppe der Polypeptid-Antibiotika ist jedoch in ihrer Wirkweise sehr unterschiedlich. Actinomycin beispielsweise interkaliert mit doppelsträngiger DNA, Bacitracin greift in die Murein-Biosynthese ein, etc..

Tyrothricin ähnelt in seiner Wirkweise stark den Antimikrobiellen Peptiden (oder host defense peptides), wie sie aus Eukaryoten bekannt sind (z.B. Defensin und Cathelicidin). Aufgrund dieser Ähnlichkeit werden sie heute vermehrt auch dieser Gruppe zugeordnet (nicht-ribosomal synthetisierte antimikrobielle Polypeptide).[3]

Wirkung

Tyrothricin ist ein antimikrobielles Polypeptid, das die Zellmembran verschiedener Mikroorganismen irreversibel schädigt.[4]

Als Gemisch zweier aktiver Substanzen wirkt Tyrothricin auf zwei Wegen auf die mikrobielle Zellwand:

Tyrocidin lagert sich in die Zellmembran von Mikroorganismen ein und zerstört damit deren Funktion. Der genaue Ort und Mechanismus sind bisher unbekannt.

Gramicidin bildet Kationenselektive Kanäle in der Zellmembran, durch die monovalent geladene Kationen (wie z.B. Kalium, Natrium) die Membran passieren können. Hierbei wird unter anderem der Ionengradient zwischen Cytoplasma und extrazellulärem Medium aufgehoben.

Tyrothricin wirkt dosisabhängig bakteriostatisch oder bakterizid auf folgende Keime:

Hemmwerte in μg/ml
Staphylococcus aureus MSSA 4
Staphylococcus aureus MRSA 4
Staphylococcus haemolyticus 4
Streptococcus pyogenes 0,5
Streptococcus viridans 1–5
Enterococcus faecalis 2
Diplococcus pneumonia 1
Corynebakterium spp. 2
Clostridia 0,1 – 10
Candida albicans 16
Candida parapsilosis 32


Die Resistenzentwicklungen zeigen, dass Tyrothricin eine ungebrochen hohe Wirksamkeit selbst gegen Staphylococcus aureus Stämme mit multipler Antibiotikaresistenz (MRSA) zeigt.[5] [6] Es bestehen zudem keine Kreuzresistenzen mit Polymyxin B und Colistin.

Der Grund dieser anhaltenden Wirksamkeit und ausbleibenden Resistenzentwicklung wird in dem direkten und doppelten Angriff auf die Zellmembran von Mikroorganismen vermutet. Um Resistenzen auszubilden, müssten Pathogene die Beschaffenheit und Zusammensetzung ihrer Zellmembranen ändern. Ein komplizierter und (im Blick der Evolution) sehr aufwendiger Prozess.[6]

Aufgrund dieser gleichbleibend hohen Wirkung ist Tyrothricin mit seinen aktiven Bestandteilen Gramicidin und Tyrocidin in den letzten Jahren wieder verstärkt in den Blick der Forschung gelangt.[6][3]

Anwendung

Tyrothricin wird ausschließlich lokal eingesetzt. In diesem Zusammenhang wird das Antibiotikum in Form von Halstabletten bei Halsentzündungen und -schmerzen mit Schluckbeschwerden, bei Rachen- und Kehlkopfentzündungen sowie bei Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches eingesetzt.[7]

Darüber hinaus wird Tyrothricin zur lindernden Behandlung von kleinflächigen, oberflächlichen, wenig nässenden Wunden der Haut mit bakterieller Superinfektion mit Tyrothricin-empfindlichen Erregern wie z.B. Riss-, Kratz-, Schürfwunden, eingesetzt.[8]

Nebenwirkungen

Bei lokalem Einsatz sind im Allgemeinen Überempfindlichkeitsreaktionen gegenüber dem Wirkstoff, wie Brennen oder Jucken der Haut oder Schleimhaut beobachtet worden. Es liegen bislang keine Langzeitstudien über die Wirkung bei Schwangerschaft und Stillzeit vor.

Bei systemischer Aufnahme kann es zu starken nephro- und neurotoxischen Nebenwirkungen kommen.

Handelsnamen

Monopräparate

Tyrosur (D),

Kombinationspräparate

zahlreiche Generika (A, CH)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Datenblatt Tyrothricin from Bacillus aneurinolyticus (Bacillus brevis) bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 29. Mai 2011.
  2. Tyrothricin bei ChemIDplus
  3. 3,0 3,1 B. M. Spathelf: __Qualitative structure-activity relationships of the major tyrocidines, cyclic decapeptides from Bacillus aneurinolyticus. Dissertation, University of Stellenbosch, 2010, (Kapitel 1.4)
  4. Tyrothricin bei docchek
  5. M. Kretschmar, W. Witte, H. Hof: Bactericidal activity of tyrothricin against methicillin-resistant Staphylococcus aureus with reduced susceptibility to mupirocin. In: European journal of clinical microbiology & infectious diseases : official publication of the European Society of Clinical Microbiology. Band 15, Nummer 3, März 1996, S. 261–263, ISSN 0934-9723. PMID 8740868.
  6. 6,0 6,1 6,2 M. A. Marques, D. M. Citron, C. C. Wang: Development of Tyrocidine A analogues with improved antibacterial activity. In: Bioorganic & medicinal chemistry. Band 15, Nummer 21, November 2007, S. 6667–6677, ISSN 0968-0896. doi:10.1016/j.bmc.2007.08.007. PMID 17728134. PMC 2706120.
  7. Beipackzettel Dorithricin Halstabletten
  8. Beipackzettel Tyrosur Gel
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