Sphingosin-1-phosphat

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Strukturformel
Sphingosin-1-phosphat
Allgemeines
Name Sphingosin-1-phosphat
Andere Namen
  • (2S,3R,4E)-2-Amino-4-octadecen-1,3-diol 1-phosphat
  • D-erythro-Sphingosine 1-phosphat
Summenformel C18H38NO5P
CAS-Nummer 26993-30-6
PubChem 5283560
Eigenschaften
Molare Masse 379,472 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
07 – Achtung

Achtung

H- und P-Sätze H: 315-319-335
P: 261-​305+351+338 [1]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [2][1]
Reizend
Reizend
(Xi)
R- und S-Sätze R: 36/37/38
S: 26-36
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Sphingosin-1-phosphat, auch S1P, ist eine in Wirbeltieren, Insekten und Pflanzen vorkommende chemische Verbindung aus der Gruppe der Sphingolipide bzw. Lysophosphatide. Der Phosphorsäureester des Sphingosins ist ein Gewebshormon (Second Messenger) mit Einfluss auf das Zellwachstum, die aktive Ortsveränderung von Zellen (Zellmigration) sowie die Zelldifferenzierung. Sphingosin-1-phosphat hemmt auch die Apoptose (programmierter Zelltod).Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „name“ ist ungültig oder zu lang.

Biosynthese und Metabolismus

Die Biosynthese des Sphingosin-1-phosphates erfolgt aus dem Sphingolipid Sphingomyelin. Dieses wird durch die Sphingomyelinase unter Abspaltung eines Phosphocholinrestes zum Ceramid und weiter durch die Ceramidase zum Sphingosin hydrolysiert. Auf letzteres wird durch die Sphingosinkinase (EC 2.7.1.91) unter Verbrauch eines Moleküls ATP ein Phosphatrest auf die Hydroxygruppe übertragen und Sphingosin-1-phosphat freigesetzt.

Der Abbau erfolgt über zwei Wege: Einerseits wird im Umkehrung des letzten Syntheseschrittes S1P zu Sphingosin und Phosphat hydrolysiert, andererseits kann durch die Sphinganin-1-phosphat-Aldolase (EC 4.1.2.27, auch Sphingosin-1-phosphat-Lyase) eine Spaltung in 2-Hexadecenal und Phosphoethanolamin katalysiert werden. Eine Rolle beim Abbau spielen aber auch mehrere Phosphatidat-Phosphatasen.

Funktion

Sphingosin-1-phosphat hat als Signalmolekül vielfältige intra- wie extrazelluläre Funktionen. Besonders hervorzuheben ist seine Bedeutung für:

  • die Zellproliferation: S1P steigert die Zellproliferation und ist Schutzfaktor im Falle toxischer Ereignisse. Im Sinne des Sphingolipid rheostat führt eine vermehrte Bildung von S1P zur Verringerung von Spingosin und Ceramid, welche dem endogenen Zelltod, der Apoptose, förderlich sind.
  • die Zellmigration: S1P bewirkt als Gewebshormon eine Verstärkung des gerichteten Wanderverhaltens einzelner Zellen (Stichwort Chemotaxis) durch Aktivitätssteigerung zytoskeletaler Bewegungsfunktionen (Aktivierung des S1P1-Rezeptors) und innergeweblicher Verankerungen (Aktivierung des S1P2-Rezeptors, Stichwort stress fiber). Die Rezirkulation von Lymphozyten wird gehemmt.
  • die Gefäßpermeabilität: Durch Aktivierung des VE-Cadherin-Systems/adherens junction und durch unbekannte Effekte auf die vesikuläre Transzytose wird die Durchlässigkeit des Endothels für große Moleküle und ggf. Zellen deutlich reduziert. Die Wirkung des VEGF wird gehemmt.
  • die Angiogenese: Viele Vorgänge der Angiogenese werden unterstützt: Induktion der endothelialen NO-Synthase (eNOS), Proliferation und Migration von Endothelzellen, Röhrenbildung (tube formation), Gefäßreifung durch glatte Muskelzellen und Perizyten.
  • die Funktion von Thrombozyten: S1P wird in den Blutplättchen gebildet, gespeichert und bei Aktivierung sezerniert. Es findet sich in den Plättchen kein abbauender Stoffwechselweg.
  • Stimulation der Cyclooxygenase 2 zur Produktion von PGE2. Synergistische Induktion der cytosolischen Phospholipase A2 (cPLA2) durch Ceramid-1-phosphat.

Regulation

Rezeptoren und Signaltransduktion

S1P-Rezeptoren sind typischerweise an G-Proteine gekoppelt und werden durch Ligandenbindung und Autophosphorylierung oder durch ligandenunabhängige Phosphorylierung durch andere Kinasen (Z.B. akt/PI3K, Stichwort Transaktivierung) aktiviert. Die Rezeptoren wurden zunächst edg*, später s1p* benannt. 2nd messenger sind alle Zweige der MAP Kinasen, PI3k, PLC/IP3/Calcium, rho kinase.

Positive Regulation

S1P wird durch die Sphingosin Kinasen durch Phosphorylierung aus Sphingosin gebildet. Ein Regulationsmechanismus ist die intrazelluläre Konzentration dieses Enzyms an der 'wandernden Ecke' der migrierenden Zelle, die Plasmamembran wird durch ihr Phosphatidylserin erkannt. SPHK1/SK1 wird durch verschiedenste Wachstumsfaktoren und Hormone induziert.

Negative Regulation

Schnitt durch S1P Lyase (Coenzym: Pyridoxalphosphat) zu Hexadecanal und Phosphoethanolamin. Verschiedene Lipidphosphatasen, die u.a. S1P zu Sphingosin dephosphorylieren.

Systemfehler

Bei S1P1-Rezeptor Knockout-Mäusen sind späte Ereignisse der Angiogenese größerer Gefäße defekt, wobei das Verhalten der glatten Muskelzellen und Perizyten so verändert ist, dass sie sich nicht im notwendigen Ausmaß bilden. S1P1 -/- Doppelknockout-Embyros sterben noch vor der Geburt auf Grund fehlerhafter Vaskularisierung ab.

Klinischer Ausblick

Fingolimod

Fingolimod ist ein Sphingosin-Analogon und wird bei Phosphorylierung durch Sphingosinkinase 2 (SK2) zu FTY720-Phosphat zu einem Agonisten an mehreren S1P Rezeptoren (S1P1,S1P3,S1P4,S1P5). Es wird zur Behandlung der Multiplen Sklerose eingesetzt. Die Hauptwirkung der Substanz beruht auf einer Internalisierung und somit Ausschaltung des S1P1-Rezeptors. Durch Heruntermodulation der S1P1-Rezeptoren auf Lymphozyten bleiben die Lymphozyten, die die Lymphknoten verlassen würden, dort subendothelial liegen. Man beobachtet eine Sequestration von Lymphozyten in den primären und sekundären lymphatischen Organen mit folglich reduzierter Rezirkulation derselben.

(Die anatomische Grundstruktur der Marginalzone der Milz ist S1P-abhängig, da die strukturelle Integrität des inneren Marginalsinusendothels vom S1P3 Rezeptor abhängig ist. Ohne anatomische Barriere gelangen die besonderen Marginalzonen B Zellen ereignisunabhängig in die Lymphfollikel der Milz, wodurch Autoimmunreaktionen zu erwarten sind. Durch funktionellen Antagonismus (Ausfall des S1P1 Rezeptors) wandern die MZ-B-Zellen in die Lymphfollikel. Normalerweise geschieht dies nur dann, wenn systemisch ein Fremdantigen oder bioaktives Erregermaterial (z.B. LPS) diese, dem Blutstrom anatomisch ausgesetzt gelegenen, ersten B-Zellen aktiviert, woraufhin diese ihre S1P-Rezeptorexpression reduzieren.)

Onkologie

Modulation und zelltoxische onkologische Therapieformen. Neoangiogenese.

Kardiovaskuläres System

S1P3 Rezeptor: Vasokonstriktion, Hypertension, Bradykardie. S1P1 Rezeptor: endotheliale Permeabilität wird verringert. Angiogenese. SK1 : wird im physiologischen Zustand des ischemic preconditionings an die Plasmamembran translosziert und wirkt so kardioprotektiv. Unbekannt: negative Inotropie (Herzschlagkraft).

Literatur

  • Spiegel, S. & Milstien, S. (2002): Sphingosine 1-phosphate, a key cell signaling molecule. In: J. Biol. Chem. Bd. 277, S. 25851-25854. PMID 12011102 doi:10.1074/jbc.R200007200
  • Pyne, S. & Pyne, N.J. (2000): Sphingosine 1-phosphate signalling in mammalian cells. In: Biochem. J. Bd. 349, S. 385-402. PMID 10880336; PMC 1221160 – ausführlicher, aber schwer zu lesender alter Übersichtsartikel
  • Taha, T.A. et al. (2006): Sphingosine kinase: biochemical and cellular regulation and role in disease. In: J. Biochem. Mol. Biol. Bd. 39, S. 113-131. PMID 16584625 PDF – ausführlicher Review, der auf die SK zentriert, dabei jedoch die gesamte klinische Bedeutung beschreibt
  • Alewijnse AE et al. (2004) :Cardiovascular effects of sphingosine-1-phosphate and other sphingomyelin metabolites. In: Br J Pharmacol Bd. 143, S. 666-684. PMID 15504747
  • Girkontaite I et al. (2004) :The sphingosine-1-phosphate (S1P) lysophospholipid receptor S1P3 regulates MAdCAM-1+ endothelial cells in splenic marginal sinus organization. In: J Exp Med Bd. 200, S. 1491-1501. PMID 15583019
  • Vora KA et al. (2005) :Sphingosine 1-phosphate receptor agonist FTY720-phosphate causes marginal zone B cell displacement. In: J Leukoc Biol Bd. 78, S. 471-480. PMID 15894589
  • Cinamon G et al. (2004) :Sphingosine 1-phosphate receptor 1 promotes B cell localization in the splenic marginal zone. In: Nat Immunol Bd. 5, S. 713-720. PMID 15184895
  • Sanchez T et al. (2003) :Phosphorylation and action of the immunomodulator FTY720 inhibits vascular endothelial cell growth factor-induced vascular permeability. In: J Biol Chem Bd. 278, S. 47281-47290. PMID 12954648
  • Wei SH et al. (2005) :Sphingosine 1-phosphate type 1 receptor agonism inhibits transendothelial migration of medullary T cells to lymphatic sinuses. In: Nat Immunol Bd. 6, S. 1228-1235. PMID 16273098

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Datenblatt Sphingosine 1-phosphate, ≥ 95 %, powder bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 31. Januar 2012.
  2. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.

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