Neonicotinoide

Neonicotinoide

Als Neonicotinoide oder Neonikotinoide wird eine Gruppe von hochwirksamen Insektiziden bezeichnet. Sie alle sind synthetisch hergestellte nikotinartige Wirkstoffe und wirken als Nervengift.

Wirkungsweise

Die Neonicotinoide sind systemische Insektizide, die als Kontakt- und auch als Fraßgift wirken können. Sie werden gut über die Wurzeln aufgenommen und in die Blätter transportiert, die dann vor beißenden und saugenden Insekten geschützt sind. Deshalb werden diese Stoffe auch als Saatgutbeizmittel verwendet. Da die Wirkstoffe in der Pflanze nur langsam abgebaut werden, hält die Wirkung längere Zeit an.Bei Insekten wirkt diese Stoffgruppe wie Acetylcholin am nikotinischen Acetylcholinrezeptor der Nervenzellen. Der Abbau durch das Enzym Acetylcholinesterase findet aber nicht statt. Durch den ausgelösten Dauerreiz wird die chemische Signalübertragung gestört.[1] Eine Übersichtsarbeit zur Nicotin-acetylcholine-receptor-gen-Familie bei Honigbienen wurde 2006 veröffentlicht.[2]

Analytik

Zum zuverlässigen Nachweis einzelner Neonicotinoide kommen chromatographische Methoden zum Einsatz.[3] Die Identifizierung der chromatographisch getrennten Substanzen erfolgt durch Massenspektrometrie.[4] Zur Analytik von saatgut-gebundenen Stoffen liegen ebenfalls Untersuchungen vor.[5]

Problematik und Kritik

In den letzten Jahren gab es immer wieder Meldungen[6][7] über angebliche und zum Teil auch nachgewiesene Bienenvergiftungen durch Neonicotinoide. Die Problematik dabei besteht darin, dass solche Vergiftungen aufgrund der außerordentlich geringen Wirkstoffmengen in der Größenordnung von 1 Nanogramm auf 100 g Körpergewicht (etwa 1000 Bienen) nur sehr schwer nachweisbar sind und meist außerdem Schädigungen der Bienenvölker durch andere Einflüsse wie etwa die Varroamilbe möglich waren. Auch bei dem in den letzten Jahren in verschiedenen Weltgegenden auftretenden spektakulären und mysteriösen Massensterben von Bienenvölkern, das den Namen Colony Collapse Disorder erhielt, wurden immer wieder Pestizide auf der Basis von Neonicotinoiden als mögliche oder mitverantwortliche Ursache vermutet.

Bei einem Bienensterben im Rheintal im April/Mai 2008 konnte eindeutig der Nachweis erbracht werden, dass dafür ausschließlich der Wirkstoff Clothianidin die Ursache war.[8] Hierbei wurde damit gebeiztes Maissaatgut mit pneumatischen Einzelkornsägeräten ausgebracht, wobei sich die Abluft und Stäube weitläufig in der Gegend verbreiteten. Die sogenannte Todeszone, mit amtlich ermittelten 11.500 geschädigten Bienenvölkern, erstreckte sich im Rheintal von Lörrach bis Rastatt. Vereinzelt traten auch Schäden in anderen Gegenden Süddeutschlands auf. Es ist gut möglich, dass noch weitere Schäden auftreten bzw. gemeldet werden (Stand Juni 2008). Durch die systemische Wirkung des Insektizids kann auch noch eine verzögerte, zweite Schadenswelle auftreten, sobald der Mais blüht. Für die Honigbienen ist der Maispollen eine häufig angeflogene Futterquelle zur Aufzucht der Bienenbrut. Schließlich sind auch noch längerfristige Belastungen der Böden möglich. Je nach Witterungverlauf und Beschaffenheit kann z. B. die Halbwertszeit von Clothianidin in den oberen Bodenschichten von etwa 1 bis 3 Jahren betragen[9], während der Hersteller Bayer CropScience eine wesentlich kürzere Zeit von lediglich 120 Tagen angibt. Eine spanische Studie zeigte, dass die Aufnahme von mit Neonicotinoiden oder anderen Pflanzenschutzmitteln gebeiztem Saatgut beim Rothuhn (Alectoris rufa) in hoher Dosierung zum Tod, aber auch zu Befruchtungsproblemen führen kann.[10]

Liste bekannter Wirkstoffe

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pesticide Toxicity Profile: Neonicotinoid Pesticides (engl.)
  2. Jones AK, Raymond-Delpech V, Thany SH, Gauthier M, Sattelle DB.: The nicotinic acetylcholine receptor gene family of the honey bee, Apis mellifera., Genome Res. 2006 Nov;16(11):1422-30. PMID 17065616
  3. Tapparo A, Giorio C, Soldà L, Bogialli S, Marton D, Marzaro M, Girolami V.: UHPLC-DAD method for the determination of neonicotinoid insecticides in single bees and its relevance in honeybee colony loss investigations., Anal Bioanal Chem. 2013 Jan;405(2-3):1007-14. PMID 22965530
  4. Kamel A.: Refined methodology for the determination of neonicotinoid pesticides and their metabolites in honey bees and bee products by liquid chromatography-tandem mass spectrometry (LC-MS/MS)., J Agric Food Chem. 2010 May 26;58(10):5926-31. PMID 20163114
  5. Tapparo A, Marton D, Giorio C, Zanella A, Soldà L, Marzaro M, Vivan L, Girolami V.: Assessment of the environmental exposure of honeybees to particulate matter containing neonicotinoid insecticides coming from corn coated seeds., Environ Sci Technol. 2012 Mar 6;46(5):2592-9. PMID 22292570
  6. http://www.netzwerk-regenbogen.de/gaucho040219.html - Frankreich: Bayer und BASF wegen Bienensterben angeklagt (19. Februar 2004)
  7. Mysterious Honey Bee Disorder Buzzes into Court; im August 2008 reicht das Natural Resources Defense Council eine Klage wegen der Verwendung des Insektizids Clothianidin beim amerikanischen Bundesgerichtshof von Washington ein.
  8. Informationsdienst Wissenschaft: Mit Clothianidin gebeiztes Saatgut ist nach Untersuchungen des Julius Kühn-Instituts Ursache für aktuelle Bienenschäden in Baden-Württemberg
  9. United States Environmental Protection Agency, Office of Prevention, Pesticides and Toxic Substances: Pesticide Fact Sheet "Clothianidin", Conditional Registration, May 30, 2003, Page 15 (PDF-Datei)
  10. A. Lopez-Antia, M. E. Ortiz-Santaliestra, F. Mougeot, R. Mateo: Experimental exposure of red-legged partridges (Alectoris rufa) to seeds coated with imidacloprid, thiram and difenoconazole. Ecotoxicology, Januar 2013, 22(1):125-38. doi: 10.1007/s10646-012-1009-x.