Distickstofftetroxid

Distickstofftetroxid

Strukturformel
Struktur von Distickstofftetroxid
Allgemeines
Name Distickstofftetroxid
Andere Namen
  • Stickstofftetraoxid
  • Stickstofftetroxid
  • NTO
Summenformel N2O4
CAS-Nummer 10544-72-6
Kurzbeschreibung

farbloses Gas[1]

Eigenschaften
Molare Masse 92,01 g·mol−1
Aggregatzustand

gasförmig (25 °C)[1]

Dichte

1,45 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

−11,25 °C[1]

Siedepunkt

21,10 °C[1]

Dampfdruck

0,1 MPa (20 °C) [1]

Löslichkeit

löslich in Wasser[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [2]
03 – Brandfördernd 04 – Gasflasche 05 – Ätzend 06 – Giftig oder sehr giftig

Gefahr

H- und P-Sätze H: 270-330-314
P: 220-​260-​280-​284-​305+351+338-​310Vorlage:P-Sätze/Wartung/mehr als 5 Sätze [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [2]
Brandfördernd Sehr giftig
Brand-
fördernd
Sehr giftig
(O) (T+)
R- und S-Sätze R: 8-26-34
S: (1/2)-9-26-28-36/37/39-45
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche nicht möglich

Distickstofftetroxid, N2O4, ist bei 25 °C ein farbloses Gas. Es ist das Dimer des Stickstoffdioxids, NO2, und steht mit diesem in einem druck- und temperaturabhängigen Gleichgewicht.

Distickstofftetroxid wird unter seinem Trivialnamen Stickstofftetroxid, beziehungsweise meist unter der englischen Abkürzung NTO (von Nitrogen Tetroxide), in der Raumfahrt und Raketentechnik als ohne Kühlung lagerfähiges und hypergol mit Hydrazin und seinen Derivaten reagierendes Oxidationsmittel (Oxidator) verwendet.

Eigenschaften

Distickstofftetroxid ist bei einer Temperatur oberhalb von 21 °C ein ätzendes und stark oxidierend wirkendes Gas. Das farblose, diamagnetische Distickstofftetroxid steht im Gleichgewicht mit dem rotbraunen, paramagnetischen Stickstoffdioxid. In der Gasphase zerfällt ein Molekül N2O4 in zwei Moleküle NO2.

$ \mathrm {N_{2}O_{4}\ \rightleftharpoons \ 2NO_{2}\quad \Delta H=+57~{\rm {kJ/mol}}} . $[5]

Je nach Druck und Temperatur liegen unterschiedliche Anteile an beiden Gasen vor. Da Stickstoffdioxid ein rotbraunes Gas ist, ist Distickstofftetroxid meist braun gefärbt. Mit zunehmender Temperatur verschiebt sich das obige Gleichgewicht nach rechts und die braune Färbung vertieft sich. Bei 800 °C ist der Zerfall nahezu vollständig. Die Dissoziationskonstante kann hier über die konzentrationsproportionalen Partialdrücke wiedergegeben werden:[6]

$ K_{d}={p_{\mathrm {(NO_{2})} }^{2} \over p_{\mathrm {(N_{2}O_{4})} }} $

Der Wert der Dissoziationskonstante hängt signifikant von der Temperatur ab.

T in °C 0 8,7 25 35 45 50 86,5 101,5 130,8
Kd[6] in atm 0,0177 0,0374 0,174 0,302 0,628 0,863 7,499 16,18 59,43

Beim Abkühlen kondensiert Distickstofftetroxid und die Flüssigkeit klart auf. In der Nähe des Siedepunktes zeigt die Substanz wegen noch gelöstem Stickstoffdioxid eine braune Färbung. N2O4 bildet farblose Kristalle. Auch die Variation des Druckes beeinflusst das Gleichgewicht. Eine Erhöhung des Druckes verschiebt es auf die linke, eine Absenkung auf die rechte Seite (Prinzip vom kleinsten Zwang). Der kritische Punkt von N2O4 liegt bei 157,85 °C und 10 MPa.

N2O4 als auch NO2 bilden das gemischte Anhydrid der Salpetersäure und der Salpetrigen Säure. Mit Alkalihydroxidlösungen entstehen Nitrate und Nitrite, z. B:

$ \mathrm {2\,NO_{2}+2\,NaOH\ \rightarrow \ NaNO_{2}+NaNO_{3}+H_{2}O} . $

Herstellung

Distickstofftetroxid ist das Dimer des Stickstoffdioxids, das als Zwischenprodukt bei der großtechnischen Salpetersäuresynthese durch Luftoxidation von Stickstoffmonoxid NO entsteht. Durch Abkühlen dimerisiert Stickstoffdioxid zu Distickstofftetroxid und kann so als Nebenprodukt in einer Salpetersäurefabrik produziert werden. Im Labor kann es analog gewonnen werden oder alternativ durch Reduktion von konzentrierter Salpetersäure mit Kupfer oder durch Erhitzen von Schwermetallnitraten wie Bleinitrat oder Silbernitrat im Sauerstoffstrom.

Verwendung

Distickstofftetroxid wird unter dem Trivialnamen Stickstofftetroxid seit den 1950er Jahren in vielen Raketen als ohne Kühlung lagerfähiges Oxidationsmittel (Oxidator) verwendet. Zusammen mit Hydrazinderivaten als Reduktionsmittel bildet es die einzigen bei Träger- und Interkontinentalraketen verwendeten hypergolischen Treibstoffmischungen. So wurde es z. B. zusammen mit Hydrazin und UDMH als Treibstoffgemisch (Aerozin 50) der Mondlandefähren und dem Apollo-Raumschiff im amerikanischen Apollo-Programm für Haupt- und Steuertriebwerke verwendet.

Zuerst wurde Distickstofftetroxid als lagerfähiger Oxidator bei den Interkontinentalraketen der zweiten Generation wie der Titan II verwendet, die dadurch immer vollgetankt und einsatzbereit auf ihren sofortigen Start warten konnten. Danach kam Distickstofftetroxid bei den aus diesen Interkontinentalraketen abgeleiteten Trägerraketen und zahlreichen neu entwickelten Trägerraketen bis heute zum Einsatz. Außerdem ist Distickstofftetroxid neben MON der Standardoxidator von Satelliten und Raumsonden.

Siehe auch

Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Eintrag zu Distickstofftetroxid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 7. Februar 2007 (JavaScript erforderlich).
  2. 2,0 2,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 10544-72-6 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  3. Datenblatt Nitrogen dioxide bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 28. März 2011.
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher (Hrsg.): Lexikon der Chemie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2001.
  6. 6,0 6,1 J. Chao; R.C. Wilhoit; B.J. Zwolinski: Gas phase chemical equilibrium in dinitrogen trioxide and dinitrogen tetroxide in Thermochim. Acta 10 (1974) 359-371, doi:10.1016/0040-6031(74)87005-X.

Literatur

  • Ralf Steudel, Chemie der Nichtmetalle, 3. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin, New York 2008, ISBN 978-3-11-019448-7, Seite 345