Bioenergie
Als Bioenergie bezeichnet man Energie, die aus Biomasse gewonnen wird. Dabei werden verschiedene Energieformen wie Wärme, elektrische Energie oder auch Kraftstoff für Verbrennungsmotoren eingeschlossen. Meist wird auch Biomasse, in der die Energie chemisch gespeichert ist, als Bioenergie bezeichnet.
Als Hauptenergiequelle werden Nachwachsende Rohstoffe verwendet. Bisher hat Holz als Festbrennstoff die größte Bedeutung, aber auch landwirtschaftliche Produkte (Agrarrohstoffe) und organische Reststoffe aus unterschiedlichen Bereichen spielen eine zunehmende Rolle.
Derzeit findet weltweit ein starker Ausbau der Erzeugung von Bioenergie statt. Wichtige Gründe sind die steigende Preistendenz für fossile Energieträger und deren abnehmende Verfügbarkeit, die hohe Abhängigkeit durch die einseitige Verteilung von Ressourcen wie Öl und Gas, sowie Bemühungen zur Senkung der Treibhausgasemissionen. In Deutschland wird dieser Ausbau vom Gesetzgeber vor allem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert.
Einzelne Bioenergien stehen in der Kritik, da ihre Erzeugung eine Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung darstellen kann, die Natur (Artenvielfalt) schädigt oder weil ihr ökologischer und ökonomischer Nutzen begrenzt ist. Da die Bereitstellung und Nutzung der verschiedenen Bioenergien sehr unterschiedlich stattfindet, ist eine Bewertung im Einzelfall notwendig.
Formen der Bioenergie
Basis der Bioenergie ist die Sonnenenergie. Diese kann von Pflanzen mit Hilfe der Photosynthese in Biomasse chemisch gebunden werden. Abhängig von der Art der Biomasse sind unterschiedliche Aufbereitungsschritte notwendig. So können Verfahren wie Methangärung (Biogas), alkoholische Gärung (Ethanol), Pyrolyse oder Ölextraktion (Pflanzenöl) mit anschließender Umesterung (Biodiesel) notwendig sein, oder, wie bei Holz, auch eine direkte Verwendung erfolgen. Die Nutzung erfolgt meist in Anlagen, die in identischer oder ähnlicher Form auch mit fossilen Energieträgern betrieben werden (Feuerung (mit Dampfkessel), Verbrennungsmotor, Gasturbine).
Wärme- und Stromerzeugung
Verschiedene Bioenergieträger werden zur Strom- oder Wärmebereitstellung eingesetzt. Auch eine kombinierte Erzeugung durch sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist möglich. Bei der Kraft-Wärme-Kopplung wird eine höhere Gesamtwirkung erreicht als bei der alleinigen Stromerzeugung. Beispiele für KWK-Anlagen sind Biomasseheizkraftwerke (Verfeuerung fester Biobrennstoffe), Biogasanlagen mit BHKW (Vergärung fester Brennstoffe) und Biomasseverfeuerungsanlagen mit BHKW (so genannte Holzgas-BHKW).
- Biomassekraftwerke sind ganzjährig betriebene Anlagen zur Biomasseverfeuerung, die über Dampfturbinen Elektrizität produzieren. Der elektrische und Gesamtwirkungsgrad liegt bei 30 bis 35 Prozent. Zum Einsatz kommen vorwiegend Gebrauchtholz (Altholz) sowie preisgünstige sonstige Holzsegmente (Restholz). Die typische elektrische Leistung liegt bei 20 MW.
- Biomasseheizwerke und Biomasseheizkraftwerke nutzen ganzjährig Biomasse, um Wärme und, bei Heizkraftwerken, auch Strom zu erzeugen. Dabei kommen Dampfmotoren und -turbinen und ORC-Turbinen zum Einsatz. Neben Forstholz (Waldrestholz) und Industrierestholz als hauptsächlichem Brennstoff können auch landwirtschaftliche Erzeugnisse wie das Holz aus Kurzumtriebsholz und Stroh genutzt werden. In Skandinavien (speziell Finnland) wird oftmals auch Torf zugefeuert, da dieser lokal gewonnen wird. Der elektrische Wirkungsgrad liegt bei 15 bis 25 Prozent, der thermische Wirkungsgrad bei etwa 60 Prozent. Eine Nutzung in Kleinanlagen (Kamine, Öfen, Heizkessel) in Wohnhäusern ist möglich, beispielsweise in Pelletheizungen zur Wärmebereitstellung. Bei höherem Wärmebedarf (Mehrfamilienhäuser, Gewerbe, Industrie) kommen auch Holzhackschnitzelheizungen zum Einsatz. Die typische elektrische Leistung liegt bei 0,5 bis 50 MW.
- Biomassevergaser-BHKW (Holzgas-BHKW) befinden sich derzeit noch in der Entwicklung und Markteinführung. Sie basieren auf der Verbrennung von Prozessgasen, die bei der Biomassevergasung entstehen. Dabei können unterschiedliche Sortimente von Holz, Halmgutartige Biomasse und viele weitere Rohstoffe zum Einsatz kommen. Der elektrische Wirkungsgrad liegt bei 10 bis 30 Prozent, der thermische Wirkungsgrad bei etwa 40 bis 50 Prozent. Die typische elektrische Leistung liegt bei 30 bis 250 kW.
- Durch Vergärung von Gülle, Pflanzensilage und anderer Biomasse (Substrat) in Biogasanlagen wird sogenanntes Biogas erzeugt. In den meisten Fällen erfolgt zunächst eine geringfügige Aufbereitung des Gases und anschließend die Erzeugung von elektrischem Strom und Nutzwärme in einem BHKW nahe der Biogasanlage. Durch eine weitere, aufwändigere Aufbereitung (Biogasaufbereitung) zu Biomethan („Bioerdgas“) ist in Deutschland nach der Gasnetzzugangsverordnung (GasnetzZugVO) auch eine Einspeisung in das Erdgasnetz möglich. Durch Verstromung des Biomethans an einer geeigneten Wärmesenke kann eine bessere Abwärmenutzung möglich sein. Auch eine Nutzung des Biomethans als Kraftstoff in Fahrzeugen mit Erdgasantrieb ist möglich.
- Eine weitere Option kann die Herstellung von Synthetic Natural Gas (SNG, synthetisches Erdgas) aus Biomasse durch Pyrolyse und anschließende Methanisierung sein. Wie bei der Aufbereitung von Biogas zu Biomethan in Erdgas-Qualität („Bioerdgas“) kann auch dieses Produkt eines Methanisierungs-Prozesses auf Erdgasqualität aufbereitet und in das Erdgasnetz eingespeist werden. Wie bei Erdgas ist auch hier eine Nutzung sowohl zur Strom- und Wärmeerzeugung als auch als Kraftstoff möglich. Bisher hat die Erzeugung von SNG nur eine geringe Bedeutung. Die Erzeugung von Wasserstoff aus Biomasse erscheint aussichtsreicher, da der thermo-chemische Herstellungs-Vorgang nicht aufwändiger, der Klimavorteil jedoch aufgrund der frühzeitigen Kohlenstoff-Abscheidung höher ist. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn Biokohle entsteht und zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit in die Biomasse-Äcker eingebracht wird.
Biokraftstoffe
→ Hauptartikel: Biokraftstoffe
Biokraftstoffe werden häufig unterteilt in eine erste, zweite und dritte Generation. Diese Einteilung ist jedoch problematisch, da es weder klare Abgrenzungen noch Definitionen der jeweiligen Generation gibt. Neben der Verwendung in Kraftfahrzeugen können die Biokraftstoffe auch zur Strom- und Wärmeerzeugung, beispielsweise in BHKWs oder als Bio-Heizöl, genutzt werden.
Biokraftstoffe der ersten Generation
Konventionelle Biokraftstoffe wie Bio-Ethanol aus Getreide und Bio-Diesel aus Raps verwenden allein die Pflanzenfrucht und werden häufig als "erste Generation" bezeichnet.
- Bioethanol wird durch Vergärung von Zuckern (aus Zuckerrübe, Zuckerrohr) und Zuckerpolymeren wie vor allem Stärke (aus Mais, Getreide, Kartoffel) gewonnen.
- Pflanzenöle werden durch Pressen oder Extraktion aus ölhaltigen Pflanzenbestandteilen gewonnen (Frucht von Raps, Soja, Sonnenblume).
- Biodiesel wird zur Verbesserung der Eigenschaften als Kraftstoff durch Umesterung aus Pflanzenölen hergestellt.
Biokraftstoffe der zweiten Generation
Biokraftstoffe zweiter Generation – wie Zellulose-Ethanol oder synthetischer Biodiesel – erlauben die Verwendung der ganzen Pflanze und besitzen somit größere Nachhaltigkeitsvorteile. Darüber hinaus können sie Stroh und pflanzliche Reststoffe verwenden und greifen nicht, wie Biokraftstoffe erster Generation, in die Nahrungsmittelkette ein. Insbesondere Cellulose- und Lignocellulose-Anteile von Pflanzen und Holz wird ein hohes Potential zugeordnet. Da der Herstellungsprozess bei derzeitigem Stand der Technik jedoch deutlich aufwendiger ist, als bei Kraftstoffen der ersten Generation, erfolgt bisher keine Umsetzung in großem kommerziellen Maßstab.
- BtL-Kraftstoffe (biomass to liquid) können aus fast jeder Art Biomasse (Stroh, Miscanthus, Kurzumtriebsholz, Waldrestholz, Holzabfälle) hergestellt werden. Diese wird durch Vergasung zunächst in niedermolekulare Bestandteile zerlegt und nach einer Gasreinigung durch Fischer-Tropsch-Synthese in ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen umgewandelt. Die Verfahren befinden sich noch in der Entwicklung.
- Biomethan aus Biogas kann auch als Kraftstoff dienen.
- Die Gewinnung von Bioethanol aus Cellulose (Cellulose-Ethanol) ist ebenfalls noch in der Entwicklung.
Biokraftstoffe der dritten Generation
Gelegentlich werden Algenkraftstoffe wegen der hohen Produktivität der Algen pro Kultivierungsfläche als dritte Generation der Biokraftstoffe genannt. Jedoch findet derzeit keine kommerzielle Produktion statt und wird von Experten wegen hoher Betriebs- und Investitionskosten auch in absehbarer Zukunft nicht erwartet.
Potenziale und Flächenbedarf
Die Potenziale der Bioenergien hängen vor allem von der Verfügbarkeit von Anbaufläche, auf denen Nachwachsende Rohstoffe (NawaRos) für die Energieerzeugung angebaut werden können, ab. Wichtig ist auch die Menge an landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und anderen organischen Reststoffen.
Nach Erhebungen der Food and Agriculture Organization (FAO) sind 3,5 Milliarden Hektar degradierte Fläche, die für den Anbau von Bioenergiepflanzen infrage käme, während die Anbaufläche für Biokraftstoffe im Jahr 2007 weltweit lediglich 30 Millionen Hektar betrug.[1] Die weltweit verfügbaren Potenziale für Bioenergie sind demnach noch weitestgehend unerschlossen, ohne dass eine Konkurrenz zu Nahrungsmittelanbau entstehen müsste.
Nach einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) beträgt das technische Potenzial unter Beachtung sehr weitreichender Naturschutzkriterien zwischen 30 und 120 Exajoule (EJ), was ungefähr 6 bis 25 Prozent des weltweiten Primärenergiebedarfs entspricht. Zusammen mit biogenen Reststoffen kann Bioenergie demnach 80 bis 170 EJ und damit 16 bis 35 Prozent des Weltenergiebedarfs bereitstellen. Aufgrund wirtschaftlicher und politischer Restriktionen sei eine Abschöpfung des Potenzials jedoch womöglich nur etwa zur Hälfte möglich (d. h. 8 bis 17,5 Prozent des Weltenergiebedarfs).[2]
Andere Studien berechnen weit höhere mögliche Potenziale bis zu 1440 EJ (das Dreifache des Weltenergiebedarfs), insbesondere aufgrund höherer Annahmen zur Ertragshöhe pro Flächeneinheit vor allem auf degradierten Böden, die im WBGU-Gutachten konservativ eingeschätzt wurden. Eine Studie im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien kommt zu dem Ergebnis, dass bei Nutzung der Hälfte der weltweiten degradierten Flächen mehr als 40 Prozent des heutigen globalen Primärenergiebedarfs aus Energiepflanzen gedeckt werden kann. Zusammen mit biogenen Reststoffen kann demnach die Hälfte des gesamten Weltenergiebedarfs mithilfe von Bioenergie gedeckt werden, ohne dass Nutzungskonkurrenzen zu Naturschutz oder Nahrungsmittelversorgung entstehen müssten.[3]
In Deutschland wurden 2009 mit 1,7 Millionen Hektar auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Energiepflanzen angebaut. Einer vom Bundesumweltministerium vorgelegten Stoffstromanalyse zufolge kann diese Fläche bis 2020 mehr als verdoppelt werden (4 Mio. ha), ohne in Nutzungskonkurrenzen mit der Nahrungsmittelerzeugung zu geraten. Die auf dieser Fläche produzierten Energiepflanzen können demnach, zusammen mit biogenen Reststoffen, rund 16 Prozent des deutschen Strombedarfs, 10 Prozent des Wärmebedarfs und 12 Prozent des Kraftstoffbedarfs bereitstellen.[4]
Laut dem von der Agentur für Erneuerbare Energie im Januar 2010 vorgelegten Potenzialatlas Erneuerbare Energie wird der für Bioenergie benötigte Flächenbedarf von heute ungefähr 1,6 Millionen Hektar auf 3,7 Millionen Hektar im Jahr 2020 ansteigen, wobei hiermit 15 Prozent des gesamten deutschen Strom-, Wärme- und Kraftstoffbedarfs durch Bioenergie gedeckt werden kann. Die Versorgung mit Lebensmitteln sei dabei zu keinem Zeitpunkt gefährdet. „Trotz des steigenden Anteils der Bioenergie gibt es jedes Jahr deutliche Überschüsse bei der Getreideernte in Deutschland und der EU“, sagt Daniela Thrän vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ). „Die Produktivität in der Landwirtschaft steigt im Schnitt weiter an. Hinzu kommen Reststoffe wie Stroh, Gülle oder Restholz sowie brachliegende Flächen – das Potenzial bei Bioenergie ist also immer noch sehr groß“.[5]
Gegenwärtig werden sechs Prozent der globalen Getreideernte zur Herstellung von Bioenergie für die Treibstoff, Strom- und Wärmegewinnung genutzt. Von der europäischen Getreideernte werden 3,2 Prozent für Bioenergie genutzt. Der überwiegende Teil (58 Prozent) wird für Viehfutter verwendet.[6][7] Von der weltweiten Agrarfläche werden nur drei Prozent für den Anbau von Bioenergie genutzt.[8]
Nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe können Wissenschaftlern zufolge im Energiemix der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. In ambitionierten Klimaschutzszenarien könnten bis 2030 etwa 20 Prozent und bis 2050 etwa 70 Prozent eines bis dahin deutlich reduzierten Kraftstoffbedarfs aller Verkehrsträger in Deutschland nachhaltig und ohne Nutzungskonkurrenzen oder zusätzliche Importe gedeckt werden. Das bedeutet, dass Biokraftstoffe entweder aus Reststoffen oder aus der Produktion auf langfristig frei gewordenen Flächen stammen, sich nicht negativ auf die Artenvielfalt auswirken, nicht den Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei Nahrungsmitteln verringern und kein Wiesen- oder Weideland umgewandelt wird. Weltweit könnte sich der Biokraftstoffbedarf von 2010 bis 2050 gar verzehnfachen.[9]
Vor- und Nachteile der Bioenergien
Bei der Bewertung der Bioenergien sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen, wie beispielsweise die Wirtschaftlichkeit, die Klimaverträglichkeit, der Einfluss auf die Ökologie (Biodiversität) und die Flächenkonkurrenz gegenüber der Nahrungsmittelerzeugung. Da diese Aspekte oft im Widerspruch zueinander stehen, führt die Bewertung meist zu ambivalenten Ergebnissen. Zudem ist keine einheitliche Bewertung für alle Bioenergien möglich, da sich die einzelnen Energien in Bereitstellung, Nutzung, Wirkungsgraden, Emissionen etc. stark unterscheiden.
Vorteile
- Ein wichtiger Vorteil der Bioenergien basiert auf ihrer Erneuerbarkeit. Vorkommen von fossilen Energieträgern werden geschont.
- Bioenergien können zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen beitragen. Bei der Verbrennung von Biomasse wird nur soviel Kohlendioxid freigesetzt, wie auch zuvor bei der Photosynthese aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. Bei Bioenergien muss berücksichtigt werden, dass bei der Erzeugung und Nutzung von Biomasse Emissionen starker Treibhausgase (Lachgas, Methan) entstehen können, die zu einer negativen Klimabilanz führen können.
- Die verstärkte Nutzung von Biokraftstoffen kann die Abhängigkeit von Energierohstoffimporten reduzieren und Konflikte vermeiden. Insbesondere Entwicklungsländer wenden einen großen Anteil ihrer finanziellen Mittel für den Import von Energieträgern wie etwa Erdöl auf.
- Biomassekraftwerke und Biogasanlagen, die zur Stromerzeugung eingesetzt werden, sind im Gegensatz zur Windenergie und zur Solarenergie grundlastfähig und in ihrer Leistungsabgabe regelbar, sodass sie eine gute Ergänzung zu den genannten volatilen Erneuerbaren Energien darstellen. Die installierte elektrische Leistung aller Biomasseanlagen in Deutschland (feste und flüssige Brennstoffe, Biogas, biogener Teil des Abfalls) betrug 2011 laut Bundesumweltministerium ca. 6.800 MW[10], entsprechend etwa 5 Kernkraftwerken mit 1.300 MW Leistung.
- Bioenergie kann einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des ländlichen Raumes und zur Eindämmung von Landflucht leisten, etwa durch Regenerierung der weltweiten degradierten Flächen, der Erschließung eines zweiten Standbeins für Landwirte durch eigene Produktion von Strom, Wärme und Treibstoffen, sowie der Bereitstellung einer dezentralen Energieversorgung.
- Bioenergie wird vor allem dann eine sehr gute Ökobilanz zugesprochen, wenn organische Abfälle, Reststoffe und organisch belastete Abwässer verwertet werden, die man sonst mit unter Umständen großem Energieaufwand behandeln müsste.[11][12] Da solche Rest- und Abfallstoffe preiswert oder kostenlos verfügbar sind, können sie wirtschaftlich verwertet werden. Das findet beispielsweise in Klärwerken und Biogasanlagen mit Cofermentation statt. In Ländern wie China und Indien sind Kleinstbiogasanlagen verbreitet, die mit organischen Abfallstoffen betrieben werden und einzelne Haushalte mit Kochgas versorgen.[13] Die Verwertung von Gülle wird aus ökobilanzieller Sicht als problematischer bewertet.[14]
- Monokulturen von Energiepflanzen können durch Anbausysteme, wie Mischfruchtanbau (gleichzeitiger Anbau von Energiepflanzen wie Mais und Sonnenblumen) oder Zweikulturensysteme (Anbau von Winter- sowie Sommerkultur auf derselben Fläche, z. B. Wintertriticale und Zuckerhirse) vermieden und zugleich nachhaltige hohe Erträge gesichert werden. Einige Pflanzen, wie etwa Raps, können nicht mehrfach auf einer Fläche angebaut werden, so dass auch dadurch das Ausmaß von Monokulturen begrenzt wird.[15]
Nachteile
- Die Bioenergien stehen wegen ihres Flächenbedarfs beim Anbau nachwachsender Rohstoffe in der Kritik, da an manchen Orten eine Flächenkonkurrenz zur Nahrungs- bzw. Futtermittelerzeugung entstehen kann. So wird die verstärkte Nachfrage nach Mais zur Gewinnung von Ethanol-Kraftstoff als eine der möglichen Ursachen für die Nahrungsmittelpreiskrise 2007-2008 diskutiert. siehe Hauptartikel Nahrungsmittelkonkurrenz
- Findet der Anbau der Bioenergie in intensiver Landwirtschaft statt, führt dies zu Umweltbelastungen. In der Regel werden Pestizide und mineralische Dünger eingesetzt, die zu Gewässer- und Grundwasserbelastung führen können und deren Herstellung zudem sehr energieintensiv ist. Stickstoffdünger können zu erhöhten Emissionen des Klimagases Lachgas führen. Deshalb ist die Klimabilanz unter Wissenschaftlern umstritten. So trifft z.B. nach Darlegungen namhafter Wissenschaftler (zum Beispiel: N2O release from agro-biofuel production negates global warming reduction by replacing fossil fuels, P. J. Crutzen, A. R. Mosier, K. A. Smith, and W. Winiwarter, Atmos. Chem. Phys. Discuss.,7, 11191-11205 Abstract) die angeblich positive Klimabilanz nicht zu.
- Der stark zunehmende Anbau nur weniger Energiepflanzenarten, wie etwa in Deutschland hauptsächlich Raps und Mais, verändert das Landschaftsbild. Dieses wurde durch Abschaffung der Flächenstilllegung in der Europäischen Union verstärkt. Dadurch kann zudem die Biodiversität bedroht werden.
- Die Umwandlung ökologisch wertvoller Flächen wie Regenwald, Moore oder Grünland in Ackerland führt ebenfalls zu einer Gefährdung und Verringerung der Biodiversität. Zudem können diese Flächen in ihrem ursprünglichen Zustand große Mengen CO2 gespeichert haben, welches bei der Umwandlung in Ackerland (Brandrodung, Trockenlegung) freigesetzt wird.[16][17] Die Nachhaltigkeitsverordnung soll erreichen, dass die hierzulande für Biokraftstoffe verwendete Biomasse nicht aus Raubbau von Regenwäldern stammt. Ferner werden bei der Umwandlung von Brachland in Ackerland erhebliche Mengen klimaschädlicher Gase (Methan, Stickoxyd) freigesetzt, so dass hierdurch über viele Jahre die Klimabilanz negativ ist.
- Ein Teil der Biomasse muss auf landwirtschaftlichen Flächen verbleiben, um die Bodenqualität zu erhalten. Durch die vollständige Nutzung der Pflanzen verschlechtert sich die Humusbilanz. Bei forstlicher Biomasse führt eine intensive Nutzung zu Nährstoffentzug aus dem Wald. Zudem bietet Totholz einen Lebensraum für viele verschiedene Arten.
Gesetzliche Nachhaltigkeitskriterien
Mit der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung und der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung ist für die Biokraftstoffproduktion und für die Herstellung von flüssigen Bioenergieträgern zur Stromerzeugung gesetzlich sichergestellt, dass ökologische Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden (u.a. keine Rodung von Regenwälder, positive Klimabilanz u.a.). Die Erfüllung dieser Kriterien ist durch ein Zertifizierungssystem nachzuweisen.[18][19] Verschiedene Kritikpunkte werden geäußert, wie Vollzugsprobleme speziell in den Entwicklungsländern, Unvollständigkeit, Probleme wie Nutzungskonkurrenzen mit der Nahrungsmittelproduktion lassen sich nicht als Kriterien formulieren und es drohen Verlagerungseffekte, die die Kriterien leerlaufen lassen, so könnte etwa ein Verbot der Biomasseproduktion im Regenwald eine vermehrte Futtermittelproduktion im Regenwald zur Folge haben.[20]
Die Nachhaltigkeitszertifizierung verpflichtet die Vermarkter, eine Treibhausgasreduktion von mindestens 35 % gegenüber fossilem Kraftstoff nachzuweisen (ab 2017: 50 %), wobei die gesamte Herstellungskette berücksichtigt wird. Laut Erhebungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung beträgt die durchschnittliche Treibhausgaseinsparung von deutschen Biokraftstoffen rund 44 % gegenüber fossilem Diesel und übertrefft damit die EU-Standards deutlich. Im Jahre 2011 wurden dadurch rund fünf Mio. Tonnen CO2 vermieden.[21]
Perspektive der Bioenergien
Zukünftig ist mit einem weiteren massiven Ausbau der Bioenergien zu rechnen. In Deutschland erfolgt die Förderung durch verschiedene Maßnahmen. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird unter anderem eine erhöhte Vergütung für Strom aus Biomasse sichergestellt, aber auch die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gefördert. Nach dem Energiesteuergesetz sind zudem reine Biokraftstoffe steuerbegünstigt. Auch in anderen Staaten (Österreich, Schweden, USA etc.) werden Bioenergien gefördert und decken teilweise einen großen Anteil des Energiebedarfs. Da Bioenergie, anders als Wind- und Solarstrom, einfach speicherbar ist, wird sie als wichtige Regelenergie für die künftige Stromversorgung gesehen (virtuelles Kraftwerk).
Über 120.000 Arbeitsplätze sind im Bioenergiesektor entstanden, was etwa einem Drittel aller Jobs in der Erneuerbaren-Energien-Branche entspricht. Neben Wachstumsbereichen, wie Biogas, hat es allerdings auch Einbrüche gegeben, wie die Schließung vieler kleiner Ölmühlen infolge der Biokraftstoffbesteuerung zulasten der regionalen Wertschöpfung. [22]
Wissenschaftler schlagen vor, Bioenergie zur kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung (Kraft-Wärme-Kopplung) zu verwenden statt für Kraftstoffe. Dies sei deutlich effizienter. Außerdem soll der Energieverbrauch durch höhere Effizienz und nachhaltige Lebensstile gesenkt werden.[23][24]
Literatur
- Agentur für Erneuerbare Energien (Hrsg.): Globale Bioenergienutzung – Potenziale und Nutzungspfade. Berlin 2009 (Kurzstudie über die globalen Potenziale von Biomasse).
- Agentur für Erneuerbare Energien: Broschüre Der volle Durchblick in Sachen Bioenergie
- Agentur für Erneuerbare Energien: Hintergrundpapier Biokraftstoffe
- Agentur für Erneuerbare Energien: Hintergrundpapier Energiepflanzen
- Wolfgang Gründinger: Bioenergie als ein Weg aus der ökologischen, finanz- und sozialpolitischen Krise - Rede auf dem 4. BBE-Symposium für Bioenergie und Nachhaltigkeit: „Akzeptanz durch eine nachhaltige Bioenergienutzung sichern!“, 6. Juli 2011, Düsseldorf
- Uwe R. Fritsche u. a.: Nachhaltige Bioenergie: Zusammenfassender Endbericht. Öko-Institut, Darmstadt 2010 (Endbericht zum Forschungsvorhaben „Entwicklung von Strategien und Nachhaltigkeitsstandards zur Zertifizierung von Biomasse für den internationalen Handel“, in Kooperation mit IFEU, im Auftrag des Umweltbundesamts).
- Institut für Agrarpolitik an der Uni Gießen: Bestimmungsgründe für das Niveau und die Volatilität von Agrarrohstoffpreisen auf internationalen Märkten. Implikationen für Welternährung und Politikgestaltung, Uni Gießen, 2012
- Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (Hrsg.): Welt im Wandel. Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung. WBGU, Berlin 2008, ISBN 978-3-936191-21-9, (Jahresgutachten).
- Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (Hrsg.): Factsheet 1/2009 Bioenergie. WBGU, Berlin 2009.
- Uwe R. Fritsche, Kirsten Wiegmann: Treibhausgasbilanzen und kumulierter Primärenergieverbrauch von Bioenergie-Konversionspfaden unter Berücksichtigung möglicher Landnutzungsänderungen. WBGU, Berlin 2008 (Expertise des Öko-Instituts zum WBGU-Gutachten 2008).
- Food and Agriculture Organization of the United Nations (Hrsg.): The State of Agriculture. Biofuels: prospects, risks and opportunities. FAO, Rom 2008, ISBN 978-92-5-105980-7.
- Bernd Geisen: Energieversorgung der Zukunft – Strom, Wärme und Kraftstoffe aus Biomasse. In: Müll und Abfall. 37, Nr. 11, 2005, S. 548–551, ISSN 0027-2957.
- Daniela Thrän, Alexander Vogel, Michael Weber: Biogene Kraftstoffe in Deutschland, Techniken und Potenziale. In: Müll und Abfall. 37, Nr. 11, 2005, S. 552–559, ISSN 0027-2957.
- Thomas Fritz: Das Grüne Gold. Welthandel mit Bioenergie - Märkte, Macht und Monopole. Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika, Berlin 2007, ISBN 978-3-923020-37-9.
- Ludger Eltrop, Konrad Raab, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (Hrsg.): Leitfaden Bioenergie. Planung, Betrieb und Wirtschaftlichkeit von Bioenergieanlagen. 2. Auflage. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, Gülzow 2005, ISBN 3-00-015389-6
- Deutscher Verband für Landschaftspflege, Naturschutzbund NABU (Hrsg.): Bioenergie – aber natürlich! Nachwachsende Rohstoffe aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes. Berlin 2007.
Weblinks
- Agentur für Erneuerbare Energie, Portal "Biomasse"
- Studien zu erneuerbaren Energien, siehe Schlagwort "Bioenergie"
- Praxisbeispiele für Bioenergieanlagen auf der Internetseite der Niedersachsen Netzwerks Nachwachsende Rohstoffe (3N), abgerufen am 20. Januar 2010
- Bioenergie auf der Website "Erneuerbare Energien" des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Bundesverband Bioenergie (BBE)
- Verband der Biokraftstoffhersteller (VDB)
- Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)
- Fördergesellschaft nachhaltige Biogas- und Bioenergienutzung
- Institut für Bioenergiedörfer Göttingen
- Deutsches BiomasseForschungsZentrum (DBFZ)
Einzelnachweise
- ↑ Jürgen O. Metzger, Aloys Hüttermann: Sustainable global energy supply based on lignocellulosic biomass from afforestation of degraded areas. In: Naturwissenschaften. 96, Nr. 2, 2009, doi:10.1007/s00114-008-0479-4.
- ↑ Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): Welt im Wandel: Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung. Berlin 2009.
- ↑ Agentur für Erneuerbare Energien (Hrsg.): Globale Bioenergienutzung – Potenziale und Nutzungspfade. Berlin 2009, S. 9.
- ↑ Agentur für Erneuerbare Energien (Hrsg.): Der volle Durchblick in Sachen Bioenergie. Berlin 2009, S. 10.
- ↑ Viel Ertrag auf wenig Fläche – Erster Potenzialatlas Erneuerbare Energien erschienen.
- ↑ BMELV: Der volle Durchblick in Sachen Bioenergie, 2011, S. 6
- ↑ Agentur für Erneuerbare Energien, Hintergrundpapier "Biokraftstoffe", 2012, S. 9
- ↑ Schätzungen Deutscher Bauernverband, Januar 2012
- ↑ Studie des Instituts für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien (IINAS) und dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu) im Auftrag von Shell, 2012
- ↑ Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland. Internetseite des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Abgerufen am 31. Juli 2012, Tab. 3.
- ↑ Walter Edelmann u. a: Ökologischer, energetischer und ökonomischer Vergleich von Vergärung, Kompostierung und Verbrennung fester biogener Abfallstoffe. Februar 2001.
- ↑ Teilweise anders in: Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.): Klimaschutz durch Biomasse. Schmidt, Berlin 2007, ISBN 978-3-503-10602-8
- ↑ Dieter Deublein, Angelika Steinhauser (Hrsg.): Biogas from Waste and Renewable Resources. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-31841-4.
- ↑ Werner Edelmann u. a.: Oekobilanz der Stromgewinnung aus landwirtschaftlichem Biogas. Arbeitsgemeinschaft Bioenergie, Baar 2001.
- ↑ Kathrin Deiglmayr: Biogas-Fruchtfolgen – ökologisch nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich. Straubing 2009.
- ↑ Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.): Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats Agrarpolitik „Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung – Empfehlungen an die Politik“. Gutachten des Beirats für Agrarpolitik, November 2007
- ↑ Renews Kompakt: Indirekte Landnutzungsänderung - Problem oder Trugbild? 2012
- ↑ Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung
- ↑ Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung
- ↑ Grit Ludwig: Nachhaltigkeitsanforderungen beim Anbau nachwachsender Rohstoffe im europäischen Recht. In: Zeitschrift für Umweltrecht. Nr. 6, 2009, S. 317–322.
- ↑ Pressemitteilung Agentur für Erneuerbare Energie, 22. Juni 2012
- ↑ Pressemitteilung Agentur für erneuerbare Energien
- ↑ Felix Ekardt, Mareike Heering, Andrea Schmeichel: Europäische und nationale Regulierung der Bioenergie und ihrer ökologisch-sozialen Ambivalenzen. In: 'Natur und Recht. 31, Nr. 4, 2009, S. 222–232, doi:10.1007/s10357-009-1649-7.
- ↑ Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.): Klimaschutz durch Biomasse. Schmidt, Berlin 2007, ISBN 978-3-503-10602-8