August Wilhelm von Hofmann

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August Wilhelm von Hofmann
Foto nach dem Gemälde von Heinrich von Angeli

August Wilhelm (von) Hofmann (* 8. April 1818 in Gießen; † 5. Mai 1892 in Berlin) war ein deutscher Chemiker. Von Hofmann ist der Wegbereiter für die Erforschung der Anilinfarbstoffe in England und Deutschland gewesen. Er hat eine Vielzahl wichtiger Umwandlungsmethoden in der organischen Chemie entwickelt und die Deutsche Chemische Gesellschaft gegründet.

Leben und Wirken

Hofmanns Vater war Architekt und hatte das Laborgebäude für Justus von Liebig errichtet.[1]

August Wilhelm Hofmann studierte zunächst in Gießen Rechtswissenschaften, änderte seinen Studienwunsch als er ab 1836 Chemievorlesungen von Justus von Liebig besuchte. Hofmann wurde Liebigs Assistent, promovierte 1841 bei ihm und ging nach seiner Habilitation 1845 als Privatdozent für Chemie an die Universität Bonn. Die ersten Studien Hofmanns befassten sich mit der Reinigung und Elementaranalyse des aus Steinkohleteer erhaltenen Anilins (Kyanol) und Chinolins (Leukol). [2]

Auf Empfehlung Liebigs und auf Wunsch des englischen Prinzgemahls Albert übernahm er noch im gleichen Jahr eine Professur am Chemischen Institut der Royal School of Miners in London. Diese Professur in London füllte zwanzig Jahre seines Lebens, wobei er viele später sehr bedeutende Schüler im Bereich der Teerfarben und anderen Stoffsynthesen (William Henry Perkin, William Crookes, Carl Alexander von Martius, Johann Peter Grieß, Charles Blackford Mansfield (1819–1855), Sir Frederick Abel, Edward Chambers Nicholson (1827–1890)) hatte.[1] Er und seine Schüler hatten wesentlichen Anteil an der Entwicklung und wirtschaftlichen Verwertung der Teerfarbstoffchemie für Textilfärbung. Teer war vorher nur ein wertloses Abfallprodukt der Koksgewinnung aus Steinkohle, wurde dann aber zum wichtigsten Ausgangsmaterial für die industrielle Organische Chemie.

Er wurde mit der Errichtung des College of Chemistry in London beauftragt, dessen Leitung ihm nach Fertigstellung übertragen wurde, und an dem er zahlreiche englische und deutsche Chemiker ausbildete. Auch die junge Königin Victoria (Vereinigtes Königreich) besuchte Hofmanns Vorträge. Freundschaftlich blieb sie Hofmann verbunden und sorgte dafür, dass er später geadelt wurde und eine Büste von ihm (neben der Statue von Victoria) am Brandenburger Tor aufgestellt wurde.[1] Hofmann war maßgeblich an den Vorbereitungen der Weltausstellungen 1851 und 1862 in London beteiligt.

Seit 1845 war Hofmann Mitglied der ersten chemischen Gesellschaft, der 1841 gegründeten Chemical Society in London, von 1847 bis 1861 war er foreign secretary, 1861 bis 1863 deren President (Vorstand) und zuletzt 1863 Vice President.[3] Er beherrschte vier Sprachen und stellte in dieser Zeit vor der Chemical Society viele Ergebnisse vor, die dann aber in Liebigs Annalen publiziert wurden.

Nach dem frühen Tode des englischen Prinzgemahls erhielt er 1863 einen Ruf nach Bonn und man ließ das Poppelsdorfer Schloss nach seinen Plänen zu einem chemischen Institut umbauen.[4] Letztlich lehnte Hofmann den Ruf an die Universität Bonn ab und nahm stattdessen 1864 den Ruf an die immens umgebaute Universität Berlin an. Ab Mai 1865 hielt er dort Vorlesungen in anorganischer und organischer Chemie. Er blieb bis zu seinem Tode 1892 in Berlin.

Er veranschaulichte die Chemie durch zeitgemäße Versuche, dabei entwickelte er den Hofmann-Zersetzungsapparat und schrieb ein Lehrbuch für Chemie.

Hofmann gründete zusammen mit Adolf Baeyer, C. A. Martius, C. Scheibler und Emil Schering, H. Wichelhaus nach dem Vorbild der Chemical Society im Jahr 1867 die Deutsche Chemische Gesellschaft zu Berlin. Hofmann hatte in den nächsten 23 Jahren 14 mal das Präsidentenamt inne.[1] Die Berichte der Chemischen Gesellschaft wurden an Mitglieder und Universitäten gesandt; Hofmann verfasste einen Großteil der Artikel.

Zwischen 1870 und 1900 kam es zu Kontroversen über die Chemikerausbildung in Deutschland. Die Zahl der Studenten nahm zu. Es entstanden viele praxisorientierte Technische Hochschulen. Über das Promotionsrecht für Technische Hochschulen musste entschieden werden. Die Eingangsvoraussetzungen für das Studium waren unterschiedlich (Gymnasium, Realschule). Industrievertreter wünschten sich eine Staatsprüfung, mehr praxisnahe Forschungsarbeiten, Hochschullehrer wollten die freie Forschung und die hochschulinterne Prüfung erhalten.[5]

Hofmann vermittelte zwischen den verschiedenen Interessen, da auch Berliner Chemieindustrievertreter wie Martius, Hugo Kuenheim, Ernst Schering zu seinem Freundeskreis zählten.

Im Jahr 1886 wurde Hofmann Vorsitzender und erster Präsident der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte.[1]

Zu seinem 70. Geburtstag (1888) wurde von der Deutschen Chemischen Gesellschaft die Hofmann Stiftung ins Leben gerufen.

Hofmann hat viermal geheiratet; drei seiner Ehefrauen starben in jungen Jahren. Er hatte 11 Kinder.

Am 5. Mai 1892 hatte von Hofmann noch eine Vorlesung gehalten, eine Fakultätssitzung geleitet, zwei Abschlussexamina von Doktoranden geleitet. Abends um 9 Uhr verließ er in heiterer Stimmung die Universität. Nach dem Abendessen stellte sich Unwohlsein ein, die herbeigerufenen Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen, von Hofmann verstarb.[1]

Sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof.

Im Jahr 1900 wurde ihm zu Ehren nach Plänen von Otto March das Hofmann-Haus (Sigismundstraße 4 in Berlin) errichtet.[1] Das Haus, das heute nicht mehr steht, wurde der Sitz der Deutschen Chemischen Gesellschaft, die Hofmann gegründet hatte.

Wissenschaftliches Werk

Die frühen Chemiker hatten zur Stoffanalyse und Reindarstellung nur die Elementaranalyse, Schmelz-, Siedepunkt, Brechungsindex zur Verfügung. Es gab damals noch keine Kenntnisse über Strukturformeln, Gesetze von Valenzen, Kenntnisse von funktionellen Gruppen, Reaktivitäten oder Bindungsfähigkeiten. Diese mussten erst erdacht werden. Von Hofmann hatte viele englische und deutsche Mitarbeiter, die ihm bei den Forschungen unterstützten. Von Hofmann gilt als überragender Wegbereiter der organischen Chemie.

In seinen ersten Arbeiten im Jahr 1843 befasste sich Hofmann mit Basen des Steinkohleteers. Er stellt dabei die Identität des aus der Anthranilsäure gefundenen Anilins mit dem Stoff Kyanol des Steinkohleteers fest. Durch Zugabe von chemischen Reagenzien (hypochlorigen Salzen) zum Anilin fand Hofmann stark gefärbte Lösungen und stark gefärbte Kristalle. Mit Chlor-, Brom- und Iodwasserstoffsäure substituiert er die Wasserstoffatome und kann so die Radikaltheorie von Jean Baptiste Dumas und Auguste Laurent bestätigen. Das Leukol war von der Elementaranalyse und den Eigenschaften her identisch mit dem Chinolin, das von Charles Frédéric Gerhardt aus dem Chinin gewonnen worden war. Hofmann entwickelte eine Synthese von Anilin aufbauend auf Benzol, das reichlich im Steinkohleteer vorhanden war.

Hofmann beschrieb erstmalig den genauen Verlauf der Gewinnung des Benzols aus Steinkohleteer und übertrug die Gewinnung von Benzol Mansfield.[6] Zusammen mit Muspratt entdeckte er das Toluidin[7], mit J. Blyth untersuchte er das Styrol[8] und mit dem von ihnen verbesserte Nitrierungs-Verfahren (eine Mischung aus konzentrierter Schwefelsäure und Salpetersäure, heute gebräuchlichste Nitrierungs-Methode) gelang es das 1,3-Dinitrobenzol herzustellen.

Hofmann untersuchte die Umsetzung von Chlorcyan mit Anilin und erhielt bei Umsetzung mit organischen Basen Harnstoffderivate des Anilins[9] oder bei Umsetzung von zwei Äquivalenten Anilin mit einem Äquivalent Chlorcyan das Diphenylguanidin.

Zum tieferen Verständnis untersuchte Hofmann die Aminogruppe des Anilins. Nach Jöns Jakob Berzelius und der bisherigen Theorie seiner Zeit konnte sowohl beim Anilin wie beim Ammoniak nur ein Wasserstoffatom durch eine organische Gruppe (Radikal) ersetzt werden. Nach erfolglosen Versuchen der Umsetzung von Phenol mit Anilin probierte Hofmann die Umsetzung von Ethyliodid und Anilin. Er fand Ethylanilin und Diethylanilin und untersuchte bald darauf die Umsetzung von Ethyliodid mit Ammoniak. In diesem Falle konnten sogar drei Produkte erhalten werden: Monoethylamin, Diethylamin und Triethylamin.[10] Hofmann konnte nun zeigen, dass neben Kohlenstoff und Sauerstoff auch das Stickstoffatom durch Radikale (organische Gruppen oder Halogene) substituiert werden konnte. Damit stützte er die Substitutionstheorie von Jean Baptiste Dumas.

Kurze Zeit später entdeckte Hofmann die merkwürdige Tatsache, dass auch bei völligem Wasserausschluss ein Salz bei der Umsetzung von Anilin mit Ethyliodid entstand.[11] Nach der Elementaranalyse bestätigte sich das Ergebnis, dass es sich bei dieser Verbindung um ein organisches Salz, dem Tetraethylammoniumiodid, handelte. Es wurden nun verschiedene Tetralkylammoniumverbindungen dargestellt und erhitzt. Dabei zeigte sich, dass sich aus Tetraethylammoniumiodid Ethen als Gas abspaltete und das Triethylamin zurückgewonnen werden konnte. Auch andere Salze traten Alkenabspaltungen bei Erwärmungen auf. Diese Reaktion wird, um den Entdecker zu ehren, Hofmann-Eliminierung genannt. Nur beim Tetramethylammoniumsalz trat keine Gasbildung nach Erwärmung auf, es bildeten sich jedoch Methanol und das Trimethylamin.

Später entdeckte Hofmann eine weitere wichtige Reaktion bezüglich primären Amiden (Hofmann-Abbau, Hofmann-Umlagerung).[12],[13] Setzte man die Amide einer Lösung aus Brom und Natronlauge aus, so wurde ein Wasserstoff der Amidgruppe durch ein Bromatom ersetzt. Bromwasserstoff wurde abgespalten und es bildete sich ein Isocyanat. Diese Verbindung wird unter basischen Bedingungen zu einer Carbaminsäure und dann zum primären Amin umgewandelt. Bei dieser Reaktion geht das Amid-Kohlenstoffatom als Kohlendioxid verloren. Es lässt sich sukzessiv ein Kohlenstoffatom in einer linearen Kette entfernen. Hofmann konnte mit dieser Methode die Nonansäure bis zum Amid der Valeriansäure abbauen. [14]

Weitere wichtige Arbeitsfelder waren: Herstellung von Sulfonsäuren (z. B. Methandisulfonsäure, Benzoldisulfonsäure) [15], Allylalkohol und Derivate [16]. Mit A. Cahour entwickelte er verbesserte Synthesen von Trimethylphosphin, Triethylphosphin aus Phosphortrichlorid und den Zinkalkylen, sie fanden auch quartäre Tetraalkylphosphonium-Verbindungen und Trialkylphoshinoxide.[17]

Später wendete er sich dem Schierlingsinhaltsstoff Coniin zu, fand eine Eliminierungsreaktion des alkylierten Piperidins (Hofmann-Eliminierung).

Er entdeckt das Hydrazobenzol und die merkwürdige innere Umlagerung in Benzidin und kann das Formaldehyd aus der Oxidation von Methanol mit Platinoxid nachweisen.[1]

Auch neue Farbstoffe fand Hofmann; aus Tetrachlorkohlenstoff und Anilin bildete sich bei Erwärmung ein Triarylmethan-Farbstoff (para-Rosanilin).[18]. Hofmann erkannte, dass Fuchsin und Rosanilin Derivate des Triphenylmethans sind und Tetrachlorkohlenstoff als verknüpfender Stoff bei der Reaktion mitwirkt.[19] Aus der Behandlung des Rosanilins mit Triethyliodid bildete sich ein kräftiger Farbstoff, das Triethylrosanilin (Hofmanns Violett, für viele Jahre ein wichtiger violetter Farbstoff).[20] Später klärte Hofmann auch die Struktur von Anilingelb auf. Später kommen noch die Chinolinfarbstoffe Chinolinrot, Chinolingelb, Cyanblau hinzu.[1]

Nach von Hofmann sind der Hofmann-Zersetzungsapparat und der Hofmann-Umlagerung von Carbonsäureamiden benannt, sowie die Hofmann-Regel für intramolekulare Eliminierungen (=Hofmann-Eliminierung) mit sterisch anspruchsvollen Basen.

Ehrungen

Von der Royal Society wurde er 1854 mit der Royal Medal, 1875 mit der Copley Medal ausgezeichnet. Seit 1883 war von Hofmann Mitglied des Pour le mérite für Wissenschaft und Künste.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker vergibt „an Chemikerinnen und Chemiker […], die sich um die Chemie besondere Verdienste erworben haben“ die August-Wilhelm-von-Hofmann-Denkmünze.

Literatur

  • William Hodson Brock (Hrsg.): Justus von Liebig und August Wilhelm Hofmann in ihren Briefen (1841–1873). Verlag Chemie, Weinheim 1984, ISBN 3-527-26107-9
  • Günther Bugge: Das Buch der großen Chemiker. Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1955, Bd. 2, S. 136 ff.
  • Bernhard LepsiusHofmann, August Wilhelm von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 50. Duncker & Humblot, Leipzig 1905, S. 577–589.
  • Christoph Meinel: August Wilhelm Hofmann: „Regierender Oberchemiker“. In: Angewandte Chemie. Bd. 104 (1992), S. 1293–1309.
  • Grete Ronge: Hofmann, August Wilhelm von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, S. 446–450 (Digitalisat).
  • Hartmut Scholz: August Wilhelm Hofmann und die Reform der Chemikerausbildung an deutschen Hochschulen. In: Christoph Meinel, Hartmut Scholz (Hrsg.): Die Allianz von Wissenschaft und Industrie: August Wilhelm Hofmann (1818–1892). Zeit, Werk, Wirkung. Verlag Chemie VCH, Weinheim u. a. 1993, ISBN 3-527-29009-5, S. 221 ff.

Literaturquellen

Weblinks

 Commons: August Wilhelm von Hofmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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