Acetamid

Acetamid

Strukturformel
Strukturformel von Acetamid
Kristallsystem

trigonal[1]

Raumgruppe

R3c (Raumgruppen-Nr. 161)[1]

Gitterkonstanten

a = 1144 pm; c = 1350 pm mit 18 Formeleinheiten pro Elementarzelle[1]

Allgemeines
Name Acetamid
Andere Namen
  • Essigsäureamid
  • Ethanamid
  • Ethansäureamid
Summenformel C2H5NO
CAS-Nummer 60-35-5
PubChem 178
Kurzbeschreibung

farblose, geruchslose hygroskopische Kristalle, die bei Verunreinigung mäuseartig riechen[2]

Eigenschaften
Molare Masse 59,07 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,16 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt
  • 82,3 °C[2]
  • 69 °C (metastabile Kristallform)[2]
Siedepunkt

221,2 °C (Zersetzung)[2]

Dampfdruck

1,3 Pa (20 °C)[2]

Löslichkeit

sehr gut in Wasser (2200 g·l−1 Wasser bei 20 °C)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
08 – Gesundheitsgefährdend

Achtung

H- und P-Sätze H: 351
P: 281-​308+313 [2]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4] aus EU-Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP) [3]
Gesundheitsschädlich
Gesundheits-
schädlich
(Xn)
R- und S-Sätze R: 40
S: (2)-36/37
MAK

nicht festgelegt[2]

LD50

7000 mg·kg−1 (Ratte, oral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Acetamid ist das Amid der Essigsäure. Acetamid wird als Lösungsmittel verwendet.

Gewinnung und Darstellung

Acetamid wird durch Erhitzen von Ammoniumacetat unter Dehydratisierung hergestellt:[5]

$ \mathrm {CH_{3}COONH_{4}\longrightarrow CH_{3}{-}CO{-}NH_{2}+H_{2}O} $

Es kann unter anderem auch durch Umsetzung von Acetylchlorid und Ammoniak erzeugt werden:[5]

$ \mathrm {H_{3}C{-}CO{-}Cl+NH_{3}\longrightarrow CH_{3}{-}CO{-}NH_{2}+HCl} $

Verwendung

Es dient hauptsächlich als Lösungsmittel, da sich in ihm (im geschmolzenen Zustand) viele Substanzen gut lösen.[5] Außerdem findet es Anwendung in der Herstellung von Methylamin. Weiterhin wird es eingesetzt in der Leder-, Tuch-, und Papierindustrie sowie als Vulkanisationsbeschleuniger für synthetischen Kautschuk.[6]

Biologische Bedeutung

Die Kristalle sind brennbar. Beim Verbrennen bilden sich toxische Dämpfe (Stickoxide). Der Stoff reagiert mit Säuren und starken Oxidationsmitteln.

Der Stoff wird inhalativ aufgenommen und reizt die Haut bzw. Augen. Eine Einwirkung von Acetamid ist an Rötungen und Schmerzen zu erkennen. Bei Tierversuchen traten Geburtsschäden auf und es besteht der Verdacht, dass Acetamid beim Menschen krebserzeugend ist.

Acetamid als Mineral

Acetamid konnte 1974 als natürliches Bildungsprodukt auf in der Kohlegrube bei Tscherwonohrad in der Ukraine gefunden werden. Es wurde daher von der International Mineralogical Association (IMA) als eigenständiges Mineral anerkannt (interne Register-Nr. IMA1974-039). Diese führt es gemäß der Systematik der Minerale nach Strunz (9. Auflage) als Salz organischer Säuren in der Mineralklasse der „Organischen Verbindungen“ unter der System-Nr. „10.AA.20“[7] (8. Auflage: IX/D.01-20). Die Einstufung als Salz organischer Säuren entspricht allerdings nicht der chemischen Zusammensetzung, da Acetamid chemisch kein Salz, sondern ein ungeladenes Molekül ist. Die im englischsprachigen Raum ebenfalls geläufige Systematik der Minerale nach Dana führt das Mineral unter der System-Nr. „50.04.07.01“.

Acetamid kristallisiert im trigonalen Kristallsystem mit der kristallchemischen Zusammensetzung CH3CONH2[1], hat eine Mohshärte von 1 bis 1,5 und entwickelt überwiegend farblose, prismatische Kristalle bis etwa fünf Millimeter Länge und glas- bis fettglänzenden Oberflächen, aber auch Stalaktiten und körnige Mineral-Aggregate.

Acetamid bildet sich bei einer Temperatur zwischen 50° und 150° in ammoniakreichen Bereichen brennender Kohlehalden (Kohlebrand). Aufgrund seiner Flüchtigkeit und Löslichkeit ist das Mineral nicht beständig und kann daher nur bei trockenem Wetter gefunden werden. [8]

Bisher ist nur die Typlokalität Tscherwonohrad als Fundort für Acetamid bekannt.[9]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 717.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 Eintrag zu Acetamid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 23. Dezember 2012 (JavaScript erforderlich).
  3. 3,0 3,1 Eintrag aus der CLP-Verordnung zu CAS-Nr. 60-35-5 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. 5,0 5,1 5,2 Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online – Version 3.11. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2011.
  6. Brockhaus ABC Chemie, VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig 1965, S. 144.
  7. IMA/CNMNC List of Mineral Names – Acetamide (englisch, PDF 1,8 MB; S. 1).
  8. Acetamid. In: Handbook of Mineralogy.
  9. Mindat - Acetamide (englisch).

Literatur

  • B.I. Srebrodol'skii: Acetamide - a new mineral. In: Zapiski Vserossiyskogo Mineralogicheskogo Obshchestva. (1975): 104(3), S. 326–328; In: American Mineralogist. (1976): 61, S. 338.
  • M. Windholz, S. Budavari, R.F. Blumetti, E.S. Otterbein (Hrsg.): The Merck Index. 10. Auflage. Merck & Co., Rahway (NJ, USA) 1983.
  • B.I. Srebrodol'skii: Phases of mineral formation on spoil heaps of coal mines. Doklady Acad. Nauk SSSR: 290 (1986): 1730174.
  • Frederic Senti, David Harker: "The Crystal Structure of Rhombohedral Acetamide", in: J. Am. Chem. Soc., 1940, 62 (8), S. 2008–2019; doi:10.1021/ja01865a029.
  • W. A. Denne, R. W. H. Small: "A Refinement of the Structure of Rhombohedral Acetamide", in: Acta Crystallographica, 1971, B27, S. 1094–1098; doi:10.1107/S0567740871003583.