Steinkohlenteer
Steinkohlenteer (als Arzneimittel Pix lithanthracis) ist ein Nebenprodukt der Koksgewinnung aus Steinkohle. Die zähflüssige schwarze Masse, die einen charakteristischen Geruch verströmt, wird aus den in der Kokerei anfallenden Gasen gewonnen. Steinkohlenteer besteht aus mehreren tausend, meist aromatischen, Verbindungen, u. a. Kohlenwasserstoffen, stickstoffhaltigen Basen und Phenolen.
Geschichte
Seit der Entdeckung durch Johann Rudolph Glauber im Jahre 1658 hat sich die Kohleentgasung bei der Steinkohlenverkokung zu einem wichtigen technischen Prozess entwickelt. Steinkohlenteer war zunächst ein Abfallprodukt bei der Leuchtgasherstellung, fand dann aber im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Synthese organischer Farbstoffe aus dessen Inhaltsstoffen ein besonderes Interesse. Wissenschaftler wie Friedlieb Ferdinand Runge, August Wilhelm Hofmann und William Henry Perkin legten hierbei die Grundlagen für die Teerfarbenindustrie, die mit Namen wie Farbwerke von Meister, Lucius und Brüning in Höchst, Farbenfabrik von Fr. Bayer & Co. in Elberfeld und Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen verbunden war.
Herstellung
Erhitzt man Steinkohle unter Ausschluss von Luft in geschlossenen Gefäßen auf 650 bis 800 °C, zersetzt sich die Kohle in folgende Produkte:
Steinkohlenteer fällt als Nebenprodukt bei der Verkokung von Kohle an. Das Hauptprodukt Koks wird in großen Mengen für die Herstellung von Eisen durch Verhüttung von Eisenerzen benötigt. Ca. 50 % des eingesetzten Teers wird als Teerpech gewonnen, das ursprünglich vor allem im Straßenbau Verwendung fand. Heute ist das Pech das Hauptprodukt und findet hauptsächlich als Bindemittel für Anoden in der Aluminiumherstellung Verwendung.
Verwendung
Steinkohlenteer wird unter anderem als Holzschutzmittel (z. B. für Eisenbahnschwellen) und für Dachpappe verwendet. Er war früher Ausgangsmaterial für die Herstellung verschiedenster chemischer Substanzen, unter anderem Teerfarbstoffe und Carbolineum. Phenol und Phenolderivate wie Kresole und Xylenole werden zu großen Teilen auch heute noch aus Steinkohlenteer gewonnen.
Gereinigte Extrakte aus Steinkohlenteer können für die Behandlung von Schuppenflechte (z. B. Psoriasis vulgaris), chronischen Ekzemen und bei Neurodermitis eingesetzt werden, sind aber in Deutschland wegen ihrer karzinogenen Eigenschaften als Inhaltsstoff in Kosmetika verboten; dieses Verbot gilt nicht für Rezepturen auf ärztliche Verschreibung. Da sich Steinkohlenteer wegen seiner hohen Viskosität schlecht verarbeiten lässt, verwendet man eine nach DAC als „Liquor Carbonis detergens“ bezeichnete 20%ige Lösung von Steinkohlenteer in Seifenspiritus. Steinkohlenteer hemmt den Juckreiz (Antipruriginosum) und wirkt wegen seiner Inhaltsstoffe, wie Kresolen bakterizid, fungizid und insektizid.
Aus dem im Steinkohlenteer enthaltenen Pech lässt sich durch thermische Behandlung ein synthetisches Graphit erhalten, das als Elektrodenmaterial zur elektrochemischen Gewinnung von Aluminium, zur Gewinnung von Elektrostahl, bei der Chloralkali-Elektrolyse und für Kohlenstofffasern Verwendung findet.
Destillation
Aus Steinkohlenteer werden neben Phenolen, Naphthalin und Alkylnaphthaline, Biphenyl, Anthracen, Phenanthren, Fluoren, Pyren, Dibenzofuran, Dibenzothiophen, Chinolin, Indol und Carbazole gewonnen. Die Auftrennung erfolgt durch fraktionierte Destillation (zum Teil durch Vakuumdestillation) mit nachfolgender Kristallisation und Extraktion, dabei werden unterschiedliche Fraktionen gewonnen:
- Leichtöl (Benzol)
- Carbolöl (Phenole)
- Naphthalinöl (Naphthalin)
- Indolöl (Indol)
- Acenaphthenöl (Acenaphthen)
- Anthracenöl (Anthracen)
- Pyrenöl (Pyren)
- Pech
Gefahren
Steinkohlenteer enthält verschiedenste Substanzen, von denen einige giftig, Krebs erzeugend oder umweltschädlich sind. Aus diesen Gründen wurde die Verwendung durch die Teerölverordnung stark eingeschränkt.
Siehe auch
Literatur
Gerd Collin, Maximilian Zander: Aspekte moderner Steinkohlenteerchemie, Chemie in unserer Zeit, 17. Jahrg. 1983, Nr. 6, S. 181-189, ISSN 0009-2851
Weblinks
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